LG Münster, Urteil vom 26.06.2013, Az. 026 O 76/12
§ 3 UWG
Das LG Münster hat entschieden, dass jemand, der zu Unrecht wegen eines nicht gegebenen Wettbewerbsverstoßes abgemahnt wurde, nicht vorprozessual zur Aufklärung dieses Sachverhaltes beitragen muss. Solche vertraglichen Verpflichtungen könnten nur bei einem tatsächlichen Verstoß entstehen. Eine Ausnahme könne lediglich gegeben sein, wenn der Abgemahnte selbst den Anschein eines Verstoßes gesetzt habe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Münster
Urteil
Das Versäumnisurteil vom 06.02.2013 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis; die übrigen Kosten trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein nach § 8 Abs. 3 Ziffer 2 UWG rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen.
Der Beklagte verkaufte über die Internetplattformen „www.B.de“ und www.N.de im dortigen Privatbereich und unter Angabe einer Handynummer im September und Oktober 2012 dreizehn gebrauchte Fahrzeuge; auf die Druckansichten der Verkaufsangebote – Anlagen K 1/1 – K1/13 wird Bezug genommen. Der Beklagte war Inhaber der unter den angegebenen Plattformen angegebenen Handynummer; bereits zuvor hatte er einen im Jahre 2011 abgemeldeten KFZ- Handel betrieben.
Die Klägerin mahnte den Beklagten unter Hinweis auf dessen – von ihr angenommener – gewerbliche Verkaufstätigkeit mit Schreiben vom 08.10.2012 und 22.10.2012 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte reagierte nicht.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2012 erhob die Klägerin Klage und nahm den Beklagten auf Unterlassung, Feststellung einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung sowie Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.
Im Termin vom 06.02.2013 erging antragsgemäß Versäumnisurteil; auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen das am 09.02.2013 (Samstag) zugestellte Versäumnisurteil legte der Beklagte mit am 25.02.2013 eingegangenen Schriftsatz Einspruch ein. Insoweit führte er aus, dass er zwar in den Jahren 2003 – 2007 und 2009 -2011 jeweils selbstständig einen Fahrzeughandel betrieben habe, nunmehr aber in Vollzeit abhängig beschäftigt sei. Bei den in Rede stehenden Fahrzeugen habe es sich entweder um seine eigenen Privatfahrzeuge gehandelt oder er habe Fahrzeuge für seine Eltern bzw. Freunde verkauft. Auf die Einspruchsschrift vom 25.02.2013 nebst Anlagen wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 12.04.20134 hat die Klägerin daraufhin die Klage geändert. Sie ist der Ansicht, den Beklagten habe im vorliegenden Fall eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des nicht gewerblichen Verkaufs der Fahrzeuge getroffen; hätte er den wahren Sachverhalt vorprozessual dargelegt, wäre die Klage nicht erhoben worden.
Sie beantragt nunmehr,
das Versäumnisurteil vom 06.02.2014 abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits zu ersetzen.
Der Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil vom 06.02.2013 aufzuheben und Klage abzuweisen.
Er stimmt der Änderung der Klaganträge nicht zu und hält in der Sache eine Aufklärungspflicht des zu Unrecht Abgemahnten für nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil vom 06.02.2013 war nach dem rechtzeitigen Einspruch des Beklagten vom 25.02.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zwar hat der Beklagte der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 12.04.2013 erklärten Klagänderung nicht zugestimmt; das Gericht erachtet diese indessen als sachdienlich und mithin zulässig; § 263 ZPO.
In der Sache hat diese jedoch keinen Erfolg; der Beklagte ist nicht verpflichtet, Schadensersatz in Form von nutzlos aufgewandten Prozesskosten der Klägerin und mithin die Kosten des vorliegenden Rechtsstreits zu tragen.
Der Beklagte, der als Privatperson durch den Verkauf der Fahrzeuge eine Art „Sammelauflösung“ vorgenommen hat, ist von der Klägerin unstreitig zu Unrecht abgemahnt worden. Auch die Klägerin verkennt nicht, dass den zu Unrecht Abgemahnten grundsätzlich keine vorprozessuale Aufklärungspflicht trifft, da derartige Pflichten sich nur durch einen begründeten Wettbewerbsverstoß und ein durch die Abmahnung konkretisiertes Schuldverhältnis ergeben ( vgl. Köhler-Bornkamm, 30. Aufl., § 12 Rdn. 1.63 m.w.N.). Sie hält im vorliegenden Fall dennoch eine Aufklärungspflicht für gegeben: Der Beklagte den Anschein eines Wettbewerbsverstoßes erweckt; immerhin habe es sich bei den Verkaufsangeboten um die Handynummer des Beklagten gehandelt, auch habe er nicht nur auf die erste Abmahnung, sondern auch auf das Erinnerungsschreiben vom 22.10.2012 nicht reagiert.
Der Auffassung der Klägerin vermag das Gericht nicht zu folgen. Bereits in der Entscheidung vom 01.12.1994 – I ZR 139/92 – hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass eine Aufklärungspflicht des zu Unrecht Abgemahnten grundsätzlich nicht besteht. Ein Ausnahmefall, in denen der Abgemahnte den Anschein eines Verstoßes gesetzt hat und der unter den Voraussetzungen des § 826 BGB zu prüfen wäre ( vgl. Köhler-Bornkamm, a.a.O. ), ist nicht vorgetragen und liegt ersichtlich nicht vor. Auch eine ausnahmsweise Haftung unter dem Gesichtspunkt wettbewerbsrechtlicher Störung ist zu verneinen. Als wettbewerbsrechtlicher Störer haftet derjenige, der in irgendeiner Weise willentlich oder adäquat-kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt (BGH, Urt. v. 01.12.1994 – I ZR 139/092 -, Juris Randziffer 22). Bei dem hier streitgegenständlichen Privatverkauf fehlt es insoweit bereits an der wettbewerbsrechtlich rechtswidrigen Beeinträchtigung. Sonstige Ausnahmetatbestände, die eine Aufklärungspflicht rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Weder reicht die Angabe der Handynummer in den Verkaufsannoncen (was hätte der Beklagte als Privatverkäufer sonst tun sollen?), noch kann die Annahme eines früher betriebenen KFZ-Handels anspruchsbegründend wirken. Auch durfte der Beklagte auf das Erinnerungsschreiben der Klägerin ebenso schweigen wie auf die vorherige Abmahnung. Würde man der Ansicht der Klägerin folgen, würde jedweder Anschein eines wettbewerbswidrigen Handelns – der denklogisch ja vorhanden sein muss um erst eine Abmahnung zu initiieren – die unverzügliche Pflicht zur Darlegung des tatsächlichen Sachverhaltes auslösen und damit eine umfassende Aufklärungspflicht statuieren. Gerade dies dürfte dogmatisch kaum zu begründen sein und ist demzufolge vom Bundesgerichtshof klar verneint worden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 344, 709 ZPO.