OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.09.2009, Az. I-20 U 89/09
§§ 4 Nr. 7, Nr. 8; 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; 8 Abs. 1 UWG, § 34 Abs. 1, 69 c Nr. 3 S. 2 UrhG
Die Antragstellerin griff im vorliegenden Verfahren eine Äußerung der Antragsgegnerin aus deren E-Mail vom 16.12.2008 an, die an einen Kunden der Antragsgegnerin gerichtet war, mit dem auch die Antragstellerin in Verhandlungen stand. Sie lautete: „Hier hat der Gesetzgeber eine klare Richtlinie vorgegeben und die Weitergabe von Software von der Genehmigung durch den Rechteinhaber … abhängig gemacht“. Das OLG Düsseldorf hielt diese (bedingt) falsche Rechtsansicht jedoch nicht für eine falsche Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen (§ 4 Nr. 8 UWG), nicht für eine Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers und auch nicht für eine Irreführung über die rechtlichen Befugnisse der Antragstellerin (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG).
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil
In der Rechtssache
…
gegen
…
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf … durch … für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 22.04.2009 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf geändert und wie folgt neu gefasst:
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 21.01.2009 wird aufgehoben. Der auf ihren Erlass gerichtete Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Beschlussverfügung zu Unrecht bestätigt. Ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin aus § 8 Abs. 1 UWG besteht nicht.
Das beanstandete Verhalten ist nicht gemäß § 4 Nr. 8 UWG unlauter. Die Antragstellerin greift eine Äußerung der Antragsgegnerin aus deren E-Mail vom 16.12.2008 (Anlage AS 4 = Bl. 22 GA) an, die an einen Kunden der Antragsgegnerin gerichtet war, mit dem auch die Antragstellerin in Verhandlungen stand. Dort ist unter der Überschrift „Rechtmäßigkeit der Weitergabe von Software“ in dem angegriffenen Teil ausgeführt:
„Hier hat der Gesetzgeber eine klare Richtlinie vorgegeben und die Weitergabe von Software von der Genehmigung durch den Rechteinhaber … abhängig gemacht“.
Die Äußerung stellt entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Tatsachenbehauptung dar, die § 4 Nr. 8 UWG allein erfasst. Im Ansatz zutreffend beschreibt das Landgericht den Unterschied zwischen einer Meinungsäußerung und einer Tatsachenbehauptung danach, ob die mitgeteilten Umstände dem Beweis zugänglich sind. Das ist bei der angegriffenen Äußerung indes nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um die Mitteilung einer Rechtsansicht zu der Frage, ob die Weitergabe von Software von der Zustimmung des Rechteinhabers abhängt. Ob es eine gesetzliche Regelung gibt, die anwendbar sein könnte, wenn ja welche Konstellationen im einzelnen erfasst werden, ist eine Frage, die bezogen auf einen bestimmten Sachverhalt mit juristischen Methoden beantwortet werden muss; dem Beweis zugänglich ist dies nicht. So geht es im vorliegenden Zusammenhang offenbar um § 34 Abs. 1 UrhG. Nach dessen Satz 1 kann ein Nutzungsrecht nur mit Zustimmung des Urhebers übertragen werden. Die einschränkungslose Bezeichnung dieser Regelung als eine „klare Richtlinie des Gesetzgebers“ mag man nicht teilen, zumal sie hinsichtlich einzelner Vervielfältigungsstücke von Erwägungen zur Erschöpfung überlagert wird, § 69c Nummer 3 Satz 2 UrhG. Das ändert aber nichts daran, dass hier eine Rechtsauffassung zu den Voraussetzungen mitgeteilt wird, unter denen Software weiter gegeben werden kann. Sie ist recht plakativ, pauschal und wenig differenzierend. Auch legt die Bewertung der Regelung als „klare Richtlinie“ nicht nahe, dass es auch Situationen geben könnte, in denen dies – etwa wegen eingetretener Erschöpfung – anders zu beurteilen sein könnte. Dem Beweise zugänglich ist indes auch die Klarheit einer gesetzgeberischen Richtlinie nicht. Es handelt sich vielmehr um die massive Äußerung einer Rechtsansicht als Eröffnungsposition für weitere Verhandlungen.
Die angegriffene Äußerung unterfällt auch nicht § 4 Nr. 7 UWG, wie die Antragstellerin weiter geltend macht. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter, wer die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft. Die geschäftlichen Tätigkeiten der Antragstellerin werden mit der angegriffenen Äußerung nicht herabgesetzt, etwa dadurch, dass – wie von der Antragstellerin geltend gemacht – ihre Absatzmethoden pauschal in unangemessener Weise abgewertet würden. Der Hintergrund der fraglichen E-Mail, also die Vorgespräche zwischen der Antragsgegnerin und ihrem Kunden, die zu der Äußerung geführt haben, kann für deren Verständnis aus der Sicht des Kunden als Erklärungsempfänger nämlich nicht unberücksichtigt bleiben. Die Antragsgegnerin hat den Gang des Geschehens durch die eidesstattliche Versicherung H. vom 12.2.2009 (Anlage AG 3 = Bl. 64 f. GA) glaubhaft gemacht. Danach war vor dem Versand der E-Mail bereits eine Diskussion zwischen der Antragsgegnerin und dem Kunden über die rechtliche Zulässigkeit des Erwerbs „gebrauchter“ Software-Lizenzen in Gang gekommen. Die Antragsgegnerin vertrat die Auffassung, dass ihre Zustimmung erforderlich sei. Das trifft grundsätzlich gemäß § 34 Abs. 1 UrhG auch zu, soweit dies nicht im Einzelfall durch die Bestimmungen zur Erschöpfung überlagert wird. Letzteres hat – soweit ersichtlich – in den Gesprächen keine Rolle gespielt. Es wird auch nicht ganz deutlich, ob körperliche Vervielfältigungsstücke übertragen oder nur Lizenzen für eine Software hinzuerworben werden sollten, die der Kunde bereits besaß. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion sollte nach dem glaubhaft gemachten Vortrag der Antragsgegnerin mit der angegriffenen E-Mail lediglich die Auffassung der Antragsgegnerin zusammengefasst werden, damit der Kunde sie durch seine Rechtsabteilung sowie vielleicht auch von dritter Seite überprüfen lassen konnte. Unter diesen Umständen ist die Äußerung keineswegs als herabsetzend und damit unlauter einzuschätzen. Sie stellt vielmehr – wie bereits ausgeführt – lediglich die etwas pointiert formulierte Rechtsansicht der Antragsgegnerin als eine Art Eröffnungsposition für die weiteren Verhandlungen, insbesondere nach fachkundiger Überprüfung durch die Rechtsabteilung des Kunden, dar, für die die Zusammenfassung der Antragsgegnerin gedacht war. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn ein Schreiben der angegriffenen Art breit und ohne Bezug auf eine vorangegangene konkrete Diskussion unter gemeinsamen Kunden der Parteien gestreut wird, weil dann weitergehende Unsicherheiten geweckt werden könnten, die die Angeschriebenen von einem Erwerb gebrauchter Software Abstand nehmen lassen könnten. Eine derartige Situation steht aber nicht zur Entscheidung an.
Die Voraussetzungen des ebenfalls geltend gemachten § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG liegen nicht vor, weil kein objektiv falscher Tatbestand behauptet wird, wie die Antragstellerin meint.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass zudem wegen eines Teils der vom Verfügungsantrag erfassten Verhaltensweisen ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG bereits mangels Begehungsgefahr zu verneinen ist. Die Antragstellerin begehrt Unterlassung der im Antrag wiedergegebenen Äußerung unabhängig von dem Zusammenhang, in dem letztere aufgestellt wurde. Das berücksichtigt nicht hinreichend, dass die Aussage das Ergebnis eines eingehenden Gesprächs zwischen der Antragsgegnerin und dem Kunden war und vor diesem Hintergrund in dieser konkreten Situation als Zusammenfassung der Rechtsposition der Antragsgegnerin gedacht und formuliert war. Eine Verurteilung der Antragsgegnerin wegen der Gefahr einer Wiederholung einer derartigen Äußerung müsste diese Umstände des Verletzungsfalls mit einbeziehen. Außerhalb derartiger Gespräche besteht eine Begehungsgefahr nicht; insbesondere steht aufgrund der Geschehnisse in der Vergangenheit nicht zu befürchten, dass es sich etwa – wie von der Antragstellerin zunächst vermutet – um einen vorformulierten Standardtext handeln könnte, den die Antragsgegnerin bei allgemeinen Anfragen zu gebrauchter Software an jedweden Anfragenden standardmäßig versendet. Die Antragsgegnerin nimmt – wie in der mündlichen Verhandlung erörtert – für sich auch nicht ein derartiges Recht in Anspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt, § 704 Abs. 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.000,00 EUR nach der Festsetzung des Landgerichts.