OLG Frankfurt a.M.: Das Scannen von Kunstwerken kann als Privatkopie zulässig sein

veröffentlicht am 3. Mai 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.02.2013, Az. 11 U 37/12
Art. 5 Abs. 3 GG; § 16 UrhG, § 53 Abs. 1 UrhG, § 60 UrhG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass das Einscannen von künstlerischen Bildniswerken (hier: digitale Porträtfotografie) ohne Einwilligung des Urhebers zulässig ist, wenn dies zum privaten Gebrauch erfolgt. Dies gelte auch dann, wenn das Original-Werk noch nicht veröffentlicht wurde. § 53 Abs. 1 UrhG („Privatkopie“) sei auch bei Kunstwerken anwendbar und nicht im Lichte der grundgesetzlichen Kunstfreiheit einzuschränken. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.3.2012 – Az.: 2-3 O 416/11 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine freischaffende Künstlerin, macht Ansprüche geltend wegen behaupteter unerlaubter Vervielfältigung ihrer Werke. Sie machte am ….10.2009 auf ihre eigene Initiative und ihren eigenen Antrieb hin Portraitaufnahmen von Frau A, einer ihr seit längerem bekannten älteren Dame, und dem Beklagten mithilfe ihrer digitalen Kamera. Diese digitalen Fotografien wollte sie nachfolgend bearbeiten. Entwürfe der Bearbeitungen der Portraitaufnahmen von Frau A und dem Beklagten druckte sie aus und zeigte sie Frau A. Die bei Frau A belassene Mappe mit den Entwürfen nahm der Beklagte anlässlich eines Besuchs bei Frau A mit in seine Wohnung und scannte dort drei Entwürfe ein. Zudem zeigte er die Entwürfe einer Frau B.

Die Klägerin ließ den Beklagten mit Schreiben vom 11.11.2012 abmahnen.

Im Übrigen werden die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gemäß § 540 Abs. 1 ZPO in Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung Folgendes ausgeführt:

Es könne offenbleiben, ob die streitgegenständlichen, aus digitalen Fotoaufnahmen geschaffenen Bildnisarbeiten der Klägerin dem Bereich der gemäß § 2 UrhG geschützten Werke oder dem der Lichtbilder gemäß § 72 UrhG unterfielen. Jedenfalls fehle es für den Unterlassungsantrag zu 1. an der Wiederholungsgefahr. Es liege keine die Wiederholungsgefahr indizierende Verletzungshandlung vor. Der Umstand, dass der Beklagte unstreitig drei der Bildnisarbeiten der Klägerin gescannt habe, unterfalle zwar dem Bereich der Vervielfältigungen i.S.d. § 16 UrhG. Dies sei jedoch gemäß § 53 UrhG zulässig gewesen. Die Vervielfältigung sei zum privaten Gebrauch erfolgt. Dass die beim Scannen anwesende Frau B nicht seine Galeristin sei, sei nunmehr als unstreitig anzusehen. Ob § 53 UrhG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetze, dass rechtmäßiger Besitz vorliege, könne offenbleiben. Jedenfalls sei hier von rechtmäßigem Besitz auszugehen, da der Klägerin die Bildnisarbeiten nicht abhanden gekommen seien. Ein Abhandenkommen durch die Ansichnahme seitens des Beklagten wäre nur möglich gewesen, wenn sie, die Klägerin, zum Zeitpunkt der Mitnahme durch den Beklagten noch unmittelbare Besitzerin gewesen wäre. Dies sei jedoch infolge der zuvor erfolgten Besitzübergabe an Frau A nicht der Fall gewesen. Auch die Voraussetzungen der verbotenen Eigenmacht lägen nicht vor, da diese ebenfalls nur gegenüber dem unmittelbaren Besitzer erfolgen könne.

Das Scannen der Bildnisarbeiten durch den Beklagten sei auch nicht als unfreie Bearbeitung anzusehen. Die durch das Scannen bedingte Größenveränderung sei durch die gesetzgeberische Regelung des § 53 UrhG erlaubt worden.

Der Beklagte habe die Bildnisarbeiten auch nicht öffentlich zugänglich gemacht, da Frau B nicht die Voraussetzungen einer Person der Öffentlichkeit i.S.d. § 19 a UrhG erfülle.

Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr seien nicht ersichtlich. Mangels unberechtigten Eingriffs in die Urheberrechte der Klägerin seien auch die Folgeanträge zu Ziff. 2. bis 4. unbegründet.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, welche sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

Sie behauptet, der Beklagte habe die Ansichtsmappe mit den im Schaffensprozess befindlichen Bildnisarbeiten gegen den Willen von Frau A an sich gebracht. Sie ist der Ansicht, dies erfülle die Voraussetzungen der verbotenen Eigenmacht; Frau A sei auch nicht befugt gewesen, dem Beklagten ein Besitzrecht einzuräumen.

Weiterhin meint sie, die streitgegenständlichen Bildnisarbeiten stellten Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG dar. Die durch das Scannen bewirkte Vervielfältigung ihrer Werke sei unrechtmäßig. Durch die Ansichnahme habe der Beklagte in ihr Urheberpersönlichkeitsrecht eingegriffen. § 53 Abs. 1 UrhG sei im Lichte des Art. 5 Abs. 3 GG dahingehend auszulegen, dass die Schrankenregelung auf die Vervielfältigung unveröffentlichter Werke – wie hier – keine Anwendung finden könne. Der Anwendung des § 53 UrhG stehe vorliegend jedenfalls die Verletzung ihres Urheberpersönlichkeitsrechts entgegen. Gegen eine Anwendung von § 53 UrhG spreche auch, dass hier unrechtmäßiger Besitz vorliege. Zur näheren Verdeutlichung der Umstände, die das vorliegend zu beurteilende Verhalten des Beklagten als unrechtmäßig darstellten, seien die kunsthistorische Bedeutung der Portraitkunst sowie die stilistischen Besonderheiten und die eigene „Handschrift“ der Klägerin sowie die „eigentypisch eingeschränkten Verwertungsmöglichkeiten von Portraitwerken zu Lebzeiten“ zu berücksichtigen.

Gegen eine Anwendung der Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG spreche vorliegend auch, dass die streitgegenständlichen Werkart des Einzel- oder Sozialportraits ihrer Natur nach nur privat genutzt werde, d.h. nur eingeschränkt verwertbar sei. Würde man das hier erfolgte Einscannen hinter ihrem, der Klägerin, Rücken zulassen, bestünden faktisch keine Einkunftsmöglichkeiten mehr für sie. Für eine Einschränkung des § 53 Abs. 1 UrhG spreche schließlich auch der Regelungsgehalt des § 60 Abs. 1 S. 2 UrhG. Jedenfalls sei infolge einer planwidrigen Regelungslücke § 53 Abs. 4 UrhG analog anzuwenden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.3.2012 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, zu unterlassen, Bildnisarbeiten der Klägerin, die den Beklagten zeigen, wie die Klägerin sie aus digitalen Fotoaufnahmen am ….10.2009 von dem Beklagten geschaffen hat und in der mündlichen Verhandlung am 7.2.2012 zur Akte gereicht hat (9 Paintings), zu vervielfältigen, sei es durch Scans, Downloads auf seinem Rechner, den Versand von E-Mails, durch den Ausdruck digitaler Dateien oder auf andere Weise;
2. die Besichtigung des Rechners, auf dem er die Scans von drei der Portraitarbeiten der Klägerin gespeichert hat, durch einen Sachverständigen daraufhin zuzulassen, ob diese Scans an die Galeristin B mit deren e-mail-Adresse …@…-galerie-de gemailt worden sind, und die Scans und die E-Mail unwiderbringlich gelöscht worden sind;
3. an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatzbetrag nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 3.12.2009 zu zahlen;
4. die außergerichtlichen Kosten der anwaltlichen Abmahnung vom 11.11.2009 in Höhe von EUR 899,40 zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 3.12.2009 zu erstatten;
5. die Revision zuzulassen, sofern der Senat die Auffassung der 3. Zivilkammer folgen sollte.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil und verweist insbesondere darauf, dass ihm der Besitz an den Bildnisarbeiten von Frau A eingeräumt worden sei.

II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

1.
Das streitgegenständliche Scannen von drei Bildnisarbeiten der Klägerin durch den Beklagten stellt sich nicht als rechtwidrige Verletzung der Urheber- oder der Urheberpersönlichkeitsrechte der Klägerin dar.

Unstreitig erfüllt das Scannen der dem Urheberrechtsschutz unterfallenden Bildnisarbeiten der Klägerin die Voraussetzungen von Vervielfältigungshandlungen i.S.d. §§ 15, 16 UrhG (vgl. BGH GRUR 2002, 246, 247 – Scanner; Thum in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 72 Rd. 21). Dabei kann – wie bereits vom Landgericht ausgeführt – offenbleiben, ob die noch im Schaffensprozess befindlichen streitigen Bildnisarbeiten dem Bereich der Werke der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Nr. 4 UrhG zuzuordnen sind oder jedenfalls als Lichtbilder gemäß § 72 UrhG dem Schutz des Urheberrechts unterfallen.

Unstreitig ist zudem, dass die Klägerin, welcher das Recht der Vervielfältigung gemäß §§ 15, 16 UrhG zugewiesen ist, Vervielfältigungen durch den Beklagten nicht zugestimmt hat. Der Senat schließt sich jedoch im Ergebnis den Ausführungen des Landgerichts an, wonach diese Vervielfältigungshandlungen der Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG unterfallen und damit keine unrechtmäßigen Eingriffe in die der Klägerin zustehenden Urheberrechte beinhalten.

a.
Gemäß der Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG sind einzelne Vervielfältigungen durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch ohne Erwerbszweck zulässig, sofern nicht eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird. Diese Tatbestandsvoraussetzungen der Schrankenregelung sind auch unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags der Klägerin vom Wortlaut her erfüllt:

Es handelt sich bei den drei streitigen Vervielfältigungshandlungen um einzelne Vervielfältigungen i.S.d. § 53 Abs. 1 UrhG. Der Beklagte unterfällt auch dem Begriff der natürlichen Person. Er hat die Bildnisarbeiten zum privaten Gebrauch und ohne Erwerbszwecke gescannt. Dass es sich bei Frau B nicht um die Galeristin des Beklagten handelt, ist nach § 529 ZPO zugrunde zu legen und nicht mit der Berufung angegriffen worden. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch der eigene Vortrag des Beklagten, wonach er mit Frau B zusammen ein Buch schreibe, dem hier anzunehmenden privaten Gebrauch nicht entgegensteht. Es ist nicht dargelegt oder aus der Akte ersichtlich, dass das Einscannen der Bildnisarbeiten in diesem Zusammenhang zu sehen ist und mit Erwerbsabsichten erfolgte. Schließlich handelt es sich unstreitig auch um legale Vorlagen.

b.
Soweit die Klägerin der Ansicht ist, der Wortlaut des § 53 Abs. 1 UrhG sei vorliegend – u.a. im Lichte der Bedeutung der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG – einzuschränken, folgt der Senat dieser Einschätzung im Ergebnis hier nicht:

aa.
Ohne Erfolg verweist die Klägerin darauf, dass § 53 Abs. 1 UrhG keine Anwendung finden könne, wenn – wie hier – die Vervielfältigung von noch nicht veröffentlichten Werken i.S.d. § 6 Abs. 1 UrhG zu beurteilen sei. Der Urheberrechtsschutz von Werken und seine Grenzen sind grundsätzlich nicht davon abhängig, dass das jeweils zu beurteilende Werk bereits veröffentlicht wurde i.S.d. § 6 Abs. 1 UrhG oder erschienen ist i.S.d. § 6 Abs. 2 UrhG (vgl. Loewenheim in: Schricker, UrhR, 3. Aufl., § 6 Rd. 1, Rd. 3; Lüft in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 53 Rd. 14 für die Frage des Erscheinens i.S.d. § 6 Abs. 2 UrhG; Fromm/Nordemann, UrhG, 10. Aufl., § 53 Rd. 9 für nicht veröffentlichte Werke i.S.d. § 6 Abs. 1 UrhG). Lediglich in Ausnahmefällen hat der Gesetzgeber das jeweilige Werkstadium berücksichtigt und durch explizite Bezugnahme auf erschienene oder/und veröffentlichte Werke den Anwendungsbereich einzelner urheberrechtlicher Schrankenregelungen eingegrenzt. Derartige Einschränkungen finden sich auch in unmittelbarer systematischer Nähe der hier maßgeblichen Vorschrift des § 53 Abs. 1 UrhG: § 52 Abs. 1 und § 52 a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UrhG nehmen ausdrücklich auf „veröffentlichte Werke“ i.S.d. § 6 Abs. 1 UrhG Bezug; § 53 Abs. 2 Nr. 4 UrhG wiederum erwähnt „erschienene Werke“ i.S.d. § 6 Abs. 2 UrhG. § 53 Abs. 1 UrhG enthält jedoch keine Einschränkung des Werkcharakters hinsichtlich seines Entwicklungsstandes. Für die Annahme, hier liege eine planwidrige Regelungslücke vor, so dass das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des veröffentlichten Werkes in den Wortlaut des § 53 Abs. 1 UrhG hineinzulesen sei, fehlen damit gerade im Hinblick auf die in § 53 Abs. 2 UrhG vorgenommene Differenzierung Anhaltspunkte.

Die Gesetzesgeschichte deckt die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke ebenfalls nicht: Die Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG war sowohl Gegenstand des Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003 (BGBl. I S. 1774) als auch des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 (BGBl. I S. 2513). Im Rahmen der Novelle aus dem Jahr 2003 wurde u.a. klargestellt, dass § 53 Abs. 1 UrhG auch digitale Vervielfältigungen umfasst; im Rahmen der Novelle aus dem Jahr 2007 wurde die Zulässigkeit der Privatkopie insoweit eingeschränkt, als keine offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachte Vorlage mehr verwendet werden darf (vgl. auch Dreier in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 53 Rd. 3a; Loewenheim in: Schricker, UrheberR, 3. Aufl., § 53 Rd. 8). Beide Novellen befassten sich unter verschiedenen Gesichtspunkten mit der Frage, ob der Anwendungsbereich der Schrankenregelung des § 53 UrhG enger gefasst werden sollte (vgl. BT-Drucksache 16/1828 S. 18; BT-Drucksache 15/38 S. 1, 20f). Eine Verengung auf veröffentlichte Werke erfolgte nicht. Dies spricht gegen die Annahme, hier liege eine planwidrige Regelungslücke vor.

Auch wenn § 53 Abs. 1 UrhG im Lichte der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG ausgelegt wird, folgt daraus nicht, dass die Schrankenregelung im Wege verfassungskonformer Auslegung nur auf den Privatgebrauch veröffentlichter Werke zu beschränken ist.

Da der Begriff der gemäß Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Kunst über den in § 2 UrhG definierten Werkcharakter hinausgeht (vgl. Wandtke in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., Einl. Rd. 31), kann auch hier offenbleiben, ob die streitgegenständlichen, noch im Schaffensprozess befindlichen Bildnisarbeiten bereits Werke der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Nr. 4 UrhG darstellen. Sie unterfallen jedenfalls dem Bereich der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG. Die Kunstfreiheit beinhaltet u.a. die freie Entwicklung des künstlerischen Schaffensprozesses (ebenda Rd. 32). Geschützt werden Werk- und Wirkbereich, die eine untrennbare Einheit bilden (BVerfG NJW 1971, 1645 – Mephisto; BVerfG GRUR 2001, 149, 151 – Germania 3).

Die Kunstfreiheit wird dabei zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährt (ebenda). Die Schranken ergeben sich durch kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter (ebenda – Mephisto, 1645; Schemmer in: Beck’scher Online-Kommentar GG, 2012, Art. 5 Rd. 176 m.w.N.; Wandtke in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., Einl. Rd. 32). Zu berücksichtigen ist, dass die Freiheitsverbürgung des Art. 5 Abs. 3 GG Menschen zugutekommt, die sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft frei entfalten (vgl. ebenda – Mephisto, 1645, 1646). Dies bedeutet, dass der Kunst der Freiraum zu erhalten und zu sichern ist, der ihr in einem sich als Kulturstaat verstehenden Gemeinwesen zukommt, man dabei aber nicht aus den Augen verlieren darf, dass auch andere, ebenso schutzwürdige Rechtsgüter existieren (vgl. Henschel, Die Kunstfreiheit in der Rechtsprechung des BVerG, NJW 1990, 1937). Die wirksame Gewährleistung der Grundfreiheiten setzt ein funktionierendes Gemeinwesen mit ebenfalls schutzwürdigen Belangen Dritter voraus (ebenda).

Zu diesen schutzwürdigen Interessen zählt u.a. das Interesse Dritter an einem urheberrechtsschutzfreien Privatgebrauch, insbesondere unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. § 53 Abs. 1 UrhG enthält vor diesem Hintergrund eine auf die schutzwürdigen Interessen der sozialen Gemeinschaft zurückzuführende Schrankenregelung, die der Urheber auch unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit hinnehmen muss (BT Drucksache IV/270 Ziff. A. II. 5; allg.: Wandtke in: Wandte/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., Einl. Rd. 32). Soweit zwar die über Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Informationsfreiheit Dritter im Fall nicht veröffentlichter Werke nicht zur Anwendung kommt, bleibt für diese Werkgruppe die über Art. 2 GG geschützte Handlungsfreiheit zu berücksichtigen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der über § 53 Abs. 1 UrhG bewirkten Einschränkung der Kunstfreiheit ist zudem zu berücksichtigen, dass diese dem Zweck der Regelung nach die Kunstfreiheit in ihrem Wirk-, nicht aber originär in ihrem Werkbereich betrifft. Einschränkungen im Wirkbereich, d.h. dem der Vermittlung des Kunstwerks dienenden Bereich unterliegen insoweit weniger engen Schrankenanforderungen als Einschränkungen im Werkbereich (Henschel, Die Kunstfreiheit in der Rechtsprechung des BVerfG, NJW 1990, 1937, 1942 m.w.N.). Die Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG bezweckt keine Einschränkungen im Schaffensprozess, sondern im Verwertungsbereich. Sie bezieht sich allein auf Vervielfältigungen einer jeweils geschaffenen Vorlage.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Vervielfältigung eines noch nicht veröffentlichten Werks bewirke bei ihr eine Schaffensblockade und stelle sich damit im Ergebnis als Eingriff in den Werkbereich dar, ist dies eine persönliche Disposition, die nicht grundsätzlich mit der Anwendung der Regelung des § 53 UrhG verbunden ist. Die Klägerin hat die Möglichkeit, derartige Blockaden zu vermeiden, indem sie noch im Schaffensprozess befindliche Werke nicht aus ihrem geschützten Werk- und Obhutsbereich entlässt. Mit der Regelung des § 53 UrhG ist die von der Klägerin für ihren persönlichen Schaffensprozess geschilderte Einflussnahme auf den Werkbereich jedoch nicht grundsätzlich verbunden, so dass eine aus Art. 5 Abs. 3 GG abgeleitete Einschränkung des § 53 Abs. 1 UrhG auf veröffentlichte Werke auch aus diesem Grund nicht geboten ist. Die Regelung stellt sich vielmehr im Hinblick auf das Interesse der Allgemeinheit an einem unter den in § 53 Abs. 1 UrhG – unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – aufgestellten Bedingungen urheberrechtsfreien Privatgebrauch als verfassungsrechtlich zulässige Einschränkung der Kunstfreiheit dar.

bb.
Ob § 53 Abs. 1 UrhG als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weiter voraussetzt, wie die Klägerin meint, dass sich der Vervielfältiger den Besitz an der Vorlage nicht in rechtswidriger Weise verschafft hat, kann dabei offenbleiben (vgl. auch BGH GRUR 1993, 899, 900 – Dia-Duplikate, ebenfalls offengelassen). Jedenfalls ist hier auch auf Basis des Vortrags der Klägerin nicht davon auszugehen, dass sich der Beklagte den Besitz in rechtswidriger Weise verschafft hat.

Gemäß § 529 Abs. 1 ZPO hat der Senat die im landgerichtlichen Urteil festgestellte Tatsache, dass der Beklagte die streitigen Bildnisarbeiten mit Zustimmung von Frau A erlangt hat (S. 9 unten des Urteils), seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dieser Tatsachenfeststellung liegt zugrunde, dass der Beklagte erstinstanzlich ausgeführt hatte, dass Frau A der Ansichnahme der Mappe durch ihn zugestimmt habe. Nachfolgend hatte auch die Klägerin dargelegt, dass es so gewesen sein mag, dass Frau A ihm die Mitnahme gestattet habe (GA 102). Sie hatte allein darauf hingewiesen, dass allein maßgeblich sei, dass dies gegen ihren, der Klägerin, Willen geschehen sei. Damit hatte die Klägerin erstinstanzlich unstreitig gestellt, dass Frau A der Ansichnahme durch den Beklagten zugestimmt hatte. Soweit sie im Rahmen der Klage vorgetragen hatte, Frau A „mochte“ infolge ihrer Gebrechlichkeit dem Handeln des Beklagten keinen Widerstand entgegenzusetzen (GA 7), kann offenbleiben, welche Motivationslage von Frau A damit gekennzeichnet werden soll. Selbst wenn diesen anfänglichen Ausführungen entnommen werden sollte, dass die Ansichnahme gegen den Willen von Frau A erfolgte, wurde dieser Vortrag – wie ausgeführt – in der Replik nicht aufrechterhalten.

Soweit die Klägerin nunmehr in der Berufungsbegründung behauptet, der Beklagte habe gegen den Willen von Frau A die Ansichtsmappe an sich genommen (GA 184), ist dieser Vortrag verspätet gemäß § 531 Abs. 1 ZPO, ohne das Zulassungsgründe i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO vorgetragen wurden oder ersichtlich sind.

Ausgehend von einer Zustimmung von Frau A zur Inbesitznahme durch den Beklagten, erfüllt das Verhalten des Beklagten – wie vom Landgericht zutreffend im Einzelnen dargelegt – nicht die Voraussetzungen der verbotenen Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 BGB.

Der Besitz des Beklagten ist auch nicht deshalb als in rechtswidriger Weise erlangt anzusehen, weil die Klägerin vorträgt, mit dieser Weitergabe nicht einverstanden gewesen zu sein. Der mit diesem Hinweis von der Klägerin angesprochene Tatbestand des sog. Fremdbesitzerexzesses, der auch den von Frau A abgeleiteten Besitz des Beklagten als fehlerhaft erscheinen lassen würde (vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, 72. Aufl., vor §§ 987 Rd. 3), erfordert, dass dem grundsätzlich berechtigten Besitzer, der den Besitz weitervermittelt, der entgegenstehende Wille des Eigentümers zur Weitervermittlung jedenfalls irgendwie kundgetan wurde (vgl. Bassenge in: Palandt, a.a.O., § 858 Rd. 5). Vorliegend kann weder der Klage noch der Berufungsbegründung entnommen werden, dass die Klägerin ihre innere Willensrichtung, wonach Frau A die Arbeiten keiner weiteren Person überlassen durfte, für Frau A hinreichend deutlich- explizit oder jedenfalls konkludent – zum Ausdruck gebracht hat. Ihr Vortrag beschränkt sich darauf, dass sie Frau A die Arbeiten zur Ansicht beließ und ihr zudem gestattete, die Arbeiten ihrer Tochter zu zeigen. Aus diesen Umständen erschließt sich für den Empfänger der Entwurfsmappe zunächst ein für die Zeit der Überlassung nicht beschränktes Recht, die Bilder anzusehen, Dritten zu zeigen oder auch zur weiteren Ansicht mitzugeben. Wäre eine Beschränkung des berechtigten Personenkreises beabsichtigt gewesen, insbesondere hinsichtlich des Beklagten, dessen Interesse und Berührung zu den Entwurfsarbeiten bereits aufgrund seiner Stellung als Modell und seiner räumlichen Nähe zu Frau A naheliegend war, wäre zu erwarten gewesen, dass die Klägerin hierauf ausdrücklich, jedenfalls aber durch hinreichend eindeutige umgrenzende Bemerkungen konkludent hinweist. Allein der Umstand, dass die Tochter von Frau A explizit erwähnt wurde, lässt nicht zwingend darauf schließen, dass darüber hinaus keine weiteren Personen Kontakt zu den Entwurfsarbeiten haben sollten. Es sind zahlreiche Gründe denkbar, die für eine explizite Erwähnung der Tochter sprechen, ohne dass sich daraus als selbstverständliche Folge ergeben würde, dass darüber hinaus keine Personen Einsicht nehmen dürfen. Insbesondere erscheint die Erwähnung einer nahen Familienangehörigen als enger Kontaktperson verständlich. Auch angesichts des langjährigen Kontakts zwischen der Klägerin und Frau A erscheint es nachvollziehbar, dass diese über den künstlerischen Bereich hinausgehende, ihren Kontakt kennzeichnende persönliche Worte findet. Für die Annahme, dass Frau A ein entgegenstehender Wille der Klägerin nicht deutlich geworden war, spricht zudem die Tatsache, dass sie tatsächlich die Entwurfsmappe dem Beklagten überließ. Gerade wenn sie – wie die Klägerin vorträgt – seit langem mit der Klägerin bekannt war und hinsichtlich urheberrechtlicher Fragen sensibel agierte, wäre zu erwarten gewesen, dass sie jedenfalls mit Worten dem Handeln des Beklagten widersprochen hätte, wäre ihr gegenüber seitens der Klägerin hinreichend deutlich vermittelt worden, dass der Beklagte als Dritter keine Einsicht/keinen Besitz an den Entwurfsarbeiten erlangen dürfe.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch im Fall eines unterstellten Fremdbesitzerexzesses, d.h. bei einer für Frau A erkennbaren Besitzüberlassung der Entwurfsmappe ausschließlich für sie selbst, zwar ein Anspruch gemäß § 986 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den Beklagten bestünde. Dies allein würde aber nicht zur Annahme eines in rechtswidriger Weise erlangten Besitzes im Zusammenhang mit § 53 Abs. 1 UrhG führen. Die Gesetzesgeschichte zeigt, dass die Form des Besitzerwerbs im Rahmen von § 53 UrhG losgelöst von einer streng sachenrechtlichen Betrachtung zu werten ist. Die vom Bundesrat im Rahmen seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (BT-Drucksache 15/38, S. 36, 37 unter 3. d) dd)) vorgeschlagene Einschränkung des Privatgebrauchs auf solche, auf die der Nutzer „berechtigten Zugriff“ hatte, wurde in den Gesetzeswortlaut nicht übernommen. Im Rahmen der zweiten Novelle wurde das Privatkopierrecht lediglich in den Fällen ausgeschlossen, in denen eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage als Quelle dient (§ 53 Abs. 1 UrhG). Mit dieser Formulierung soll der gutgläubige Nutzer geschützt werden (vgl. Lüft in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 53 Rd. 16). Vorliegend ergibt sich auch aus dem Vortrag der Klägerin nicht, dass für den Beklagten die noch nicht einmal gegenüber Frau A ausdrücklich ausgesprochene Beschränkung des Weitergaberechts offensichtlich war. Selbst wenn der Beklagte einem Anspruch nach § 985, 986 Abs. 1 S. 1, 2. A. BGB ausgesetzt gewesen sein sollte, würde demnach daraus nicht folgen, dass er nicht innerhalb der Schrankenregelung des § 53 UrhG handelte.

Die von der Klägerin erwähnten Regelungen der §§ 992, 993 BGB i.V.m. § 858 BGB finden auf gutgläubigen Besitzerwerb gemäß § 993 BGB keine Anwendung. Der Klägerin ist auch nicht zu folgen, dass der Beklagte seine Gutgläubigkeit hätte nachweisen müssen. Soweit die Klägerin die sachenrechtlichen Maßstäbe der verbotenen Eigenmacht und des Fremdbesitzerexzesses heranzieht, obliegt es ihr, die Voraussetzungen darzulegen und ggf. zu beweisen. Dass die vom Beklagten darzulegenden und zu beweisenden Voraussetzungen der Schrankenregelung dem Wortlaut nach erfüllt sind, ist zwischen den Parteien hier unstreitig.

cc.
Auch die Auffassung der Klägerin, die Schrankenregelung des § 53 UrhG finde wegen der hier vorliegenden Verletzung ihres Urheberpersönlichkeitsrechts keine Anwendung, überzeugt nicht. Unstreitig erfasst das Urheberpersönlichkeitsrecht über die in § 15 UrhG aufgeführten Verwertungsrechte hinausgehende Kernrechte des Urhebers; die Schrankenregelung des § 53 UrhG bezieht sich dagegen allein auf das Vervielfältigungsrecht des § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 16 UrhG. Vorliegend ist jedoch eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.

Die gesetzgeberische Wertung des § 53 Abs. 1 UrhG zeigt, dass Vervielfältigungshandlungen, die dem Bereich des § 53 Abs. 1 UrhG unterfallen, grundsätzlich zulässig sind und damit auch nicht als Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts untersagt werden können. Eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts im Fall einer grundsätzlich § 53 Abs. 1 UrhG unterfallenden Vervielfältigung kann demnach nur dann angenommen werden, wenn über die Vervielfältigungshandlung i.S.d. § 16 i.V.m. § 53 UrhG hinausgehende Umstände vorliegen. Dies kann dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden: Der Hinweis der Klägerin, mit der Vervielfältigung ihrer noch im Entstehungsprozess befindlichen Bildnisarbeiten habe der Beklagte sie eines Teils ihrer Identität beraubt, knüpft allein an die von § 53 Abs. 1 UrhG erfassten Tatbestandsmerkmale an. Wie oben ausgeführt, kann der Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG nicht entnommen werden, dass Werke im Entstehungsprozess vor Veröffentlichung von ihr ausgenommen werden. Sind damit auch Vervielfältigungen von Entwurfswerken zulässig, hat der Gesetzgeber die damit im Einzelfall verbundene Beeinträchtigung des Schaffensprozesses des Künstlers ebenfalls für zulässig gehalten.

Auch soweit die Klägerin auf ihr Erstmitteilungsrecht verweist, kann hier keine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts erkannt werden. Die Klägerin hat ihr Erstmitteilungsrechts ausgeübt und in diesem Zusammenhang die Bildnisarbeiten bei Frau A belassen. Wie ausgeführt, kann ihrem Vortrag auch nicht entnommen werden, dass sie Frau A – ausdrücklich oder jedenfalls konkludent – vermittelt hat, dass diese die Bilder Dritten nicht zeigen dürfe. Das Scannen durch den Beklagten ist damit nicht geeignet, in das Erstmitteilungsrecht der Klägerin einzugreifen.

Der weitere Hinweis auf das Entstellungsverbot vermag ebenfalls keinen Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht zu begründen, da nähere Anhaltspunkte für eine hier erfolgte Entstellung der Bildnisarbeiten der Klägerin durch das Scannen nicht vorgetragen wurden. Die hinsichtlich der konkreten Ausmaße nicht vorgetragene leichte Maßstabsveränderung, die mit dem Scannen verbunden sein kann, unterfällt für sich allein nicht dem Begriff der Entstellung eines Werkes.

dd.
Der Senat schließt sich auch nicht der Ansicht der Klägerin an, wonach jedenfalls entsprechend den Ausnahmeregelungen in § 53 Abs. 4 Nr. 1 (Noten) und Nr. 2 UrhG (Bücher/Zeitschriften) eine weitere Ausnahme für die hier maßgebliche Portraitkunst anzunehmen sei.

§ 53 Abs. 4 Nr. 1 und 2 UrhG soll grundsätzlich Werke erfassen, die in besonders gravierender Weise von den Kopiermöglichkeiten der Nutzer betroffen sind (vgl. Lüft in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 53 Rd. 10). Der Wortlaut ist klar auf zwei Fallgruppen beschränkt. Nach einstimmiger Ansicht in der Literatur sind die erfassten Werkkategorien nicht über diese Gruppen hinaus auszudehnen (vgl. Decker in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 53 Rd. 44 m.w.N.). Bereits eine Ausdehnung der Regelung in § 53 Abs. 4 Nr. 2 UrhG auf Zeitungen wird abgelehnt (ebenda).

Angesichts der deutlichen Formulierungen in § 53 Abs. 4 UrhG hätte es jedenfalls näherer Ausführungen der Klägerin bedurft, die auf das Vorliegen einer ungewollten Regelungslücke schließen ließen. Diese fehlen. Allein der von der Klägerin angeführte Umstand, dass Portraitkunst möglicherweise überwiegend für den Portraitierten von Bedeutung und wirtschaftlichem Wert ist, spricht nicht für das Vorliegen einer Regelungslücke. Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, dass diese Erwägung vergleichbar ist mit den Gründen, die der in § 53 Abs. 4 UrhG enthaltenen Rückausnahme zugrunde liegen.

ee.
Schließlich ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 60 Abs. 1 S. 2 UrhG vorliegend keine abweichende Wertung.

Gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 UrhG ist eine Verwertung nur durch Lichtbild zulässig, wenn es sich bei dem Bildnis um ein Werk der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Nr. 4 UrhG handelt. Dabei kann auch an dieser Stelle offenbleiben, ob die streitgegenständlichen, noch im Schaffensprozess befindlichen Bildnisarbeiten der Klägerin, die auf einer Bearbeitung digitaler Fotografien beruhen, dem Schutzbereich der Werke der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Nr. 4 i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2 UrhG unterfallen. Gegen diese Bewertung könnte sprechen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 60 Abs. 1 S. 2 UrhG eine Vervielfältigung des Werks im gleichen Medium verhindern wollte und insoweit insbesondere das Abmalen bzw. Abzeichnen eines gemalten bzw. gezeichneten Bildes vor Augen hatte, nicht aber ein bereits im Originalzustand der einfachen Vervielfältigung unterliegendes Digitalbildnis (vgl. Dreier in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 60 Rd. 10).

Auch wenn man zugunsten der Klägerin die streitigen Bildnisarbeiten als Werke der bildenden Kunst i.S.d. § 2 Nr. 4 UrhG einordnen würde, würde sich das Scannen dieser Werke als zulässig i.S.d. § 60 Abs. 1 S. 2 UrhG darstellen. § 60 Abs. 1 S. 2 UrhG bezieht sich seinem Wortlaut nach zwar auf die Verwertung durch Lichtbilder i.S.d. § 72 UrhG. Hintergrund dieser 1965 eingeführten Regelung war, dass der Gesetzgeber die persönliche Beziehung des Fotografen zu seinem Werk für weniger eng hielt als diejenige des Urhebers eines Werkes der bildenden Kunst. Der Begriff des Lichtbildes wird jedoch i.S.d. § 72 UrhG weit aufgefasst und umfasst auch Verfahren, die die traditionelle fotografische Vervielfältigung zunehmend ersetzen (vgl. Dreier in: Dreier/Schulze, 3. Aufl., § 60 Rd. 10). Dazu gehören allgemein alle elektronisch aufgezeichneten Bilder, insbesondere die Fotokopie und das Scannen (ebenda; Vogel in: Schricker, UrhR, 3. Aufl., § 60 Rd. 25; Thum in: Wandtke/Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 72 Rd. 12).

Die von der Klägerin angesprochene Problematik der angemessenen Vergütung eines auf Portraits spezialisierten Künstlers im Fall der Zulässigkeit von Privatkopien steht dieser Wertung ebenfalls nicht entgegen. Wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt, steht einem Künstler, dem diese wirtschaftlichen Verwertungsschwierigkeiten bekannt sind, die – neben § 54 UrhG stehende – Möglichkeit der Vereinbarung einer dieses Risiko auffangenden Vergütungsregelung mit dem Portraitierten offen.

2.
Soweit die Klägerin sich zudem gegen rechtswidrige Vervielfältigungen in Form des Versands von E-Mails, dem Ausdruck digitaler Dateien oder den Download wendet, fehlen bereits – wie auch vom Landgericht ausgeführt – hinreichend konkrete und unter Beweis gestellte Darlegungen der Klägerin, dass der Beklagte entsprechende Verletzungshandlungen vorgenommen hat.

3.
Liegt kein unzulässiger Eingriff in die Urheberrechte der Klägerin vor, kann die Klägerin bereits deshalb nicht gemäß Antrag zu 2. die Besichtigung des Rechners des Beklagten verlangen. Hinsichtlich eines etwaigen Mail-Verkehrs mit Frau B ist die Klägerin zudem den landgerichtlichen Feststellungen nicht entgegengetreten, wonach diese dem persönlichen Bereich des Beklagten gemäß § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG zuzuordnen wäre.

Mangels unzulässigen Eingriffs in eine urheberrechtlich geschützte Position der Klägerin sind auch die weiteren Folgeanträge unbegründet.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen. Die Frage, ob § 53 Abs. 1 UrhG auf Vervielfältigungen veröffentlichter Werke im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 3 GG garantierte Kunstfreiheit zu beschränken ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zu dieser Frage – soweit ersichtlich – nicht vor.

I