OLG Hamburg: Keine Urkundenfälschung bei Übersendung von manipulierter Bescheinigung in Steuersachen per Fax oder E-Mail

veröffentlicht am 24. Januar 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Hamburg, Beschluss vom 06.11.2012, Az. 2 – 63/11 (REV)
§ 267 Abs. 1 StGB

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Übersendung einer manipulierten Bescheinigung in Steuersachen per Fax oder E-Mail nicht den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt. Anders sei nur dann zu entscheiden, wenn zunächst ein Schriftstück manipuliert worden sei, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild wie das Original einer Urkunde wirke. Dann könne im späteren Versenden per Fernkopie bzw. elektronischer Mail ein gemäß § 267 Abs. 1 StGB strafbares Gebrauchen dieser zuvor unecht hergestellten Urkunde liegen. Zum Volltext der Entscheidung:


Hanseatisches Oberlandesgericht

Beschluss

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 05.05.2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Harburg vom 28.10.2010 verworfen; mit diesem Urteil hat das Amtsgericht Hamburg-Harburg den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1.
Nach den an verschiedenen Stellen des Urteils getroffenen Feststellungen der Kammer wurde die „Bescheinigung in Steuersachen“ zwischen dem 05. und 06.11.2009 manipuliert. Feststellungen dazu, wer dieses getan hatte und wie dieses genau geschah, konnten nicht getroffen werden. Die Kammer hält es für möglich, dass das Original mechanisch manipuliert (z.B. durch Herstellen einer Collage) und dann erst per Fax bzw. per E-Mail weitergeleitet wurde. Als wahrscheinlicher sieht es die Kammer dann aber an, dass das Original zunächst gescannt und schließlich die durch das Scannen erzeugte Bilddatei mittels eines Bildbearbeitungsprogrammes verändert wurde. Der Angeklagte versandte sodann „die manipulierte Bescheinigung in Steuersachen“ per Fernkopie. Außerdem ließ er durch die Zeugin … „die in der vorgenannten Weise abgeänderte Bescheinigung“ einscannen und per E-Mail in Form von zwei angehängten Dateien versenden, so dass der Empfänger diese Dateien ausdrucken konnte.

2.
Diese Feststellungen tragen bislang keine Verurteilung des Angeklagten wegen des Gebrauchs einer unecht hergestellten Urkunde (§ 267 Abs. 1 StGB).

Eine Fernkopie, die über das Empfangsgerät des Empfängers ausgedruckt wird, stellt regelmäßig schon keine Urkunde dar, da lediglich ein Schriftstück, das eine Gedankenerklärung verkörpert, durch einen Übertragungsvorgang wesensmäßig wie eine „Fotokopie“ vervielfältigt und an den Empfänger weitergeleitet wird (Fischer, StGB, 59. Auflage, § 267 Rdn. 19; vgl. insoweit auch BGH NStZ 2010, 703). Ebenso verhält es sich mit dem Ausdruck einer durch ein elektronisches Schreiben versandten Datei. Dieser Ausdruck beim Empfänger stellt ebenfalls nur eine Reproduktion der Datei dar und enthält keinesfalls den originär in dem eingescannten Dokument verkörperten Gedankeninhalt.

Soweit die Kammer mit der Verurteilung darauf abstellt, dass der Angeklagte „eine verfälschte „Bescheinigung in Steuersachen … zuerst per FAX übersendet hat und anschließend als Anhang einer E-Mail übersenden ließ“, lässt sie unberücksichtigt, dass Feststellungen zur äußeren Beschaffung der verfälschten Bescheinigung fehlen; insoweit hält es die Kammer vielmehr auch für denkbar, dass die Manipulationen durch Herstellen einer Collage vorgenommen worden waren. Eine Collage stellt indes schon begrifflich keine unecht hergestellte Urkunde dar, durch die der Rechtsverkehr erfolgreich getäuscht werden könnte (BGH wistra 1993, 341; BGH StV 1994, S. 18; BGHSt 24, 140; BGH MDR 1976, 813; OLG Zweibrücken StV 1998, 382). Infolgedessen unterfällt auch der weitere Gebrauch einer Collage nicht dem § 267 StGB (Fischer a.a.O. § 267 Rdn. 37).

Lediglich für den sicher festgestellten Fall, dass zunächst ein Schriftstück manipuliert worden war, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild als Original einer Urkunde erschiene, könnte im späteren Versenden per Fernkopie bzw. elektronischer Mail ein gemäß § 267 Abs. 1 StGB strafbares Gebrauchen dieser zuvor unecht hergestellten Urkunde vorliegen (vgl. BGHSt 24, 140; Fischer a.a.O. § 267 Rdn. 37; a.A. etwa Zieschang LK § 267 Rdn. 217).

3.
Der Senat entscheidet nicht gem. § 354 Absatz 1 StPO, da angesichts der bisherigen Feststellung der Kammer, wonach die Zeugin … das gefälschte Dokument gutgläubig – gemeint: im Glauben an ein Original – eingescannt hatte, nicht auszuschließen ist, dass eine neue Hauptverhandlung weitere Aufschlüsse zum äußeren Erscheinungsbild dieses Dokuments erbringt, die eine Verurteilung des Angeklagten nach sich ziehen.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur.de (hier).

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