OLG Düsseldorf: Ergänzende Pflichthinweise zur Werbung auch per QR-Code möglich / 2023

veröffentlicht am 13. Juli 2023

QR-Code
OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2023, Az. I-20 U 152/22 – nicht rechtskräftig

§ 8 Abs. 1 UWG, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 5a Abs. 1 UWG, § 5a Abs. 3 UWG, § 5a Abs. 2 UWG a.F.

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass Pflichtinformationen zu einer Werbung (hier: Hinweise zur Erlangung der Klimaneutralität eines Produkts bei einem Hinweis „klimaneutral“) auch per QR-Code auf dem Produkt erteilt werden können. Im vorliegenden Fall erfolge die erforderliche Information erst, wenn der Leser der Anzeige entweder über den QR-Code oder durch Eingabe die genannte Website von „ClimatePartner.com“ aufsuche. Dies reicht indes zur Information der Verbraucher aus. Bei der Beurteilung, so der Senat, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, seien nämlich räumliche Beschränkungen durch das gewählte Kommunikationsmittel zu berücksichtigen. Es sei dem Zeitungsleser zuzumuten, für nähere Informationen eine ohne weiteres abrufbare Website aufzusuchen. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das am 22.06.2022 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve – Az.: 8 O 44/21 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe
A)
1Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

2Mit diesem hat das Landgericht eine Klage des Klägers gegen den beklagten Süßwarenhersteller bezüglich einer Werbung in der X.-Zeitung vom 19.02.2021 abgewiesen, die darauf gerichtet war, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, mit den Aussagen „Seit 2021 produziert Z. alle Produkte klimaneutral.“ und/oder

3

4zu werben, wie im Antrag wiedergegeben, und an den Kläger 374,50 EUR nebst Zinsen an vorgerichtlichen Kosten zu zahlen.

5Der Kläger hält die Werbung für irreführend, weil die angesprochenen Verkehrskreise annehmen würden, der Herstellungsprozess selbst verlaufe emissionsfrei. Tatsächlich werde die Klimaneutralität aber allenfalls durch – von ihm bestrittene – Kompensationszahlungen erreicht. Zumindest der Hinweis darauf, dass Klimaneutralität nur durch solche Kompensationszahlungen erreicht werde, müsse in der Werbung selbst erfolgen.

6Die Beklagte meint, die Werbung richte sich ausschließlich an Fachkreise. Diese wüssten, dass Klimaneutralität lediglich eine bilanzielle Klimaneutralität beinhalte. Im Übrigen würde auf der angegebenen Website umfassend darüber informiert, wie die Klimaneutralität erreicht werde.

7Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Zwar sei die Klage durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform hinreichend bestimmt, jedoch nicht begründet. Die Werbung richte sich ausschließlich an Fachkreise, da nur diese von der X.-Zeitung angesprochen würden. Diese wüssten aber, dass Klimaneutralität auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden könne. Da die Werbung sich nicht an Verbraucher richte, sei sie auch nicht nach § 5a Abs. 2 UWG a.F. unlauter. Ein Verstoß gegen § 5a Abs. 1 a.F. liege nicht vor, weil für das von der Werbung angesprochene Fachpublikum sei der Hinweis auf die Website ausreichend gewesen.

8Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.

9Der Kläger meint, die Klage müsse schon deshalb Erfolg haben, weil er die Kompensation bestritten habe. Jedenfalls richte sich die X.-Zeitung auch an Verbraucher. Gerade dies würden von der Anzeige unter dem Slogan „Z. schmeckt auch unserem Klima“ angesprochen. Dann sei die Werbung aber irrführend. Zumindest müsse unmittelbar in der Werbung darüber aufgeklärt werden, dass die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen erreicht werde.

10Der Kläger beantragt,

11unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kleve vom 22.06.2022, Az.: LG Kleve – 8 O 44/21

12I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen,

13im geschäftlichen Verkehr mit den Aussagen

14„Seit 2021 produziert Z. alle Produkte klimaneutral.“

15und/oder

16

17zu werben und zwar wie nachstehend wiedergegeben:

18

19II. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 374,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

20Die Beklagte beantragt,

21die Berufung zurückzuweisen.

22Sie hält die Klage weiter für unzulässig. Es sei nicht erkennbar, auf die Werbung für welche Produkte sich das Verbot beziehe. Im Übrigen habe das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Soweit der Kläger die tatsächliche Kompensation bestreite, verkenne er die Darlegungs- und Beweislast. Im Übrigen wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

23Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)
24Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg, denn die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

25I.

26Die Klage ist zulässig.

27Die Klagebefugnis des Klägers nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit.

28Der Klageantrag nimmt auf die konkrete Verletzungsform Bezug und ist schon deshalb hinreichend bestimmt.

29II.

30Die Klage ist jedoch unbegründet.

311.

32Der Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 UWG, denn die beanstandete Werbeanzeige in der X.-Zeitung ist nicht irreführend.

33Eine Irreführung nach § 5 UWG liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe in dem angesprochenen Verkehrskreis erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (BGH GRUR 2020, 1226 Rn. 14 – LTE-Geschwindigkeit). Das ist bei der Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ nicht ohne weiteres der Fall. Dieser wird entgegen der Ansicht des Klägers nicht zwingend im Sinne eines gleichsam emissionsfreien Herstellungsprozesses verstanden.

34Abzustellen ist dabei auf das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen durchschnittlich informierten Verbrauchers. Zwar stimmt der Senat mit der Beklagten überein, dass sich die X.-Zeitung ausschließlich an Fachkreise wendet. Diese weisen aber in der Lebensmittelbranche eine derartige „Spannweite“ auf, dass ein vom Durchschnittsverbraucher abweichendes Verständnis  dieser Fachkreise fern liegt.

35Das Verkehrsverständnis können die Mitglieder des Senats damit selbst beurteilen, weil sie ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und hinsichtlich der von der Anzeige angesprochenen Fachkreise kein abweichendes Verständnis zu erwarten ist.

36Der Durchschnittsverbraucher wird den Begriff „klimaneutral“ im Sinne einer ausgeglichenen Bilanz der CO2-Emissionen des Unternehmens verstehen, wobei ihm bekannt ist, dass die Neutralität sowohl durch Vermeidung als auch durch Kompensationsmaßnahmen (z.B. Zertifikatehandel) erreicht werden kann (vgl. OLG Schleswig, GRUR 2022, 1451 Rn. 27 – Klimaneutrale Müllbeutel II; OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 – klimaneutral). Dies schon deshalb, weil dem Verbraucher bekannt ist, dass auch Waren und Dienstleistungen als „klimaneutral“ beworben werden, die nicht emissionsfrei erbracht werden können und bei denen die Klimaneutralität nur durch Kompensationszahlungen möglich ist, etwa Flugreisen.

37In der angegriffenen Werbung wird dieses Verständnis auch gerade durch den Hinweis auf die Website „ClimatePartner.com“ gestützt, weil sich der angesprochene Verkehr die Frage stellen wird, wofür – wenn nicht zur Kompensation – die Kooperation mit einem „Klima-Partner“ erforderlich ist.

38Soweit der Kläger bestreitet, dass die Beklagte tatsächlich ausreichende Kompensationsleistungen erbringt, ist bereits unklar, was der Kläger damit vortragen will: Trägt er vor, dass gar keine Leistungen erbracht werden oder dass diese nicht ausreichen oder zur Kompensation ungeeignet sind? Dabei erfolgt die Behauptung unterbliebener Kompensation, ohne dass der Kläger hierfür Anhaltspunkte vortragen würde. Auch in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Nachfrage des Senats keine derartigen Hinweise vortragen können.

392.

40Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG a.F. bzw. § 5a Abs. 1 UWG n.F.

41Dies gilt allerdings nicht schon deswegen, weil sich die Werbung nicht an Verbraucher richtet, was Voraussetzung für die Anwendung von § 5a Abs. 2 UWG a.F. war.

42Zwar handelt es sich – wie ausgeführt – bei den Lesern der X.-Zeitung um Fachkreise. Dies bedeutet indes nicht, dass sie von der Werbung nur als Unternehmer angesprochen werden. Vielmehr sind die meisten Leser jedenfalls auch Verbraucher und werden nicht nur in ihrer etwaigen Eigenschaft als Händler, sondern auch in der Eigenschaft als Verbraucher von der Werbung angesprochen.

43Fehlt es an einer irreführenden geschäftlichen Handlung i.S.d. § 5 Abs. 1 UWG, weil es an einer irregeleiteten Fehlvorstellung des Verbrauchers fehlt, so kann doch eine Verletzung der Informationspflicht des Werbenden vorliegen, weil dem Verbraucher eine für seine Entscheidung wesentliche Information vorenthalten wird (BGH, GRUR 2020, 1226, 1229 – LTE-Geschwindigkeit).

44Nach § 5a Abs. 2 UWG a.F. und § 5a Abs. 1 UWG n.F. handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Information vorenthält, die er benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Wesentlich ist eine Information nicht schon dann, wenn sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt. Letztendlich bestimmt sich die Wesentlichkeit einer Information also aus einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Falls heraus (BGH GRUR 2016, 1076 Ls. 2 u. Rn. 31 – LGA tested).

45Ist eine Information nach diesem Maßstab wesentlich, muss sie gegeben werden, auch wenn sie keinen der in § 5a Abs. 3 UWG a.F. aufgeführten Umstände betrifft. Die in § 5a Abs. 3 UWG a.F. geregelte Informationsanforderung ist nicht abschließend. Im Einzelfall kann es geboten sein, weitere Umstände mitzuteilen, die für eine Beurteilung der Ware oder Dienstleistung von Bedeutung erscheinen.

46Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Information, auf welche Weise die „Klimaneutralität“ eines beworbenen Produktes erreicht wird, eine wesentliche Information in diesem Sinne.

47Der Klimaschutz ist für Verbraucher ein zunehmend wichtiges, nicht nur die Nachrichten, sondern auch den Alltag bestimmendes Thema. Die Bewerbung eines Unternehmens oder seiner Produkte mit einer vermeintlichen Klimaneutralität kann daher erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben (OLG Frankfurt, GRUR 2023, 177 Rn. 29 – klimaneutral).

48Gerade wenn der Verbraucher – wie dargetan – weiß, dass eine ausgeglichene Klimabilanz auch durch Kompensationszahlungen erreicht werden kann, besteht ein Interesse an einer Aufklärung über grundlegende Umstände der von dem Unternehmen beanspruchten Klimaneutralität. Der Verkehr geht beispielsweise nicht davon aus, dass ein Unternehmen, das sich oder sein Produkt als „klimaneutral“ bezeichnet, allein auf Ausgleichsmaßnahmen Dritter beziehungsweise auf den Kauf von Zertifikaten setzt. Der Zertifikatehandel und andere Kompensationsmöglichkeiten stehen – jedenfalls aus Verbrauchersicht – in dem Verdacht, das betreffende Unternehmen betreibe nur sog. „Greenwashing“, ohne dass der Klimaschutz tatsächlich maßgeblich verbessert. Der Verbraucher hat daher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht wird oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter (wie hier: OLG Frankfurt a.a.O.)

49Die Situation ist vergleichbar mit derjenigen eines Warentests. Auch zur Ermittlung der Klimabilanz gibt es unterschiedliche Kriterien, Herangehensweisen und Bewertungsmaßstäbe, auf deren Kenntnis der Verbraucher zur Bewertung der Angabe „klimaneutral“ angewiesen ist. Im Ergebnis ist daher eine Aufklärung darüber erforderlich, ob die in der Werbung behauptete Klimaneutralität ganz oder teilweise durch Einsparungen bzw. durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Weiter ist eine Aufklärung darüber erforderlich, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanzierung ausgenommen wurden.

50Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Werbung gerecht.

51Zwar erfolgt die erforderliche Information erst, wenn der Leser der Anzeige entweder über den QR-Code oder durch Eingabe die genannte Website von „ClimatePartner.com“ aufsucht. Dies reicht indes zur Information der Verbraucher aus.

52Bei der Beurteilung, ob wesentliche Informationen vorenthalten wurden, sind räumliche Beschränkungen durch das gewählte Kommunikationsmittel zu berücksichtigen, § 5a Abs. 3 UWG.

53Insoweit ist dem Verbraucher nicht allein mit der Angabe „Klimaneutralität wird auch durch Kompensation erreicht“ gedient, weshalb die Information nähere Angaben zu Art und Umfang etwaiger Kompensationsleistungen bedarf, für die in einer Zeitungsanzeige letztlich der Platz fehlt. Wie schon das Landgericht ist der Senat der Ansicht, dass es dem Zeitungsleser zuzumuten ist, für nähere Informationen eine ohne weiteres abrufbare Website aufzusuchen.

54Da unstreitig die Verpackung selber nicht Gegenstand des Verbotsbegehrens ist kommt es nicht darauf an, ob dies auch für einen Verbraucher gilt, dem der Claim auf einer Verpackung in der Kaufsituation entgegen tritt.

553.

56Da danach eine unlautere Handlung schon gegenüber Verbrauchern nicht vorliegt, kommt eine Unlauterkeit nach § 5a Abs. 1 UWG a.F. erst Recht nicht in Betracht.

574.

58Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten.

59III.

60Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

61Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ zulässig ist, stellt sich in einer Vielzahl von Fällen und ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden, so dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen war.

62Streitwert:              25.000,00 € (entsprechend der von den Parteien nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung)

I