OLG Hamburg: Verschleierte Werbung durch Preisausschreiben im Rahmen eines redaktionellen Beitrags

veröffentlicht am 24. August 2015

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Hamburg, Beschluss vom 28.06.2010, Az. 5 W 80/10
§ 8 Abs. 1 UWG, § 3 Abs. 1 u. 3 UWG, Nr.11 des Anhangs zu § 3 UWG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Auslobung eines Gewinnspiels in einer Zeitung in der Regel eine Werbung darstellt, die dementsprechend zu kennzeichnen ist. Fehle eine solche deutliche Kennzeichnung und stelle sich das Preisausschreiben als neutraler redaktioneller Beitrag dar, obwohl es der Verkaufsförderung eines Unternehmens dienen solle, liege eine wettbewerbswidrige Verschleierung vor. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Hamburg

Beschluss

1.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 9.6.2010 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 25.5.2010 (Az. 408 O 69/10) abgeändert:

Im Wege der einstweiligen Verfügung – der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung – wird der Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000.-, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten,

im Rahmen geschäftlicher Handlungen

in der Zeitschrift „H…L…“ in redaktionellen Beiträgen über die Firma … zu berichten, wenn dies geschieht wie im Rahmen des aus der Anlage ersichtlichen Beitrags „Muttertag: Wellness in Paris zu gewinnen“ („H…L…“ Ausgabe Mai 2010, Seite 10).

2.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beschwerde hat die Antragsgegnerin nach einem Streitwert von € 20.000,- zu tragen.


Gründe

I.
Die gemäß § 567 I Ziff.2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist begründet, denn ihm steht ein Verfügungsanspruch zu und es besteht ein Verfügungsgrund.

1.
Der Antragsteller ist ein Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen im Sinne von § 8 III Nr. 2 UWG.

2.
Ein Verfügungsanspruch des Antragstellers folgt jedenfalls aus §§ 8 I, 3 I, III UWG in Verbindung mit Nr.11 des Anhangs zu letztgenannter Vorschrift.

Zwar darf mit dem Gebot, redaktionelle Beiträge und Werbung in Zeitschriften zu trennen, keine übermäßige Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit einhergehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.7.2005 -1 BvR 217/99, NJW 2005, 3201). Der Presse muss es möglich bleiben, in ihrem redaktionellen Teil über bestimmte Unternehmen sowie über ihre Produkte und Erzeugnisse zu berichten. Auch bedeutet nicht schon jede positive Erwähnung eines Firmennamens, Produkts oder Vertriebswegs eine rechtlich zu beanstandende getarnte Werbung (BVerfG a.a.O.). Stets unzulässig ist aber gemäß § 3 III iVm Anhang Nr.11 UWG eine als Information getarnte Werbung. Das ist der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt. Diese Voraussetzungen treffen auf den streitgegenständlichen Beitrag zu:

a.
Bei dem angegriffenen Beitrag „Muttertag: Wellness in Paris zu gewinnen“ auf Seite 10 der Ausgabe der Zeitschrift „H…L…“ vom Mai 2010 handelt es sich um einen Beitrag mit redaktionellem Inhalt. Ein Beitrag hat einen redaktionellen Inhalt, wenn er seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst erscheint (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, Anh zu § 3 III Rz. 11.2). Bewertungsmaßstab hierfür ist die Auffassung eines durchschnittlich informierten, (situationsadäquat) aufmerksamen und verständigen Verbrauchers.

Der Beitrag erscheint schon seiner Gestaltung nach als ein Beitrag der Redaktion selbst. Er findet sich auf einer Seite, die als Rubrik die Seitenüberschrift „h… news“ zeigt, als einer von insgesamt drei Beiträgen. Diese Beiträge sind nach Schriftbild und Aufmachung einheitlich gestaltet und lediglich durch gepunktete Linien voneinander abgesetzt. Erkennbare Werbeanzeigen befinden sich nicht auf dieser Seite. Schon damit nimmt der Leser die gesamte Seite als eine Sammlung redaktioneller Beiträge wahr. Diese Feststellungen kann der Senat selbst treffen, da seine Mitglieder zu den von der Zeitschrift „H…L…“ angesprochenen Verkehrskreisen gehören.

b.
Der streitgegenständliche Beitrag dient ersichtlich zumindest mittelbar auch dem Zweck der Verkaufsförderung der Fa. … Die Feststellung, dass ein redaktioneller Beitrag zugleich eine Werbung für ein darin genanntes Produkt darstellt, hat jeweils auf der Grundlage der besonderen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (vgl. BGH GRUR 1997, 541, 543 – Produkt-Interview). Wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, dient der Beitrag mit der Gewinnauslobung vornehmlich dazu, den Anbieter „…“ zu erwähnen und auf dessen neuen „Öko-Spa und Flagshipstore“ in Paris hinzuweisen. Dies zeigt schon die Tatsache, dass bei der dort beschriebenen Verlosung einer Paris-Reise zur Illustration lediglich zwei Bilder dieses Ladengeschäftes der Fa. … gezeigt werden, obwohl es durchaus gängigere Motive gäbe, um die Verlosung einer Paris-Reise augenfällig aufzumachen. Auch die Tatsache, dass sich im Text keine Erwähnung auch nur einer der üblichen Pariser Sehenswürdigkeiten findet, sondern lediglich dieses Ladengeschäftes als Ziel der zu verlosenden Reise genannt wird, zeigt die werbliche Zielrichtung dieses Beitrags. Dieses Ladengeschäft wird damit als etwas ganz Besonderes und Exklusives dargestellt, so dass der Verbraucher auch motiviert wird, sich mit dem sonstigen Angebot der Fa. … zu befassen. Auch diese Feststellungen kann der Senat aus eigener Wahrnehmung treffen.

c.
Es ist zumindest als glaubhaft gemacht anzusehen, dass dieser Beitrag von „…“ wenigstens mitfinanziert ist. Der Begriff der Finanzierung des redaktionellen Inhaltes durch den Unternehmer ist, um Gesetzesumgehungen vorzubeugen, weit auszulegen. Es fällt darunter jede Gegenleistung, sei es in Geld, sei es in Form von Waren oder Dienstleistungen oder sonstigen Vermögenswerten. Dazu kann auch das Versprechen eines Anzeigenauftrags gehören. Die bloße Tatsache, dass ein Unternehmen in dem Medium gleichzeitig regulär, zB mittels Anzeigen, wirbt, lässt allerdings nicht stets den Rückschluss zu, dass dies ein Entgelt für eine redaktionelle Werbung darstellt (vgl. Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 28. Aufl., Anhang zu § 3 III UWG Rz.11.4). Hier ist jedoch mit einer für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit lebensnah davon auszugehen, dass die Fa. … wenigstens einen Teil der Kosten der ausgelobten Preise übernommen hat; das Landgericht ist in seiner Entscheidung sogar davon ausgegangen, dass … den Preis vollständig „gestiftet“ habe. Jedenfalls ist es praktisch unvorstellbar, dass sich die Fa. … die Kosten der ausgelobten Gewinne von der Antragsgegnerin vollständig erstatten lassen will. Vielmehr ist nach aller Lebenswahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Fa. … sich wenigstens substantiell an den Kosten der Gewinn beteiligt. Ebenso ist lebensnah nahezu ausgeschlossen, dass eine solchen Veröffentlichung keine entsprechende Absprache der Antragsgegnerin mit der Fa. … zugrunde liegt. Damit liegt aber eine mittelbare (Mit-)Finanzierung des Beitrages durch die beworbene Fa. … vor, denn dessen gesamter Inhalt besteht in der Ankündigung der Verlosung.

d.
Dieser werbliche und finanzielle Zusammenhang ergibt sich nach Auffassung des Senates und entgegen der Ansicht des Landgerichts indes nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit aus dem Inhalt oder aus der Art der Darstellung des streitgegenständlichen Beitrags und auch nicht aus dem Charakter der Zeitschrift „H…L…“. Zu einer Irreführung des Verbrauchers kommt es nicht, wenn der Werbecharakter des redaktionellen Beitrags für den Verbraucher eindeutig erkennbar ist. Die Erkennbarkeit kann sich unmittelbar aus dem Inhalt ergeben. Bei schriftlichen Beiträgen kann dies durch die Kennzeichnung als „Anzeige“ oder durch einen vergleichbaren Begriff geschehen. Die Kennzeichnung muss aber derart sein, dass beim situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsleser kein Zweifel am werblichen Charakter des Beitrags aufkommen kann (Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 28. Aufl., Anhang zu § 3 III UWG Rz.11.5).

Diesen Erfordernissen genügt der angegriffene Beitrag nicht: Wie bereits oben ausgeführt, weist die gesamte Aufmachung des Beitrags im Kontext der konkreten Seite dieser Zeitschrift auf einen redaktionellen Beitrag hin. Die beiden weiteren Beiträge auf dieser Seite befassen sich mit pflanzlichen Wirkstoffen, die die Sehfähigkeit stärken können, und mit medizinischen Einlagen als Hilfe bei Fußbeschwerden. Beide Beiträge kommen als quasi objektive Ratschläge einer Fachredaktion daher, so dass nicht unerhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise unter der daneben stehenden Überschrift „Muttertag: Wellness in Paris zu gewinnen“ ebenfalls eine rein redaktionell initiierte Verlosung vermuten und so eher geneigt sein werden, sich hiermit zu befassen, als bei einer erkennbaren Werbeverlosung. Gerichtsbekannt ist es keineswegs so, dass jegliche Verlosungsaktion in einer Zeitschrift stets in einer derartigen Kooperation und mit dem Zweck der Erzielung von Werbeeffekten durchgeführt wird; vielmehr werden Verlosungen in Medien häufig auch alleine von diesen veranstaltet, etwa um die Leserbindung zu intensivieren. Und auch aus dem Inhalt des Beitrags selbst ergibt sich der werbliche Charakter nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit. Die Verlosung wird gerade nicht als eine solche der Fa. … bezeichnet, sondern es heißt im Beitrag: „… verlosen wir zusammen mit … …“ [Unterstreichung durch den Senat]. Außerdem ist die Postkarte oder e-mail zur Teilnahme an dieser Verlosung an die Adresse der Antragsgegnerin zu schicken. Die Rolle der Fa. … bei der Finanzierung dieses Preisausschreibens und damit auch des Beitrags wird damit nicht eindeutig erkennbar.

e.
Daher ist eine der in Nr.11 des Anhangs zu § 3 III UWG aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern gegeben. Diese sind stets unzulässig, was bedeutet, dass weder die Umstände des Einzelfalls bei der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit zu berücksichtigen sind, noch dass es auf die geschäftliche (oder wettbewerbliche) Relevanz der Handlung für das Verhalten des Verbrauchers ankommt (Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 28. Aufl., Anhang zu § 3 III UWG Rz.0.10). Es ist auch nicht ersichtlich, dass das angestrebte Verbot gegen das stets zu beachtende Gebot der Verhältnismäßigkeit verstößt.

2.
Der Unterlassungsanspruch des Antragstellers ergibt sich demnach auch aus den §§ 8 I 1, III Nr. 2, 3 I, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Hamburgisches PresseG, da es sich um eine entgeltliche Veröffentlichung handelt, die nicht als Anzeige zu erkennen ist, und die deshalb nach dieser Vorschrift mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen war.

3.
Ob sich der geltend gemacht Unterlassungsanspruch auch aus anderen von der Antragstellerin angeführten Rechtsgründen ergibt, kann demnach dahinstehen.

4.
Auch ein Verfügungsgrund liegt vor. Die Dringlichkeit wird gemäß § 12 II UWG vermutet. Anhaltspunkte, die der Annahme einer Dringlichkeit hier entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Namentlich ist der Zeitraum zwischen der Verweigerung der Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung durch die Antragsgegnerin (Schreiben vom 29.4.2010, ausweislich Eingangsstempel zugegangen am 4.5.2010, vgl. Anl. ASt 6) und der Einleitung des Verfügungsverfahrens (Antragseingang bei Gericht am 19.5.2010) nicht geeignet, diese Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen.

5.
Der Senat hat den Tenor der beantragten einstweiligen Verfügung gemäß § 938 ZPO zur Klarstellung der Verbotsrichtung modifiziert, ohne dies ein Weniger gegenüber dem Untersagungsantrag bedeutete.

II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 3 ZPO.

I