OLG Hamburg: Der Forenbetreiber kann im Rahmen der Störerhaftung auch einer vorbeugenden Überwachungspflicht unterliegen / heise.de

veröffentlicht am 2. März 2010

OLG Hamburg, Urteil vom 22.08.2006, Az. 7 U 50/06
§§ 823 Abs. 2; 1004 BGB

Das OLG Hamburg hat in diesem älteren Urteil entschieden, dass einen Forenbetreiber unter bestimmten Umständen eine Pflicht trifft, ein bestimmtes Forum auf Rechtsverstöße (z.B. Persönlichkeitsverletzungen) hin zu überprüfen, wenn „dieser entweder durch sein eigenes Verhalten vorhersehbar rechtswidrige Beitrage Dritter provoziert hat, oder wenn ihm bereits mindestens eine Rechtsverletzungshandlung von einigem Gewicht im Rahmen des Forums benannt worden ist, und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen durch einzelne Nutzer bereits konkretisiert [haben ] (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.6.2006; Az. I-15 U 21/06).“ Im Einzelnen:

Die Antragsgegnerin habe darüber hinaus die Pflicht getroffen, die Beiträge des konkreten Forums laufend daraufhin zu prüfen, ob sie erneute Aufrufe der beanstandeten Art enthielten.

Dabei könne die Frage, ob die Antragsgegnerin eine generelle Verpflichtung zur Überwachung aller Einträge in ihre Foren traf, im vorliegenden Fall offen bleiben. Der Senat neige allerdings zu der Auffassung, dass die Antragsgegnerin ohne konkreten Anlass jedenfalls nicht die Pflicht zur Überwachung aller von ihr betriebenen Foren gehabt habe . Dies ergebe sich bereits aus § 6 Abs. 2 MDStV.

Diese Vorschrift schließe allerdings nicht aus, bei entsprechendem Anlass eine spezielle Prüfungspflicht des Forenbetreibers anzunehmen, bei deren Verletzung dessen Inanspruchnahme als Störer in Betracht käme.

Hierbei sei abzuwägen zwischen der mit einer derartigen Überwachung verbundenen Belastung des Betreibers und der Gefahr von Persönlichkeits- oder Eigentumsverletzungen durch Nutzer des Forums.

Während eine allgemeine Überwachungspflicht (im Falle der Antragsgegnerin bei rund 200.000 Einträgen im Monat, wie diese glaubhaft gemacht hat) mit vertretbaren Mitteln nur schwer durchführbar erscheine, werde die Kontrolle über ein einzelnes Forum, in welchem mit dem Auftreten vom Rechtsverletzungen konkret zu rechnen sei, mit wesentlich geringerem Aufwand möglich sein. Eine solche Kontrolle sei dem Betreiber jedenfalls dann zuzumuten, wenn die Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen drohe. Bei vollständiger Freihaltung des Betreibers von Überprüfungspflichten auch in diesen Fallen entstehe für den Schutz grundrechtlich geschätzter Positionen der Betroffenen ein Vakuum, da diese vom Forenbetreiber dann lediglich die Löschung des konkreten Beitrags verlangen könnten, ohne einen darüber hinausgehenden Schutz vor künftigen Verletzungshandlungen erreichen zu können. Dem lasse sich nicht entgegen halten, dass es dem Verletzten unbenommen sei, gegen den Autor der verletzenden Äußerung vorzugehen, da dieser in vielen Fällen nicht identifizierbar oder erreichbar sein werde.

Bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechte der Meinungsäußerungsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht bzw. dem Schutz des Eigentums andererseits halte der Senat eine spezielle Überprüfungspflicht des Betreibers daher dann für angemessen, wenn dieser entweder durch sein eigenes Verhalten vorhersehbar rechtswidrige Beitrage Dritter provoziert habe, oder wenn ihm bereits mindestens eine Rechtsverletzungshandlung von einigem Gewicht im Rahmen des Forums benannt worden sei, und sich damit die Gefahr weiterer Rechtsverletzungshandlungen durch einzelne Nutzer bereits konkretisiert habe (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.06.2006; I 15 U 21/06).

Ob es im vorliegenden Fall angesichts der Brisanz des Ursprungsartikels der Antragsgegnerin für die Leserschaft der Antragsgegnerin nahe liege, dass nach dessen Veröffentlichung die in Frage stehenden Reaktionen von Seiten der Leser erfolgen würden, sei nicht abschließend zu entscheiden. Die Antragsgegnerin treffe nämlich jedenfalls nach Bekanntgabe der ersten Beiträge mit dem verletzenden Inhalt am 05.08.2005 eine spezielle Überwachungs- und Beseitigungspflicht, der sie nicht nachgekommen sei, so dass schon deshalb der geltend gemachte Anspruch bestehe. Der Volltext des Urteils findet sich bei telemedicus.

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