OLG Frankfurt a.M.: „Richtigstellung“ durch Sternchenhinweis macht Unterlassungserklärung nicht entbehrlich

veröffentlicht am 1. August 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.06.2014, Az. 16 U 238/13
§ 823 BGB, § 1004 BGB; Art. 1 GG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass eine „Richtigstellung“ einer unwahren Tatsachenbehauptung durch einen Sternchenhinweis, der lediglich besagte, dass „aufgrund der falschen Interpretation eines Gesprächs durch die Autorin“ eine Passage des Berichts entfernt werden musste, die Wiederholungsgefahr für die beanstandeten Äußerungen nicht ausschließt. Es handele sich nicht um eine Richtigstellung im eigentlichen Sinne. Auch eine solche könne eine Unterlassungserklärung nur in engen Grenzen entbehrlich machen. Vorliegend sei durch den Sternchenhinweis jedoch nicht einmal deutlich geworden, welche Behauptungen auf Grund von Unwahrheit zurück genommen würden. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2013 – 2-03 O 196/13 – wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Unterlassungsverpflichtung der Verfügungsbeklagten (nachfolgend Beklagte) im Hinblick auf Äußerungen im Rahmen einer Hörfunksendung, die über die Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin) gefallen sind.

Die Hörfunksendung fand am … 2013 statt. Sie wurde auch durch eine Audio-Datei und eine Textfassung ins Internet gestellt.

Das Landgericht hat die beantragte Unterlassungsverfügung durch einstweilige Verfügung vom 22. Mai 2013 erlassen (Bl. 88 f d. A.) und der Beklagten verwehrt, über die Klägerin zu behaupten/behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen:

1. „Die X-Sympathisantin engagiert sich in einer (Volksgruppe) Frauengruppe in O1, die mutmaßlich vom Verfassungsschutz beobachtet wird“;

2. „Wie bei den meisten (Volksgruppe) ist auch bei A das Interesse an der (Volksgruppe) Heimat nach wie vor sehr stark“;

3. „ (…) wünscht sie sich, dass die X jetzt von der EU-Terrorliste gestrichen wird“.

Dagegen hat die Beklagte Widerspruch eingelegt.

Durch das angefochtene Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2013 hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 22. Mai 2013 bestätigt. Zur Begründung des aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleiteten Unterlassungsanspruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den inkriminierten Äußerungen um unwahre Tatsachenbehauptungen handele und die durch die Verletzung indizierte Wiederholungsgefahr nicht entfallen sei, weil die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben habe und ein dies entbehrlich machender Ausnahmefall nicht gegeben sei.

Gegen das ihr am 3. Dezember 2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einer am 30. Dezember 2013 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. März 2014 mit einer am 28. Februar 2014 eingegangenen Schrift begründet worden ist.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Landgericht die Äußerungen zu 2. und 3. zu Unrecht als unwahre Tatsachenbehauptungen eingestuft habe. Ferner stellt sie in Abrede, dass aufgrund des Gesamtverhaltens der Beklagten von einer Wiederholungsgefahr auszugehen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2013 – 2-03 O 196/13 – abzuändern, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Mai 2013 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin auf der Grundlage von §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i. V. mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG bejaht.

Bei den inkriminierten Äußerungen handelt es sich auch nach Auffassung des Senats um unwahre Tatsachenbehauptungen.

Das gilt zunächst für die Äußerung „Wie bei den meisten (Volksgruppe) ist auch bei A das Interesse an der (Volksgruppe) Heimat nach wie vor sehr stark“.

Diese Äußerung enthält einen unwahren Tatsachenkern. Denn die Klägerin ist in Deutschland aufgewachsen und deutsche Staatsbürgerin. Ihr Interesse an den (Volksgruppe) kann daher kein Interesse an der (Volksgruppe) Heimat sein, sondern allenfalls ein Interesse an der Heimat der (Volksgruppe). Durch die Formulierung des Satzes im Beitrag „Wie bei den meisten (Volksgruppe)“ wird aber impliziert, dass die Klägerin Interesse an „ihrer“ (Volksgruppe) Heimat habe, ohne dass dies zutreffen kann.

Bezüglich der dritten Äußerung macht die Beklagte ohne Erfolg geltend, dass aufgrund der Interviewäußerung der Klägerin die Mitteilung „ … wünscht sie sich, dass die X jetzt von der EU-Terrorliste gestrichen wird“ wahr sei.

Der Senat teilt diese Einschätzung nicht. Denn in dem Interview fällt dieser Satz als Ergebnis eines Prozesses, der zuvor geschildert wird, sodass der Satz sinnentstellend zitiert wird. Die Klägerin wünscht sich nicht, dass „jetzt“ bereits die X von der EU-Terrorliste gestrichen wird, sondern sie hatte in dem Interview Folgendes geäußert: „Es finden immer noch Hausdurchsuchungen statt. Es werden immer wieder Vereinsräume durchsucht bzw. Leute bekommen Verfahren wegen verschiedener Straftatbestände. Und da besteht natürlich die Hoffnung, dass auch das alles aufhören wird, zumindest abnehmen wird, weil damit würde wahrscheinlich auch einhergehen, dass die X von der Terrorliste gestrichen wird.“

Der inkriminierte Satz ist daher das Ergebnis diverser Feststellungen, quasi ein Resümee. Und dieses Resümee ist Ergebnis ihrer Feststellung, dass der Friedensprozess und eine mögliche Einigung zwischen der X und der … Regierung Folgen für die in Deutschland lebenden (Volksgruppe) haben könnte. Die Klägerin hat daher nicht geäußert, sie wünsche sich, dass die X jetzt von der EU-Terrorliste gestrichen wird, sondern sie hat lediglich den Wunsch geäußert, dass als Ergebnis eines Demokratisierungsprozesses eine solche Streichung von der EU-Terrorliste möglich sein werde. Mit dem Zitat wird daher beim Leser oder Hörer eine falsche Vorstellung erweckt, die die Klägerin nicht hinnehmen muss.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch die durch die Verletzung indizierte Wiederholungsgefahr nicht entfallen, weil die Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass die strafbewehrte Unterlassungserklärung im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen sei.

Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung muss grundsätzlich abgegeben werden, wenn ein rechtswidriger Eingriff bereits stattgefunden hat und damit die Gefahr der Wiederholung naheliegt. Es ist deshalb grundsätzlich zu vermuten, dass ein einmal erhobener rechtswidriger Vorwurf wiederholt wird (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12, Rn 8).

Nur ausnahmsweise und unter Anwendung strenger Anforderungen kann von dem Erfordernis einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgesehen werden. Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden (vgl. S. 10 des landgerichtlichen Urteils). Der Senat sieht sich jedoch noch zu folgenden Ausführungen veranlasst:

Es mag sein, dass die beanstandeten Äußerungen nicht böswillig, sondern allenfalls versehentlich erfolgt sind, da sich sowohl die Autorin des Artikels als auch die Beklagte mündlich bzw. schriftlich, sogar mehrfach und ausdrücklich, für die fehlerhafte Berichterstattung entschuldigt haben. Es mag auch sein, dass der Klägerin wenige Stunden nach Ausstrahlung des streitgegenständlichen Beitrages angeboten wurde, die von ihr beanstandeten Passagen nach eigenem Wunsch umzuformulieren und auch dem daraufhin von der Klägerin geäußertem Wunsch nach einer vollständigen Löschung der entsprechenden Passage umgehend entsprochen wurde.

Entscheidend ist jedoch, dass sich die Beklagte nicht nach außen hin von der Berichterstattung in ausreichendem Maße distanziert hat. So ist bezüglich der Hörfunksendung im Radio zu keinem Zeitpunkt eine Richtigstellung erfolgt. Ohne Erfolg macht die Beklagte auch geltend, dass die Fehlerhaftigkeit der Berichterstattung durch einen „Sternchenhinweis“ offengelegt worden sei. Vielmehr hat die Beklagte lediglich die Passage mit den inkriminierten Äußerungen entfernt und mit dem Sternchenhinweis deutlich gemacht, dass aufgrund der falschen Interpretation eines Gesprächs durch die Autorin eine Passage des Berichts entfernt werden musste. „Falsche Interpretation“ ist aber deutlich weniger als Mitteilung unrichtiger Tatsachenbehauptungen aufgrund fehlender journalistischer Sorgfalt, was auf eine Richtigstellung hinausliefe. Wenn die Beklagte, weil die Klägerin an einer eigenen Umformulierung des Beitrages nicht interessiert war und auf einer Entfernung bestand, deutlich gemacht hätte, dass der Beitrag inhaltlich unrichtige Passagen enthalten habe, ließe sich ihr Vorgehen als Richtigstellung interpretieren, was gegen eine Wiederholungsgefahr sprechen könnte. So aber ist der Sternchenhinweis zu unbestimmt, um die Gefahr auszuräumen, dass die Beklagte doch noch einmal auf die inkriminierten Äußerungen zurückkommt. Jedenfalls ist es der Klägerin, die sich ja nach wie vor zu (Volksgruppe)-Fragen äußern könnte, nicht zuzumuten, auf ein Wohlverhalten der Beklagten zu hoffen. Es kommt hinzu, dass durch den Sternchenhinweis der Hintergrund für die Entfernung der Passage verharmlost wurde, sodass ein ernstes publizistisches Interesse, dem Begehren der Klägerin Rechnung zu tragen, nicht erkennbar wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO unanfechtbar.

Vorinstanz:
LG Frankfurt, Az. 2-3 O 196/13

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