OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 01.11.2011, Az. 11 U 57/10
§ 23 UrhG, § 24 UrhG
Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass bei der Bearbeitung eines Designstuhls der Gesamteindruck zu bewerten ist, der durch die einzelnen eigenständigen Gestaltungselemente entsteht. Lägen dann erhebliche Abweichungen vor (hier: keine charakterische Würfelform, kein geschlossener Rohrstrang) sei von einer erlaubten freien Bearbeitung auszugehen, die keine Urheberrechte am früheren Modell verletze. Das Gericht führte aus, dass der angegriffene Stuhl keinen weitgehend übereinstimmenden Gesamteindruck hinterlasse und die zahlreichen eigenständigen Gestaltungsmerkmale des Stuhlmodells der Beklagten vielmehr dazu führten, dass die eigenschöpferischen Merkmale des Stuhls von Mart Stam verblassten. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.9.2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollsteckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils werden gemäß § 540 Abs. 1 ZPO in Bezug genommen und wie folgt ergänzt:
I.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt: Es könne offenbleiben, ob die Klägerin aktivlegitimiert sei. Das Stuhlmodell der Beklagten verletze die Klägerin jedenfalls nicht in den behaupteten Urheberrechten, da es sich als freie Bearbeitung i.S.d. § 24 UrhG darstelle. Maßgeblich für diese Bewertung sei insbesondere, dass die durchgängige Kunstlederpolsterung im Rückenbereich die Konturen des Stuhlgestells verdecke. Es liege kein in einem einheitlichen Zug verlaufender Rohrstrang vor. Die verwendeten Längenabmessungen stimmten nicht mit denen einer geometrischen Form eines Würfels überein. Insgesamt rufe der Stuhl der Beklagten einen abweichenden Gesamteindruck hervor.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Vortrag vertieft. Zu Unrecht habe das Landgericht die Unterschiede zwischen den Stuhlmodellen analysiert, statt richtigerweise den Gesamteindruck wirken zu lassen und die Übereinstimmungen zu bewerten Tatsächlich stimmten die individuellen Züge des Stuhlmodells der Beklagten mit denen des verteidigten Stuhls von Mart Stam überein. Auch der Stuhl der Beklagten bediene sich des Merkmals eines geschlossenen, einzügig verlaufenden Gestellstrangs. Soweit das Landgericht ausführe, dass der Rohrstrang im Bereich der Rückenlehne nicht mehr sichtbar sei, komme es auf Umstand nicht an, sofern weiterhin die durch den Rohrstrang vorgegebene Linienführung vorhanden sei. Dies sei vorliegend der Fall. Soweit das Landgericht die Längenabmessungen nicht im Einklang mit den geometrischen Formen eines Würfels bringen konnte, komme es nicht auf die zentimetergenauen Abmessungen an, sondern allein auf die hier vorliegende Annäherung an die Würfelform. Berücksichtige man den weitern Schutzbereich des Stuhls von Mart Stam einerseits und den großen Gestaltungsspielraum im Bereich hinterbeinloser Stühle andererseits, stelle sich das Stuhlmodel der Beklagten als unzulässige unfreie Bearbeitung dar.
Abb.
Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 16.9.2010 abzuändern und wie folgt zu entscheiden:
I. Die Beklagten werden verurteilt.
Es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
hinterbeinlose Metallgestellstühle anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder Abbildungen solcher Stühle zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen,
bei denen von dem U-förmig ausgebildeten Bodengestell die beiden Gestellteile nach viertelkreisförmiger Biegung senkrecht emporsteigen, worauf sie nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung die beiden Sitzstangen parallel oder nahezu parallel zu den Außenseiten des Bodengestells bilden und nach weiterer viertelkreisförmiger Biegung als Träger der Rückenlehne nahezu senkrecht ansteigen, und zwar unabhängig vom Material und von der Materialfarbe des Sitzes und der Rückenlehne nach Maßgabe der nachstehenden Abbildung:
II. Die Beklagten werden verurteilt,
1. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch angeordneten Verzeichnisses vollständig Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter Ziffer I 1 bezeichneten Stühle und zwar unter Angaben der Artikelbezeichnungen, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und sonstigen Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber sowie weiterhin unter Angabe der Menge der erhaltenen, ausgelieferten und für eine Auslieferung von der Beklagten und/oder bei den Beklagten bestellten Stühle, wobei die Auskunft durch Vorlage von Bestellschreiben, Liefer- und Frachtpapieren und Rechnungen zu belegen ist;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch und nach Verkaufsstätten geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.
III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,
1. die unter I 1 bezeichneten, in Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Stühle zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Stühle befinden, darüber schriftliche informiert werden, daß das Gericht mit Urteil auf eine Verletzung des Urheberrechts am hinterbeinlosen Stuhl von Mart Stam aus dem Jahre 1926 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte zu 1) unterbreitet und für den Fall der dieser Erzeugnisse durch die Beklagte zu 1) unterbreitet und für den Fall der Rücknahme der Stühle eine Erstattung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises bzw. einer sonstigen Äquivalenz für die zurückgerufenen Stühle sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird;
2. die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen Stühle, so wie sie unter Ziff. I 1 bezeichnet sind, zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten zu 1) an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten 1) herauszugeben.
IV. Die Beklagte zu 3) wird verurteilt,
1. die unter bezeichneten, in Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Stühle zu zurückzurufen, in dem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Stühle befinden, darüber schriftlich informiert werden, daß das Gericht mit Urteil auf eine Verletzung des Urheberrechts am hinterbeinlosen Stuhl von Mart Stam aus dem Jahre 1926 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte zu 3) unterbreitet und für den Fall der Rückgabe der Stühle eine Erstattung des ggf. bereits gezahlten Kaufpreises bzw. einer sonstigen Äquivalenz für die zurückgerufenen Stühle sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird;
2. die im unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten zu 3) befindlichen Stühle, so wie sie unter Ziff. I1 sind, zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten zu 3) an einen von ‚der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten 3) herauszugeben,
V. Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
VI. Es wird festgestellt, daß die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter Ziffer I 1 bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
VII. Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 2.893,00 nebst Zinsen seit Klageerhebung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei nicht hinreichend belegt. Es fehlten zudem konkrete Darlegungen, welches äußere Erscheinungsbild der Stuhl von Mart Stam tatsächlich im Jahr 1926 gehabt habe. Die Klägerin sei insbesondere nicht den Ausführungen entgegengetreten, dass der ursprüngliche Stuhl von Mart Stam tatsächlich nicht aus einem geschlossenen Rohrstrang gebildet worden sei, sondern aus diversen Rohrstücken.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gelangten Schrift-sätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung ist form- und fristgereicht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.
In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten gemäß § 97 UrhG gemäß Antrag zu l. zu. Der von den Beklagten vertriebene Stuhl ist nicht geeignet, einen Eingriff in von der Klägerin behauptete Urheberrechte an einem von Mart Stam in den Jahren 1925/1926 geschaffenen hinterbeinlosen Stahlrohrstuhl zu begründen.
1.
Soweit die Beklagten auch in der Berufungsinstanz bestreiten, dass die Klägerin berechtigt sei, die hier geltend gemachten Ansprüche zu verfolgen, und weiterhin in Frage stellen, ob der von Mart Stam geschaffene Stuhl, erstmals ausgestellt auf dem Weißenhof vom Deutschen Werkbund im Jahr 1926, tatsächlich die Gestaltung hatte, wie sie Rahmen einer Fotografie in dem Buch von Schneck „Der Stuhl“ aus dem Jahre 1937 (dort Nr. 88) wiedergegeben wird, können diese Fragen offenbleiben. Selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass sie seit 1950 ausschließliche Lizenznehmerin hinsichtlich der Rechte an dem von Mart Stam im Jahr 1925/1926 geschaffenen und zutreffend in dem Buch „Der Stuhl“ wiedergegebenen Stahlrohrstuhl ist, stünden der Klägerin keine Unterlassungsansprüche gemäß § 97 UrhG zu, da das angegriffene Stuhlmodell sich als eine freie Bearbeitung i. S. d. $ 24 UrhG darstellen würde.
2.
Der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in mehreren Entscheidungen zuerkannte Urheberschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG für das Stuhlmodell von Mart Stam beruht auf dem maßgebenden, ästhetisch prägenden Merkmal der Formgestaltung, die durch die auf die Einhaltung der Würfelform bedachtnehmende, strenge und einheitliche Linienführung des einzügig verlaufenden, geschlossenen Rohrstrangs gekennzeichnet wird (BGH GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl ll). Der Stuhl wird im kunsthistorischen Kontext als eine „starke künstlerische Leistung“ eingestuft (BGH GRUR 1961, 635, 639 – Stahlrohrstuhl l; BGH GRUR 1981, 820, 822 – Stahlrohrstuhl ll) und genießt einen weiten Schutzbereich. In diesen Schutzbereich greifen Stuhlmodelle ein, bei denen jedenfalls „annähernd“ die geometrische Grundform eines Würfels im Rahmen einer einheitlichen, einzügig verlaufenden Rohrstrangführung eingehalten wird (BGH GRUR 1961, 635, 639 – Stahlrohrstuhl l). Maßgeblich für die Beurteilung eines übereinstimmenden Gesamteindrucks mit dem Stuhl von Mart Stam ist zudem, ob durch die Ausgestaltung der jeweiligen Sitz- und Rückenflächen dieses Formelement des Rohrstrangs nicht so verhüllt wird, dass dadurch eine ins Gewichtfallende optische Unterbrechung der Linienführung des Rohrstranges bewirkt wird (BGH GRUR 1981; 820;.823 – Stahlrohrstuhl II).
3.
Ausgehend von den so beschriebenen eigenpersönlichen Zügen des von der Klägerin verteidigen Werks teilt der Senat die Einschätzung des Landgerichts, dass der angegriffene Stuhl keinen weitgehend übereinstimmenden Gesamteindruck hinterlässt. Die zahlreichen eigenständigen Gestaltungsmerkmale des Stuhlmodells der Beklagten führen vielmehr dazu, dass die eigenschöpferischen Merkmale des Stuhls von Mart Stam verblassen und von einer freien Bearbeitung i.S.d. § 24 UrhG auszugehen ist.
Bewertet man den Gesamteindruck des Stuhls der Beklagten, so entspricht die verwendete Linienführung jedenfalls im oberen Bereich des Sitzmöbels nicht den geometrischen Abmessungen eines Würfels .Die langgestreckte rechteckige Linienführung der Rückenlehne weicht vielmehr erkennbar von einem quadratischen Grundriss ab, ohne dass es auf eine zentimetergenaue Abmessung ankommen würde. Die der Rückenlehne eigene längliche, voluminösen Form kann im Hinblick auf die offensichtlich Maßabweichungen auch nicht mehr als Annäherung an die Würfelform verstanden werden. Die Formgestaltung im Rückenbereich unterscheidet sich im Rahmen des Stuhlmodells der Beklagten deutlich von der eher einer Würfelform entsprechenden Linienführung im unteren Stuhlbereich; das dem Stuhl von Mart Stam eigene Gestaltungselement der Spiegelung der quadratischen Abmessungen im oberen Stuhlbereich wird gerade nicht übernommen. Die fehlende Annäherung der Ausformung im Rückenbereich an die geometrische Form eines Würfels unterstreicht zudem noch der Umstand, dass die Rückenlehne selbst eine S-förmige Ausprägung aufweist.
Der Gesamteindruck des Stuhlmodels der Beklagten wird zudem nicht – abweichend von dem Eindruck des Stuhlmodells von Mart Stam – durch eine einheitliche Linienführung eines einzügig verlaufenden, geschlossenen Rohrstrangs gekennzeichnet. Unabhängig von dem Umstand, dass technisch offensichtlich durch die Verschrau-bung im unteren Bereich der Sitzfläche kein einheitlicher Rohrstrang Verwendung findet, erweckt der Stuhl auch nicht den Eindruck, dass ein geschlossener Rohrstrang die Linienführung vorgibt. Dem Betrachter tritt vielmehr einige Zentimeter vor dem Beginn der Rückenfläche ein Materialbruch entgegen, die zum einen durch die deutlich sichtbare Verschraubung erkennbar wird, zum anderen durch den dort ansetzenden festen, gepolsterten Bezugsstoff. Diese Verschraubungen bewirken in Verbindung mit dem nachfolgend angesetzten Rückenpolster eine Unterbrechung des im unteren Stuhlbereichs vorhandenen Linienverlaufs. Die massive Polsterung im Bereich der Rückenlehne führt dazu, dass der mit der Verschraubung angesetzte weitere Rohrverlauf vollständig verhüllt wird. Ob im Bereich der Rückenlehne das im unteren Bereich sichtbare Stahlrohr weitergeführt wird, kann der Betrachter im Bereich der Rückenlehne nicht mehr erkennen. Dort wird der Stuhl vielmehr durch die massiv wirkende Verpolsterung und die hervortretenden seitlichen Nähte dominiert. Der Betrachter erlangt nicht den Eindruck eines lediglich verhüllten fortlaufenden Rohrgestänges, sondern eines eigenständigen Formelements, unterstrichen durch die s-förmige Ausgestaltung der Rückenfläche. Insoweit besteht keine Vergleichbarkeit mit dem Stuhlmodell, welches der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Stahlrohrstuhl ll“ zugrundelag (GRUR 1981, 820 ff – Stahlrohrstuhl Il). Das angegriffene Stuhlmodell erweckt vielmehr einen zweigeteilten Eindruck, welcher einerseits einen durch den Stahlstrang gekennzeichneten leichteren hinterbeinlosen Unterbau umfasst und andererseits einen durch die massive Verpolsterung kompakt prägenden Sitz- und Rückenbereich.
Soweit die Klägerin auf eine „entkernte“ Zeichnung des Verletzermodells Bezug nimmt (Bl. 373 d.A.), entspricht diese mangels Widergabe der erwähnten Verschraubungen nicht der tatsächlich zu beurteilenden Ausgestaltung. Der von der Klägerin behauptete „einsträngige Gestellstrang“ kann vom Senat gerade nicht erkannt werden. Darüber hinaus kommt es für die Beurteilung, ob eine unfreie Bearbeitung vorliegt oder nicht, allein auf den tatsächlich dem Betrachter eingetretenen Gesamteindruck, nicht aber den technischen Aufbau an.
Eine Vergleichbarkeit mit dem seitens des OLG Düsseldorf (Urteil vom 19.3.1996, Az: 20 U 178/94, abgedruckt Bl. 149ff d. A.) zu beurteilenden Verletzermodell besteht vorliegend nicht. Abweichend von dem hier zu beurteilenden Fall konnte dem dortigen Stuhlmodell der tatsächlich vorhandene Materialbruch nicht angesehen werden. Die Abbildungen zeigen vielmehr einen Stuhl, der den Eindruck eines einzügig verlaufenden Stahlrohres vermittelt. Vorliegend jedoch liegt – wie ausgeführt – nicht nur technisch keine einsträngiger Gestellstrang vor, sondern auch optisch wahrnehmbar.
Das Stuhlmodell der Beklagten ist insgesamt geeignet, einen eigenständigen ästhetischen Eindruck hervorzurufen. Außer dem Umstand, dass es sich gleichermaßen um sogenannte Kragstühle handelt, deren unterer Bereich aus einem Stahlgestänge gebildet wird, liegen keine weiteren, den Gesamteindruck prägenden Übereinstimmungen vor: Der Stahlrohrstrang des Stuhls der Beklagten wird nicht durch einen runden, sondern durch ein grobes, rechteckiges Gestell gebildet. Sitz- und Rückenflächen sind nicht unterbrochen, sondern stellen sich als kompakte Ausformung dar.
Die Abmessungen im Bereich der Rückenlehnen rufen auch nicht den Eindruck einer an die geometrische Form eines Würfels angenäherten Formgebung hervor. Schließlich verschwindet das im unteren Stuhlbereich sichtbare Rohrgestänge einige Zentimeter vor der rechtwinkligen Biegung zur Rückenlehne im dort ansetzenden Rückenlehnenbezug, ohne dass der Eindruck erweckt wird, dass das Rohrgestänge noch unter dem Polster der Rückenlehne fortgeführt wird. Diese Erscheinungsformen des Verletzermodells führen dazu, dass ein eigenständiges Werk zu beurteilen ist, welchem ein kompakter, solider Gesamteindruck innewohnt. Die dem Stuhl von Mart Stam eigenen Leichtigkeit und Formstrenge kommt dem angegriffenen Stuhlmodell aufgrund der zahlreichen abweichenden Gestaltungselementen nicht zu.
Die Folgeanträge zu ll. bis Vll. sind aus den oben dargestellten Erwägungen heraus ebenfalls unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen. Der Entscheidung kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung fußt vielmehr maßgeblich auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den hier zu beurteilenden Einzelfall.