OLG Frankfurt a.M.: Zur Beweisführung im Falle der behaupteten Ortsabwesenheit des mutmaßlichen Filesharers

veröffentlicht am 18. Oktober 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.09.2011, Az. 11 U 53/11
§ 445 ff ZPO

Das OLG Frankfurt tätigt in diesem Kostenbeschluss einige Ausführungen zu Beweisaufnahmen, wenn der mutmaßliche Filesharer sich mit Ortsabwesenheit zum Tatzeitpunkt verteidigt. Zunächst müsse die Abwesenheit nachgewiesen werden. Sodann müsse ebenfalls nachgewiesen werden, dass der Computer bei Abwesenheit üblicherweise ausgeschaltet sei, um eine täterschaftliche Haftung ausschließen und eine Störerhaftung prüfen zu können. Letzteres könne ggf. auch durch Vernehmung des Beklagten (sog. Parteivernehmung) nachgewiesen werden. Zur Frage, ob eine Störerhaftung gegeben sei oder ob getroffene Veschlüsselungsmaßnahmen des verwendeten WLAN-Routers ausreichend gewesen seien, wäre schließlich ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

In dem Rechtsstreit

gegen

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch … am 20.09.2011 beschlossen:

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten nach billigem Ermessen und Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands gemäß § 91 a ZPO zu entscheiden. Dies führt vorliegend zur Kostenaufhebung. Welcher Verfahrensausgang ohne die Erledigung zu erwarten gewesen wäre, ist nach dem maßgebenden Sach- und Streitstand bei Erledigung – hier durch die Abgabe der unbedingten strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 08.09.2011 – nicht zu beurteilen, da der Ausgang des Rechtsstreits von einer Beweisaufnahme abhängig war, zu welcher es infolge der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht kommt. In einem solchen Fall sind die Kosten des Rechtsstreits in der Regel gegeneinander aufzuheben (vgl. ZöllerNollkommer, ZPO. 28. Aufl., § 91 a Rd. 26; OLG Stuttgart MDR 2011, 1066, 1067). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, von diesem Grundsatz abzuweichen.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die Annahme des Landgerichts, es sei von einer täterschaftlichen Begehung der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen auszugehen, da er der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht in hinreichender Weise nachgekommen sei. Zur Begründung verweist er auf die bereits erstinstanzlich angebotenen Beweismittel für seine Ortsabwesenheit zu den maßgeblichen Zeitpunkten nebst dem Umstand, dass er zu diesen Zeitpunkten in der Wohnung allein gelebt hat. Zudem führt er nunmehr aus, dass sein Computer üblicherweise beim Verlassen der Wohnung ausgeschaltet gewesen sei und bietet insoweit Parteivernehmung an. Dieser Vortrag ist in der Berufungsinstanz zuzulassen, den Beweisangeboten wäre nachzugehen gewesen.

Da das Landgericht seine Entscheidung maßgeblich auf die erstmals im nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 04.03.2011 erörterte Behauptung, auf die Ortsabwesenheit allein komme es nicht an, solange der Computer nicht ausgeschaltet sei, gestützt hatte, ohne dass diese Ausführungen in dem nachgelassenen Schriftsatz als Reaktion auf neues Tatsachenvorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 11.01.2011 gewertet werden konnten, konnte der Beklagte noch in der Berufungsbegründung zu diesem Umstand vortragen. Die Klägerin führte im Schriftsatz vom 04.03.2011 zwar aus, dass sie auf die Irrelevanz der körperlichen Anwesenheit „wiederholt“ hingewiesen habe. Dies kann den zur Akte gelangten Schriftsätzen jedoch nicht entnommen werden. Vielmehr hatte auch die Klägerin erstinstanzlich das Ruhen des Verfahrens beantragt im Hinblick darauf, dass zwischen der seitens des Bundesgerichtshofs zu entscheidenden Konstellation der Urlaubsabwesenheit des in Anspruch genommenen Anschlussinhabers (BGH GRUR 2010, 633ff – Sommer unseres Lebens) und der hier seitens des Beklagten eingewandten Ortsabwesenheit Parallelen gezogen wurden. Nur in diesem Fall kam es auf die weitere Frage an, welche Verschlüsselungsanforderungen zu fordern sind, um einer Störerhaftung zu begegnen. Erstmals im Schriftsatz vom 04.03.2011 führte die Klägerin dann aus, dass die Frage, ob der Beklagte abwesend gewesen sei, offenbleiben könne, sofern der Computer nicht auch ausgeschaltet gewesen sei.

Soweit die Klägerin nunmehr im Berufungsverfahren vorträgt, maßgeblich sei nicht die Frage, ob der Computer ausgeschaltet gewesen sei, sondern allein, ob über den Internetanschluss des Beklagten eine Internetverbindung hergestellt wurde, überzeugt dies im Rahmen der Prüfung einer täterschaftlich begangenen Urheberrechtsverletzung nicht. Unabhängig davon, dass die Klägerin damit ihre eigenen erstinstanzlichen Ausführungen in Frage stellt, kommt es nach Einschätzung des Senats für die Prüfung der hier seitens des Landgerichts angenommenen täterschaftlichen Begehung auf den Aktivierungszustand des Computers an. Verfügt der in Anspruch genommene Anschlussinhaber lediglich über einen zum Tatzeitpunkt ausgeschalteten Computer, könnte ein aktivierter Internetanschluss allein lediglich als Grundlage einer Störerhaftung herangezogen werden.

Der Umstand, dass der Vortrag des Beklagten im Zusammenhang mit der Frage seiner Ortsabwesenheit im Laufe des Verfahrens verändert wurde, hätte der Notwendigkeit der Durchführung einer Beweisaufnahme nicht entgegengestanden, sondern wäre im Rahmen der anschließend vorzunehmenden Beweiswürdigung zu berücksichtigen gewesen.

Abhängig vom Ergebnis der geschilderten Beweisaufnahme zur Feststellung einer täterschaftlich begangenen Urheberrechtsverletzung wäre gegebenenfalls zur Klärung der dem Hilfsantrag der Klägerin zugrunde liegenden Störerhaftung zudem ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen. Im Raum steht insoweit die Frage, ob eine WEP-Verschlüsselung für einen im November 2005 angeschafften Router marktüblich war, soweit ein weitergehender Verschlüsselungsgrad nur unter Aufwendungen von finanziellen Mitteln zu erreichen gewesen wäre (vgl. BGH GRUR 2010. 633, 637 – Sommer unseres Lebens).

I