OLG Frankfurt a.M.: Werden Werbesendungen gegen den Willen des Empfängers in Plastikfolie zugestellt, liegt hierin kein Wettbewerbsverstoß

veröffentlicht am 22. Mai 2012

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.12.2011, Az. 25 U 106/11
§ 7 Abs. 1 und 2 UWG, § 8 Abs. 4 UWG, § 12 Abs. 2 UWG; § 242 BGB

Das OLG Frankfurt a.M. hat entschieden, dass der Einwurf von Post-Werbesendungen, die von Plastikfolie umhüllt sind, bei Verbrauchern zulässig ist, auch wenn diese einen Aufkleber mit dem Wortlaut „Keine Werbung in Plastiktüten! Der Umwelt zuliebe!“ auf ihrem Briefkasten angebracht haben. Belästigung mit Plastikfolien sei keine wettbewerbsrechtlich relevante Handlung im Sinne von § 7 Abs. 2 UWG. Für diese Vorschrift sei Voraussetzung, dass die Willensmissachtung gerade in der Aufnötigung von Werbematerial liege. Dazu sei jedoch nicht vorgetragen worden. Eine unzumutbare Belästigung liege ebenfalls nicht vor, da die mit einem Handgriff zu erledigende Entsorgung der Umhüllung dem Durchschnittskunden durchaus zuzumuten sei. Darüber hinaus bejahte der Senat auch ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Antragstellerin, denn diese habe die o.g. Aufkleber selbst auf wettbewerbsrechtlich unzulässige Weise in der Region in Umlauf gebracht, um sodann Verteiler von Werbesendungen in Plastikfolien abmahnen zu können. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10.6.2011 – 12 O 4088/11 – wird abgeändert.

Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

I.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nebst Darstellung der Änderungen oder Ergänzungen im Berufungsrechtszug wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a, 542 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit Begründung versehene Berufung der Verfügungsbeklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Die im Wege der Urteilsverfügung erlassene einstweilige Verfügung war aufzuheben und der Antrag der Verfügungsklägerin zurückzuweisen.

Es kann dahinstehen, ob bereits ein Verfügungsgrund nicht gegeben war, weil die Verfügungsklägerin sich nach Kenntnis des beanstandeten Verhaltens, die schon ab dem 13.4.2011 bestanden hat, über 6 Wochen Zeit gelassen hat, bis sie den Erlass der einstweiligen Verfügung beantragt hat. In solchen Fällen kommt in Betracht, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG durch das eigene Verhalten des Anspruchstellers widerlegt ist.

Selbst wenn man die Reaktion auf das vermeintlich wettbewerbswidrige Verhalten der Verfügungsbeklagten als noch rechtzeitig ansehen wollte, hätte die einstweilige Verfügung nicht erlassen werden dürfen, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt.

Zu Unrecht bemängelt zwar die Verfügungsbeklagte, dass insoweit schon der Antrag der Verfügungsklägerin zu unbestimmt sei, weil nicht zwischen § 7 Abs. 1 UWG und § 7 Abs. 2 UWG differenziert werde.

Abs. 2 enthält lediglich Regelbeispiele zur Auffüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs „unzumutbare Belästigung“ verbunden mit einer Auslegungsfixierung. Das ändert aber nichts daran, dass im Falle des Abs. 2 zwingend zugleich Abs. 1 verwirklicht ist. Prozessual handelt es sich deswegen um denselben Streitgegenstand.

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 UWG lagen nicht vor. Die angesprochenen Verbraucher wenden sich nicht gegen Werbung als solche, sondern nur gegen die spezielle Verpackung, die umgangssprachlich als „Plastiktüte“ bezeichnet werden könnte. Deshalb musste sich die wettbewerbsrechtliche Untersuchung darauf konzentrieren, ob es wettbewerbswidrig ist, dass die Plastikfolie nicht vor dem Einwurf entfernt wird. Denn würde die Folie vor dem Einwurf von dem Druckwerk entfernt, wäre dem Willen des Verbrauchers Rechnung getragen. Belästigung mit Plastikfolien ist aber keine wettbewerbsrechtlich relevante Handlung im Sinne von § 7 Abs. 2 UWG. Denn diese Vorschrift setzt voraus, dass die Willensmissachtung gerade in der Aufnötigung von Werbematerial liegt. Hinsichtlich der Werbung selbst, die sich in der Umhüllung/Verpackung befindet, gibt es aber gar keinen ausreichend formulierten entgegenstehenden Willen der Kunden.

Ist kein Regelbeispiel des Abs. 2 erfüllt, dann hätte sich ein Anspruch der Verfügungsklägerin nur nach Abs. 1 des § 7 UWG ergeben können, wenn es sich beim Einwurf eines in Kunststofffolie gehüllten Druckwerks um eine unzumutbare Belästigung handelt. Es spricht viel dafür, dass die Interessenabwägung, die insoweit erforderlich ist (Ubber, in Harte-Bavendamm, UWG, 2. Aufl., § 7 Rn. 26), hier zu Lasten der betroffenen Marktteilnehmer ausgeht. Maßgeblich ist nicht der ökologisch besonders engagierte Kunde, sondern der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Adressat. Angesichts des Umstandes, dass die Folie mit einem Handgriff vom – für sich genommen nicht als unerwünscht deklarierten – Inhalt zu trennen ist, drängt sich die Einschätzung, dass dieser Handgriff und der Aufwand für die Entsorgung „unzumutbar“ sein könnten, nicht auf. Dann würde selbst dann kein Verstoß gegen § 7 UWG vorliegen, wenn es sich bei der Missachtung des Aufklebers nicht um Ausreißer handelte, die die Verfügungsbeklagte mit zumutbarem Aufwand nicht verhindern kann. Ob der Vortrag dazu, dass es sich nicht um Ausreißer handelt, ausreichend ist, kann ebenfalls dahinstehen.

Entscheidend ist nämlich, dass die Verfügungsklägerin im Mai 2011 und bis heute gehindert ist, einen etwaigen Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen § 7 Abs. 1 UWG wegen Missachtung des Aufklebers „Keine Werbung in Plastiktüten! Der Umwelt zuliebe!“ im Wege der einstweiligen Verfügung zu verfolgen, weil dieses Verhalten gegen § 8 Abs. 4 UWG i.V.m. § 242 BGB verstößt. Die Verfügungsklägerin möchte mit dieser einstweiligen Verfügung lediglich die Früchte ihres eigenen, ihr wettbewerbsrechtlich bereits untersagten Verhaltens ernten, was kein rechtlich schützenswertes Interesse darstellt. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob und inwieweit im Wettbewerbsrecht der aus dem angloamerikanischen Rechtsraum überlieferte Einwand der „unclean hands“ Gültigkeit beanspruchen kann. Vielmehr geht es um die seit jeher im Rahmen von § 242 BGB bekannte Fallgruppe, dass Vorteile aus einer Rechtsposition dann nicht geltend gemacht werden können, wenn diese Position auf unredliche Weise erlangt worden ist. Genau diese Fallgruppe ist hier einschlägig. Dass seit Frühjahr 2011 auf einigen Briefkästen in der Region der Aufkleber „Keine Werbung in Plastiktüten! Der Umwelt zuliebe!“ zu finden ist, hat die Verfügungsklägerin mit ihrem Preisausschreiben und der werbenden Ausnutzung eines nach Namen und Funktion bezeichneten Amtsträgers jeweils in wettbewerbsrechtlich unzulässiger Weise gefördert oder sogar provoziert und damit selbst Voraussetzungen geschaffen, um anschließend versuchen zu können, sich darauf zu berufen, dass die Verfügungsbeklagte diese Aufkleber missachte. Da sie aber auf diese Weise den unzulässigen Boykottaufruf, den sie initiiert hat, auf mittelbare Weise vorantreiben würde, hindern §§ 8 Abs. 4 UWG, 242 BGB die Verfügungsklägerin, den Erfolg ihrer unzulässigen Kampagne geltend zu machen und damit ihren Rechtsverstoß zu perpetuieren.

Daran würde sich auch nichts ändern, wenn die Verfügungsklägerin nicht selbst bei den Adressaten Erkundigungen eingezogen haben sollte, ob ungeachtet des Aufklebers das von der Beklagten vertriebene Produkt in die Briefkästen eingelegt wird, sondern sie von Kunden darauf angesprochen worden sein sollte. Die Verfügungsklägerin ist insoweit nicht Sachwalterin zur Wahrnehmung etwaiger Abwehransprüche der Adressaten.

Da die Verfügungsklägerin somit insgesamt unterliegt, hat sie gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

I