OLG Frankfurt a.M.: Druckerei muss Auftraggeber nicht auf Urheberrechtsverstöße der zu druckenden Motive hinweisen

veröffentlicht am 27. Juli 2023

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 06.06.2023, Az. 4 W 13/23
§ 14 BGB, § 648 S. 2 BGB

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass eine Druckerei, die den Auftrag zur Erstellung von Kissenbezügen mit Motiven einer südkoreanischen Boyband erhält, die Auftraggeberin nicht auf die Möglichkeit von Urheberrechtsverstößen hinweisen muss. In Zeiten von urheberrrechtlichen Abmahnungswellen habe sich in der Bevölkerung das Bewusstsein verbreitet, dass Motive populärer Pop-Bands (hier: mit mit ca. 41 Mio. Fans) nicht ohne Weiteres aus dem Internet heruntergeladen und ohne deren Einwilligung zu gewerblichen Zwecken verwendet werden dürften. Die klagende Rechtsanwaltsfachangestellte (!), die den mit der Druckerei geschlossenen Vertrag wegen arglistiger Täuschung (!) hatte anfechten wollen, hatte mit ihrem Prozesskostenhilfeantrag insoweit keinen Erfolg. Allerdings gewährte ihr der Senat Prozesskostenhilfe, um einen großen Teil der von ihr geleisteten Anzahlung von der Druckerei einzuklagen, da die Druckerei die Herstellung der Kissenbezüge noch nicht begonnen und sich insoweit Aufwendungen erspart habe (§ 648 S. 2 BGB). Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Beschluss

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 09.03.2023 (Az. 1 O 458/22) in der Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 24.04.2023 teilweise abgeändert.

Der Beschwerdeführerin wird unter Beiordnung der Rechtsanwälte A Prozesskostenhilfe für die angekündigte Klage ohne Ratenzahlung bewilligt, soweit sie die Zahlung von 8.032,50 EUR begehrt.

Im Übrigen werden der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerdegebühr wird nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Beschwerdeführerin begehrt Prozesskostenhilfe für die Inanspruchnahme der Beschwerdegegnerin wegen der Rückforderung geleisteter Zahlungen.

Die Beschwerdeführerin ist eine Rechtsanwaltsfachangestellte, die sich mit dem Vertrieb bedruckter großer Kissenbezüge eine berufliche Existenz aufbauen wollte. Motive sollten in Lebensgröße Bilder der Mitglieder der südkoreanischen „Boyband“ X, die weltweit eine Fangemeinde von ca. 41 Mio. Menschen hat, sein. Die Bezüge sollten die Kunden der Beschwerdeführerin dann über Pappaufsteller streifen können. Die Beschwerdeführerin beauftragte in diesem Zusammenhang die Beschwerdegegnerin, ein auf das Bedrucken von Textilien spezialisiertes Unternehmen. Ob diese bereits frühzeitig darauf hinwies, dass die Beschwerdeführerin über die Urheberrechte an den von ihr verwendeten Bildern verfügen müsse, ist streitig.

Die Beschwerdeführerin zahlte insgesamt 11.114,60 EUR an die Beschwerdegegnerin. Dabei beglich sie die Rechnungen vom 24. Januar 2022 (Anlage K2) sowie vom 03.02.2022 (Anlage K3) – betreffend geleistete Vorarbeiten – in voller Höhe (insgesamt 3.082,10 EUR ) und die weitere Rechnung vom 03.02.2022 (Anlage K7) – betreffend den für die Anfertigung der bedruckten Bezüge abgeschlossenen Werklieferungsvertrag – als Abschlagszahlung zur Hälfte (8.032,50 EUR ).

Am 16. März 2022 verwies die Beschwerdegegnerin, „wie bereits beim persönlichen Gespräch in Stadt1 am 3. Februar 2022 aufgezeigt“, auf die Notwendigkeit sicherzustellen, dass durch die ausgewählten Bilder keine Urheberrechte verletzt werden (Anlage K8). Die Beschwerdeführerin sprach am 10. Mai 2022 die Kündigung des Werklieferungsvertrages aus. Die Beschwerdegegnerin antwortete, „die Konfektion und den Sublimation Druck“ werde sie nicht mehr berechnen. Weil aber bereits das Material – für welches ansonsten keine Verwendung bestehe – bestellt worden sei, ergebe sich trotz der bereits geleisteten Abschlagszahlung kein Rückzahlungsanspruch.

Die Beschwerdeführerin meint, die Beschwerdegegnerin hätte sie früher über die bestehende Urheberrechtsproblematik aufklären müssen. Dadurch, dass sie dies nicht getan habe – was die Beschwerdegegnerin in Abrede stellt -, habe sie die Beschwerdeführerin getäuscht. Die Kündigung sei laiengünstig auch als Anfechtung zu verstehen. Hilfsweise hat die Beschwerdeführerin den Vertrag erneut angefochten.

Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 09.03.2023 mangels des Vorliegens von Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Ein erkennbares Informationsgefälle zwischen den Parteien habe nicht bestanden. Der Beschwerdegegnerin habe es sich nicht aufdrängen müssen, dass sie über einen Wissensvorsprung verfügt habe. Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen liege daher nicht vor, so dass die Beschwerdeführerin den Vertrag nicht habe anfechten können. Auch ein Rücktrittsrecht habe ihr nicht zugestanden.

Der Zurückweisungsbeschluss wurde der Beschwerdeführerin am 13.03.2023 zugestellt. Die Beschwerdeführerin hat am 6. April 2023 gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und insbesondere ausgeführt, eine Täuschung sei darin zu sehen, dass die Beschwerdegegnerin ihr als juristischer Laiin ohne jegliche Aufklärung „grünes Licht“ gegeben habe, obwohl sie ihren Wissensvorsprung erkannt habe.

Die Beschwerdegegnerin hat den angegriffenen Beschluss verteidigt und darauf beharrt, es seien keine plausiblen Anhaltspunkte für ein Informationsgefälle vorgetragen worden. Es sei unglaubhaft, dass die Beschwerdeführerin keine Kenntnis vom Zustimmungsbedürfnis des Urheberrechtsinhabers gehabt habe.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 24.04.2023 unter Verweis auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen.

II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere in der Monatsfrist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingelegt worden. Sie ist auch teilweise begründet.

Die Beschwerdeführerin kann nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen. Auch bietet die Rechtsverfolgung im tenorierten Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg, während im Übrigen keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen.

1. Zwar hat das Landgericht zutreffend entschieden, dass die Beschwerdeführerin nicht berechtigt war, sich wegen einer angeblichen Täuschung durch Anfechtung oder Rücktritt vom Vertrag zu lösen. Insoweit kann im Wesentlichen auf die anschlussfähigen Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden, welches zu Recht vorausgesetzt hat, dass eine Aufklärungspflicht ein Informationsgefälle voraussetzt (siehe dazu grundlegend MüKo BGB-Bachmann, § 241, Rn. 198 ff. m.w.N.), welches für die besser informierte Partei zudem erkennbar geworden sein muss (Stöhr, JR 2023, S. 1 <5 m.w.N.>).

Die Beschwerdeführerin hatte hier als Rechtsanwaltsfachangestellte trotz ihrer Stellung als rechtliche Laiin jedenfalls ein gewisses Grundverständnis für die Rechtsordnung. Zudem war sie Existenzgründerin. Sie wollte sich mit dem Geschäft eine berufliche Existenz aufbauen, hatte dafür bereits Darlehen aufgenommen und sich etwa eine Domain gesichert sowie Vorbereitungen für den Aufbau eines Webshops getroffen (Anlage K4). Damit handelte sie gegenüber der Beschwerdegegnerin nicht mehr als Verbraucherin, sondern als Unternehmerin gemäß § 14 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2005 – III ZB 36/04 -, Rn. 8 ff. m.w.N., zitiert nach juris). Vor diesem Hintergrund bestand kein Anlass, die Beschwerdeführerin wie eine Verbraucherin besonders (vor ihren eigenen Entscheidungen) zu schützen, sondern konnte vielmehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ihr allgemeinkundige Umstände bekannt waren.

Nach der Überzeugung des Einzelrichters gehört der Umstand, dass man nicht einfach ohne jede Rücksicht auf fremde Urheberrechte Bilder aus dem Internet – zumal von einer bereits intensiv kommerziell verwerteten Band mit ca. 41 Mio. Fans – herunterladen und dann selbst kommerziell verwerten darf, zum Allgemeinwissen nicht nur von rechtskundigen Personen, sondern auch der breiten Bevölkerung. Mag dieser Umstand mit der Massenverbreitung des Internets vor wenigen Jahrzehnten angesichts der leichten technischen Verfügbarkeit der Bilder im Internet noch gewöhnungsbedürftig gewesen sein, so hat sich dies mittlerweile durch die massenhafte Durchsetzung des geltenden Rechts in Internet-Foren und in den sozialen Medien – teils durch die Foren- oder Medienbetreiber selbst, teils infolge von Abmahnwellen – grundlegend geändert.

Letztlich muss aber hier nicht entschieden werden, ob tatsächlich jedem Verbraucher die Kenntnis einer Urheberrechtsproblematik unterstellt werden kann. Jedenfalls davon, dass die Beschwerdeführerin als Rechtsanwaltsfachangestellte und Unternehmerin insoweit kundig war, durfte die Beschwerdegegnerin ausgehen und musste daher kein Wissensgefälle erkennen. Sie hatte folglich auch keine Aufklärungspflicht und täuschte die Beschwerdeführerin somit nicht. Im Übrigen spricht gegen ein arglistiges Handeln der Beschwerdegegnerin vorliegend auch, dass diese den Auftrag nicht noch vollständig durchführte, um auch noch die restlichen 8.032,50 Euro zu erhalten, sondern die Problematik der Urheberrechte bereits vor dem Bedrucken der Kissenbezüge aufwarf. Ein Bedrucken nebst Einvernahme des offenen Restbetrags wäre eher zu erwarten gewesen, wäre es der Beschwerdegegnerin lediglich um rücksichtslose Gewinnmaximierung auf Kosten der Beschwerdeführerin gegangen.

2. Die Beschwerdegegnerin konnte sich jedoch gemäß § 648 Satz 2 BGB von dem Vertrag lösen, auf dessen Grundlage die hälftig beglichene Rechnung erstellt wurde.

a) Beide Parteien stimmen in der Einschätzung überein, dass es sich bei dem Vertrag um einen Werklieferungsvertrag gehandelt habe. Dies entspricht auch der rechtlichen Bewertung durch den Einzelrichter. Da es sich bei den herzustellenden Kissenbezügen um nicht vertretbare Sachen handelte, ist gemäß § 650 Abs. 1 Satz 3 BGB insbesondere § 648 BGB anzuwenden, so dass die Beschwerdeführerin ein Kündigungsrecht hatte.

Die Folge der Kündigung ist gemäß § 648 Satz 2 Halbsatz 1 BGB zunächst, dass die Beschwerdegegnerin weiterhin die vereinbarte Vergütung verlangen kann. Jedoch muss sie sich gemäß § 648 Satz 2 Halbsatz 2 BGB Ersparnisse durch die Aufhebung des Vertrags anrechnen lassen. Betreffend die Ersparnisse ist die Beschwerdegegnerin sekundär darlegungsbelastet, weil die Beschwerdeführerin insoweit mangels Kenntnissen der Betriebsinterna der Beschwerdegegnerin nicht zu weiterem Vortrag in der Lage ist (vgl. MüKo BGB-Busche, § 648, Rn. 32 m.w.N.).

Jedenfalls bisher ist die Beschwerdegegnerin ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie hat vorgerichtlich soweit ersichtlich lediglich ausgeführt, es ergebe sich kein Rückzahlungsanspruch (Anlage K9). Im Antrag auf Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs hat sie behauptet, überhaupt keine Aufwendungen erspart zu haben, was als pauschale Behauptung zunächst ungereimt erscheint, weil zumindest Konfektion und Druck nicht mehr durchgeführt wurden, so dass es naheliegt, dass zumindest in gewissem Umfang Aufwendungen erspart werden konnten. Insoweit hätte es daher näherer Darlegungen hinsichtlich der bei der Berechnung der Vergütung zugrundegelegten Kalkulation bedurft (Busche, a.a.O., m.w.N.). Die Beschwerdeführerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sie die Kalkulation auch deshalb nicht ansatzweise nachvollziehen kann, weil die Beschwerdegegnerin nicht offengelegt hat, welche Aufwendungen für den Einkauf der Kissenbezüge getätigt wurden.

Nach alledem besteht – je nach dem weiteren Vorbringen der Parteien – die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführerin ersparte Aufwendungen bis hin zur Höhe der Abschlagszahlung zu erstatten sind. Ob die Beschwerdeführerin insoweit obsiegen wird, ist somit offen. Hinreichende Erfolgsaussichten können der Klage daher nicht von vornherein abgesprochen werden, denn wegen der grundgesetzlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit genügt eine „gewisse“ Erfolgswahrscheinlichkeit (vgl. Zöller-Schultzky, ZPO, § 114, Rn. 23 m.w.N.).

b) Hinsichtlich der zuvor abgeschlossenen Verträge hat die Beschwerdegegnerin unstreitig ihre Leistungen voll erbracht. Die darauf entfallenden Verbindlichkeiten hat die Beschwerdeführerin beglichen. Insoweit vermochte die Beschwerdegegnerin ersichtlich nichts mehr zu ersparen, so dass sich wegen der Kündigung kein Rückzahlungsanspruch ergibt. Stuft man die zuvor abgeschlossenen Verträge als Dienstverträge ein, ergibt sich dies aus dem Umstand, dass die Dienste bereits erbracht wurden, so dass gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB die volle Vergütung gefordert werden kann (ein vertragswidriges Verhalten der Beschwerdegegnerin gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt nach den oben unter 1. erfolgten Ausführungen nicht vor). Geht man hingegen von Werkverträgen aus, fehlt es jedenfalls an der von § 648 Satz 1 BGB vorausgesetzten Kündigung vor Vollendung des Werkes.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Allerdings war wegen des überwiegenden Obsiegens der Beschwerdeführerin anzuordnen, dass eine Beschwerdegebühr nicht erhoben wird (vgl. Zöller-Schultzky, ZPO, § 127, Rn. 42).

I