OLG Frankfurt a.M.: Zum Verständnis der Werbung mit dem Siegel „TOP-Lokalversorger“

veröffentlicht am 12. Februar 2015

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.12.2014, Az. 6 U 166/14
§ 5 UWG

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Führung des Siegels „TOP-Lokalversorger“ durch ein Energieversorgungsunternehmen nicht irreführend ist, wenn zwar das lokale Versorgungsgebiet nicht einem etwaigen Grundversorgungsgebiet entspricht, das Unternehmen aber über das Grundversorgungsgebiet hinaus auch Leistungen erbringt, die besonderen Qualitätsvorstellungen genügen. Entscheidend sei die Verkehrsvorstellung, die sich daran orientiere, in welchen Bereichen örtliche Service- und Beratungsleistungen des Unternehmens noch sinnvoll in Anspruch genommen werden könnten. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 22.7.2014 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hanau wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe

I.
Die Antragstellerin bietet bundesweit die Lieferung von Strom und Gas im Onlinevertrieb an. Die Antragsgegnerin ist ein in O1 ansässiges kommunales Energieversorgungsunternehmen; sie ist fast in allen Ortschaften des …-Kreises – allerdings nicht am Ort ihres eigenen Unternehmenssitzes – Grundversorger für Strom.

Der Antragsgegnerin ist von der Fa. A GmbH, die auch für das Internetportal „… .de“ verantwortlich ist, das Siegel „TOP-Lokalversorger Strom 2014″ verliehen worden, mit dem die Antragsgegnerin auf Ihrer Homepage wirbt.

Die Antragstellerin hält die Werbung mit dem Siegel „TOP-Lokalversorger“ für irreführend, weil nicht erkennbar sei, dass – wie sich aus entsprechenden Angaben auf dem „… .de“ ergebe – das Siegel tatsächlich nur für das Grundversorgungsgebiet der Antragsgegnerin verliehen worden sei.

Nach Zurückweisung des Eilantrages durch das Landgericht verfolgt die Antragstellerin mit der Berufung ihr Unterlassungsbegehren weiter mit dem Antrag, der Antragsgegnerin zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die eigenen Energiedienstleistungen auf der firmeneigenen Homepage oder in sonstigen Werbeträgern, die sich an Verbraucher außerhalb des eigenen Grundversorgungs- bzw. Netzgebiets wenden, mit der Plakette für die jährlich vergebene Auszeichnung „TOP-Lokalversorger“ zu werben, ohne deutlich erkennbar in sichtbarer Nähe zu dem Label darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin diese Auszeichnung nicht in ihrem gesamten Versorgungsgebiet, sondern nur innerhalb des eigenen Netzgebietes/Grundversorgungsgebietes führt, so wie es unter Eingabe der jeweiligen Postleitzahlen aus dem Grundversorgungsgebiet/Netzgebiet der Antragsgegnerin auf der Seite www. …. de objektiv für den Verkehr zu erkennen ist.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil nach der Glaubhaftmachungslage der Irreführungsvorwurf, der allein Gegenstand des gestellten Antrages ist, nicht berechtigt ist.

Nach der Fassung des Unterlassungsantrages beschränkt sich dieser Irreführungsvorwurf darauf, dass die angegriffene Werbung mit dem Siegel „TOP-Lokalversorger“ den Eindruck erwecke, dieses Siegel sei der Antragsgegnerin für ein nicht näher beschriebenes, jedoch über das Grundversorgungsgebiet hinausgehendes Gebiet verliehen worden; tatsächlich sei die Verleihung jedoch auf das Grundversorgungsgebiet beschränkt.

1.
Die ohne weitere Erläuterungen oder Einschränkungen versehene Werbung mit dem Siegel „TOP-Lokalversorger“ erweckt beim angesprochenen Durchschnittsverbraucher den Eindruck, das Siegel sei nach entsprechender Prüfung durch den Siegelverleiher vergeben worden, wobei Gegenstand dieser Prüfung war, ob das Unternehmen über die reine Lieferung von Energie hinaus in einem regionalen Bereich um seinen Sitz herum weitere Leistungen (etwa hinsichtlich Service und Beratung) erbringt und lokale Aktivitäten (etwa die Unterstützung kultureller oder sportlicher Veranstaltungen) entfaltet; das zusätzliche Prädikat „TOP“ wird dahin verstanden, dass diese Leistungen und Aktivitäten nach dem Ergebnis der durchgeführten Überprüfung jedenfalls besonderen Qualitätsanforderungen entsprechen.

Bei der weiteren Frage, wie weit das lokale Versorgungsgebiet reicht, für das dem geprüften Unternehmen das Siegel verliehen worden ist, wird sich der angesprochene Durchschnittsverbraucher daran orientieren, ob zwischen seinem Verbrauchsort und dem Sitz des Lokalversorgers eine Entfernung besteht, bei der insbesondere die angebotenen Service- und Beratungsleistungen noch sinnvoll erbracht bzw. in Anspruch genommen werden können. Dieses lokale Versorgungsgebiet ist nach der Verkehrsauffassung jedenfalls nicht identisch mit einem etwaigen Netz- bzw. Grundversorgungsgebiet des Unternehmens, da die Einordnung als Lokalversorger im dargestellten Sinn unabhängig davon ist, ob das Unternehmen über ein eigenes Netz verfügt bzw. den besonderen Bindungen eines Grundversorgers unterliegt. So nimmt die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall mit der angegriffenen Werbung zweifellos für sich in Anspruch, „TOP-Lokalversorger“ (selbstverständlich) auch an ihrem eigenen Sitz in O1 sowie in der zum …-Kreis gehörenden Gemeinde O2 zu sein, wo sie jedoch gerade kein Grundversorger ist.

2.
Die beanstandete Werbung wäre daher irreführend (§ 5 UWG), wenn der Antragsgegnerin das Siegel „TOP-Lokalversorger“ tatsächlich nur für ihr Grundversorgungsgebiet, also insbesondere nicht für das Gebiet der Stadt O1 oder der Gemeinde O2, verliehen worden wäre. Davon kann jedoch nach der Glaubhaftmachungslage nicht ausgegangen werden.

Für die Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegnerin sei das Siegel nur für ihr Grundversorgungsgebiet verliehen worden, spricht zwar der Umstand, dass die Antragsgegnerin auf der von der Fa. A betriebenen Seite „… .de“ bei Eingabe der Postleitzahlen der Gemeinden O1 und O2, d. h. bei diesen nicht zu ihrem Grundversorgungsgebiet gehörenden Gemeinden, auch nicht als „Top-Lokalversorger“ aufgeführt wird.

Dem steht jedoch die in mehreren eidesstattlichen Versicherungen bekräftigte Darstellung des Geschäftsführers der Fa. A, Herrn B, entgegen, wonach das für die Siegelverleihung maßgebliche regionale Versorgungsgebiet nicht mit dem Grundversorgungsgebiet gleichzusetzen sei (Anlage zum Protokoll der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung – Bl. 191 d. A.; Anlage VB 3).

Herr B hat ferner versichert, dass der Verweis auf diese Auszeichnung auf der Internet-Seite www…..de keine offizielle Bekanntmachung über die Verleihung darstellt und lediglich der unterstützenden Information der Verbraucher dient, die an Tarifen und/oder Versorgern interessiert sind (Anlage VB 3). Er hat außerdem bekräftigt, sein Unternehmen habe auch solche Versorger ausgezeichnet, die weder ein eigenes Netz betrieben noch eben Grundversorger seien aber dennoch wesentliche Leistungen erbrächten, die für die Vergabe relevant seien und in dem von den Versorgern auszufüllenden Kriterienkatalog hinterlegt seien (Bl. 191 d. A.).

Die eidesstattlichen Versicherungen von Herrn B sind von der Antragstellerin nicht entkräftet worden.

Grundlage der Auszeichnung ist der von Fa. A entwickelte Kriterienbogen, mit dem die am Bewertungsverfahren teilnehmenden Unternehmen eine Selbstauskunft über ihre lokalen Aktivitäten unter den Rubriken „Service“, „Regionales Engagement“ und „Umwelt“ abgeben müssen (Anlage VB 16). Dort wird gar nicht abgefragt, welches Grundversorgungsgebiet das jeweilige Versorgungsunternehmen abdeckt.

Auch die von der Fa. A veröffentlichten „Richtlinien zur einheitlichen Verwendung des Top-Lokalversorgersiegels“ enthalten eine solche Festlegung nicht, denn dort ist vielmehr vorgegeben, dass sich die Auszeichnung „ganzheitlich auf den jeweiligen Anbieter bezieht“ und dass es ihm erlaubt ist, das Siegel „[in seinem] jeweiligen Einzugs- bzw. Versorgungsgebiet des Versorgers zu verwenden“ (aaO. 6. Unterpunkt – Anlage VB 2).

Aus den auf der Internet-Seite „… .de“ veröffentlichten Informationen, mit denen die Fa. A GmbH ihr Siegel beschreibt, lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass die Fa. A die Auszeichnung ausschließlich für das Grundversorgungsgebiet des Unternehmens vergibt. Dort heißt es zwar unter den Überschriften „Wie wird man TOP-Lokalversorger“ und „Leistung ist auch wichtig“ unter der Rubrik „Wichtig:“:

„Einige Punkte wie z. B. für das regionale Engagement werden außerdem nur im lokalen Versorgungsgebiet angezeigt. Dieses orientiert sich in der Regel am Grundversorgungsgebiet des Anbieters. In Ausnahmefällen wird es gesondert festgelegt…“ (Anlage Ast 5, Bl. 97 d. A.)

In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 11. 12. 2014 hat Herr B dazu ausdrücklich Stellung bezogen und darauf verwiesen, dass die Fa. A das Grundversorgungsgebiet lediglich als Orientierungshilfe betrachte, um das für sie relevante „regionale/lokale Versorgungsgebiet“ zu bestimmen und das hierfür auch etwaige Angaben des Versorgungsunternehmens nicht notwendig seien, weil die Fa. A das regionale/lokale Versorgungsgebiet des Versorgungsunternehmens eigenständig anhand einer externen Datenbank der Fa. C GmbH, O3 bestimme. Er hat klargestellt, dass die A auch bei der Auszeichnung der Antragsgegnerin nach diesem Verfahren vorgegangen sei (Bl. 507/508 d. A.).

Auch diese eidesstattliche Versicherung des Herrn B ist nicht widerlegt. Er kann sich namentlich darauf berufen, dass die Fa. A auch Versorger ausgezeichnet hat, die überhaupt kein Grundversorgungsgebiet haben, wie etwa die Fa. D AG, und dass andere Unternehmen ausgezeichnet worden sind, die sich in Sparten (Strom, Gas) beworben haben, in denen sie nicht Grundversorger sind, wie etwa die Stadtwerke X.

Es ist nach dieser eidesstattlichen Versicherung von Herrn B unklar geblieben, ob und wenn ja, wie die Fa. A von sich aus eine selbständige, ernsthafte Prüfung der für die Bewertung als „Top-Lokalversorger“ maßgeblichen Kriterien durchführen kann, zumal ihr außer dem ausgefüllten Kriterienbogen von der Antragsgegnerin keine weiteren Unterlagen übermittelt worden sind. Das mag Zweifel an der Seriosität des Vergabeverfahrens wecken, die allerdings in diesem Eilverfahren nicht geklärt werden müssen.

Für den hier allein streitgegenständlichen Irreführungsvorwurf folgt aus der Antwort der Antragsgegnerin auf den Hinweis des Senats eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Fa. A GmbH jedenfalls nicht die Absicht hatte, den räumlichen Geltungsbereich des von ihr verliehenen Siegels auf das Grundversorgungsgebiet der Antragstellerin zu begrenzen. Der Auskunftsbogen gemäß Anlage VB 16 enthält keine Angaben dazu, auf welches konkrete Gebiet sich die Auskünfte unter III. und IV. 2. – bei denen ausdrücklich eine „Punktvergabe nur im regionalen Versorgungsgebiet“ erfolgen sollte – beziehen. Aus der Sicht der Fa. A GmbH, die hierzu auch keine weiteren Erläuterungen verlangt hat, konnte aber kein Zweifel darüber bestehen, dass die Antragsgegnerin in jedem Fall auch die Stadt O1, in dem sie ihren Sitz hat, und die Gemeinde O2 als zu ihrem regionalen Versorgungsgebiet gehörend ansieht.

Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, die Fa. A GmbH habe das Siegel tatsächlich nur für das Grundversorgungsgebiet und damit insbesondere nicht für die Stadt O1 bzw. die Gemeinde O2 verleihen wollen. Denn dann wäre eine zwingende Nachfrage erforderlich gewesen, welche der erteilten Auskünfte sich möglicherweise nur auf O1 beziehen und deswegen nicht hätten berücksichtigt werden können. Aus den bereits zitierten Ankündigungen auf der Seite „… .de“ kann kein gegenteiliger Schluss gezogen werden, da die dort angekündigte Festlegung des lokalen Versorgungsgebiets gerade nicht stattgefunden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

Vorinstanz:
LG Hanau, Az. 6 O 49/14

I