OLG Frankfurt a.M.: Sind Nachfragen per E-Mail unerwünschte Werbung?

veröffentlicht am 9. Januar 2017

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.11.2016, Az. 6 U 33/16
§ 823 Abs. 1 BGB, § 1004 BGB; § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Nachfragen per E-Mail, die sich auf Waren oder Dienstleistungen beziehen, welche das nachfragende Unternehmen für seine eigene Geschäftstätigkeit benötigt, grundsätzlich auch eine unerwünschte Werbung darstellen können. Allerdings sei von einer Einwilligung des Empfängers für solche Nachfragen bereits dann auszugehen, wenn er seine eigene Leistung öffentlich, z.B. im Internet, unter Angabe einer E-Mail-Adresse anbietet. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der Kläger an einer möglichst umfangreichen Verbreitung seiner Publikationen und damit auch an der Teilnahme an einem Internet-Blog mit entsprechenden Inhalten interessiert sei und daher entsprechende Nachfragen akzeptiere. Zum Volltext der Entscheidung nachstehend:


Sind Sie von unerwünschter E-Mail-Werbung (Spam) betroffen?

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung des Klägers gegen das am 19.2.2016 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe


I.
Der Kläger ist Rechtsanwalt. Auf der von ihm betriebenen Seite www.(…).com hat er eine Auswahl seiner Publikationen für juristische und andere Fachzeitschriften eingestellt, die wie folgt überschrieben ist:

„… ich schreibe für diverse Zeitschriften und Vereinsblätter. Wenn sie Beiträge von mir abdrucken möchten (ggf. auch Auftragsarbeiten), kontaktieren Sie mich einfach…“

Auf der genannten Internetseite ist auch die E-Mail-Anschrift des Klägers (…)@(…).com eingestellt. Dorthin versandte Herr A, Gesellschafter der Beklagten zu 2) und Associate Partner der Beklagten zu 1) am 04.09.2015 die streitgegenständliche E-Mail (Anlage K 1). Dort heißt es u.a.:

„… Bezugnehmend auf Ihren Artikel „…“ durch welchen ich auf Sie aufmerksam werden durfte, würde ich Ihnen gerne eine Kooperation zwischen Ihrem Blog und dem unseren vorschlagen. Hieraus ergibt selbstverständlich auch für Sie und Ihre Interessen ein adressatengerechter Multiplikator. Gerne können wir auch mit Ihnen gemeinsam an neuen Artikeln schreiben oder aber Ergänzungen finden…“ (Ablichtung Bl. 18 d. A.).

Der Kläger erwiderte, er habe keinen Blog, erwarte die Unterlassung der Werbung und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ebenso wie eine Auskunft nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz. Am selben Tag übersandte Herr A im Namen der Beklagten zu 2) eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (Bl. 15 d. A.).

Der Kläger hat von beiden Beklagten Unterlassung der Kontaktaufnahme zu Werbezwecken per E-Mail verlangt, sofern seine ausdrückliche Einwilligung nicht vorliegt, ferner Auskunft von der Beklagten zu 1), welche Daten zu seiner Person dort gespeichert seien.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagten zu 2) fehle es an der Passivlegitimation, weil Herr A erkennbar nur für die Beklagte zu 1) gehandelt habe. Auch der Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1) sei jedoch unbegründet. Es sei zwar grundsätzlich ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegeben, wenn Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung an das Unternehmen versandt würden. Hier liege aber keine Werbe-E-Mail vor, weil Herr A lediglich das Angebot des Klägers aufgenommen habe, mit ihm wegen der Veröffentlichung bisheriger bzw. künftiger juristischer Artikel in Kontakt zu treten.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Ziel fort. Auf Hinweis des Senats hat er seinen Unterlassungsantrag hilfsweise auf die konkrete Verletzungshandlung bezogen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und wie folgt zu erkennen

1. a) den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagte zu 1) an den Geschäftsführern der B …gesellschaft mbH und für die Beklagte zu 2) an deren Gesellschaftern zu vollziehen ist, untersagt, zu Werbezwecken mit dem Kläger per E-Mail-Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.

hilfsweise dazu

den Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagte zu 1) an den Geschäftsführern der B …gesellschaft mbH und für die Beklagte zu 2) an deren Gesellschaftern zu vollziehen ist, untersagt, zu mittel- oder unmittelbaren Werbezwecken, wie mit E-Mail vom 3. September 2015 geschehen, mit dem Kläger E-Mail-Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.

b) Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu geben, welche Daten zu seiner Person bei ihrem Unternehmen gespeichert sind, auch soweit sie sich auf Herkunft und Empfänger beziehen, welcher Zweck mit der Speicherung dieser Daten verfolgt wird und an welche Personen oder Stellen diese Daten übermittelt wurden bzw. werden.

2.
Die Beklagten werden verurteilt, den vom Kläger verauslagten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 453,00 € ab Eingang bei Gericht mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszins per anno zu verzinsen

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

II.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, weil das Landgericht die Klage mit Recht abgewiesen hat.

1.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagten keine Unterlassungsansprüche aus §§ 823, 1004 BGB wegen eines unberechtigten Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als der einzigen hier in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu.

Die Versendung unerbetener Werbe-E-Mails kann einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen und Unterlassungsansprüche nach § 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 1004 BGB auslösen (BGH GRUR 2009, 980 Rdn. 10 [BGH 20.05.2009 – I ZR 218/07] – E-Mail-Werbung II; BGH WRP 2013, 1579 [BGH 12.09.2013 – I ZR 208/12] Tz. 20 – Empfehlungs-E-Mail). Bei der Prüfung dieses Tatbestandes sind grundsätzlich die gleichen Wertmaßstäbe wie bei § 7 UWG anzuwenden (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, Rdn. 14 zu § 7 UWG).

Nach früherem Recht beurteilte sich die Zulässigkeit der E-Mail-Werbung nach den gleichen Grundsätzen wie die Telefonwerbung. Sie war danach schon bei Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung zulässig. Die jetzige Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG hat die Rechtslage verschärft, weil sie die Zulässigkeit dieser Art von Werbung generell von der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten abhängig macht (Köhler/Bornkamm a.a.O., Rdn. 179 zu § 7 UWG).

Das Landgericht hat mit Recht die Frage aufgeworfen, ob die Anfrage von Herrn A als Werbung qualifiziert werden kann. Der Senat neigt dazu, dies großzügiger zu bewerten als das Landgericht, weil der Begriff „Werbung“ nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch Nachfragehandlungen einschließt, die sich auf den Bezug von Waren- und Dienstleistungen richten, die ein Unternehmen für seine eigene Geschäftstätigkeit auf dem Markt benötigt (BGH GRUR 2008, 923 [BGH 17.07.2008 – I ZR 75/06] Tz. 13 – Faxanfrage im Autohandel; BGH GRUR 2008, 925, [BGH 17.07.2008 – I ZR 197/05] Tz. 16 – FC Troschenreuth). Hier könnte man der E-Mail deshalb Werbecharakter zusprechen, weil Herr A eine Kooperation mit dem Kläger anstrebte, deren Ziel darin bestand, durch Hereinnahme juristischer Fachbeiträge des Klägers den eigenen „Blog“ für die Kundschaft attraktiver zu machen.

Letztlich kann es offen bleiben, ob die E-Mail von Herrn A als „Werbung“ zu qualifizieren ist, denn der Unterlassungsanspruch des Klägers scheitert daran, dass er mit seiner oben zitierten Internet-Veröffentlichung eine ausdrückliche Einwilligung in die Zusendung dieser E-Mail gegeben hat.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG sind die dort aufgeführten Maßnahmen der Direktwerbung, zu denen auch die E-Mail – Werbung gehört, stets als unzumutbare Belästigung anzusehen, wenn nicht die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Der Begriff der „Einwilligung“ muss richtlinienkonform dahingehend bestimmt werden, dass es sich um eine Willensbekundung handelt, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt (Köhler/ Bornkamm aaO., Rn 185 zu § 7 UWG).

Mit dem Merkmal „für den konkreten Fall“ soll ausgeschlossen werden, dass die Veröffentlichung einer E-Mail-Adresse oder eines Fax-Anschlusses als „Generaleinwilligung“ in die Zusendung von Werbemitteilungen bewertet wird. Das Merkmal „für den konkreten Fall“ bedeutet aber auch nicht, dass für jede einzelne Werbemaßnahme eine gesonderte Erklärung abgegeben werden muss. Ein und dieselbe Erklärung kann sich auf eine Vielzahl von Fällen beziehen, sofern sie konkret umschrieben oder für Außenstehende so auch erkennbar gemeint ist.

Der erforderliche Grad der Konkretisierung bestimmt sich nach der Schutzbedürftigkeit des Adressaten und nach seinen Interessen. Gerade für die Einwilligung in Nachfragehandlungen ist eine großzügige Auslegung geboten, denn derjenige, der in öffentlichen Verlautbarungen Waren oder Dienstleistungen anbietet und dabei eine E-Mail als Kontaktanschrift nennt, muss damit rechnen, dass ihm entsprechende Nachfragen elektronisch übermittelt werden. (vgl. dazu Köhler/Bornkamm aaO., Rn 186).

Hier hat der Kläger auf seiner Webseite „Abnehmer“ für seine juristischen Artikel gesucht und sich mit entsprechenden Kontaktaufnahmen ausdrücklich einverstanden erklärt. Er musste davon ausgehen, dass ein verständiger Leser sein Angebot auf der Seite www.(…).com (Anlage B 1) ohne Weiteres so versteht, dass der Kläger nicht nur bereit ist, E-Mails von Interessenten entgegenzunehmen, die seine Artikel in Printausgaben abdrucken, sondern auch für solche Angebote offen ist, in denen seine Artikel „online“ veröffentlicht werden. Da die Veröffentlichung von Fachbeiträgen geeignet ist, den Ruf der eigenen Rechtsanwaltskanzlei zu fördern, konnte der Leser von Anlage B 1 annehmen, dass der Kläger an einer möglichst umfangreichen Verbreitung seiner Publikationen und damit auch an der Teilnahme an einem Internet – Blog mit juristischen Inhalten interessiert ist.

2.
Das Landgericht hat den Auskunftsanspruch auch aus datenschutzrechtlichen Gründen mit Recht abgelehnt. Eine Auskunftspflicht existiert dann nicht, wenn eine Benachrichtigungspflicht nicht besteht (§ 34 Abs. 7 BDSG). Dies ist hier gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 7a BDSG der Fall, weil der Versender der E-Mail, Herr A, die E-Mail-Anschrift von dessen öffentlich zugänglicher Webseite entnommen hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zum Schuldnerschutz folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung liegen nicht vor, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 2-25 O 791/15

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