OLG Celle: Zur Reisekostenerstattung bei auswärtigen Terminen / Rechtsanwalt muss bei auswärtigen Angelegenheiten nicht zur Nachtzeit (21:00 Uhr und 6:00 Uhr) aufbrechen

veröffentlicht am 21. Januar 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Celle, Beschluss vom 16.01.2009, Az. 2 W 15/09
§ 91 ZPO § 104 ZPO, § 758 a Abs. 4 S. 2 ZP,
§ 91 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 JVEG, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JVEG, § 5 Abs. 1 JVEG

Das OLG Celle hat entschieden, dass es einer Partei (Rechtsanwalt) grundsätzlich nicht zugemutet werden kann, die in einer Rechtssache notwendig werdende Reise zur Nachtzeit zu beginnen. Außerdem dürfe ein Rechtsanwalt bei einer 4-stündigen Anreise zu einem Gerichtstermin per Bahn die 1. Wagenklasse benutzen. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Celle

Beschluss

In der Beschwerdesache

N. Gabelstapler Service GmbH, …

Beklagte und Beschwerdeführerin,

gegen

T. Deutschland GmbH …

Klägerin und Beschwerdegegnerin,

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch … als Einzelrichter am 16.01.2009 beschlossen:

Die am 05.12.2008 beim Landgericht Hannover eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten vom 04.12.2008 gegen den am 28.11.2008 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 24.11.2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 300,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die gemäß § 11 Abs. 2 RpflG i. V. m. den §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.

Die Rechtspflegerin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover hat die erstattungsfähigen Reisekosten bei der Kostenfestsetzung zutreffend mit einem Betrag in Höhe von insgesamt 517,00 EUR in Ansatz gebracht. Die gegen diese Berechnung vorgebrachten Einwendungen der Beklagten gehen fehl.

Auch im Hinblick auf das dem § 91 ZPO zu Grunde liegende Gebot einer sparsamen bzw. ökonomischen Prozessführung (vgl. MüKo/Giebel, ZPO, 3. Auflage, § 91 Rdz. 38) ist die Höhe der in Ansatz gebrachten (fiktiven) Reisekosten nicht zu beanstanden.

Bei der Ermittlung der zu erstattenden Reisekosten ist zwar eine Vergleichsberechnung durchzuführen und die Kosten der Anreise per Kfz mit den Kosten bei einer Anreise per Bahn zu vergleichen. Hierbei sind aber jedenfalls für den Fall einer Anreise über eine lange Strecke (hier: M. nach H. mit einer Reisezeit von über 4 Stunden) die Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn zu Grunde zu legen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als auch der jeweiligen Prozesspartei gem. § 91 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 i. V. m. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 JVEG Reisekosten bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn zu erstatten sind (vgl. Senat, Beschluss vom 15.11.2007, Az.: 2 W 12/08). Da die Kosten für die Anreise per Bahn (1. Wagenklasse) höher sind, als die unter Zugrundelegung der Kilometerpauschale sich ergebenden Kosten bei Anreise mit einem Pkw, hat die Rechtspflegerin zutreffend auf letztere Kosten abgestellt.

Die Rechtspflegerin hat bei der Ermittlung der fiktiven Reisekosten auch zu Recht Übernachtungskosten in Höhe von 100 EUR in Ansatz gebracht. Übernachtungskosten sind als notwendig im Sinne von § 91 ZPO anzusehen, wenn die Reise ansonsten zu einem unzumutbar frühen Zeitpunkt angetreten hätte werden müssen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rz. 13 „Reisekosten“). Der Senat folgt insoweit der überzeugenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe in seinem Beschluss vom 24. Juli 2003 (NJWRR 2003, 1654 f, zitiert nach Juris Rdz. 5), wonach es einer Partei grundsätzlich nicht zugemutet werden kann, die in einer Rechtssache notwendig werdende Reise zur Nachtzeit zu beginnen. Dabei ist als Nachtzeit in Anlehnung an § 758 a Abs. 4 Satz 2 ZPO die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 6:00 Uhr morgens anzusehen (OLG Karlsruhe, a. a. O.). Da schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagen der in Betracht kommende Zug um 5:17 Uhr den Bahnhof in M. verlassen hätte und somit die Nachtzeit betroffen war, waren in die Berechnung auch (fiktive) Übernachtungskosten einzustellen.

Die Höhe der Übernachtungskosten begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Selbst bei Zugrundelegung einer mittleren Preiskategorie ist ein Übernachtungspreis in der Großstadt H., die vor allem Ort zahlreicher Messen ist, nicht unangemessen. Unter Berücksichtigung eines Tagegelds gem. Nr. 7005 VVRVG (für zwei Tage) hat die Rechtspflegerin die fiktiven Reisekosten daher richtigerweise mit einem Betrag von 519 EUR in Ansatz gebracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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