OLG Frankfurt a.M.: Zu der Zulässigkeit, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzunehmen und an einem anderen Gericht erneut zu stellen

veröffentlicht am 20. April 2010

Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

In dem Rechtstreit

gegen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.01.2001 am 22.03.2001 beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.000.000,00 DM

Gründe:

Die Antragstellerin beanstandet von der Antragsgegnerin verwendete Werbemittel als irreführend (§ 3 HWG) und nimmt die Antragsgegnerin deshalb im Wege des Eilverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin hatte nach erfolgloser Abmahnung vom 17.11.2000 wegen desselben Vorwurfs bereits am 17.11.2000 beim Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin beantragt. Mit Beschluss vom 24.11.2000 hat das Landgericht Hamburg diesen Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde, der das Landgericht Hamburg nicht abgeholfen hat, hat die Antragstellerin im Januar 2001 zurückgenommen, nachdem das Hanseatische Oberlandesgericht nach Anhörung der Antragsgegnerin und ergänzender Stellungnahme durch die Antragstellerin zu erkennen gegeben hatte, nicht willens zu sein, den landgerichtlichen Beschluss aufzuheben und die einstweilige Verfügung im Beschlusswege zu erlassen.

Mit dem vorliegenden, beim Landgericht Frankfurt am Main am 12.01.2001 eingereichten Antrag macht die Antragstellerin das gleiche Unterlassungsbegehren erneut geltend. Das Landgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 31.01.2001 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der geltend gemachte Wettbewerbsverstoß nicht vorliege. Hier gegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eilantrag ist bereits unzulässig, da die Antragstellerin durch die Rücknahme des Eilantrags im Verfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht die Vermutung der Dringlichkeit (§ 25 UWG) widerlegt hat.

Die Antragstellerin hätte die Möglichkeit gehabt, durch eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts über ihre Beschwerde gegen den zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 24.11.2000 Klarheit zwischen den Parteien zu schaffen, wie die beanstandete Werbung im summarischen Verfahren wettbewerbsrechtlich zu beurteilen ist. Dadurch, dass die Antragstellerin diese Klärung durch Rücknahme des Eilantrages vereitelt hat, hat sie sich unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles der Möglichkeit begeben, denselben Unterlassungsanspruch nochmals zum Gegenstand eines Eilverfahrens zu machen.

Gegen diese Beurteilung spricht nicht, dass das Hanseatische Oberlandesgericht zu erkennen gegeben hatte, die Beschwerde habe keine Erfolgsaussichten. Hierbei kann es sich naturgemäß nur um eine vorläufige Einschätzung gehandelt haben, so dass es der Antragstellerin möglich gewesen wäre, ihre Argumente zu vertiefen und zu erläutern, um auf diese Weise das Beschwerdegericht doch noch von ihrer Sichtweise zu überzeugen. Allein der Umstand, dass sich der Antragsteller eines Eilverfahrens in einer eingünstigen Position befindet, kann es – unter dem Gesichtspunkt des Dringlichkeitserfordernisses – nicht rechtfertigen, den Erlass einer drohenden ungünstigen Entscheidung in der Absicht zu verzögern, diese Position noch zu verbessern. Dies gilt sowohl für Verzögerungen innerhalb eines anhängigen Verfahrens (etwa für die bewusste Hinnahme eines Versäumnisurteils zur Verbesserung der Glaubhaftmachungslage, vergleiche Senat WRP 95, 502 – Versäumnisurteil und Eilbedürfnis) als auch für die gleichfalls zu einer erheblichen Verzögerung führende Rücknahme eines Eilantrages, verbunden mit der erneuten Stellung des gleichen Antrages bei einem anderen Gericht.

Im übrigen können bei der Beurteilung des. Dringlichkeitserfordernisses, das letztlich eine besondere Form des Rechtschutzbedürfnisses für das Eilverfahren darstellt (vergleiche Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, Rdz. 15 zu Kapitel 54), auch die schutzwürdigen Interessen des Antragsgegners nicht unbeachtet bleiben. Es ist einer gerichtlich in Anspruch genommenen Partei grundsätzlich nicht zuzumuten, sich nacheinander in mehreren Verfahren gegen das gleiche Begehren verteidigen zu müssen, weil die Gegenseite ein bereits streitig geführtes Verfahren vor der Entscheidung durch Rücknahme beendet und dasselbe Ziel danach in einem neuen Verfahren erneut verfolgt. Im Klageverfahren wird diesem berechtigten Anliegen des Beklagten dadurch Rechnung getragen, dass die Klage nach mündlicher Verhandlung nur noch mit seiner Einwilligung zurückgenommen werden kann (§ 269 I, Il ZPO). 1m Eilverfahren fehlt es dagegen an einer entsprechenden Regelung, da § 269 1, 11 ZPO nach überwiegender Auffassung (vergleiche Spätgens, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Auflage, Rdz. 91 zu § 82 mit Nachweisen zum Meinungsstand) insoweit generell nicht anwendbar ist. Daher muss dem berechtigten Schutzbedürfnis des Antragsgegners dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Antragsteller ein Verfügungsgrund grundsätzlich nur für ein – den gleichen Gegenstand betreffendes – Eilverfahren zugebilligt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – sich das erste Eilverfahren bereits im zweiten Rechtszug befunden hat und dem Antragsgegner rechtliches Gehör gewährt worden ist. Unter welchen Umständen etwas anderes gelten kann, wenn der Antragsteller – was verbreiteter Praxis entspricht- seinen Eilantrag bereits in erster Instanz vor Anhörung des Gegners und vor einer gerichtlichen Entscheidung zurücknimmt und den gleichen Antrag sodann zeitnah bei einem anderen Gericht stellt, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Die genannten Grundsätze greifen allerdings dann nicht ein, wenn ein zunächst zurückgenommenes Verfügungsbegehren in einem weiteren Antrag auf neue Tatsachen oder Glaubhaftmachungsmittel gestützt wird; denn in diesem Fall steht selbst eine rechtskräftige Zurückweisung des ersten Antrages einer erneuten Antragstellung nicht entgegen (vergleiche Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Auflage, Rdz. 18, 19 zu Kapitel 59 mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben; die Antragstellerin stützt sich vielmehr auf denselben Tatsachenvortrag und dieselben Glaubhaftmachungsmittel wie im Verfahren vor dem Landgericht Hamburg und dem Hanseatischen Oberlandesgericht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

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