OLG Düsseldorf: Die in Düsseldorf regelmäßig praktizierte Dringlichkeitsfrist von 2 Monaten für einstweilige Verfügungen kann in Einzelfällen auch deutlich kürzer sein

veröffentlicht am 27. Juli 2015

OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2015, Az. I-2 U 8/15
§ 12 Abs. 2 UWG

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass nicht in jedem Fall einer einstweiligen Verfügung von einer Dringlichkeitsfrist von 2 Monaten ausgegangen werden kann. Vorliegend war eine befristete Werbeaktion trotz Kenntsnisnahme während des Aktionszeitraums seitens des Verletzten erst mehr als 6 Wochen nach Aktionsende abgemahnt worden. Damit habe er erkennen lassen, dass die Angelegenheit für ihn nicht eilbedürftig sei. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

I.
Auf die Berufung wird das am 24. Oktober 2014 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert:

Die einstweilige Verfügung vom 12. Juni 2014 wird aufgehoben; der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

II.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens werden der Verfügungsklägerin auferlegt.

III.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 75.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.
Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Landgericht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprochen und den dahingehenden Verfügungsbeschluss im angefochtenen Urteil aufrecht erhalten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat die Verfügungsklägerin mit ihrem Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass sie die Angelegenheit nicht für eilbedürftig hält, und mit diesem Verhalten die aus § 12 Abs. 2 UWG folgende Dringlichkeitsvermutung widerlegt.

1.
Das Landgericht hat seine gegenteilige Auffassung damit begründet, nach der ständigen Rechtsprechung des zur Entscheidung wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten berufenen 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf betrage die Frist zur Überlegung und Vorbereitung eines gerichtlichen Eilverfahrens im Regelfall zwei Monate ab Kenntnisnahme von dem behaupteten Rechtsverstoß. Diese Frist diene gerade auch dazu, ausreichend Gelegenheit zu geben, alle Folgen einer außergerichtlichen Abmahnung und der gerichtlichen Geltendmachung zu überlegen; sie sei im Streitfall eingehalten worden. Dass die angegriffene Werbeaktion zu diesem Zeitpunkt bereits beendet gewesen sei, sei unerheblich, weil wie bei einmaligen Verstößen mit einer Wiederholung, insbesondere auch kerngleicher Handlungen gerechnet werden müsse. Das hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht Stand.

a)
Es trifft zu, dass die Frist zur Überlegung und Vorbereitung eines gerichtlichen Eilverfahrens nach der ständigen Praxis des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Regelfall zwei Monate, gerechnet vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme des angegriffenen Verstoßes an, beträgt. Diese Frist hat nach der genannten Rechtsprechung aus Gründen der Rechtssicherheit einen hohen Stellenwert. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 15. April 2015 ausgeführt wurde, bedeutet das aber nicht, dass diese Frist schematisch und ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände des Einzelfalls anzuwenden ist. In außergewöhnlichen Ausnahmefällen kann die Dringlichkeitsvermutung schon vor Ablauf der Frist widerlegt sein, wenn der Verfügungskläger ohne triftigen Grund über längere Zeit nichts zur Verfolgung seiner Rechte unternommen hat. Innerhalb der Zweimonatsfrist muss der Verfügungskläger über die gesamte Zeit bis zur Einreichung des Verfügungsantrages sinnvoll erscheinende Maßnahmen ergriffen haben, um seine Rechte durchzusetzen.

Dies hat die Verfügungsklägerin im vorliegenden Fall offensichtlich unterlassen. Sie hat unstreitig am 11. April 2014 von der angegriffenen Werbung und der zeitlichen Befristung der beworbenen Aktion bis zum 15. April 2014 Kenntnis erlangt. Dennoch hat sie mit der Abmahnung etwa sieben Wochen nach Ablauf der Veranstaltung gewartet, obwohl es nahegelegen hätte, die angegriffene Werbung möglichst noch vor dem 15. April 2014 gerichtlich untersagen zu lassen. Einen Grund für dieses übermäßig lange Zuwarten hat die Verfügungsklägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 22. April 2015 nicht dargetan, zumal der Fall in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten bereitet und seine rechtliche Bearbeitung auch durchaus innerhalb der Aktionsfrist hätte geleistet und abgeschlossen werden können. Dementsprechend hat die Verfügungsklägerin in ihrer Abmahnung vom 5. Juni 2014 der Verfügungsbeklagten auch nur eine sehr kurze Antwortfrist von nur 4 ½ Tagen gesetzt, in die zudem noch das Pfingstwochenende fiel. Hinzu kommt, dass im Zeitpunkt der Abmahnung und auch der Antragstellung die beworbene Aktion lange abgelaufen war und durch eine gerichtliche Entscheidung ohnehin nicht mehr gestoppt werden konnte. Unter diesen Umständen ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Verfügungsklägerin noch einer Entscheidung im Eilverfahren bedurfte und ein Hauptsacheverfahren zur Verfolgung ihrer Rechte nicht ausgereicht hätte. Das gilt auch für die vom Landgericht in diesem Zusammenhang herangezogene Gefahr weiterer insbesondere auch kerngleicher Verstöße. Auch insoweit ist kein Grund ersichtlich, weshalb nach 7 Wochen Zuwartens noch eine Entscheidung im Eilverfahren notwendig war, zumal in der Zwischenzeit weitere Verstöße nicht vorgekommen waren und auch nicht zu erwarten standen.

b)
Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung der Verfügungsklägerin, sie hätte die beworbene Aktion der Verfügungsbeklagten auch dann nicht mehr vor ihrem Ablauf unterbinden können, wenn sie unmittelbar nach Kenntniserlangung tätig geworden wäre. Unstreitig erlangte die Verfügungsklägerin Kenntnis von der streitgegenständlichen Bewerbung am Freitag, den 11. April 2014. Es wäre ohne Weiteres möglich gewesen, die Verfügungsbeklagte per Telefax noch am selben Tag unter Setzung einer Antwortfrist von wenigen Stunden abzumahnen (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 12 Rdnr. 1.19 und 1.22 jeweils m.w.N.) und nach Fristablauf alsbald den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, dem jedenfalls bei entsprechendem Hinweis auf die besondere Eilbedürftigkeit auch am darauffolgenden Montag, den 14. April 2014, entsprochen worden wäre. Dass es an diesem Tage nicht möglich gewesen wäre, eine Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung zu erhalten und diese der Verfügungsbeklagten im Parteibetrieb zustellen zu lassen, ist dem Vorbringen der Verfügungsklägerin nicht zu entnehmen. Soweit sie in ihrem Schriftsatz vom 22. April 2015 auf die üblichen gerichtlichen Laufzeiten verweist, bezieht sich das offensichtlich nur auf den gewöhnlichen Gang und besagt nichts darüber, dass sie mit einem Hinweis auf eine besondere Eilbedürftigkeit nicht eine deutliche Beschleunigung hätte erreichen können. Erst Recht muss unter diesen Umständen der Hinweis der Verfügungsklägerin darauf versagen, dass ihr tatsächlich die am 11. Juni 2014 per Telefax beantragte einstweilige Verfügung erst am 17. Juni 2014 zugegangen und die Zustellung im Parteibetrieb erst am 20. Juni 2014 erfolgt sei. Auch hier hat die Verfügungsklägerin – insoweit zu Recht – auf keine beschleunigte Vollziehung hingewirkt, weil es schon durch den Ablauf der angegriffenen Werbeaktion keine besondere Eilbedürftigkeit mehr gab. Zum anderen bestätigt der Umstand, dass die gerichtliche Entscheidung tatsächlich einen Tag nach Eingang des Verfügungsantrages erlassen worden ist, dass eine Vollziehung, wäre der Antrag unmittelbar nach Kenntnis des angegriffenen Verhaltens gestellt worden, bei entsprechendem Bemühen durchaus noch vor Ablauf der beworbenen Aktion hätte erfolgen können.

2.
Als unterlegene Partei hat die Verfügungsklägerin nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt, da die Revision nach § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht statthaft ist.

Vorinstanz:
LG Düsseldorf, Az. 38 O 36/14

I