OLG Frankfurt a.M.: Kein Löschungsanspruch, aber Nachtragsanspruch bei Bericht über nicht mehr bestandskräftige Gerichtsentscheidung

veröffentlicht am 5. März 2024

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.01.2023, Az. 16 u 255/21
§ 1004 Abs. 1 S.2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 2 GG

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass ein Beitrag auf einer anwaltlichen Homepage, der nicht mehr aktuell ist (z.B. weil die berichtete Entscheidung in zweiter Instanz aufgehoben wurde) auf Betreiben der verfahrensbeteiligten Partei nicht gelöscht, wohl aber durch einen Nachtrag aktualisiert werden muss. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

Urteil

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.11.2021, Az. 2-03 O 296/21, abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Abänderung des Beschlusses vom 5.4.2022 auf € 30.000,- festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich noch gegen fünf Äußerungen in dem von dem Beklagten verfassten und in einem Anwalts-Blog auf der Website seiner Kanzlei www.(…).de eingestellten Beitrag mit der Überschrift „Einstweilige Verfügung gegen X AG erlassen; Zwangsmittel beantragt“, nachdem die dort berichtsgegenständliche einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der hiesigen Klägerin aufgehoben und die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zurückgewiesen worden war.

Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil unter Abweisung des Feststellungsantrags und der Widerklage den Beklagten verurteilt, es strafbewehrt zu unterlassen, zu behaupten,

a) das Landgericht Stadt1 habe am 20. November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen die X AG erlassen und/oder aufgrund der klaren Bewertung des Gerichts sei nicht davon auszugehen, dass sich die rechtliche Einschätzung nochmals ändern werde; und/oder

b) die X AG sei mit dieser Verfügung dazu verpflichtet worden, einen Negativeintrag der Y GbR (Rechtsanwaltskanzlei) zur Löschung zu bringen und/oder sie habe die weitere Verarbeitung dieser Daten zu unterlassen; und/oder

c) es sei davon auszugehen, dass die Löschung des unter Ziffer b) genannten Eintrags zeitnah vorgenommen werden müsse; und/oder

d) die X AG habe auf die einstweilige Verfügung des Landgerichts Stadt1 vom 20.11.2020 nicht reagiert; und/oder

e) das Landgericht Stadt1 habe in dem Beschluss vom 20.11.2020 eine DSGVO-konforme Prüfung der Rechtslage und eine tatsächliche Interessenabwägung vorgenommen.

Hiergegen hat der Beklagte Berufung insoweit eingelegt, als er weiterhin seinen Antrag auf Abweisung der Klage verfolgt. Hinsichtlich des ersten Teils der Äußerung lit. a) handele es sich um eine zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wahre Aussage, die auch weiterhin wahr bleibe. Die Berufung rügt, dass das Landgericht zu Unrecht und entgegen der bisherigen Rechtsprechung eine Pflicht zur Aktualisierung statuiere. In diesem Zusammenhang verweist die Berufung auf das Urteil des Landgerichts Stadt3 zu Az. …. Anders als dort müsse sich der Beklagte vorliegend an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zum Veröffentlichungszeitpunkt am 30.12.2020 messen lassen und könne sich, gerade weil keine spätere Anpassung oder Aktualisierung des Beitrags erfolgt sei, auf die sog. Archivwirkung berufen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit sei im Rahmen der Abwägung von erheblicher Bedeutung, dass diese im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig gewesen sei, was das Landgericht hier nicht hinreichend berücksichtige.

Die nicht erfolgte Aktualisierung begründe auch keine Gefahr der Irreführung des Lesers. So sei der Beitrag mit einem Veröffentlichungsdatum versehen, aus welchem der Leser den Stand der Veröffentlichung entnehmen können. Darüber hinaus werde auch im Beitrag selbst extra noch einmal konkret ein Datum benannt („Bis zum heutigen Tag, dem 30.12.2020 (…)“). Daher erkenne der Durchschnittsrezipient, dass der Beitrag nicht den aktuellen, sondern den Verfahrensstand zu dem angegebenen Zeitpunkt wiedergebe. Dieser nehme entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht an, dass es bislang keinen Aktualisierungsbedarf gegeben habe.

Der von dem Landgericht angenommene Aktualisierungsbedarf nur für Anwälte, welcher bei Kenntniserlangung von einer Veränderung der Sachlage gleichermaßen auch für Presseorgane gelten müsse, führe im Ergebnis zu einer erheblichen Arbeitsbelastung und greife übermäßig in die Rechte auf Presse- und Meinungsfreiheit wie auch in die Berufsausübungsfreiheit ein. Zudem stellten sich rechtliche Folgeprobleme hinsichtlich der Frage, ob und ggf. wann die Aktualisierungspflicht beginne.

Der Beklagte habe auch nicht durch sein Verhalten eine Aktualisierungspflicht begründet. Er habe in dem Beitrag nicht angegeben, weiter über den Verfahrensfortgang zu berichten und daher keine entsprechenden Erwartungen beim Leser angestoßen, dass er die Mitteilung aktualisieren werde, wenn sich etwas ändere.

Als Unternehmen stehe der Klägerin auch kein Recht auf Vergessenwerden zu.

Nicht nachvollziehbar sei der Rekurs des Landgerichts auf lauterkeitsrechtliche Vorgaben, da solche schon nicht anwendbar seien. Im Übrigen habe er den Vorgang mit dessen Veröffentlichung am 30.12.2020 als abgeschlossen betrachten dürfen und dies auch getan.

Hinsichtlich der im zweiten Teil der Äußerung unter lit. a) von ihm vorgenommenen Bewertung sei der Beklagte damals davon ausgegangen, dass das Landgericht Stadt1 seine Rechtsauffassung aus der Begründung der einstweiligen Verfügung gegen die hiesige Klägerin beibehalte. Da diese Meinungsäußerung mit einem Datum verbunden sei, könne sie nicht nachträglich unzulässig werden.

Ebenso wenig bestehe ein Grund, warum der Beklagte die zum Veröffentlichungszeitpunk wahre Tatsachenbehauptung unter lit. b) aktualisieren oder anpassen müsse.

Auch hinsichtlich der Einschätzung gemäß lit. c) übersehe das Landgericht, dass diese am 30.12.2020 erfolgt sei und seinerzeit eine Grundlage gehabt habe. Dafür, dass er diese Einschätzung über den 15.3.2021 vertreten habe oder habe vertreten wollen, ergäben sich keine Hinweise.

Die konkret geäußerte Behauptung unter lit. d) sei auch im Nachhinein nicht unwahr geworden, da der Widerspruch der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Stadt1 auf den 18.1.2021 datiere. Die von dem Landgericht angenommene Aktualisierungserwartung des Lesers trage nicht dem Umstand Rechnung, dass in dem Beitrag selbst auf das Datum hingewiesen werde, bis zu welchem keine Rückmeldung erfolgt sei, nämlich den 30.12.2020.

Für die Einschätzung gemäß lit. e) habe es allen Grund gegeben, da er lediglich davon ausgegangen sei, dass das Gericht seine Entscheidung nach einer DSGVO-konformen Prüfung der Rechtlage vorgenommen habe. Eine solche und eine tatsächliche Interessenabwägung lägen sowohl dem Beschluss vom 20.11.2020 als auch dem Urteil vom 15.3.2021 zugrunde. Dass das Gericht letztlich zu einem abweichenden Endergebnis gelangt sei, ändere nichts daran, dass es in beiden Entscheidungen dieselben Rechtsnormen der DSGVO zugrunde gelegt und die vorgetragenen Aspekte in einer Interessenabwägung berücksichtigt habe. Im Übrigen ergäben sich auch keine Hinweise, dass er die hier am 30.12.2020 geäußerte Einschätzung mit Blick auf das Ergebnis des Gerichts über den 15.3.2020 vertrete.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Der Beklagte habe es in der Folge trotz Kenntnis über maßgebliche Umstände, die sich zwischenzeitlich verändert hätten, rechtswidrig unterlassen, den Leser hierüber zu informieren. Die Verbreitung dieser insofern unwahren Tatsachen stellten einen massiven Eingriff in die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Klägerin dar. Denn die Information, dass sie wegen einer vermeintlich rechtswidrigen Datenverarbeitung gerichtlich verurteilt worden sei, impliziere ein Fehlverhalten und beeinträchtige damit zwangsläufig ihren guten Ruf, zumal hier ein Kontext berührt sei, der ihr Geschäftsmodell betreffe. Zutreffend lege das Landgericht Rechtsanwälten wie dem Beklagten hinsichtlich der sachlichen Richtigkeit und Vollständigkeit von „Erfolgsmeldungen“ in Anwalts-Blogs besondere Sorgfaltspflichten auf. Danach treffe den Beklagten die Verpflichtung, seine „Erfolgsmeldung“ über ein von ihm zunächst erfolgreich gestaltetes Verfahren entsprechend anzupassen, wenn sich das Ergebnis des von ihm in Bezug genommenen Verfahrens maßgeblich ändere und insofern die Information des Beitrags nicht die Realität spiegele. Dies sei auch deshalb geboten, als es sich bei den Lesern um potentielle (Verbraucher-)Mandanten handele, die sich bei ihren Mandatsentscheidungen gemeinhin von derartigen „Erfolgsmeldungen“ leiten ließen und insofern eine besondere Aktualitätserwartung hätten.

Zu Unrecht berufe sich der Beklagte auf ein sog. Archivprivileg der Presse. Anders als der Beklagte meine, handele es sich vorliegend schon nicht um einen sog. Archivbeitrag bzw. eine sog. Altmeldung. Der Beklagte habe am 30.12.2020 über ein anhängiges Gerichtsverfahren berichtet und den Beitrag unter der Rubrik „Aktuelle Artikel“ eingestellt. Auch habe er mit dem Beitrag beim Leser eine Aktualitätserwartung geschürt, da er dieses selbst betreue und damit über alle Informationen aus erster Hand verfüge, so dass aus Lesersicht zu Recht hohe Erwartungen an die Vollständigkeit und Aktualität des Beitrags bestünden. Der Leser, der sich ein zutreffendes Bild von dem Verfahren und den behandelten Rechtsfragen machen wolle, dürfe davon ausgehen, dass ihm der aktuelle und vollständige Sachstand mitgeteilt werde, zumal es im Schlusssatz des Beitrags heiße „(…) sodass abzuwarten bleibt, wie die Gegenseite auf den Beschluss reagieren wird“. Hierdurch vermittele der Beklagte dem Leser, dass er ihn unterrichten werde, sofern sich veränderte Umstände ergäben.

Das Landgericht stütze seine Entscheidung auch nicht auf Wettbewerbsrecht; es erkenne aber, dass der streitgegenständliche Beitrag kein pressetypisches Erzeugnis sei, in dem eine Angelegenheit von öffentlichem Informationsinteresse erörtert werde, dieser vielmehr vornehmlich werblichen Charakter habe. Bei der Frage, ob dem Beklagten hier eine Aktualisierung bzw. Korrektur zumutbar gewesen sei, sei auch der Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes zu seinen Lasten einzustellen.

Auch sei es Anwälten, die regelmäßig über von ihnen geführte Verfahren berichteten, etwa durch Anbringung eines Hinweises zwanglos möglich, dem Leser zu vermitteln, dass die Beiträge lediglich den aktuellen Sachstand wiedergäben. Indem der Beklagte es unterlassen habe, seinen Beitrag nach Veränderung der Umstände entsprechend anzupassen, sei ab diesem Zeitpunkt zu seinen Lasten von dessen Unwahrheit bzw. Unvollständigkeit auszugehen.

Ferner weist die Klägerin darauf hin, dass der Beklagte auch aus standesrechtlichen Gründen (§ 43a Abs. 3 BRAO) zur Einhaltung besonderer Sorgfaltspflichten angehalten gewesen sei. Der Beitrag sei spätestens ab dem 22.3.2021 unvollständig und damit unwahr gewesen. Dem Leser werde bewusst vorenthalten, dass das Landgericht Stadt1 den Sachverhalt längst diametral anders entschieden habe, als hier seitens des Beklagten mitgeteilt. Die Mitteilung dieses wesentlichen Umstands führe in den Augen des Lesers zu einer für die Klägerin wesentlich günstigeren Beurteilung. Die Äußerungen seien somit auch wegen ihres bewusst unvollständigen Charakters unwahr und damit unzulässig.

Soweit den Äußerungen teils Wertungscharakter zukäme, entbehrten die zuletzt abrufbaren Äußerungen jeglicher tatsächlichen Grundlage.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519 ZPO).

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Zu Unrecht hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 2 GG auf Unterlassung der angegriffenen Äußerungen bejaht.

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.

a. Die unter lit. a) erster Satz, lit. b) und lit. d) angegriffenen Äußerungen über den Erlass der erwähnten einstweiligen Verfügung gegen die Klägerin, deren Tenor sowie die Reaktion der Klägerin enthalten wahre Tatsachenbehauptungen. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie für den Betroffenen nachteilig sind [BGH Urt. v. 31.5.2022 – VI ZR 95/21 – Rn. 19].

Der Ansicht des Landgerichts, der durchschnittliche Leser verstehe diese Äußerungen so, dass sie auch noch nach ihrer Veröffentlichung den Stand der Dinge zutreffend zusammenfassten und es bislang mangels Änderung des Sachverhalts keinen Aktualisierungsbedarf gegeben habe, ist nicht zu folgen. Den angegriffenen Äußerungen ist nach den für die Ermittlung des Aussagegehaltes einer Äußerung maßgeblichen Grundsätzen [vgl. BGH Urt. v. 26.1.2021 – VI ZR 437/19 – mwN] im Kontext mit dem sonstigen Inhalt des Beitrags der Sinngehalt zu entnehmen, dass sie sich konkret auf den Verfahrensstand bis zum 30.12.2020 verhalten. Dieses Verständnis ergibt sich für den Leser zunächst aus der Angabe des Veröffentlichungsdatums unmittelbar unter der Artikelüberschrift. Entsprechend datieren sämtliche Umstände, über die der Beitrag den Leser informiert, zeitmäßig vor bzw. auf den 30.12.2020. Dass der 30.12.2020 die zeitliche Grenze des Beitrags markiert, verdeutlicht dem Leser insbesondere der der unter lit. d) angegriffenen Äußerung vorangestellte Einschub „Bis zum heutigen Tag, dem 30.12.2020 (…).“ Im weiteren Verlauf erfährt der Leser, dass die Klägerin zu dem Antrag auf Verhängung eines Zwangsgelds gegen sie Stellung nehmen könne und theoretisch auch noch die Möglichkeit habe, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen. Ebenso bringt das am Ende des Beitrags angeführte Zitat des Beklagten zum Ausdruck, dass das einstweilige Verfügungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei und eine Reaktion der Klägerin ausstehe. Damit erschließt sich dem Leser, dass der Beitrag nicht den nach dessen Veröffentlichung aktualisierten Stand des durch den Beklagten für seinen Mandanten eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen die Klägerin wiedergibt und dessen endgültiger Ausgang letztlich von ihrem weiteren Verhalten abhängt. Dass ein solches durchaus noch im Raum steht, ersieht der Leser auch an dem ihm aufgezeigten Umstand, dass die Klägerin den Eintrag trotz der ihr mit der einstweiligen Verfügung auferlegten Verpflichtung bisher nicht gelöscht habe. Schließlich erkennt der Leser auch anhand der unter lit. a) zweiter Satz geäußerten Rechtsauffassung des Beklagten, dass eine abweichende Entscheidung des Landgerichts Stadt1 zum Nachteil des von ihm vertretenen Mandanten bei einer erneuten Befassung nicht vollkommen ausgeschlossen ist.
Allein der Umstand, dass hier der Beklagte in dem Beitrag über ein von ihm selbst als Rechtsanwalt betreutes Verfahren berichtete, rechtfertigt angesichts der aufgezeigten zeitlichen Begrenzung nicht eine etwaige Aktualitätserwartung der Leser, dass sich an dem geschilderten anwaltlichen Erfolg zum Zeitpunkt des jeweiligen Abrufs nichts geändert habe.

b. Die im zweiten Satz der Äußerung lit. a) abgegebene Prognose des Beklagten versteht der Leser unter Berücksichtigung des Kontextes nicht als Ankündigung eines zukünftigen tatsächlichen Geschehens, nämlich die Bestätigung der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht Stadt1 für den Fall des Widerspruchs der Klägerin, sondern als Ergebnis einer rechtlichen Meinungsbildung des Beklagten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aufgrund der bisher vorgenommenen rechtlichen Würdigung durch das Gericht, die nicht mit dem Anspruch auf überprüfbare Richtigkeit ausgestattet ist, zumal der Beitrag auch für den Leser erkennbar macht, dass die Klägerin sich in dem Verfahren bislang noch nicht geäußert hatte, mithin ihre Argumente von dem Landgericht Stadt1 noch keine Berücksichtigung finden konnten. Damit hat das Landgericht diesen Äußerungsteil zu Recht als Meinungsäußerung gewertet.
Im Streit über die Zulässigkeit dieser Meinungsäußerung genügt, es, dass der in Anspruch genommene Beklagte tatsächliche Bezugspunkte dargelegt, auf deren Basis er zu seiner Meinung gelangt ist. Dem hat der Beklagten genügt, da er diese erkennbar auf die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts Stadt1 in seiner Beschlussverfügung zurückführt. Wie die Berufung zu Recht geltend macht, bietet der Beitrag auch keinerlei Anhalt für die Annahme, dass der Beklagte nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, insbesondere im Lichte des weiteren Verfahrensverlaufs, an dieser Meinungsäußerung festhält. Damit gebührt dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung gegenüber dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin der Vorrang.

c. Die unter lit. e) angegriffene Äußerung enthält zunächst eine Tatsachenbehauptung des Inhalts, dass der Beklagte sich wie zitiert geäußert hat. Deren Wahrheit steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Soweit der Beklagte als Verfasser des Beitrags sein eigenes Zitat als Beleg anführt, macht er sich auch den Inhalt des von ihm verbreiteten Zitats zu eigen. Die darin geäußerte Rechtsauffassung, welche ausweislich des vorangehenden Satz ausdrücklich auf die Beschlussverfügung des Landgerichts Stadt1 bezogen ist, hat das Landgericht zutreffend als Meinungsäußerung eingeordnet. Der Beklagte hat auch hinreichende objektive Anknüpfungspunkte für diese. Denn der in Bezug genommene Beschluss des Landgerichts Stadt1 vom 20.11.2020 (vgl. Anlage K 6) ist mit Gründen versehen, die auf die maßgeblichen Vorschriften der DSGVO abstellen und eine Interessenabwägung vornehmen.

2. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin gegen das öffentlich zugängliche Vorhalten der angegriffenen Äußerungen rechtfertigt sich auch nicht aufgrund der zwischenzeitlich veränderten Sachlage durch die rechtskräftige Aufhebung der berichtsgegenständliche Beschlussverfügung des Landgerichts Stadt1.

a. Allerdings wird die Zulässigkeit des weiteren Vorhaltens eines Berichts durch die ursprüngliche Zulässigkeit einer Veröffentlichung nicht abschließend bestimmt. Auch das fortdauernde Bereithalten ursprünglich rechtmäßig veröffentlichter Berichte und Äußerungen kann im Einzelfall unzulässig sein. Das weitere Bereithalten eines zunächst rechtmäßig veröffentlichten Berichts kann Persönlichkeitsrechte dann verletzen, wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt. Im Fall solch nachträglicher Änderungen bedarf es einer erneuten Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsbegehren bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen. Soweit nicht die ursprüngliche oder eine neuerliche Berichterstattung, sondern das öffentlich zugängliche Vorhalten eines Berichts, insbesondere in Presse-Archiven, in Rede steht, ist dessen Zulässigkeit anhand einer neuerlichen Abwägung der im Zeitpunkt des jeweiligen Löschungsbegehrens bestehenden gegenläufigen grundrechtlich geschützten Interessen zu beurteilen. Dabei ist die ursprüngliche Zulässigkeit eines Berichts allerdings ein wesentlicher Faktor, der ein gesteigertes berechtigtes Interesse von Presseorganen begründet, diese Berichterstattung ohne erneute Prüfung oder Änderung der Öffentlichkeit dauerhaft verfügbar zu halten. Denn in diesem Fall hat die Presse bei der ursprünglichen Veröffentlichung bereits die für sie geltenden Maßgaben beachtet und kann daher im Grundsatz verlangen, sich nicht erneut mit dem Bericht und seinem Gegenstand befassen zu müssen [BVerfG Beschl. v. 7.7.2020 – 1 BvR 146/17 – Rn. 10; BGH Urt. v. 26.1.2021 – VI ZR 437/19 – Rn. 29 mwN]. Bei der abwägenden Berücksichtigung der durch ein weiteres Vorhalten von Presseberichten berührten grundrechtlich geschützten Interessen ist im Sinne von Verhältnismäßigkeit und praktischer Konkordanz auch zu prüfen, ob unter Umständen auch ein klarstellender Nachtrag über den Ausgang rechtlich formalisierter Verfahren wie Disziplinarverfahren, strafrechtlicher Ermittlungs- oder Hauptsacheverfahren den Interessen des von der ursprünglichen Nachricht Betroffenen genügend Rechnung tragen, wenn die Voraussetzungen für einen solchen Nachtrag gegeben sind [vgl. BVerfG aaO. Rn. 17].

b. Der Senat ist aufgrund einer nach diesen Maßstäben vorgenommen Abwägung der Auffassung, dass die Interessen und geschützten Rechte der Klägerin nicht derart überwiegen, dass es gerechtfertigt wäre, dem Beklagten künftig die Berichterstattung über die inzwischen aufgehobene Beschlussverfügung des Landgerichts Stadt1 vom 20.11.2020 zu untersagen. Ausreichend und verhältnismäßig wäre ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens und die Aufhebung der Entscheidung, den die Klägerin, weil es sich insoweit um eine objektiv feststellbare Veränderung der Sachlage handelt, auch beanspruchen könnte.

aa. Allerdings kann sich der Beklagte nicht in gleichem Maße wie die Presse [vgl. BVerfG Beschl. v. 28.4.1997 – 1 BvR 765/97 – Rn. 16; Beschl. v. 2.5.2018 – 1 BvR 666/17 – Rn. 20] darauf berufen, nicht verpflichtet zu sein, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen oder im Nachgang zu einer Berichterstattung neuerliche Nachforschungen über den weiteren Fortgang eines berichteten, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalts anzustellen. Denn zum einen handelt es sich bei dem Beitrag nicht um einen journalistischen Bericht, sondern um einen kommerziell orientierten Blog, der sich vorrangig/in erster Linie zu Werbezwecken an gegenwärtige und potentielle Kunden des Beklagten wendet. Das weitere Bereithalten dient nicht, wie Online-Archive von Zeitungen, dazu, einen Beitrag im öffentlichen Informationsinteresse der Öffentlichkeit etwa zu Recherchezwecken dauerhaft verfügbar zu halten. Zum anderen ist es dem Beklagten bei der Zahl der von ihm vorgehaltenen Beiträge und vor allem angesichts des Umstands, dass er an dem Eilverfahren, über das er berichtete, selbst als Anwalt beteiligt war, durchaus zumutbar, die Berichterstattung aktuell zu halten. Der Presse wird angesichts der Vielzahl der von ihr veröffentlichten Berichte zugestanden, dass sie sich im Grundsatz nicht erneut mit vergangenen Berichterstattungsgegenständen befassen, insbesondere keine besonderen Nachrecherchebemühungen anstellen muss. Die Umstände, die diese Wertung rechtfertigen, sind bei dem Beklagten nicht gegeben.

Hinzu kommt ein geringerer Verbreitungsgrad des streitgegenständlichen Blogbeitrags als im Fall von Presserzeugnissen. Da sich die Meldung nicht in einem Presseorgan, sondern auf der Internetseite einer Anwaltskanzlei befindet, ist die Reichweite eher gering.

Mindernd zu würdigen ist auch, dass die Klägerin die Möglichkeit hat, auf ihrer eigenen Internetseite zu dem Eilverfahren Stellung zu nehmen und über dessen Fortgang zu informieren.

bb. Ferner ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die der Klägerin durch die weitere Bereithaltung des Beitrags über die gegen sie erlassene Beschlussverfügung des Landgerichts Stadt1 drohende Beeinträchtigung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts erheblich weniger gravierend ist als beispielsweise im Fall einer überholten Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat [zum Gesichtspunkt des Gewichts der drohenden Persönlichkeitsverletzung in diesem Zusammenhang vgl. etwa BVerfG Beschl. v. 7.7.2020 aaO. – Rn. 11]. Zwar mag es für den sozialen Geltungsanspruchs der Klägerin als Wirtschaftsunternehmen abträglich sein, wenn bekannt bleibt, dass jedenfalls ein erstinstanzliches Gericht sie zur Löschung eines in ihrer Datenbank enthaltenen Negativeintrags und zur Unterlassung der weiteren Verarbeitung dieser Daten verpflichtet hat mangels eines berechtigten Interesses hieran. Da andererseits der Leser erkennt, dass es sich nur um den Zwischenstand in einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren handelt, ist diese drohende Einbuße des Ansehens der Klägerin nicht sehr schwerwiegend. Selbst wenn an ihrem Ruf gleichwohl „etwas hängen“ bliebe, wäre davon allein das Unternehmenspersönlichkeitsrecht eines gewerblichen Unternehmens betroffen, welches in der Schwere nicht mit einem schweren moralischen Vorwurf gegen eine natürliche Person wie im Fall einer Straftat vergleichbar ist.

cc. Andererseits ist dem Beklagten ein Interesse an der Aufrechterhaltung der Altmeldung in seinem Blog zuzugestehen, mag dieses auch nicht gewichtig sein. Es besteht ein anerkennenswertes Interesse des Beklagten, gegenwärtige und potentielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zugunsten des von ihm als Anwalt vertretenen Mandanten entschieden hat. Auch nachdem die von ihm gegen die Klägerin erwirkte Beschlussverfügung rechtskräftig aufgehoben wurde, ist ein schützenswertes Interesse des Beklagten anzuerkennen, die von ihm erwirkte und seiner Rechtsansicht folgenden und von ihm für rechtlich zutreffend gehaltene Ursprungsentscheidung des Landgerichts Stadt1 weiterhin in seinem Blog zu dokumentieren.

dd. Nach alldem stellt sich eine Löschung der angegriffenen Äußerungen über die Beschlussverfügung des Landgerichts Stadt1 wegen Änderung der Sachlage durch die neue Verfahrensentwicklung als zu starker Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit des Beklagten dar. Dieser könnte nicht mehr auf diese Entscheidung als mögliche und einmal von einem (Unter-)Gericht vertretene Rechtsauffassung hinweisen. Hinzu tritt, dass die in den Äußerungen lit. a) Satz 2 und lit. e) geäußerte Meinung des Beklagten nur auf diese Beschlussverfügung bezogen sind und durch deren spätere Aufhebung nicht unzulässig werden. Demgegenüber kann dem Interesse der Klägerin, dass mit dem Beitrag allein über die erstinstanzlich für den Mandanten des Beklagten erfolgreiche Beschlussverfügung des Landgerichts nur „die halbe Wahrheit“ mitgeteilt wird, durch einen klarstellenden Nachtrag über die geänderte Sachlage in ausreichender Weise Rechnung getragen werden. Dabei handelt es sich um ein gegenüber der Löschung der angegriffenen Äußerungen milderes Mittel. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines solchen Nachtragsanspruchs als besondere Form der Folgenbeseitigung nach §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, 823 Abs. 1 BGB sind auch gegeben. Die Veränderung der Sachlage durch die Aufhebung der Beschlussverfügung vom 20.11.2020 des Landgerichts Stadt1 mit dessen Urteil vom 15.3.2021 und die Zurückweisung der hiergegen durch den Beklagten eingelegten Berufung vom Oberlandesgericht Stadt2 mit Urteil vom 28.7.2021 sind objektiv ohne Weiteres feststellbar.

Keiner abschließenden Entscheidung seitens des Senats bedarf die Frage, ob es sich bei dem Nachtragsanspruch gegenüber dem Unterlassungsbegehren der Klägerin um ein aliud i.S. von § 308 Abs. 1 ZPO oder lediglich um ein minus handelt, da es jedenfalls an dessen Fälligkeit fehlt. Bei dem Nachtragsanspruch handelt es sich um einen sog. verhaltenen Anspruch, dessen Fälligkeit erst eintritt, wenn der Gläubiger den Anspruch geltend macht, also die Leistung durch den Schuldner verlangt [vgl. BVerfG Beschl. v. 2.5.2018 aaO. – Rn. 20 f], d.h. der Beklagte als sich Äußernder musste nicht von sich aus einen klarstellenden Nachtrag in seinem Blogbeitrag aufnehmen. Mit einem entsprechenden Verlangen auf einen solchen Nachtrag ist die Klägerin nicht an den Beklagten herangetreten. Vielmehr ist sie auf dessen Angebot mit Emailschreiben vom 1.4.2021, einen Nachtrag mit Hinweis auf die aktuelle Entscheidung des Landgerichts Stadt1 aufzunehmen (Anlage K 17), nicht eingegangen, sondern hat weiterhin an dem in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruch festgehalten (vgl. Emailschreiben vom 6.4.2021, Anlage K 18).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus § 48 Abs. 2 GKG, wobei der Senat den Antrag zu lit. a), da darin zwei Äußerungen angegriffen werden, insgesamt mit € 10.000,- und die übrigen Anträge jeweils mit € 5.000,- in Ansatz gebracht hat.

I