OLG Dresden: Gütesiegel, welches lediglich auf Eigenauskünften des ausgezeichneten Unternehmens beruht, ist irreführend

veröffentlicht am 30. Juli 2012

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Dresden, Urteil vom 03.07.2012, Az. 14 U 167/12
§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 3 UWG, § 3 UWG, § 5 Abs. 1 UWG

Das OLG Dresden hat auf eine Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) entschieden, dass auf Internetportalen ein Gütesiegel mit der Aufschrift „Empfohlen – … .de – Ausgabe 2011“ nicht geführt werden darf, wenn der verleihende Verein dieses Siegel nur auf Grund von Selbstauskünften des ausgezeichneten Unternehmens vergibt, ohne eine Prüfung nach objektiven Kriterien durchzuführen. Gegenüber dem Verbraucher werde der Eindruck erweckt, das Siegel sei nach einer sachgerechten Prüfung durch eine neutrale Instanz verliehen worden. Durch diese Irreführung könne auch seine Kaufentscheidung beeinflusst werden, da er solchen vermeintlich objektiven Kriterien ein größeres Vertrauen entgegen bringe. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Dresden

Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen unlauteren Wettbewerbs

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2012 für Recht erkannt:

I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig … wie folgt abgeändert:

1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwider­handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unter­lassen,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen für ihre Dienstleistungen mit einem Sie­gel wie nachfolgend abgebildet zu werben bzw. werben zu lassen:

[Abbildung]

2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 EUR zu zahlen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gebührenstreitwert im Berufungsverfahren: 15.000,00 EUR.

Gründe

I.
Der Kläger hält die Verwendung des in Ziffer 1.1. des Tenors abgebildeten Siegels auf ver­schiedenen von der Beklagten betriebenen Internetportalen zu Werbezwecken für irreführend nach §§ 3,5 UWG und macht daher einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend.

Das Landgericht hat im angegriffenen Urteil vom 18.01.2012 die Klage insgesamt, also auch bezüglich der eingeklagten Abmahnkosten i.H.v. 200,00 EUR, abgewiesen, da das Siegel nicht geeignet sei, den Verkehr insbesondere über die geschäftlichen Verhältnisse der Beklagten in die Irre zu führen. Der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher, an den sich die Werbung mit dem Siegel richte, verstehe den Inhalt des Siegels als subjektiv geprägte Empfehlung und nehme nicht an, dass sie auf Test- oder Prüfverfahren mit objektivierbaren Kriterien beruhe. Auf die Entscheidungsgründe und die tatsächlichen Feststellungen im land­gerichtlichen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge unter Vertiefung seines bisherigen Vortra­ges weiter. Die Beklagte zahle an die hinter dem im Siegel genannten Verein stehende „… UG“ nicht nur eine Aufwandsentschädigung, sondern erkaufe sich das Recht, das Siegel zu führen. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast habe sie den tatsächlich für die Erteilung des Siegels zu zahlenden Betrag offen zu legen. Gerade im vorliegenden Fall rechne der Verkehr nicht mit einer Entgeltzahlung an eine hinter der Verbraucherorganisation stehenden gewerblichen Organisation. Zudem vermute ein nicht unerheblicher Teil der Um­worbenen, dass die Empfehlungen einer Verbraucherschutzorganisation auf einem Prüfver­fahren nach objektiven Kriterien und nicht nur auf nicht überprüften Selbstauskünften beruhten. Auch hier habe die Beklagte entgegen der sie treffenden sekundären Darlegungslast die Prü­fungskriterien der Empfehlung nicht offen gelegt.

Der Kläger beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte wie hier unter Ziff. I. tenoriert zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt unter Verteidigung des landgerichtlichen Urteils und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die im Berufungsverfahren gewechsel­ten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 12.06.2012 verwiesen.

II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Ihm steht der geltend gemachte Unterlas­sungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1,3 Nr. 3, 3, 5 Abs. 1 UWG und damit nach der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu.

1.
Die Werbung der Beklagten unter Verwendung des beanstandeten Gütesiegels – als solches ist die „Empfehlung“ schon rein optisch gestaltet – ist irreführend i.S.v. § 5 Abs.1 UWG.

a)
Die Werbung mit dem Gütesiegel auf verschiedenen Internetportalen der Beklagten, wie sie mit der Anlage K 2 vorgelegt wurde, richtet sich, wie das Landgericht zutreffend feststellt, an das allgemeine Publikum. Für die Frage, ob die Werbung zur Irreführung geeignet ist, kommt es daher auf das Verständnis des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers an, der der Werbung die der Situation angemessene Auf­merksamkeit entgegenbringt (vgl. nur Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rn. 2.87). Für die Mtglieder des Senats, die zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, steht außer Frage, dass das verwendete Siegel in seinem Gesamteindruck geeignet ist, den – unzutreffenden – Eindruck zu vermitteln, die ausgesprochene Empfehlung be­ruhe auf einer objektiven Bewertungsmethode.

b)
Äußerungen Dritter in der Werbung wirken regelmäßig objektiv und werden daher nicht nur ernst genommen, sondern im Allgemeinen höher bewertet als die eigenen Äu­ßerungen des Werbenden (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 2.163). Wird die Empfehlung eines Dritten noch dazu, wie hier, in Form eines Siegels dargestellt, entsteht zusätzlich der Eindruck, das Siegel sei nach einer sachgerechten Prüfung durch eine neutrale Instanz verliehen worden (OLG Frankfurt GRUR 1994, 523; Senat, Urteil vom 29.02.2000, 14 U 3716/99, WRP 2000, 1202 [red. Leitsatz]; vgJ. auch LG Stuttgart, WRP 2006, 1156; LG Berlin, WRP 2010,672 f.). Dies gilt erst recht dann, wenn, wie hier, der die Empfehlung aussprechende Dritte sich „…schutz.de“ nennt und sich damit an qualifizierte Einrichtungen i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG anlehnt, denen wegen ihrer Aufgabe, Verbraucherinteressen zu schützen, die Klagebefugnis im Wettbe­werbsprozess zuerkannt wurde, und damit beim Verbraucher gerade den Eindruck er­zeugt, im Sinne dieses Verbraucherschutzes nicht nur objektive, sondern besonders strenge, an den Verbraucherinteressen ausgerichtete Bewertungskriterien für seine Empfehlung anzulegen.

c)
Anders als die Beklagte auf S. 3 ihrer Berufungserwiderung unter Verweis auf die S. 7 bis 9 der Klageerwiderung vom 02.09.2011 behauptet, fehlt es hier gerade an ei­nem objektiven, sachbezogenen Prüfungs- und Vergabeverfahren. Vielmehr räumt die Beklagte selbst ein, dass die Empfehlungen auf Selbstauskünften der jeweiligen Unter­nehmen beruhen, die auch nicht etwa mit fachlicher Kompetenz und Neutralität des Verleihenden überprüft, sondern nur auf ihre „Plausibilität“ hin hinterfragt werden. Er­gänzend kann auf die Ausführungen in dem als Anlage B 2 vorgelegten Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20.12.2011, Az.. 150499/11, verwiesen werden, in welchem überzeugend dargelegt wird, dass die von dem Verein selbst auf seiner Internetseite unter der Rubrik „…“ dargestellten Bewertungs­kriterien einer Prüfung auf Seriosität nicht zugänglich seien und eine Kontrolle, ob die Darlegungen der Unternehmen auch tatsächlich der Realität entsprächen, nicht statt­fände.

2.
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10,713 ZPO.

4.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Vorinstanz:
LG Leipzig, Az. 05 O 1825/11

I