OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2013, Az. VI – U (Kart) 5/12
§ 33 Abs. 1 u. 3 GWB, § 20 Abs. 6 GWB
Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass ein bundesweit tätiger Versandhandel für Produkte der Haustechnik keinen Anspruch auf die Aufnahme in einen Wirtschaftsverband für stationäre Fachgroßhändler aus dem Bereich Haustechnik hat. Die Satzung des Verbandes schließe dies wirksam aus, weil ein berechtigtes Interesse bestehe, Versandhändler nicht als „Trittbrettfahrer“ von den Vorteilen des Verbandes profitieren zu lassen. Auszug aus den Gründen:
„1.
Die Klägerin erfüllt nicht die satzungsmäßigen Aufnahmekriterien des Beklagten. Als eine schwerpunktmäßige Versandhändlerin ist die Klägerin von einer Mitgliedschaft ausdrücklich ausgeschlossen.
a)
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass das Aufnahmebegehren der Klägerin an den Aufnahmekriterien der aktuellen Satzung des Beklagten und nicht an den Satzungsbestimmungen zu messen ist, die bei Anbringung des Aufnahmegesuchs im Jahre 2008 oder im Zeitpunkt der Ablehnung des Aufnahmegesuchs durch den Vorstand des Beklagten im Dezember 2009 in Kraft waren. Denn zur gerichtlichen Prüfung steht nicht, ob das ursprüngliche Aufnahmegesuch der Klägerin begründet gewesen ist. Ebenso wenig ist über die Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung des Beklagten aus Dezember 2009 zu befinden. Zur Beurteilung steht alleine die Frage, ob die Voraussetzungen des eingeklagten (kartell-)ge-setzlichen Aufnahmeanspruchs aus §§ 33 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 6 GWB vorliegen. Für die Beantwortung dieser Frage kann es nur auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – vorliegend also auf die Satzungslage bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – ankommen.
Dass der Beklagte den Aufnahmeantrag der Klägerin zum Anlass für die Satzungsänderung genommen hat und sich die geänderten Aufnahmekriterien auch (und gerade) gegen die von der Klägerin begehrte Aufnahme richten, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle (a.A. OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 4698 – Gütegemeinschaft Kachelöfen). Der Beklagte kann im Rahmen seiner durch Art. 9 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Satzungsautonomie grundsätzlich den Zweck seiner Vereinigung, den eigenen Tätigkeitsrahmen und die dadurch bedingten Aufnahmevoraussetzungen eigenverantwortlich bestimmen (vgl. nur BGH, WuW/E BGH 2226, 2230 – Aikido-Verband; Markert in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht GWB, 4. Aufl., § 20 Rdnr. 345 m.w.N.). Es besteht kein Grund, diese Satzungsautonomie einzuschränken und es einer Wirtschaftsvereinigung zu verwehren, ihre Statuten während eines laufenden Aufnahmeverfahrens in zulässiger Weise zu ändern. Der Aufnahmeinteressent besitzt deshalb auch kein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen, dass die Satzungslage bis zum Abschluss seines Aufnahmeverfahrens unverändert bleibt und sie nicht in einem zulässigen Umfang zu seinem Nachteil verändert wird.
b)
Die Klägerin ist von der Mitgliedschaft im beklagten Verband ausgeschlossen, weil sie ihre Produkte der Haustechnik nicht als stationäre Fachgroßhändlerin, sondern als eine schwerpunktmäßige Versandhändlerin vertreibt.
aa)
§ 5 Ziffer 4.0 der Satzung bestimmt, dass (reine oder schwerpunktmäßige) Versandhändler dem Beklagten nicht als Mitglied beitreten können. Der Begriff des Versandhändlers wird in der Satzung selbst definiert, und zwar dahin, dass es sich um Großhändler handelt, die ihre Produkte vorwiegend im Fernabsatz anbieten und die in § 5 Ziffern 3.4.2 (Nachweis der ständigen Ausstellung der Produkte in einem branchenüblichen und dem Geschäftsumfang angemessenen Umfang), 3.4.8 (Nach-weis der nicht nur gelegentlichen Erfüllung der üblichen Beratungsfunktionen des Fachgroßhandels u.a. durch Fachpersonal in den Schauräumen) und 3.4.9 (Nachweis der nicht nur gelegentlichen Erfüllung der üblichen Dienstleistungsfunktionen des Fachgroßhandels) genannten Leistungen nicht oder nur gelegentlich oder nur in Sonderfällen erbringen. Fernabsatz bedeutet der Absatz von Waren (oder Dienstleistungen) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems (vgl. § 312 b Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Begriff des Fernabsatzes erfasst neben den Verträgen des E-Commerce auch das traditionelle Distanzgeschäft, insbesondere den Versandhandel (vgl. nur: Grüneberg in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl., § 312 b Rn. 6). Demgegenüber wird – anders als die Klägerin meint – ein Geschäft nicht alleine dadurch zum Fernabsatzgeschäft, dass die Bestellung mit Fernkommunikationsmitteln (z.B. telefonisch, per Telefax oder per E-Mail) erteilt wird. Zum einen bezieht sich das Erfordernis der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nämlich nicht nur auf den Vertragsschluss, sondern auch auf die Vertragsanbahnung (vgl. nur: Grüneberg in Palandt, a.a.O. § 312 b Rn. 8); zum anderen stellt der bloße Telefon-, Telefax- und/oder E-Mail-Anschluss des Auftragnehmers noch kein „für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem“ dar.
bb)
Die Satzungsbestimmung in § 5 Ziffer 4.0 ist wirksam, weil die Nichtaufnahme von (reinen oder schwerpunktmäßigen) Versandhändlern eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Haustechnik-Großhändlern darstellt.
Die sachliche Rechtfertigung ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung zwischen dem Interesse des Bewerbers an der Mitgliedschaft und dem Interesse des Verbandes an der Nichtaufnahme des Bewerbers zu beurteilen (vgl. BGH, WuW/E BGH 2226 – Aikido-Verband; Markert in Immenga/Mestmäcker, a.a.O. § 20 Rdnr. 344 m.w.N.). Im Streitfall fällt diese Interessenabwägung zugunsten des Beklagten aus.
(1)
Aufgrund der verfassungsrechtlich verbürgten Verbandsautonomie kann der Beklagte seinen Verbandszweck, den eigenen Tätigkeitsrahmen und die dadurch bedingten generellen Aufnahmevoraussetzungen grundsätzlich frei festlegen. Eine Aufnahmebeschränkung nach der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Wirtschaftszweig, einer bestimmten Wirtschaftsstufe, aber auch nach der Vertriebsform (Bedienungshandel, Selbstbedienungshandel, Versandhandel, Fachhandel, Warenhäuser etc.) ist im Allgemeinen sachlich gerechtfertigt (vgl. nur: Markert in Immenga/Mest-mäcker, a.a.O. § 20 Rdnr. 345 m.w.N.). Auch vorliegend ist die Versagung einer Mitgliedschaft von Versandhändlern von der Verbandsautonomie gedeckt. Der Beklagte hat ein berechtigtes Interesse an einer homogenen Mitgliederstruktur, damit die wirtschaftlichen und wettbewerblichen Interessen der Verbandsmitglieder effektiv wahrgenommen werden können. Stationäre Haustechnik-Großhändler bilden eine in diesem Sinne hinreichend homogene Gruppe. Sie vertreiben ihre Haustechnik-Produkte regional in einem Lieferradius von bis zu 100 km, indem sie an ihrem Standort sowohl für die Handwerker als unmittelbare Abnehmer als auch für die Bauherren als Endverbraucher in einem branchenüblichen Umfang Beratungs- und Dienstleistungen vorhalten sowie eine Ausstellung mit Schauräumen unterhalten. Versandhändler praktizieren ein gänzlich anderes Vertriebskonzept. Sie vertreiben ihre Waren nicht regional von einzelnen Standorten aus, sondern über Kataloge und/oder das Internet bundesweit. Zum Absatz ihrer Produkte unterhalten sie keine Ausstellungsräume; ebenso wenig bieten sie für die Handwerker oder Endverbraucher Beratungs- und sonstige branchenübliche Dienstleistungen an.
Der Beklagte hat überdies ein Interesse daran, Versandhändler zur Vermeidung einer Trittbrettfahrerproblematik von der Mitgliedschaft auszuschließen. Das Geschäft des Versandhändlers baut in einem nicht unerheblichen Umfang auf den vom stationären Großhandel bereitgestellten Beratungs- und Dienstleistungen auf. Insbesondere den Bauherren bietet der stationäre Fachgroßhandel die Möglichkeit, sich in den Ausstellungsräumen und mit Hilfe der dort angebotenen fachkundigen Beratung über das Leistungsangebot zu informieren und die für das eigene Bauvorhaben benötigten Produkte auszuwählen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Sanitärprodukte. Es liegt auf der Hand, dass sich vor allem in diesem Produktsegment Bauherren zunächst beim stationären Fachgroßhandel informieren und beraten lassen, um die ausgewählten Produkte anschließend beim Versandhandel zu bestellen. Die für Ausstellungsräume und fachkundiges Beratungspersonal ersparten Aufwendungen kann der Versandhändler im Preiswettbewerb gegen den stationären Fachhandel einsetzen. Nicht ohne Grund bezeichnet sich die Klägerin selbst als ein „preisaktiver“ Konkurrent (vgl. Seite 8 der Klageschrift, GA 8), der in den vergangenen Jahren gegen den allgemeinen Markttrend seine Umsätze von rund .. Mio. € im Jahre 2005 auf .. Mio. € im Jahr 2009 und auf etwa … Mio. € in 2010 gesteigert und für das erste Halbjahr 2011 erneut eine .. %-ige Umsatzsteigerung angekündigt hat. Es ist kartellrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte zur Vermeidung des dargestellten wettbewerblichen Konflikts dazu entschlossen hat, Versandhändler von der Verbandsmitgliedschaft auszuschließen.
(2)
Das Interesse des Versandhändlers, durch die fehlende Mitgliedschaft im beklagten Verband nicht in seiner Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt zu werden, tritt hinter den Belangen des Beklagten zurück. Denn es ist weder dargetan noch sonst zu erkennen, dass die Mitwirkung im Verband des Beklagten oder die vom Beklagten in § 7 der Satzung gewährten Mitgliedschaftsrechte (Recht auf Teilnahme an den Verbandseinrichtungen, Stimmrecht, Recht auf Beratung, Betreuung, Förderung, Unterrichtung und Vertretung im Rahmen des Verbandszwecks) für einen Versandhändler derart wichtig sind, dass die Verbandsautonomie und das Interesse des Beklagten an einer homogenen Mitgliederstruktur ohne Trittbrettfahrerproblematik dahinter zurücktreten müsste. Dass die Satzung nicht nur den reinen, sondern auch den nur schwerpunktmäßig tätigen Versandhändler von der Mitgliedschaft ausschließt, ist vor dem Hintergrund der dargestellten Interessenlage unbedenklich.“
Vorinstanz:
LG Köln, Az. 88 O (Kart) 33/10