OLG Düsseldorf: Fehlende Hinweise und Kennzeichnungen nach dem Produktsicherheitsgesetz begründen Wettbewerbsverstoß

veröffentlicht am 28. Oktober 2014

OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.02.2014, Az. I-20 U 188/13
§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG, § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG; § 1 Abs. 1 ProdSG, § 3 Abs. 1 ProdSG, § 8 Abs. 1 ProdSG; § 1 Abs. 1 Nr. 1 MaschVO, § 3 Abs. 1 und 2 MaschVO

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass das Inverkehrbringen von Staubsaugern ohne Hinweise und Kennzeichnungen nach u.a. dem Produktsicherheitsgesetz (z.B. fehlende Betriebsanleitung, fehlende Warnhinweise, ohne EG-Konformitätserklärung, fehlende Sicherheitshinweise zum Transport u.v.m.) wettbewerbswidrig ist. Die Vorschriften dienen dem Verbraucherschutz und sind deshalb als Marktverhaltensregeln zu bewerten. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil

I.
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 26.07.2013 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr Staubabsaugungen wie die Staubabsaugung „S.“ anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen, wenn diese

a) ohne EG-Konformitätserklärung

und/oder

b) ohne Angabe des Baujahres der Maschine

und/oder

c) ohne EG-Konformitätserklärung oder ein Dokument, welches die EG-Konformitätserklärung inhaltlich wiedergibt und Einzelangaben der Maschine enthält in der Betriebsanleitung,

und/oder

d) ohne allgemeine Beschreibung der Maschine in der Betriebsanleitung

und/oder

e) ohne die für die Verwendung, Wartung und Instandsetzung der Maschine und zur Überprüfung des Funktionierens erforderlichen Schaltpläne, Zeichnungen, Beschreibungen und Erläuterungen in der Betriebsanleitung

und/oder

f) ohne Beschreibung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Maschine in der Betriebsanleitung

und/oder

g) ohne Warnhinweise in Bezug auf Fehlanwendungen der Maschine, zu denen es erfahrungsgemäß kommen kann in der Bedienungsanleitung

und/oder

h) ohne Anleitung zum Anschluss der Maschine nebst Zeichnung und Schaltplan in der Betriebsanleitung

und/oder

i) ohne Installations- und Montagevorschriften zur Verminderung von Lärm und Vibrationen in der Betriebsanleitung

und/oder

j) ohne Hinweise zur Inbetriebnahme und zum Betrieb in der Betriebsanleitung

und/oder

k) ohne Sicherheitshinweise zum Transport, zur Handhabung und zur Lagerung in der Betriebsanleitung

und/oder

l) ohne Angaben über das bei Unfällen und Störungen erforderliche Vorgehen und/oder Angaben über das gefahrlose Lösen einer Blockierung in der Betriebsanleitung

und/oder

m) ohne Angaben zur Luftschallemission der Maschine in der Betriebsanleitung

ausgeliefert werden.

II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Durch dieses hat das Landgericht das Begehren der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, der Antragsgegnerin das Angebot und den Vertrieb der Staubabsaugung „S.“ im geschäftlichen Verkehr ohne Beifügung bestimmter Angaben und Unterlagen zu untersagen, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei dem streitgegenständlichen Gerät handele es sich zwar um eine Maschine im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 MaschVO und nicht nur um ein für den häuslichen Gebrauch bestimmtes Haushaltsgerät nach § 3 Abs. 2 Nr. 11 MaschVO. Die Antragstellerin habe jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin als Herstellerin für die im Verfügungsantrag aufgeführten Angaben nach § 2 Nr. 10, § 3 Abs. 2 MaschVO verantwortlich sei. Die Firma A. habe sich hinsichtlich des streitgegenständlichen Geräts nach § 3 Abs. 2, § 2 Nr. 10, §§ 4 und 5 MaschVO als Hersteller verantwortlich erklärt. Sie habe eine Herstellererklärung abgegeben und erscheine auf dem Gerät in unmittelbarer Nähe zur CE-Kennzeichnung.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung und macht geltend, die Firma A. habe sich nicht ausreichend verantwortlich erklärt. Etwas anderes folge unter anderem auch nicht aus Art. 30 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 765/2008. Zusätzlich zur CE-Kennzeichnung bedürfe es einer EG-Konformitätserklärung, aus der sich ergebe, für welche Harmonisierungsvorschriften eine Verantwortung übernommen werde. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat sie sich zudem auf § 3 Abs. 1 ProdSG berufen.

Die Antragstellerin beantragt,

wie erkannt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht insbesondere geltend, sie habe das streitgegenständliche Gerät auch nicht im Sinne von § 2 Nr. 10 Satz 2 MaschVO in den Verkehr gebracht, sondern es nur von der Firma A. bezogen. Als Händlerin könne ihr nicht zugemutet werden, die Einhaltung der Vorschriften der MaschVO zu überprüfen. Im Hinblick auf die zuletzt in das Verfahren eingeführte Rechtsansicht der Antragstellerin, das Unterlassungsbegehren sei nach § 3 Abs. 1 ProdSG auch gegenüber dem Händler begründet, hat die Antragsgegnerin zudem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die jüngst ergangenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Hamburg zur Frage zu spätem Vortrag neuer Irreführungsgesichtspunkte Bezug genommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch sind zu bejahen.

1.)
Der Antragstellerin steht gegenüber der Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, § 3, § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 ProdSG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 2 MaschVO ein Anspruch darauf zu, dass diese es unterlässt, Staubabsaugungen wie die Staubabsaugung „S.“ zu vertreiben, wenn diesen nicht die im Tenor genannten Informationen beigefügt sind.

Die Vorschriften, die eine bestimmte Kennzeichnung von Produkten vorsehen, dienen durchweg dem Schutz der Verbraucher und stellen somit Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher dar (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 4 Rdnr. 11.118 m.w.N.). Der Anwendung von § 4 Nr. 11 UWG steht auch die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken nicht entgegen, da sie nach ihrem Art. III (vgl. dazu auch Erwägungsgrund 9 der Richtlinie) Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt lässt (vgl. BGH GRUR 2009, 984 (988) – Festbetragsfestsetzung). Dementsprechend ist nach der Richtlinie 2005/29/EG die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG auf Bestimmungen zulässig, die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten in gemeinschaftsrechtskonformer Weise regeln (vgl. BGH GRUR 2013, 945 – Tribenuronmethyl). Die im Tenor aufgeführten Informationen dienen der Gesundheit und Sicherheit des Verbrauchers.

Die streitgegenständliche Staubabsaugung fällt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unter die MaschVO, die ihrerseits als 9. Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz zu den Rechtsverordnungen im Sinne von § 8 ProdSG zählt.

Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 MaschVO sind vor der Inbetriebnahme einer Maschine im Sinne der MaschVO die erforderlichen Informationen, wie eine Betriebsanleitung im Sinne des Anhangs I der Richtlinie 2006/42/EG, zur Verfügung zu stellen. Welche Informationen dies sind, ist unter anderem in Nr. 1.7.4 des Anhangs I niedergelegt. Dass der von der Antragstellerin im Wege des Testkaufs erworbenen Maschine nur die beiden DIN A 4 – Blätter beigefügt waren, wie sie in der Anlage AS 6 in Kopie wiedergegeben sind, ist unstreitig. Es fehlten mithin – wie von der Antragstellerin zutreffend bemängelt und von der Antragsgegnerin inhaltlich nicht in Abrede gestellt – die folgenden, vom Gesetz für erforderlich erachteten Informationen:

a) eine Kennzeichnung im Sinne von Nr. 1.7.3 des Anhangs I durch Anbringung des Baujahres auf der Maschine

b) die Beifügung einer EG-Konformitätserklärung, § 3 Abs. 2 Nr. 5 MaschVO

c) eine Betriebsanleitung unter Beachtung von

aa. Nr. 1.7.4.2 lit. c) durch Wiedergabe der EG-Konformitätserklärung,

bb. Nr. 1.7.4.2 lit. d) durch eine allgemeine Beschreibung der Maschine,

cc. Nr. 1.7.4.2 lit. e) durch die Beifügung von Zeichnungen, Schaltpläne, Beschreibungen und Erläuterungen für die Verwendung, Wartung und Instandsetzung der Maschine sowie der Überprüfung ihres ordnungsgemäßen Funktionierens,

dd) Nr. 1.7.4.2 lit. g) durch Beschreibung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Maschine,

ee) Nr. 1.7.4.2 lit. h) durch Beifügung von Warnhinweisen in Bezug auf Fehlanwendungen der Maschine, zu denen es erfahrungsgemäß kommen kann,

ff) Nr. 1.7.4.2 lit. i) durch Beifügung von Anleitungen zur Montage, zum Aufbau und zum Anschluss der Maschine einschließlich Zeichnungen und Schaltplänen,

gg) Nr. 1.7.4.2 lit. j) durch Beifügung von Installations- und Montagevorschriften zur Verminderung von Lärm und Vibrationen,

hh) Nr. 1.7.4.2 lit. k) durch Hinweise zur Inbetriebnahme und zum Betrieb,

ii) Nr. 1.7.4.2 lit. p) durch Sicherheitshinweise zum Transport, zur Handhabung und zur Lagerung,

jj) Nr. 1.7.4.2 lit. q) durch Angabe des bei Unfällen oder Störungen erforderlichen Vorgehens, auch in Bezug auf Blockierungen

und

kk) Nr. 1.7.4.2 lit. u) durch Angaben zur Schallemission.

Ob die Antragsgegnerin als Händlerin die umfänglichen Pflichten des § 3 Abs. 1 ProdSG oder nur die des § 6 Abs. 5 ProdSG treffen, kann dahinstehen.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ProdSG darf ein Produkt, soweit es einer oder mehrerer Rechtsverordnungen nach § 8 ProdSG unterliegt, nur auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn es die darin vorgesehenen Anforderungen erfüllt. Das war vorliegend nach dem Gesagten nicht der Fall. Die Maschine ist von der Antragsgegnerin entsprechend der Legaldefinition des § 2 Nr. 4 und Nr. 12 ProdSG auf dem Markt bereit gestellt worden.

Nach § 6 Abs. 5 ProdSG hat der Händler dazu beizutragen, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden. Er darf insbesondere kein Verbraucherprodukt auf dem Markt bereitstellen, von dem er weiß oder auf Grund der ihm vorliegenden Informationen oder seiner Erfahrung wissen muss, dass es nicht den Anforderungen nach § 3 entspricht. Dies versteht die Antragsgegnerin als grundsätzliche Einschränkung der Pflichten des § 3 ProdSG zugunsten des Händlers. Aber auch die sie danach treffenden Pflichten hat sie verletzt. Denn die entsprechende Prüfungspflichten beziehen sich auch nach der von ihr im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19.12.2013 zitierten Kommentarliteratur (Wilrich, ProdSG, Ziffer 2.3.4 Rdnr. 217) vor allem auf die formellen Dinge (Kennzeichnungen) und die Instruktionen (Sicherheits- und Warnhinweise), während er für die Konformität an sich nicht verantwortlich gemacht wird. Die streitgegenständliche Maschine war – wie die Lichtbilder Anlage zum Protokoll des Landgerichts vom 26.06.2013 (Bl. 64a + b GA) zeigen – nicht durch Anbringen des Baujahres der Maschine gekennzeichnet. Ihr waren weder eine Konformitätserklärung noch Sicherheit- und Warnhinweise beigefügt. Die Ausführungen unter dem Stichwort „Montageanleitung“ in den beigefügten Unterlagen sind so allgemein gehalten, dass sie als Sicherheits- und Warnhinweise offensichtlich ungeeignet waren. Das hätte der Antragsgegnerin bei Ausführung der ihr auferlegten Prüfungspflicht sofort ins Auge fallen müssen.

Der damit vorliegende Verstoß war geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen und begründet eine Wiederholungsgefahr, die die Antragstellerin als Mitbewerberin der Antragsgegnerin im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG geltend machen kann, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.

Dass die die Verurteilung tragende Rechtsansicht, die Antragsgegnerin sei auch als Händlerin zu der begehrten Unterlassung verpflichtet, so spät, nämlich erstmals mit Schriftsatz vom 26.11.2013 von der Antragstellerin thematisiert worden ist, ist unerheblich. Der der Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt, der zusammen mit dem Antrag den Streitgegenstand bestimmt, war von Anfang an vollständig vorgetragen. Die Anwendung des Rechts auf diesen Sachverhalt ist Aufgabe des Gerichts. Die Entscheidungen OLG Frankfurt GRUR-RR 2013, 302 und OLG Hamburg NJOZ 2013, 1290 führen zu keiner anderen Beurteilung. Die dort entschiedenen Fallkonstellationen sind mit der vorliegenden nicht zu vergleichen. In beiden ging es um Irreführungstatbestände.

2.)
Die in § 12 Abs. 2 UWG normierte Vermutung der Dringlichkeit hat die Antragsgegnerin nicht widerlegt. Die von ihr angestellte Vermutung, die Antragstellerin müsse bereits vor dem Testkauf Kenntnisse gehabt haben, ist in keiner Weise konkretisiert und offensichtlich ins Blaue hinein aufgestellt.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, da dieses Urteil kraft Gesetzes nicht revisibel ist (§ 542 Abs. 2 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz: 25.000,- € (entsprechend der von den Parteien unangegriffenen Festsetzung erster Instanz)

I