OLG Brandenburg: Keine Reduzierung der Vertragsstrafe bei Aufgabe des Geschäftsbetriebs

veröffentlicht am 4. Januar 2023

OLG Brandenburg, Urteil vom 20.04.2021, Az. 6 U 72/19
§ 315 Abs. 3 S.1 BGB

Das OLG Brandenburg hat entschieden, dass die für einen wiederholten Wettbewerbsverstoß festgesetzte Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 EUR billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 S. 1 BGB entspricht, wenn der Unterlassungsschuldner fortgesetzt für die Ausführung wesentlicher Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks wirbt, ohne in die Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen zu sein. Für die Bestimmung, was als angemessene Vertragsstrafe anzusehen sei, seien Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Ausmaß der Wiederholungsgefahr, das Verschulden des Verletzers und ggf. die Funktion der Vertragsstrafe als pauschalierter Schadensersatz entscheidend. Danach sei im Streitfall zu berücksichtigen, dass der von dem Kläger festgesetzte Betrag der Vertragsstrafe bereits niedriger liegt als der im Lauterkeitsrecht für durchschnittliche Verstöße als üblich angesehene Betrag von Höhe von 5.001 EUR, obwohl der inkriminierte Verstoß, auch infolge der Verbreitung der Werbung über das Internet, nicht als minderschwerer Fall qualifiziert werden könne. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus der Kürze des Werbeauftritts mit dem Hinweis, die Internetseite werde überarbeitet, was auf eine gewisse Vorläufigkeit des Werbeauftritts schließen lasse. Das Vorbringen des Beklagten, er unterhalte zwischenzeitlich gar keinen nennenswerten Geschäftsbetrieb mehr, könne ebenfalls nicht zu einer Reduzierung der Vertragsstrafe führen. Nähere Umstände seien nicht dargelegt, insbesondere sei nicht mitgeteilt, ob sich die Aussage – was allein maßgebend wäre – auf den Zeitpunkt der Verletzungshandlung beziehe. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Brandenburg

Urteil

Die Berufung des Beklagten gegen das am 29.04.2019 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) – Az. 12 O 282/17 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert im Berufungsrechtszug wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 EUR aus einer Unterlassungserklärung vom 15.07.2016 in Anspruch. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes im Berufungsurteil wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.
Die nach §§ 517 ff. ZPO zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten als Betreiber des Internetauftritts www. … .de zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000 € verurteilt (§§ 339 Satz 2, 315 Abs. 2 und 3 BGB).

Der Beklagte ist durch die seitens des Klägers angenommene Unterlassungserklärung vom 15.07.2016 verpflichtet, es zu unterlassen, für die Ausführung wesentlicher Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks zu werben, ohne mit dem Kraftfahrzeugtechnikerhandwerk in die Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen zu sein. Gegen diese Verpflichtung hat der Beklagte mit seinem am 12.01.2017 und unverändert am 19.12.2017 abrufbaren Internetauftritt verstoßen. Aufgrund des schuldhaften Verstoßes ist die nach sog. neuem Hamburger Brauch vereinbarte Vertragsstrafe in der von dem Kläger festzusetzenden Höhe verwirkt. Die vom Kläger vorgenommene Bestimmung der Strafhöhe von 4.000 € ist nicht zu beanstanden, sie entspricht der Billigkeit.

1) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, dass der Beklagte gegen die Unterlassungserklärung vom 15.07.2016 verstoßen hat, indem er – wie unter Anlage K6/7 abgebildet – am 12.01.2017 bzw. 19.12.2017 im Internet eine Website vorgehalten hat (Bl. 45f.), auf der für wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks geworben worden ist, obwohl der Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht mit dem Kraftfahrzeugtechnikerhandwerk in die Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen war.

a) Die Website des Beklagten in der im Internet am 12.01.2017 und 19.12.2017 abrufbaren Form beinhaltet Werbung. Als Werbung werden Äußerungen bei der Ausübung eines Handelsgewerbes, Handwerks oder freien Berufs verstanden, die mit dem Ziel abgegeben werden, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. die Definition in Art. 2 lit. a Richtlinie 2006/114 EG über irreführende und vergleichende Werbung). Das Vorhalten einer Website mit Firmenbezeichnung und Angabe der ausgeführten geschäftlichen Tätigkeiten stellt mithin Werbung dar. Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich vorliegend auch nicht deshalb, weil der Internetauftritt des Beklagten im Wesentlichen aus der Nennung der Firma des Beklagten, den die Leistungen des Beklagten bezeichnenden Begriffen „Benzintuning, Dieseltuning“ sowie dem Hinweis „Wegen Wartungsarbeiten ist diese Website vorübergehend nicht erreichbar“ bestanden hat. Denn auch dieser – verhältnismäßig rudimentäre – Internetauftritt weist jedenfalls auf die geschäftliche Tätigkeit der Firma des Beklagten hin und bezeichnet ihr geschäftliches Angebot, nämlich Tuningtätigkeiten für Kraftfahrzeuge.

b) Entgegen der Ansicht der Berufung fehlt es auch nicht deshalb an einem Verstoß des Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung, weil er in seinem Internetauftritt nicht den Begriff „wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks“ verwendet hat. Der Auffassung des Beklagten, seine Unterlassungsverpflichtung sei auf diesen Ausdruck beschränkt, findet im Wortlaut der Unterlassungserklärung keine Stütze. Vielmehr hat der Beklagte seine Unterlassungsverpflichtung nicht auf einen bestimmten Wortlaut des Internetauftritts bezogen, sondern auf die Werbung für eine bestimmte Tätigkeit. Dies ergibt sich auch aus den zur Auslegung heranzuziehenden Begleitumständen der Verpflichtungserklärung. Der Beklagte hat die Unterlassungserklärung in Reaktion auf das Abmahnschreiben des Klägers vom 02.06.2016 (Bl. 38) abgegeben. Mit diesem Schreiben hatte der Kläger einen Verstoß des Beklagten gegen die Handwerksordnung gerügt und dazu ausgeführt, die vom Beklagten angebotenen, in der damaligen Fassung der Website umfangreich beschriebenen Leistungen des Motortunings stellten handwerkliche Arbeiten dar, die wesentlich für das Kraftfahrzeugtechnikerhandwerk seien; die Werbung dafür sei mangels Eintragung in die Handwerksrolle unlauter. Die daraufhin abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung bezieht sich ersichtlich auf Werbung für Leistungen, die der Sache nach “wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks“ darstellen und nicht lediglich auf eine Werbung unter Verwendung der Worte “wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks“.

c) Zutreffend ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass der Beklagte mit dem Internetauftritt, wie in Anlage K6/7 abgebildet, inhaltlich für wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks geworben hat.

aa) Die von dem Beklagten auf der Website seiner Firma im räumlichen Zusammenhang mit deren Bezeichnung verwendeten Begriffe „Chiptuning“, „Benzintuning“ und „Dieseltuning“ weisen darauf hin, dass die von ihm geführte Firma diese Arbeiten anbietet und zwar, indem sie leistungssteigernde oder verändernde Eingriffe in die Kfz-Motorsteuerung durch den Einbau oder die Veränderung elektronischer Steuerungen in Kraftfahrzeugen vornimmt. Es kann nicht der Auffassung des Beklagten gefolgt werden, der maßgebliche Verkehrskreis verstehe die Begriffe „Benzintuning“ und „Dieseltuning“ ausschließlich als reklamehafte Übertreibung, da jedem sofort klar sei, dass Benzin und Diesel als Kraftstoff nicht getunt werden könnten. Dies kann der Senat selbst beurteilen, weil dessen Mitglieder als Autofahrer zu dem maßgeblichen Verkehrskreis der – im Lauterkeitsrecht maßgeblichen – verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbraucher zählen. Diesem Verkehrskreis ist der Begriff des „Tunings“ geläufig in dem Zusammenhang mit Tätigkeiten zur Verbesserung der Leistung von Motoren, die oft in Kurzform nach dem von ihnen verwendeten Kraftstoff bezeichnet werden. Mit der Verwendung „Dieseltuning“ oder „Benzintuning“ wird nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont mithin nicht suggeriert, dass die Leistung des betreffenden Kraftstoffes verbessert werde, sondern diejenige eines Motors, der den jeweils genannten Kraftstoff verwendet.

bb) Für die Auslegung des Begriffs „wesentliche Tätigkeiten“ hat das Landgericht auf das der Handwerksordnung zugrundeliegende Verständnis zurückgegriffen. Das ist nicht zu beanstanden, weil sich aus dem der Unterlassungserklärung vorgehenden Abmahnschreiben des Klägers ergibt, dass der Kläger dem Beklagten gerade einen unlauteren Verstoß gegen die Handwerksordnung vorgehalten hat.

(1) Der Begriff der wesentlichen Tätigkeit dient in der Handwerksordnung zur Abgrenzung zulassungspflichtiger von zulassungsfreien Gewerben. Nach § 1 Abs. 2 HandwO ist ein Betrieb zulassungspflichtig, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt ist oder wenn Tätigkeiten ausgeübt werden, die für das Gewerbe wesentlich sind. Ob eine Tätigkeit wesentlich ist, muss nach qualitativen und fachlichen Kriterien anhand des tatsächlichen wirtschaftlichen Gesamtbilds der betreffenden handwerklichen Tätigkeit ermittelt werden. Ausgehend von der nach Maßgabe der einschlägigen Verordnungen über die Berufsbilder und Prüfungsanordnungen vorzunehmenden Zuordnung der jeweiligen Tätigkeit zu einem Vollhandwerk ist maßgeblich, ob die Tätigkeit grundsätzlich in den Kernbereich eines Handwerks der Anlage A gehört, mithin dem Handwerk sein essentielles Gepräge verleiht oder ob sie aus der Sicht des vollhandwerklich arbeitenden Betriebs als bloß untergeordneter, nur den Randbereich des betreffenden Handwerks berührender Arbeitsvorgang erscheint (Leisner, Handwerksordnung, 2016, § 1 Rn 39ff.). Dabei ist vor allem auf den Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Tätigkeit abzustellen, auf die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten. Entsprechend grenzen die Regelbeispiele in § 1 Abs. 2 Satz 2 HandwO einfache, kurzfristig erlernbare Tätigkeiten, die wegen geringen Schwierigkeitsgrades keiner qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten bedürfen, um einwandfrei ausgeübt werden zu können, und nebensächliche (nicht in die jeweilige Ausbildungsordnung aufgenommene) sowie die nicht aus einem Handwerk entstandenen Arbeitsvorgänge von den wesentlichen Tätigkeiten ab.

(2) Zur Frage, ob die angebotenen Leistungen „Chiptuning, Dieseltuning und Benzintuning“ wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks darstellen, hat das Landgericht gemäß Beweisbeschluss vom 18.05.2018 (Bl. 156) eine amtliche Auskunft der IHK … vom 23.08.2018 eingeholt (Bl. 179). Diese gelangt zu dem Ergebnis, dass die in im Rahmen des „Chiptunings“ zu erbringenden Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks umfassen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Begriff „Chiptuning“ beziehe sich zunächst auf leistungsverändernde Eingriffe in die Motor- und Fahrzeugsteuerung bzw. auf eine direkte Software-Veränderung in der Motorsteuerung mit dem Ziel der Veränderung der Fahreigenschaften. Dadurch werde Einfluss genommen auf die vom Herstellerchip festgelegten Daten (Kennfelder) zu einzelnen Fahrparametern, wie etwa Ansauglufttemperatur und -menge, Motordrehzahl und Gaspedalstellung, aus denen sich die Einspritzmenge, der Zünd- und Einspritzzeitpunkt, der Ladedruck, die Drehzahl und die Abgas-Rückführrate errechneten. Entsprechende Software-Veränderungen könnten durch einen Austausch des Steuergerätes über einen Diagnosestecker im Fahrzeuginnenraum erfolgen („On-Board-Diagnose“, OBD). Diese Änderung der Software sei nicht als wesentliche Tätigkeit i.S.d. § 1 HandwO anzusehen. Die Fähigkeiten, Fehlerspeicher am Kfz auszulesen oder mit Diagnosesoftware der Hersteller über den Diagnosestecker im Fahrzeuginnenraum das Motorsteuergerät ansprechen zu können, stellten insgesamt zwar wichtige Grundlagen für die berufliche Tätigkeit eines Kraftfahrzeugtechnikers dar, könnten aber – gemessen an ihrer Berücksichtigung in den einschlägigen Ausbildungsvorschriften – nicht als berufsspezifisch wesentliche Tätigkeiten angesehen werden. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass sich die Ausbildungsvorschriften an der Einstellung der Steuergeräte nach den Herstellervorgaben orientierten und nicht auf die gezielte Abweichung hiervon gerichtet seien. Allgemein sei das Programmieren elektronischer Steuergeräte nicht nur handwerklichen Berufen vorbehalten.

Allerdings seien mit dem eigentlichen Tuning vor- und nachbereitende Tätigkeiten verbunden, so dass vor dem Eingriff erwogen werden müsse, wie sich welche Änderungen in Kennfeldern und Einstellungen konkret und auf Dauer auswirkten, wie ungewollte sekundäre und/oder mittelbare Auswirkungen auf das Leistungs- und Fahrverhalten sowie die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeugs verhindert würden und welche Auswirkungen auf die Zulassung oder Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs bestehen könnten. Nach dem Chiptuning müsse überprüft werden, ob die verfolgten Ziele erreicht worden seien und welche Änderungen sich im tatsächlichen Leistungsverhalten des Fahrzeugs (Fahr-, Abgas- oder Geräuschverhalten) ergeben hätten. Insbesondere müssten alle Auswirkungen auf Antrieb, Getriebe oder Bremsanlage überprüft und ggf. auch auf einem Prüfstand nachgemessen werden. Zu dieser ganzheitlichen Einschätzung und Überprüfung der Auswirkungen des Eingriffs in die Motorsteuerung seien umfassende Fachkenntnisse in der Kfz-Technik und im Kfz-Zulassungsrecht vorauszusetzen. Nahezu der gesamte Umfang des in der Mechatroniker-Ausbildung vermittelten Fachwissens und der technischen Fähigkeiten sei dafür erforderlich. Insofern beinhalte auch der Begriff „Chiptuning“ selbst wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks.

Der Senat tritt dem sorgfältig begründeten Ergebnis dieser amtlichen Auskunft bei; auch die Berufung zeigt nicht auf, dass insoweit andere Feststellungen zu treffen seien.

d) Soweit der Beklagte ausführt, der inkriminierte Internetauftritt verstoße nach Maßgabe dieser Kriterien gleichwohl nicht gegen die Unterlassungsverpflichtung, greift sein Einwand nicht durch. Er macht geltend, die in dem Internetauftritt verwendeten Begriffe „Dieseltuning“ und „Benzintuning“ ließen nicht erkennen, dass er die in der Auskunft der IHK beschriebenen – die Qualifizierung als Handwerk begründenden – vor- und nachbereitenden Tätigkeiten vollständig erbringe, seine Werbung könne nach der Sichtweise der maßgeblichen Verkehrskreises auch dahin verstanden werden, dass er lediglich Steuergeräte zum Selbsteinbau anbiete. Zudem habe er seine Geschäftstätigkeit nach der Abmahnung maßgeblich eingeschränkt und führe nicht mehr sämtliche Tuningarbeiten aus.

Dieser Sichtweise ist nicht zu folgen. Die werbliche Aussage des Beklagten ist als eine an Dritte gerichtete Erklärung so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen muss. Für den durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Rezipienten der Internetseite bietet der Internetauftritt des Beklagten in der Fassung der Anlage K6/7 keinen Anlass anzunehmen, dass er Tuning-Maßnahmen nicht selbst bzw. nicht oder nicht mehr vollständig erbringe. Vielmehr ist die Werbung mit den Begriffen „Chiptuning“,„Dieseltuning“ und „Benzintuning“ nach dem objektivierten Empfängerhorizont dahin auszulegen, dass sie sich erstreckt auf das Angebot sämtlicher bei fachgerechter Ausführung zu erbringenden Tätigkeiten und damit auch auf die als für das Kraftfahrzeugtechnikerhandwerk wesentlichen Vor- und Nacharbeiten. Da sich die Unterlassungsverpflichtung auf die Werbung des Beklagten und nicht auf die von ihm tatsächlich vorgenommenen Arbeiten bezieht, kommt es auch nicht darauf an, ob die von ihm als Tuning vorgenommenen Tätigkeiten sich tatsächlich – nicht fachgerecht – auf den bloßen Einbau einer Steuerbox in den Motorraum oder auf das Angebot zum Kauf einer solchen Box beschränken oder nach der Erstabmahnung vom 02.06.2016 entsprechend reduziert worden sind.

e) Im Ergebnis ist mit dem Landgericht ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung anzunehmen, weil der Beklagte für wesentliche Tätigkeiten des Kraftfahrzeugtechnikerhandwerks geworben hat, obwohl er – unstreitig – nicht mit dem Kraftfahrzeugtechnikerhandwerk in der Handwerksrolle der zuständigen Handwerkskammer eingetragen war.

3) Das Verschulden des Beklagten wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB), die Verschuldensvermutung hat der Beklagte nicht widerlegt.

4) Der Beklagte hat deshalb die dem Kläger für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprochene Vertragsstrafe verwirkt.

5) Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte gegen die Höhe der dem Kläger zuerkannten Vertragsstrafe von 4.000 €.

a) Der Bemessung der Vertragsstrafe auf 4.000 € steht insbesondere § 13a Abs. 2 und 3 UWG in der ab dem 02.12.2020 geltenden Fassung (n.F.) nicht entgegen. Danach dürfen Vertragsstrafen eine Höhe von 1.000 € nicht überschreiten, wenn die Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchen, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt und wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Ob bereits infolge der hier angegriffenen werbenden Tätigkeit über das Internet eine unerhebliche Beeinträchtigung in diesem Sinne ausscheidet (so wohl OLG Koblenz, Urteil vom 06.12.2020 – 9 U 595/20, juris Rn 158), kann dahinstehen. Denn § 13a UWG n.F. kommt auf den vorliegenden Fall von vornherein nicht zur Anwendung, weil § 15a UWG n.F. den Anwendungsbereich der Vorschrift auf solche Abmahnungen beschränkt, die ab dem 02.12.2020 zugegangen sind. Die streitgegenständlichen Schreiben des Klägers datieren allerdings bereits aus dem Jahr 2017.

b) Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass die vom Kläger auf 4.000 € bemessene Vertragsstrafe billigem Ermessen entspricht (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Hat wie im Streitfall der Unterlassungsgläubiger nach der abgegebenen Unterlassungserklärung das Recht, im Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Höhe der Vertragsstrafe nach seinem billigen Ermessen festzusetzen, so ist die vom Gläubiger getroffene Bestimmung der Strafhöhe nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2015 – 4 U 191/14, juris Rn. 34, 35; OLG Celle, Beschluss vom 23.11.2020 – 13 U 56/29, juris Rn 2). Dem Bestimmungsberechtigten steht allerdings ein Ermessensspielraum zu, die Bestimmung ist dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB gezogene Billigkeitsgrenze überschritten ist, nicht dagegen schon dann, wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Celle a.a.O. jeweils m.w.N.). Anderes ergibt sich nicht aus § 13a Abs. 4 UWG n.F., denn diese Vorschrift betrifft die Angemessenheitskontrolle betragsmäßig fixierter (absoluter) Vertragsstrafen (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 39. Auflage, § 13a UWG Rn 11; Seichter, jurisPK-UWG, 5. Aufl., § 13a UWG Rn 10.) Im Falle des sog. Hamburger Brauchs führt die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts zur Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 2 BGB bzw. § 319 Abs. 1 BGB. Die Bestimmung der Vertragsstrafe auf 4.000 € ist nicht unbillig.

Für die Bestimmung, was als angemessene Vertragsstrafe anzusehen ist, sind Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Ausmaß der Wiederholungsgefahr, das Verschulden des Verletzers und ggf. die Funktion der Vertragsstrafe als pauschalierter Schadensersatz entscheidend (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1993 – I ZR 54/91 Vertragstrafenbemessung, juris Rn 20). Danach ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass der von dem Kläger festgesetzte Betrag der Vertragsstrafe bereits niedriger liegt als der im Lauterkeitsrecht für durchschnittliche Verstöße als üblich angesehene Betrag von Höhe von 5.001 €, obwohl der inkriminierte Verstoß, auch infolge der Verbreitung der Werbung über das Internet, nicht als minderschwerer Fall qualifiziert werden kann. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Kürze des Werbeauftritts mit dem Hinweis, die Internetseite werde überarbeitet, was auf eine gewisse Vorläufigkeit des Werbeauftritts schließen lässt. Das Vorbringen des Beklagten, er unterhalte zwischenzeitlich gar keinen nennenswerten Geschäftsbetrieb mehr, kann ebenfalls nicht zu einer Reduzierung der Vertragsstrafe führen. Nähere Umstände sind nicht dargelegt, insbesondere ist nicht mitgeteilt, ob sich die Aussage – was allein maßgebend wäre – auf den Zeitpunkt der Verletzungshandlung bezieht. Dies unterstellt, kann der Beklagte mit dem erstmals in zweiter Instanz erfolgten Tatsachenvorbringen, welches der Kläger bestritten hat, nicht durchdringen. Der Beklagte hat einen Grund, der gemäß § 531 Abs. 2 ZPO die Zulassung des neuen Verteidigungsmittels im Berufungsrechtszug rechtfertigen könnte, entgegen § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO nicht vorgebracht.

6) Der Schriftsatz des Beklagten vom 15.04.2021 gab zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass, § 156 ZPO.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 2 GKG.

I