OLG Celle, Beschluss vom 04.12.2012, Az. 2 U 154/12
§ 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB
Das OLG Celle hat entschieden, dass für den Versand von lebenden Bäumen keine der gesetzlichen Ausnahmen zutrifft, die das Widerrufsrecht eines privaten Käufers für diese Ware ausschließen würden. Insbesondere handele es sich nicht um „verderbliche Ware“. Lebende Bäume seien keine Waren, die nach Ablauf einer bestimmten kurzen Zeit nicht mehr zu gebrauchen seien, sondern seien gerade dazu bestimmt, nach dem Versand zu jahrelangem Bestehen eingepflanzt zu werden. Eine unsachgemäße Behandlung durch den Käufer nach Erhalt der Ware, die zum Verderb führe, sei für die Ausnahme vom Widerrufsrecht nicht zu berücksichtigen. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Celle
(Hinweis-) Beschluss
1.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 25.09.2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Verden durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, bis zum 21.11.2012 Stellung zu nehmen und ggf. ihre Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
2.
Der Senat beabsichtigt weiter, den Gebührenstreitwert in Abänderung des Streitwertbeschlusses des Landgerichts vom 28.11.2011 für die erste Instanz und für die Berufungsinstanz auf bis zu 1.200,00 EUR festzusetzen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu bis zum 21.12.2012 vorzutragen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S.1 ZPO, unter denen der Senat die Berufung der Beklagten nach pflichtgemäßem Ermessen im schriftlichen Verfahren durch Beschluss zurückzuweisen hat, dürften vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung ist auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich Gegenteiliges zeigt die Berufung der Beklagten auch nicht auf.
Die Berufung der Beklagten bietet auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg:
1.
Soweit die Beklagte mit der Berufung geltend macht, das Landgericht habe verkannt, das unstreitig sei, dass ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Inhalt des Vertrages geworden seien, trifft dies nicht zu. Die Klägerin hatte derartiges schriftsätzlich in erster Instanz keineswegs vorgetragen, die für den Senat nach § 314 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts geben für die Behauptung der Beklagten nichts her. Die Beklagte hat in erster Instanz zwar die Rechtsansicht vertreten, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien Vertragsbestandteil geworden. Tatsachenvortrag hat die Beklagte hierzu indes nicht gehalten. In erster Instanz fehlte jeder Vortrag dazu, wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vertragsbestandteil geworden sein sollen. Auch in der Berufungsinstanz trägt die Beklagte hierzu nichts vor. Die offensichtlich von der Beklagten vertretene Ansicht, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien Vertragsbestandteil geworden, weil sie dem Angebot vom 14. November 2010 beigefügt waren, trifft nicht zu. Nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Verwender den Vertragspartner bei Vertragsschluss ausdrücklich auf sie hinweist. Dass sie dies bei der telefonischen Bestellung am 16. November 2010 getan hat, hat die Beklagte weder in erster Instanz noch in der Berufungsinstanz behauptet. Lässt sich die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in den Vertrag nicht feststellen, kann die Beklagte hieraus keine Rechte oder Einwendungen herleiten.
Darüber hinaus hat die Beklagte in erster Instanz den Vortrag der Klägerin nicht bestritten, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten keinen Hinweis auf das gesetzliche Widerrufsrecht enthalten und auch keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Daraus folgte, dass unstreitig war, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ein Widerrufsrecht vorsehen, wenn dies auch unwirksam war. Sahen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber ein Widerrufsrecht vor, kam es auf die Frage, ob das gesetzliche Widerrufsrecht wohlmöglich ausgeschlossen war, nicht an. Wären die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Vertragsbestandteil geworden, wäre nach dem unstreitigen Vortrag erster Instanz davon auszugehen, dass ein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht der Klägerin bestand.
Es war überdies nicht Sache des Landgerichts, die Beklagte zur Vorlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzufordern. Es hätte vielmehr der Beklagten in erster Instanz auch ungefragt oblegen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzulegen.
Danach kommt es nicht darauf an, dass, was sich aus den nunmehr mit der Berufungsbegründung erstmals vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt, der in Nr. 17 vorgesehene Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Verstoßes gegen § 312 i BGB unwirksam wäre, weil zum Nachteil des Verbrauchers von der Regelung des § 312 d Abs. 4 Satz 1 BGB abgewichen wird. Entgegen der Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat der Gesetzgeber nämlich keineswegs das Rückgaberecht bei lebenden Pflanzen ausgeschlossen.
2.
Mit Recht hat das Landgericht gemeint, dass das wegen der telefonischen Bestellung der Bäume bestehende gesetzliche Widerrufsrecht nicht nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist. Bei den übersandten Bäumen handelt es sich nicht um verderbliche Waren in diesem Sinne.
Schnell verderben können Waren dann, wenn nach ihrem Transport und ihrer Verweildauer beim Verbraucher ein verhältnismäßig erheblicher Teil ihrer Gesamtlebensdauer abgelaufen wäre, wie das etwa häufig bei Lebensmitteln und regelmäßig bei Schnittblumen der Fall sein dürfte (vgl. LG Potsdam BeckRS 2011, 04960; MüKo/Wendehorst, 6. Aufl., § 312 d Rdnr. 30). Entscheidend für die Verderblichkeit ist also, dass es sich um Waren handelt, die sich in absehbarer Zeit nach der Versendung aufgrund eines unumkehrbaren natürlichen Vorgangs so verschlechtern, dass ein bestimmungsgemäßer Gebrauch nicht mehr möglich ist bzw. das Haltbarkeitsdatum verstrichen ist. In der Literatur wird der Zeitraum bis zum Verderb der Waren mit ca. 6 Wochen diskutiert (vgl. Staudinger/Thüsing, BGB, Neubearbeitung 2013, § 312 d Rdnr. 55 m. w. N.).
Danach sind lebende Bäume keine schnell verderblichen Waren. Lebende Bäume werden gekauft und hierfür versandt, damit sie eingepflanzt werden und viele Jahre und Jahrzehnte wachsen und gedeihen. Lebende Bäume sind keine Waren, die nach Ablauf einer bestimmten kurzen Zeit nicht mehr zu gebrauchen sind. Der Verkauf erfolgt gerade, damit der Käufer diese Bäume nach dem Einpflanzen viele Jahre nutzen kann. Der Verkauf lebender Bäume betrifft also ein nach allgemeiner Vorstellung besonders langlebiges Produkt und damit kein schnell verderbliches Produkt.
Der Umstand, dass die Klägerin die Bäume nach Erhalt nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, eingepflanzt hat und die Bäume nach der Behauptung der Beklagten deshalb abgestorben sind, führt nicht dazu, dass die Bäume als schnell verderbliche Waren angesehen werden müssten. Lebende Bäume werden nicht dadurch zu schnell verderblichen Waren, weil der Käufer die Kaufsache nicht bestimmungsgemäß behandelt und nach der Lieferung nicht einpflanzt, so dass die Bäume absterben. Die Gefahr, dass der Käufer die Kaufsache nicht bestimmungsgemäß behandelt, liegt praktisch jeder Sache inne. Beispielsweise kann der Käufer eines Autos dieses unmittelbar nach Lieferung vor eine Wand fahren, der Käufer von Stoff kann diesen in Brand setzen. Nach dem ersichtlichen Willen des Gesetzgebers sollte es sich in solchen Fällen aber nicht um den Kauf schnell verderblicher Waren handeln.
Die Frage, ob die Klägerin der Beklagten im Rahmen der Rückabwicklung der beiderseitigen Leistungen auf Zahlung von Wertersatz gemäß §§ 357 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 346 Abs. 2 und 3 BGB haftet, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Belang. Denn die Beklagte hat mit einem solchen Anspruch weder die Aufrechnung erklärt noch einen solchen Anspruch widerklagend geltend gemacht. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit der Geltendmachung eines solchen Anspruchs im Verfahren nach § 522 ZPO nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr wird gehört werden können.
II.
Der Streitwert dürfte für beide Instanzen auf bis zu 1.200 € festzusetzen sein. Bei ihrer Angabe für den Streitwert des Feststellungsantrags in der Klageschrift mit 5.110 € dürfte die Klägerin übersehen haben, dass die Beklagte der Klägerin bereits mit Schreiben vom 17. Juni 2011 mitgeteilt hat, dass keine weiteren Lagerkosten anfallen werden, da die Bäume nicht mehr angewachsen seien. Das Interesse der Klägerin, festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, der Beklagten Kosten für die Einlagerung zu zahlen, war daher bis zum 17. Juni 2011 begrenzt. Dem Streitwert für den Feststellungsantrag können daher auch nur die Einlagerungskosten bis zum 17. Juni 2011 zu Grunde gelegt werden.