LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 20.08.2014, Az. 3 O 1565/14
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
Das LG Nürnberg-Fürth hat entschieden, dass derjenige, der ein Buch mit dem Titel „You & Me“ vertreibt, nicht die für Druckereierzeugnisse geschützte Marke „You & Me“ verletzt, da der Buchtitel nicht markenmäßig benutzt werde. Dem Verfahren wurde ein für markenrechtliche Angelegenheiten eher geringer Streitwert von 37.500,00 EUR zu Grunde gelegt. Zum Volltext der Entscheidung:
Landgericht Nürnberg-Fürth
Endurteil
In dem Rechtsstreit
…
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth – 3. Zivilkammer – durch … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2014 folgendes Endurteil:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 37.500,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um markenrechtliche Unterlassungsansprüche.
Der Kläger ist Inhaber der deutschen Wort-Bildmarke „You & Me“ 30 2009 021405, Anmeldetag 08.04.2009, die u.a. für Druckereierzeugnisse und Fotografien eingetragen ist (Anlage K 3). Auf diese Marke stützt der Kläger vorrangig seine streitgegenständlichen Ansprüche.
Der Kläger ist darüber hinaus Inhaber der Wortmarke 30 2009 059519 „You & Me“, Anmeldetag 08.10.2009, die u.a. für Druckereierzeugnisse und Fotografien eingetragen ist (Anlage K 4). Hinsichtlich dieser Marke ist ein Löschungsverfahren anhängig. Die Marke befindet sich noch in der Benutzungsschonfrist.
Schließlich ist der Kläger noch Inhaber der deutschen Wort-Bildmarke Nr. 30360708 „You & Me“, Anmeldetag 19.11.2003 die u.a. für Druckereierzeugnisse und Fotografien eingetragen ist (Anlage K 2).
Die Beklagte betreibt die Website „www. … .de“. Auf dieser Website wurde ein Posterbuch DIN A 4 mit dem Titel „You & Me“ von Nani Corina im Format DIN A 4 beworben (BI. 3 d.A.).
Am 03.01.2014 mahnte der Kläger die Beklagte ab (Anlage K 5).
Am 08., 15. und 25.02.2014 wurde dieses Posterbuch noch im Format DIN A 2 angeboten (Anlage K7).
Am 31.01.2014 erließ die Kammer in dieser Angelegenheit unter dem Az. 3 0 672/14 eine einstweilige Verfügung (Anlage K 1). Den Streitwert setzte sie auf 25.000,00 EUR fest.
Der Kläger trägt vor, dass er seine Marken benutze und legt dafür Benutzungsunterlagen (Anlagenkonvolut K 21) vor. Die Beklagte sei Täterin, da sie selbst die auf ihrer Homepage angebotenen Bücher zum Verkauf einstelle. Die streitgegenständliche Verletzungshandlung stelle eine markenmäßige Benutzung dar.
Der Kläger beantragt:
Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, untersagt, die Bezeichnung „You & Me“ im geschäftlichen Verkehr für Posterbücher zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, wie geschehen auf der Homepage „www. … .de“ und wie nachstehend eingeblendet:
[Abbildung]
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Die Beklagte meint, dass die streitgegenständliche Verletzungsform eine nicht § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfallende Titelbenutzung darstelle. Nach Erhalt der Abmahnung habe sie Filter eingebaut, um die abgemahnten Verstöße zu verhindern.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht zu, weil die streitgegenständliche Verletzungsform keine markenmäßige Benutzung darstellt.
1.
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung setzt die rechtsverletzende Benutzung einer geschützten Marke als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die markenmäßige Benutzung des angegriffenen Zeichens voraus. Der EuGH (GRUR 2010, 445 – Google und Google France) prüft dieses Merkmal zweistufig, nämlich, ob dieses Zeichen überhaupt zur Unterscheidung von Waren/Dienstleistungen aus einem Unternehmen eingesetzt wird und ob dessen Benutzung durch einen Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte. Zu diesen Funktionen gehört insbesondere die Hauptfunktion, die Herkunft der Waren/Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Beurteilung der markenmäßigen Benutzung ist eine Rechtsfrage, die jedoch weitgehend davon abhängt, wie die angesprochenen Verkehrskreise die konkrete Art der Zeichenverwendung verstehen.
Die Verwendung als Werktitel gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG kommt als markenmäßige Benutzung immer dann in Betracht, wenn der Titel nicht nur – wie im Regelfall – zur Unterscheidung des Werkes von anderen Werken dient, sondern vom Verkehr als Hinweis auf die betriebliche Herkunft eines Produkts verstanden wird. Eindeutig inhaltsbeschreibende und damit allenfalls werkidentifizierende, nicht aber herkunftshinweisende Titel stellen daher keine markenmäßige Benutzung dar. Bei Buchtiteln wird ein Herkunftshinweis meist fernliegend sein, da sie regelmäßig nicht als Hinweis auf einem bestimmten Verlag verstanden werden, während dies bei periodisch erscheinenden Werken durchaus naheliegend ist (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage 2010, § 14 Rn. 166-169).
Das OLG Nürnberg führte mit Urteil vom 14.08.2007 (Az. 3 U 212/07) zur markenmäßigen Benutzung des Titels „Tony Hawk’s American Wasteland“ für ein Videospiel Folgendes aus:
„Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass Werktitel grundsätzlich nicht ohne weiteres markenmäßig verwendet werden, da sie typischerweise nur der Unterscheidung eines Werkes von einem anderen Werk dienen (…). Eine markenmäßige Verwendung liegt bei Werktiteln daher nur dann vor, wenn besondere Umstände auf die betriebliche Herkunft des Werkes hindeuten, etwa wenn es sich um einen bekannten Titel einer regelmäßig erscheinenden periodischen Druckschrift oder um eine besonders bekannte Sendung im Fernsehen handelt (…). Derartige besondere Umstände sind vorliegend in Bezug auf den Werktitel des Hauptantrags „Tony Hawks American Wasteland“ nicht ersichtlich. Eine besondere Bekanntheit dieses Titels für das erst seit Ende 2005 vertriebene Computerspiel ist nicht näher dargetan. Es handelt sich auch nicht um ein regelmäßig erscheinendes Computerspiel oder gar um eine fortlaufende Serie.“
Im Urteil vom 09.06.2011 (GRUR-RR 2011, 466) beschäftigte sich das OLG München mit dem Musicaltitel „Moulin Rouge Story“ und führte dazu aus:
„Werktitel dienen grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werks von anderen, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werks und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu enthalten. Ausnahmen gelten für Titel periodisch erscheinender Werke wie Titel von Zeitschriften oder Fernsehserien; derartige Serien- bzw. Reihentitel vermitteln regelmäßig die Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft. Titel von Einzelwerken vermitteln eine derartige Vorstellung hingegen regelmäßig nicht. Verfügt ein Werktitel nicht über eine entsprechende Herkunftsfunktion, wird eine Marke regelmäßig durch die Benutzung eines ähnlichen oder identischen Werktitels nicht verletzt. Nach diesen Grundsätzen stellt die Benutzung des Zeichens „Moulin Rouge Story“ als Titel eines Musicals keine markenmäßige Benutzung dar. Es handelt sich nicht um den Titel eines periodisch erscheinenden Werks, sondern um den Titel eines einzelnen Musicals. Für eine durch diesen Titel ausnahmsweise vermittelte Vorstellung einer bestimmten betrieblichen Herkunft bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Der Titel „Moulin Rouge Story“ weist beschreibende Anklänge im Hinblick auf den Inhalt des so betitelten Musicals auf. Auch wenn dem Durchschnittsverbraucher die Bezeichnung Moulin Rouge als Bezeichnung eines seit Jahrzehnten in Paris ansässigen Etablissements bekannt ist, wird er den Musicaltitel „Moulin Rouge Story“ als Inhaltsbeschreibung und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieses Musicals bzw. der damit verbundenen Dienstleistungen, insbesondere nicht als Hinweis auf die Herkunft aus dem Betrieb des heutigen Pariser Cabarets (Varietes) Moulin Rouge verstehen. Die vorstehenden Feststellungen zum Verkehrsverständnis kann der Senat selbst treffen. Da die Mitglieder des Senats zu den angesprochenen Kreisen gehören, die als potenzielle Besucher von Musicals in Betracht kommen, und durch die ständige Befassung mit Kennzeichenstreitsachen besondere Sachkunde bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses besitzen, haben sie das im Streitfall erforderliche Erfahrungswissen.“
Mit dem Buchtitel „Was … alles kann!“ beschäftigte sich das OLG Hamburg im Urteil vom 22.04.2004 (Az. 3 U 115/03) und führte dazu Folgendes aus:
„Die Antragsgegnerin hat die Marke der Antragstellerin als Werktitel benutzt und nicht zur Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft des mit dem Titel versehenen Buches. Der Titel „Was B alles kann!“ dient hier aus der allein maßgeblichen Sicht des Verkehrs nur zur Unterscheidung des Werks von anderen Büchern und weist überdies beschreibend auf den Inhalt des Werkes hin, ordnet aber keinesfalls die Herkunft des Buches einer bestimmten betrieblichen Herkunftsstätte zu. Der durchschnittlich verständige und informierte Verbraucher wird bei situationsadäquater Aufmerksamkeit in der Aufmachung des Buches mit dem konkret beanstandeten Titels durchaus erkennen, dass ihm mit dem Titel – wie stets bei Buchtiteln – nur die Möglichkeit gegeben werden soll, das Buch von anderen Büchern unterscheiden zu können und dass ihm mittels des Titels weiter Hinweise zu dem Inhalt des Werks gegeben werden sollen. Aus der bildlichen Gegenüberstellung der menschlichen Hand mit der offenbar in den Gelenken beweglichen künstlichen Hand und den weiteren auf dem Titelblatt befindlichen Angaben „Blind sehen, gehörlos hören …“ wird sich dem Interessenten unschwer erschließen, dass sich das Werk zu den Möglichkeiten der Bio-Elektronik verhalten wird. Dieser Erfahrungssatz entspricht gesicherten Erkenntnissen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach denen einem Werktitel in aller Regel nur Unterscheidungsfunktion im Hinblick auf die Abgrenzung zu einem anderen Werk zuzumessen ist.“
2.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an eine markenmäßige Benutzung stellt, nicht gegeben. Vielmehr bezeichnet der Titel „You & Me“ des streitgegenständlichen Posterbuches von Corina Nani nur den Inhalt dieses Buches. Dies ergibt sich zum einen aus dem Untertitel „Meine Vision eines verliebten Paares“ als auch aus der Buchbeschreibung, die besagt, dass es in dem Buch um eine grafische Meditation über ein verliebtes Paar geht. Mit der Bezeichnung „You & Me“ wird damit für den verständigen Durchschnittsverbraucher das verliebte Paar („Du und ich“), somit der Inhalt des Buches, beschrieben. Dies kann die Kammer, die auch zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört, aus eigener Sachkunde beurteilen.
Die von der Rechtsprechung aufgestellten Sondervoraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein Werktitel auf die betriebliche Herkunft hindeuten kann, liegen nicht vor: Die streitgegenständliche Bezeichnung ist kein bekannter Titel einer regelmäßig erscheinenden periodischen Druckschrift. Die Klagemarke ist auch keine bekannte Marke, bei der – auch in Form eines Werktitels auf einem Posterbuch – die angesprochenen Verkehrskreise sofort eine Assoziation zum Kläger als Markeninhaber herstellen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
Auf die Entscheidung hingewiesen und obsiegender Weise an ihr mitgewirkt hat RA Tobias Strömer, Düsseldorf.