OLG Frankfurt a.M.: Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine Schutzschrift

veröffentlicht am 21. Juli 2011

OLG Frankfurt a.M.; Beschluss vom 20.05.2008, Az. 6 W 61/08
§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO

Das OLG Frankfurt a.M. hat in dieser älteren Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Kosten für eine Schutzschrift als für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendige Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten sind, wenn die Schutzschrift Bestandteil des Verfahrens geworden ist und mit ihr ein Antrag auf Zurückweisung des Eilantrages gestellt wurde. Im vorliegenden Fall hätten die Antragsgegner eine durch ihren Prozessbevollmächtigen verfasste Schutzschrift hinterlegt, in der die Zurückweisung eines möglichen Antrags auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung beantragt worden sei. Diese Schutzschrift sei zur Akte genommen und damit Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Beschluss

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts wird dahingehend abgeändert, dass von der Antragstellerin aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des Landgerichts in Frankfurt am Main vom 10.03.2008 an Kosten 683,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz von § 247 BGB seit dem 20.03.2008 an die Antragsgegner zu erstatten sind.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; die Gebühr nach KV 1812 wird auf 25,00 EUR ermäßigt.

Von den nach einem Beschwerdewert von 1.129,60 EUR zu berechnenden außergerichtlichen Kosten haben die Parteien jeweils die Hälfte zu tragen.

Gründe

I.
Die Beschwerde ist statthaft. Nachdem das Beschwerdeverfahren von dem nach § 568 Satz 1 ZPO zuständigen Einzelrichter gemäß § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO auf den Senat übertragen wurde, ist der Senat zur Entscheidung berufen.

II.
Die Beschwerde ist teilweise begründet.

1)
Dabei steht der Festsetzung der Verfahrensgebühr entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht entgegen, dass die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.03.2008 zunächst die Festsetzung einer „Geschäftsgebühr“ beantragt hatten. Denn dabei handelte es sich um ein Versehen. Gewollt war die Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr. Dies wurde ausweislich eines Aktenvermerks vom 08.04.2008 in einem Telefongespräch zwischen dem Rechtspfleger des Landgerichts und dem Antragsgegnervertreter geklärt. Durch die Umdeutung des ursprünglichen Antrags ist die Antragstellerin auch nicht beschwert. Denn in seinem Schriftsatz vom 03.04.2008 hatte sie selbst die Auffassung vertreten, festsetzbar sei lediglich eine – verminderte – Verfahrensgebühr.

2) Nicht zu folgen ist der Antragstellerin auch in der Auffassung, eine Verfahrensgebühr sei deshalb nicht festzusetzen, weil die Antragsgegnervertreter in dem Verfahren nicht tätig geworden sind.

a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des erkennenden Senats sind die Kosten für eine Schutzschrift als für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendige Kosten im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zumindest dann anzusehen, wenn die Schutzschrift Bestandteil des Verfahrens geworden ist und mit ihr ein Antrag auf Zurückweisung des Eilantrages gestellt wurde (BGH, Beschluss vom 13.03.2008, az. I ZB 20/07 – juris-Tz 10 – Kosten der Schutzschrift III; Senat, Beschluss vom 28.11.1995, Az. 6 W 110/95GRUR 1996, 229). Denn durch die Hinzuziehung der Schutzschrift zu den Akten entsteht ein echtes Parteiverhältnis aufgrund der Schutzschrifteinreichung in Verbindung mit dem Verfügungsantrag, so dass die Schutzschrift ihre Funktion erfüllen kann (Senat, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Denn die Antragsgegner hatten im Hinblick auf den erwarteten Eilantrag der Antragstellerin am 27.12.2007 beim Landgericht Frankfurt am Main eine von ihren Prozessbevollmächtigen verfasste Schutzschrift hinterlegt, in der die Zurückweisung eines möglichen Antrags auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung beantragt wurde. Diese Schutzschrift ist zur Akte genommen und damit Gegenstand des Rechtsstreits geworden.

b)
Die damit entstandene Verfahrensgebühr beläuft sich nach Nr. 3100 RVG VV auf eine 1,3-fache Gebühr nach § 13 RVG. Der Sachvortrag in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift unterscheidet sich zwar von einer Entgegnung auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dadurch, dass er unter Umständen auf Vermutungen über den Inhalt der Antragsschrift angewiesen ist, die er zu entkräften sucht. Nach der Neuregelung der Nr. 3101 RVG VV rechtfertigt dies aber nicht die unterschiedliche Behandlung des Vortrags in einer Schutzschrift und des Vortrags in einer Antragsentgegnung im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Sachvortrag in der Schutzschrift ebenfalls vom Gericht bei seiner Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu berücksichtigen ist (BGH, a.a.O., juris-Tz 14).

3)
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der Anrechnungsvorschrift nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG im Kostenfestsetzungsverfahren eine ebenfalls in Höhe des 1,3-fachen Satzes entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen (BGH, Beschluss vom 22.01.2008, Az. VIII ZB 57/07NJW 2008, 1323 ff – juris-Tz 6 f; Urteil vom 07.03.2007, Az. VIII ZR 86/06NJW 2007, 2049 – juris-Tz 10).

a)
Dem steht – entgegen der vom Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23.04.2008 vertretenen Auffassung – nicht entgegen, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr hier auf eine in einem Eilverfahren entstandene Verfahrensgebühr erfolgt. Dem Argument des Landgerichts, durch eine Entscheidung im Eilverfahren werde keine endgültige Regelung herbeigeführt, so dass keine Geschäftsgebühr entstehe, die angerechnet werden könne, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Maßgebend ist vielmehr eine wertende wirtschaftliche Betrachtung, wobei der Zweck der Anrechnungsregel zu berücksichtigen ist. Dieser besteht darin, dass sich ein typischerweise geringerer Aufwand des Rechtsanwalts auf die Höhe der insgesamt verdienten Gebühren auswirken soll (BGH, Urteil vom 14.03.2007, Az. VIII ZR 184/06NJW 2007, 2050 ff, juris-Tz 13 ff). Notwendig aber für die Anrechnung auch ausreichend ist deshalb neben einem zeitlichen und personellen Zusammenhang ein enger inhaltlicher Zusammenhang. Dieser besteht zwischen einer außergerichtlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten für die (später) im Eilverfahren in Anspruch genommenen Partei und dem Eilverfahren selbst. Demgemäß entspricht es allgemeiner Übung, die Geschäftsgebühr für die Abmahnung bereits auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Eilverfahrens anzurechnen (vgl. auch Hirsch, WRP 2004, 1226, 1230 u. 1232, Bsp. 2 und 4), während nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 04.03.2008, Az. VI ZR 176/07) für ein etwa nachfolgendes Abschlussschreiben eine weitere Geschäftsgebühr entsteht, weil es sich insoweit um eine andere Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn handelt.

b)
Eine Geschäftsgebühr ist in dem vorliegenden Fall auch entstanden. Denn die Prozessbevollmächtigen der Antragsgegner waren im Hinblick auf die Abmahnung durch die Antragstellerseite bereits vor der Stellung des Eilantrags mit der Angelegenheit befasst und haben der Antragstellerin mit dem Schreiben vom 2. Januar 2008 (Bl. 71) ihre Bevollmächtigung angezeigt.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1812 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG sowie §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

I