OLG Hamburg: Zu der unzulässigen Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für Kindernahrung – Zulassungsantrag gemäß HCV wirkt nicht legalisierend

veröffentlicht am 22. November 2012

OLG Hamburg, Urteil vom 13.09.2012, Az. 3 U 107/11
Art. 10 Abs. 1 HCV, Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV; § 3 UWG, § 8 Abs.1 UWG, § 4 Nr. 11 UWG

Das OLG Hamburg hat entschieden, dass die Werbung für eine Kindermilch mit u.a. den Angaben „um ihr Kind von innen heraus zu unterstützen“ *“Durch die Vermehrung von guten Darmbakterien“ eine unzulässige Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben ist. Auch wenn bereits ein Zulassungsantrag gemäß der Health Claims Verordnung (HCV) gestellt sei, bewirke dies nicht automatisch eine Zulässigkeit der getätigten Angaben. Liege eine Abweichung zum Zulassungsantrag vor, sei diese von einer Legalisierungswirkung nicht gedeckt. So liege der Fall hier: bei den angesprochenen Verkehrskreisen werde die Vorstellung hervorgerufen, dass gerade die Zutatenmischung gesundheitsfördernd sei. Aufgrund des gestellten Zulassungsantrages wäre aber allenfalls eine auf die „patentierten Prebiotics“ bezogene Aussage als gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 1 0, 2 Abs. 5, 13 HCV zulässig gewesen. So komme es entscheidend auf die Formulierung des Antrags und der Werbung an. Zum Volltext der Entscheidung:


Hanseatisches Oberlandesgericht

Urteil

In der Sache

erkennt das Hanseatische Oberlandesgericht – 3. Zivilsenat – durch … auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2012 für Recht:

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27, vom 19.05.2011, Az. 327 O 87/11, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

und beschließt:

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 200.000,- Euro.

Gründe

I.
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Herstellung und des Vertriebs für Säuglings- und Kleinkindnahrung.

Die Antragstellerin beanstandet gegenüber der Antragsgegnerin deren Werbung für das Produkt „Ä. Kindermilch“ in einer am 04.01.2011 ausgestrahlten TV-Werbung und einer Werbeanzeige in der Zeitschrift „eltern“ Heft 2/2011 unter dem Gesichtspunkt, dass beide Werbungen unzulässige Alleinstellungsbehauptungen und zudem gegen Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV verstoßende gesundheitsbezogenen Angaben enthielten.

Sie hat – nach erfolgloser Abmahnung (Anlage AST 2) – am 15.02.2011 beim Landgericht Hamburg (327087/11) eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der es der Antragsgegnerin verboten worden ist,

im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs Produkte der Marke „Ä. Kindermilch“ mit den Aussagen
„Ä. Kindermilch ist die einzige Kindermilch mit altersgerechtem Eiweißgehalt, Vitamin D und patentierten Prebiotics, um ihr Kind weiterhin von innen heraus zu unterstützen“
„Durch Vermehrung von guten Darmbakterien“
wenn dies geschieht wie in einem TV-Werbespot gemäß den nachfolgend dargestellten Screenshots
– Es folgen screenshots der angegriffenen TV-Werbung –
und/oder
„Die einzige Kindermilch mit patentierten Prebiotics + altersgerechtem Eiweißgehalt -Vitamin D um ihr Kind von innen heraus zu unterstützen“.
*“Durch die Vermehrung von guten Darmbakterien“
wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben
– Es folgt die Abbildung der angegriffenen Printwerbung –
zu bewerben.

Hiergegen hat sich der Widerspruch der Antragsgegnerin gerichtet.

Sie hat vorgetragen, dass allein sie über ein Patent auf eine bestimmte Präbiotika-Mischung aus Fructo-Oligosacchariden (FOS) und Galacto-Oligosacchariden (GOS) verfüge. Nur das von ihr vertriebene Produkt enthalte diese patentierte FOS/GOS-Mischung. Nur sie, die Antragsgegnerin, vertreibe somit ein Produkt mit einer Kombination aus patentierten Präbiotika, Eiweiß und Vitamin D, wodurch die Einzigartigkeit und Neuheit der „Ä. Kindermilch“ belegt sei.

Unter Bezugnahme darauf, dass der europäische Dachverband der Hersteller diätetischer Lebensmittel (IDACE) am 18.1.2008 einen Zulassungsantrag gemäß Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (Health-C1aim-Verordnung, nachfolgend abgekürzt HCV) gestellt hat (vgl. Anlage AG 5), in dem es u.a. heißt:

„Proposed wording of the health claim: Oligosaccharides are important for Prebiotic; Bifidogenic; Transit; Digestive health Equivalent wording: Dietary fibre/Prebiotic fibrel Oligosaccharidesl Fructooligosaccharidesl Galactooligosaccharidesl Oligofructosel Inulinl Enriched inulin from chicory – are prebioticsl are bifidogenicl ( … ) I supports development of healthy intestinal floral beneficially affects the intestinal floral improve healthy intestinal conditionl promote healthy gut bacterial promote balanced gut bacteria ( … ) – are important for the bowel (or colonic) function ( … ) ensure (or promote, or help, or support) a healthy digestive system (or function)1 promote healthy digestionl ( … ) promotes a healthy gut! ( … ) for a healthy tummy ( … )“

hat die Antragsgegnerin weiter vorgetragen, dass wegen des Zulassungsantrages die Verwendung der Angabe „unterstützt Ihr Kind von innen heraus. Durch Vermehrung guter Darmbakterien“ gemäß Art. 14 HCV zulässig sei. Denn dies beziehe sich auf die im Produkt enthaltenen den Zulassungsantrag betreffenden (patentierten) Präbiotika. Die diesen zugrundeliegende Mischung aus Fructo-Oligosacchariden und Galacto-Oligosacchariden (GOS/FOS-Mischung) sei – dies ist unstreitig – schon vor dem 01.01.2005 benutzt worden und daher von der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 b HCV erfasst.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 15.02.2011 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Sie ist nämlich der Auffassung gewesen, dass die angegriffenen Angaben jeweils unzulässige, gegen § 11 Abs. 1 Nr. 3 LFGB verstoßende, Alleinstellungsbehauptungen enthalten hätten. Denn es werde der unzutreffende Eindruck erweckt, dass das Produkt der Antragsgegnerin das einzige am Markt sei, welches die Bestandteile „altersgerechtes Eiweiß“, „Vitamin D“ und/oder „patentierte Prebiotics“ enthalte. Tatsächlich indes gebe es auch weitere vergleichbare Produkte anderer Hersteller, die altersgerechtes Eiweiß, Vitamin D oder patentierte Prebiotics enthielten. Auch sei – neben anderen Konkurrenzprodukten am Markt – die „Kinderrnilch Plus“ der Antragstellerin mit Vitamin D, einem altersgerecht reduzierten Eiweißgehalt und Präbiotika angereichert (vgl. Anlage Ast 4). Darüber hinaus hat sie sich in der Antragsschrift ausdrücklich gegen die von der Antragsgegnerin in der Erwiderung auf die Abmahnung vertretene Auffassung gewandt, dass die Alleinstellungsbehauptung sich auf eine etwaige Kombination der Bestandteile beziehen solle. Vielmehr könne die Werbeaussage nur so verstanden werden, dass es neben dem Produkt der Antragsgegnerin kein anderes vergleichbares Produkt gebe, welches altersgerechtes Eiweiß, Vitamin D oder patentierte Prebiotics enthalte.

Erst im Schriftsatz vom 11.05.2011, der Erwiderung auf die Widerspruchsbegründung der Antragsgegnerin, hat die Antragstellerin erklärt, dass die Werbeaussagen in ihren jeweiligen konkreten Formulierungen (auch) als auf die Kombination der drei Zutaten bezogene Alleinstellungsbehauptungen zu verstehen seien.

Die Antragstellerin hat – kumulativ – weiter geltend gemacht: Die streitgegenständlichen Werbeangaben seien gesundheitsbezogen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV, da sie sich unmittelbar auf spezifische Wirkungen des Produktes „A. Kindermilch“ (in seiner Zusammensetzung aus Eiweiß, Vitamin D und Präbiotika) auf den menschlichen Körper bezögen. Sie verstießen gegen Art. 10 Abs. 1 HCV, da sie nicht den allgemeinen Anforderungen nach dem 11. Kapitel bzw. den speziellen Anforderungen in Kapitel IV HCV entsprächen, nicht gemäß der HCV zugelassen und auch nicht in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13 und 14 HCV aufgenommen seien.

Das Landgericht Hamburg (327087/11) hat die einstweilige Verfügung vom 15.02.2011 mit Urteil vom 19.05.2011 bestätigt.

Zur Begründung hat es zunächst ausgeführt, dass die angegriffene Werbung irreführend gemäß §§ 11 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 3 LFGB, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG und daher wettbewerbswidrig sei. Unter Zugrundelegung des Verkehrsverständnisses der Gesamtheit der Verbraucher, insbesondere derjenigen mit Kindern, auf das abzustellen sei, werde streitgegenständlich die Zusammensetzung des Produktes beworben. Diese gebe in der maßgeblichen konkreten Verletzungsform zu verstehen, dass allein („die einzige Kindermilch“) A. Kindermilch bestimmte Zutaten enthalte, nämlich „altersgerechten Eiweißgehalt, Vitamin D und patentierte Prebiotics“, und diese eine bestimmte Eigenschaft hervorriefen, nämlich „das Kind (weiterhin) von innen heraus zu unterstützen“ und zwar „durch die Vermehrung von guten Darmbakterien“. Damit nehme die Antragsgegnerin für ihr Produkt eine Alleinstellung auf dem Markt in Anspruch, die sich zum einen darauf stütze, dass nur das beworbene Produkt – als wettbewerbliche Besonderheit – die Kombination der beworbenen Zutaten enthalte. Darüber hinaus bringe sie zum Ausdruck, dass die Kombination der Zutaten der A. Kindermilch die Eigenschaft verliehen, das Kind „von innen heraus unterstützen“ zu können. Dies sei indes irreführend (bzw. täuschend) i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB, weil die angegriffene Angabe die angesprochenen Verkehrskreise erwarten lasse, das beworbene Produkt habe gerade aufgrund seiner Zutatenkombination eine Alleinstellung, die indes tatsächlich nicht gegeben sei. Denn unstreitig werde auch von anderen Anbietern eine Kindermilch mit den Grundbestandteilen Eiweiß, Vitamin D und Präbiotika angeboten. Insbesondere beziehe der angesprochene Verkehr die beworbene Alleinstellung nicht auf etwas anderes als die Kombination der Grundzutaten, etwa ausschließlich auf die Information, dass eine dieser Zutaten – im Gegensatz zu den Produkten anderer Anbieter – patentiert sei. Denn das Augenmerk des Verkehrs werde in der Werbung nicht auf dieses werblich in keiner Weise herausgestellte Merkmal (patentierte Präbiotika) gelenkt. Vielmehr würden die Präbiotika – ob patentiert oder nicht – nur als einer von drei Bausteinen wahrgenommen, wobei die Werbung für die Drei-Zutaten-Kombination durch die Visualisierung dreier verwobener Puzzleteile noch verstärkt würde.

Zudem gründe sich damit eine Irreführung auch auf § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LFGB. Denn durch die streitgegenständliche Werbeangabe und den sie umgebenden werblichen Kontext werde dem angesprochenen Verkehr suggeriert, das beworbene Produkt unterscheide sich durch seine Zutatenkombination in positiver Hinsicht von Konkurrenzprodukten. Tatsächlich aber hebe sich das Produkt der Antragsgegnerin nicht von den Produkten der Mitbewerber ab, die ebenfalls die Bestandteile Eiweiß, Vitamin D und Präbiotika enthielten.

Darüber hinaus hat das Landgericht – nachdem die Antragstellerin erklärt hatte, eine Prüfung kumulativ auch unter diesem Gesichtspunkt zu begehren – das ausgesprochene Verbot auch auf §§ 3, 4 Nr.11, 8 Abs. 1 UWG iVm Art. 10 Abs. 1 Health-Claims-Verordnung (HCV) gestützt, wonach gesundheitsbezogene Angaben verboten sind, wenn sie nicht in die Liste der zugelassenen Angaben nach Art. 13 und 14 der HCV aufgenommen sind. Denn ein Claim dafür, dass die ausgelobte Kombination von altersgerechtem Eiweiß, Vitamin D und (patentierten) Präbiotika geeignet sei, das Kind durch die Vermehrung von guten Darmbakterien von innen heraus zu unterstützen, sei nicht angemeldet. Bei der Angabe einer „Unterstützung des Kindes von innen heraus durch die Vermehrung von guten Darmbakterien“ handele es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe i.S. von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCV. Denn es werde ein Zusammenhang zwischen dem beworbenen Lebensmittel und dessen Auswirkung auf die Gesundheit versprochen, nämlich dass die Zutatenkombination geeignet sei, für eine Vermehrung von guten Darmbakterien zu sorgen und dadurch das Kind von innen heraus zu unterstützen. Für die vom angesprochenen Verkehr so verstandene gesundheitsbezogene Angabe hinsichtlich der Zutaten in ihrer Kombination könne sich die Antragstellerin auch nicht auf einen Dispens nach Art 14 HCV berufen. Denn der gemäß Anlage AG 5 unstreitig gestellte Befreiungsantrag nach Art 14 HCV betreffe und erfasse gerade nicht die Bewerbung einer Kombination von Eiweiß, Vitamin D und Präbiotika als verdauungsfördernd.

Gegen diese Wertung des Landgerichts wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Sie macht unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages geltend, dass das Landgericht zwar unter Zugrundelegung eines zutreffenden Verständnisses des von der Werbung angesprochenen Verkehrs zu Recht davon ausgehe, dass sich die angegriffene Werbung auf die Besonderheit der Kombination der beworbenen Zutaten stütze und diese Kombination dem Produkt die Eigenschaft verleihe, das Kind „von innen heraus zu unterstützen“. Dabei habe das Landgericht indes verkannt, dass das Besondere der Kombination nicht die bloße Zusammenfügung der drei Bestandteile Eiweiß, Vitamin D und Präbiotika sei, sondern vielmehr – und dies werde dem angesprochenen Verkehr auch deutlich -, dass einer dieser Bestandteile – die Präbiotika – patentiert, damit einzigartig sei und dem Produkt gerade durch die Verbindung  der patentierten Präbiotika mit den weiteren Bestandteilen Eiweiß und Vitamin D die besondere Eigenschaft verliehen werde, für die Vermehrung guter Darmbakterien zu sorgen und dadurch das Kind „von innen heraus zu unterstützen“. Der angemessen gut unterrichtete und angemessen aufmerksame Verbraucher erkenne und verstehe, dass die Besonderheit! Einzigartigkeit des Produktes aus der Patentierung des präbiotischen Bestandteiles herrühre, ohne dass eine besondere visuelle und akustische Hervorhebung erforderlich sei. Es genüge, dass dies an prominenter Stelle schwarz auf wei ß gedruckt sei und im TV-Spot auch auditiv dargestellt werde. Unstreitig verfüge nur die Antragsgegnerin am Markt über ein Patent auf bestimmte Präbiotika. Zwangsläufig sei daher wegen des Patents auch die speziell beworbene Bestandteilkombination einzigartig. Die Alleinstellungsbehauptung, d.h. die Werbung mit der speziell ausgelobten Zusammensetzung und der daraus resultierenden besonderen Wirkweise (die patentierten prebiotics enthalten 90 % Oligogalactosyllactose und 10% Oligofructosylsaccharose mit hohem Molekulargewicht), sei daher ebenso wahr (also kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFBG), wie diese spezielle, ausschließlich in der A. Kindermilch vorhandene, besonders wirksame Zusammensetzung geeignet sei, das Kind „von innen heraus zu unterstützen“ (also kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 LFGB).

Im Hinblick auf den vom Landgericht angenommenen Verstoß gegen Art 10 Abs. 1 der HCV sei nicht erörtert worden, ob eine bezüglich einer einzelnen Zutat (hier Oligosaccharide enthaltende Präbiotika) zugelassene, bzw. zur Zulassung beantragte gesundheitsbezogene Angabe auch im Zusammenhang mit dem Produkt als Ganzes, in dem die Zutat enthalten sei, gemacht werden könne, ohne dass das Verbraucherschutzinteresse gefährdet werde. In der streitgegenständlichen Werbung werde die gesundheitsbezogene Angabe „Um Ihr Kind von innen heraus zu unterstützen“ allein in Bezug zum Gesamtprodukt gesetzt. Dies müsse auch unter Berücksichtigung des Verbraucherschutzes zulässig sein, wenn die ausgelobte Wirkung für einen der Bestandteile zugelassen bzw. ein Antrag nach Art 14 HCV gestellt sei und dieser Stoff – wie hier – in dem Gesamtprodukt in ausreichender Menge vorhanden sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 15.02.2011 unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 19.05.2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 10.02.2011 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.05.2011 zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und greift auch die Wertung des Landgerichts auf, dass die Werbeaussagen der Antragsgegnerin im TV-Spot und in der Printwerbung deshalb gegen § 11 Abs. 1 Nr. 3 LFGB verstießen, weil sie eine unzutreffende und damit unzulässige Alleinstellungsbehauptung dahingehend enthielten, dass das beworbene Produkt als einziges am Markt eine Kombination der Zutaten Vitamin D, Eiweiß und Präbiotika enthalte, obwohl auch Konkurrenzprodukte diese Zutatenkombination enthielten. In der Werbung komme gerade nicht zum Ausdruck, dass ausdrücklich die Patentierung des einen der drei Inhaltsstoffe als die Alleinstellung begründend ausgelobt werde. Schließlich würden auch gar keine Angaben zu etwaigen Vorteilen aus der Patentierung gegenüber sonstigen Präbiotika gemacht. Auch werde der Begriff „patentiert“ weder optisch noch sprachlich gegenüber den sonstigen Worten hervorgehoben. Anders als die Antragsgegnerin meine, schenke der angesprochene Verkehr der in der Werbeaussage angesprochenen Patentierung gerade keine besondere Beachtung. Selbst wenn es also wahr wäre, dass die Zutatenkombination der Antragsgegnerin aufgrund der Patentierung des präbiotischen Bestandteiles einzigartig wäre, so wäre dies gleichwohl irreführend, weil der angesprochene Verbraucher diesem Umstand keine Beachtung schenke, sondern allein auf die Zutatenkombination Vitamin D, Eiweiß und Präbiotika als solche aufmerksam werde und suggeriert bekomme, diese sei – unabhängig von der Patentierung ­einzigartig.

Auch sei ein Verstoß gegen Art. 10 Abs. 1 HCV gegeben. Denn der von der Antragsgegnerin verwendete Health-Claim „Unterstützung des Kindes heraus durch die Vermehrung der guten Darmbakterien“ sei unstreitig nicht für eine Kombination der beworbenen Zutaten, sondern lediglich für die „patentierten Prebiotics“ angemeldet und dürfe daher auch nicht auf die Kombination bezogen kommuniziert werden. Die Antragsgegnerin indes lobe gerade einen Zusammenhang zwischen allen Inhaltsstoffen des beworbenen Lebensmittels und deren insgesamt, also aus ihrem Zusammenspiel herrührenden positiven Auswirkungen auf die Gesundheit aus. Für die dieser Aussage zugrundeliegende Kombinationswirkung liege jedoch keine Health-Claims-Anmeldung vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Wenngleich die Antragstellerin im streitgegenständlichen Verfügungsverfahren unter Irreführungsaspekten nicht mit Erfolg gegen die angegriffenen Werbeaussagen vorgehen kann, weil sie insoweit in dringlichkeitsunschädlicher Zeit kein Verkehrsverständnis vorgetragen hat, das die Annahme einer zur Irreführung geeigneten Fehlvorstellung begründen könnte, hat sie gegen die Antragsgegnerin doch jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Werbung mit einer gesundheitsbezogenen Angabe gemäß Art. 10 Abs. 1, 2 Abs. 2 Nr. 5 der Health­Claims-Verordnung (HCV) i.V.m. §§ 3, 8 Abs.1, 4 Nr. 11 UWG einen Anspruch auf das begehrte Verbot der konkret angegriffenen Werbung.

1 .
Gegenstand des Antrages ist das an die Antragsgegnerin gerichtete Verbot
o im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland zu Zwecken des Wettbewerbs
o Produkte der Marke „Ä. Kindermilch“ mit den Aussagen
„Ä. Kindermilch ist die einzige Kindermilch mit altersgerechtem Eiweißgehalt, Vitamin D und patentierten Prebiotics, um Ihr Kind weiterhin von innen heraus zu unterstützen“
„Durch die Vermehrung von guten Darmbakterien“
wenn dies geschieht wie in einem TV-Werbespot gemäß den im Tatbestand dieses Urteils dargestellten Screenshots:
und/oder:
„Die einzige Kindermilch mit patentierten Prebiotics + altersgerechtem Eiweißgehalt + Vitamin D, um Ihr Kind von innen heraus zu unterstützen“.
*“Durch die Vermehrung von guten Darmbakterien“
wenn dies geschieht in einer Werbeanzeige wie im Tatbestand dieses Urteils wiedergegeben (= Anlage Ast 1)
o zu bewerben.

Dieser Antrag beinhaltet allein das Verbot der nach Maßgabe der in Bezug genommenen Verletzungshandlungen charakterisierten konkretisierten Verletzungsformen.

Die Antragstellerin greift diese Werbungen (wobei Printwerbung und TV-Spot jeweils eigene Streitgegenstände bilden) unter zwei verschiedenen Aspekten an: Sie beanstandet zunächst unter Irreführungsgesichtspunkten, die Werbeaussagen enthielten unzulässige Alleinstellungsbehauptungen. Darüber hinaus enthielten die Werbungen jeweils unzulässige gesundheitsbezogene Angaben.

Die Antragstellerin hat dabei erstinstanzlich klargestellt, dass sie die beanstandeten Werbeaussagen sowohl wegen eines Verstoßes gegen das LFGB als auch der HCV angreifen und geprüft wissen will.

2.
Soweit die Antragstellerin die Werbemaßnahmen der Antragsgegnerin allerdings unter dem Gesichtspunkt der Irreführung als Verstoß gegen § 11 LFGB mit dem Argument angegriffen hat, die Werbemaßnahmen enthielten in Bezug auf die „Ä. Kindermilch“ unzulässige Alleinstellungsbehauptungen, besteht im einstweiligen Verfügungsverfahren kein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin. Die Antragstellerin hat innerhalb der Dringlichkeitsfrist des § 12 Abs. 2 UWG kein Verkehrsverständnis dargelegt, das eine Irreführung des angesprochenen Verkehrs zu begründen geeignet wäre.

a)
Ob die Annahme des Landgerichts, die Antragsgegnerin nehme mit den angegriffenen Werbebehauptungen für sich in Anspruch, dass einzig das beworbene Produkt eine Kombination der werblich herausgestellten Zutaten enthalte, zutreffend ist, muss nicht geprüft werden. Die Antragstellerin hat eine solche Verkehrsvorstellung nämlich in dringlichkeitsunschädlicher Zeit nicht vorgetragen, weshalb das Landgericht seiner Prüfung ein solches Verkehrsverständnis auch nicht zugrunde legen durfte.

Dies entgegen der von der Antragsgegnerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.8.2012 vertretenen Ansicht auch nicht deshalb, weil das Gericht aufgrund eigener Sachkunde in der Lage ist, das Verkehrsverständnis selbst festzustellen. Das ändert nämlich nichts daran, dass die Prüfung des Gerichts durch die zur Anspruchsbegründung vorgetragenen Tatsachen begrenzt ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt sich der maßgebliche Lebenssachverhalt bei einer auf eine Irreführung gestützten Klage – ungeachtet seiner rechtlichen Würdigung, die dem Gericht obliegt – aus der beanstandeten Werbemaßnahme und der – nach der Behauptung des Klägers – dadurch erzeugten Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise zusammen (BGH NJW 2001, 1791 – dentalästhetika I). Zwar hat der BGH seine frühere Rechtsprechung, wonach der Streitgegenstand durch die Behauptung einer bestimmten Fehlvorstellung weiter eingegrenzt wird (ebenda) und daher dann, wenn zu verschiedenen beanstandeten Werbeangaben jeweils gesonderte Fehlvorstellungen vorgetragen, mehrere Streitgegenstände vorliegen (ebenda; BGH NJW-RR 2007,337 – dentalästhetika 11), dahin eingeschränkt, dass in Fällen (wie dem vorliegenden), in denen ausschließlich eine konkreten Verletzungsform angegriffen und zum Gegenstand eines Unterlassungsantrages gemacht wird, auch dann nur ein Streitgegenstand vorliegt, wenn sich der Verbotsantrag auf verschiedene Irreführungsgesichtspunkte stützt (BGH GRUR 2012, 184 ff. – Branchenbuch Berg). Das ändert indes nichts daran, dass der Kläger/Antragsteller gehalten ist, dem Gericht den für die Entscheidung relevanten Sachverhalt vorzutragen, zu dem weiterhin die nach der Behauptung des Klägers durch die beanstandete Werbemaßnahme erzeugte Fehlvorstellung des Verkehrs gehört.

b)
Die Würdigung des Vortrags der Antragstellerin in der Antragsschrift ergibt, dass die Antragstellerin dort ausschließlich behauptet hat, der Verkehr verstehe die angegriffenen Werbeangaben dahin, kein anderes Produkt als das beworbene auch nur einen der in der Werbung genannten Bestandteile enthalte. Nicht dagegen hat die Antragstellerin vorgetragen, der Verkehr entnehme der Werbung die Behauptung, einzig das beworbene Produkt enthalte eine Kombination der dort aufgeführten Zutaten.

Allerdings hat die Antragstellerin in der Antragsschrift vorgetragen, beide Werbungen in der maßgeblichen konkreten Verletzungsform suggerierten dem angesprochenen situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Verbraucher, insbesondere demjenigen mit Kleinkindern, fälschlich, dass das Produkt der Antragsgegnerin das einzige am Markt sei, welches die Bestandteile .altersqerechtes Eiweiß“, „Vitamin D“ und/oder „patentierte Prebiotics“ enthalte (Unterstreichung durch das Gericht). Neben anderen Konkurrenzprodukten am Markt – so die Antragstellerin weiter – gebe es die .Kinderrnilch Plus“ der Antragstellerin, die mit Vitamin D, einem altersgerecht reduzierten Eiweißgehalt und Präbiotika angereichert sei. Dem kann jedoch im Kontext der weiteren Antragsbegründung keinesfalls entnommen werden, dass die Antragstellerin behauptet hätte, die Werbung vermittle dem Verkehr die Botschaft, dass die beworbene Alleinstellung („einzig“) des Produkts in einer einzigartigen Zutaten kombination begründet läge.

Gegen diese von der Antragsgegnerin vorgetragene Verkehrsvorstellung hat sich die Antragstellerin nämlich ausdrücklich ausgesprochen. Sie hat gemeint, entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin werde in der Werbung nicht hinreichend deutlich, dass die Alleinstellungsbehauptung sich auf eine etwaige Kombination der Bestandteile beziehen solle. Vielmehr könne die Werbeaussage nach ihrem Wortlaut nur so verstanden werden, dass das beworbene Produkt das einzige sei, dass die genannten Bestandteile enthalte, und es demnach kein anderes vergleichbares Produkt gebe, welches altersgerechtes Eiweiß, Vitamin D oder patentierte Prebiotics enthalte (Unterstreichung durch das Gericht). Dass die Antragstellerin auch an anderer Stelle der Antragsschrift, nämlich im Zusammenhang mit dem Hinweis auf die von ihr vertriebene „Kinderrnilch Plus“, ausgeführt hat, es dürfte im Übrigen unstreitig sein, dass es auch weitere vergleichbare Produkte anderer Hersteller gebe, die altersgerechtes Eiwei ß, Vitamin D oder patentierte Prebiotics enthalten (Unterstreichung durch das Gericht), unterstreicht das Verständnis des Senats vom Inhalt der Behauptung der Antragstellerin über die durch die angegriffene Werbung bewirkte Fehlvorstellung des Verkehrs.

c)
Angesichts der konkreten Gestaltung der Werbemaßnahmen vermag der Senat jedoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise die werblichen Angaben in dem von der Antragstellerin vorgetragenen Sinne so verstehen, als nehme die Antragsgegnerin für ihr Produkt „A. Kindermilch“ in Anspruch, dass es in jedem seiner Bestandteile einzigartig sei. Deshalb ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch – gestützt auf eine Irreführung im Sinne des ursprünglichen Vortrages der Antragstellerin – unbegründet.

Im streitgegenständlichen TV-Spot wird zunächst das Produkt A. Kindermilch präsentiert und eingangs im Begleittext auf die Einzigartigkeit (Jst die einzige Kindermilch“) verwiesen. Diese vermeintliche Einzigartigkeit wird sodann dadurch erläutert, dass nacheinander Puzzleteile eingeblendet und zusammengefügt werden, die mit den drei Einzelbestandteilen, die auch genannt werden, beschriftet sind. Das Augenmerk des angesprochenen Verbrauchers wird so auf die sich wie ein Puzzle zusammenfügende Zutatenkombination gelenkt. Der weit überwiegende Teil des angesprochenen Verkehrs bekommt deshalb auch den Eindruck, dass die Einzigartigkeit und Besonderheit des Produktes der Antragsgegnerin aus der Kombination der Zutaten herrühre. Nicht hingegen nimmt er an, die Einzigartigkeit sei schon dadurch begründet, dass einer der genannten Bestandteile im beworbenen Produkt enthalten sei. Denn zum einen wird sein Augenmerk in keiner Weise auf die Einzigartigkeit der Einzelbestandteile gelenkt. Zum anderen weiß der angesprochene Endverbraucher, insbesondere derjenige mit Kleinkindern, dass altersgerechtes Eiwei ß und vor allem Vitamin D zur Grundversorgung von Säuglingen und Kleinkindern gehören. Er wird daher nicht annehmen, dass nur das Produkt der Antragsgegnerin die genannten Einzelbestandteile enthält.

Dasselbe gilt für die Printwerbung. Auch darin werden die Bestandteile auf einzelnen, sich ineinander fügenden Puzzleteile genannt, ohne dass die Einzelbestandteile in irgendeiner Weise hervorgehoben werden.
Der sowohl in TV- als auch Printwerbung so eingestimmte (vorinformierte) Verbraucher entnimmt dann im Folgenden der Formulierung „unterstützt Ihr Kind von innen heraus“ *“durch Vermehrung guter Darmbakterien“) zwangsläufig, dass diese Fähigkeit der vermeintlich einzigartigen Zutatenkombination zuzuschreiben und nicht bloß auf einen der genannten Bestandteile zurückzuführen ist.

d)
Soweit die Antragstellerin – die Wertung der Antragsgegnerin aufgreifend -im Schriftsatz vom 11.05.2011 zum Verkehrsverständnis erstmals dargetan hat, dass die Werbeaussagen in ihrer jeweiligen konkreten Formulierung als eine auf die Kombination der drei genannten Zutaten bezogene Alleinstellungsbehauptung zu verstehen seien, ist dies in dringlichkeitsschädlicher Zeit (zu spät) geschehen und für die Beurteilung des Verfügungsanspruches – soweit er auf Irreführung gestützt wird – nicht (mehr) heranzuziehen.

Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin handelt es sich bei diesem Vortrag – wie ausgeführt – nicht um eine bloße Verdeutlichung dessen, was sie bereits in der Antragsschrift zum Verkehrsverständnis ausgeführt hat, sondern um die Darlegung eines von den Darlegungen in der Antragsschrift vollständig abweichenden, auf eine bis dahin nicht in Betracht gezogene Fehlvorstellung abzielenden Lebenssachverhaltes. Auch wenn sich daraus keine Änderungen in Bezug auf die Bestimmung des Streitgegenstandes ergeben mögen (vgl. BGH aaO – Branchenbuch Berg), so ist doch der von der Antragstellerin erst im weiteren Verlauf des Verfahrens eingeführte neue Vortrag im Rahmen der Prüfung der Dringlichkeit zu beachten und darauf zu untersuchen, ob er von der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG erfasst ist.

Das steht nicht nur im Einklang damit, dass der Antragsteller auch dann, wenn er eine konkrete Verletzungsform zum Gegenstand seines Unterlassungsantrages macht, durch den Umfang seiner Angriffe Einfluss darauf nimmt, welche Reichweite das sodann antragsgemäß ausgesprochene Verbot hat, sondern berücksichtigt auch die berechtigten Interessen des Anspruchsgegners, alsbald Klarheit darüber gewinnen zu können, mit welchen Angriffen gegen seine Werbung er jedenfalls im Eilverfahren nicht mehr zu rechnen braucht. Wird eine konkrete WerbunglVerletzungsform nur unter einem tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt angegriffen, orientiert sich daran auch die Prüfung, ob das Charakteristische der Verletzungshandlung etwa auch in einer späteren Werbung zum Ausdruck kommt, mithin eine vom bereits ausgesprochenen Verbot erfasste kerngleiche Verletzungshandlung vorliegt. Wird die Werbung unter mehreren verschiedenen tatsächlichen Gesichtspunkten angegriffen und erachtet das Gericht die Angriffe nur teilweise für begründet, ist das Verbot entsprechend begrenzt, und zwar auch dann, wenn die Werbung in ihrer Gänze als konkrete Verletzungsform Gegenstand des Verbotes ist. Vom Gericht nicht für durchgreifend erachtete Beanstandungen bleiben bei der Prüfung etwaiger als kerngleich beanstandeter Verstöße gegen ein ausgesprochenes Verbot au ßer Betracht. Dem entspricht es, dass der Anspruchsteller im Eilverfahren sorgsam zu prüfen hat, in welchem Umfang er eine konkrete Werbung beanstandet. Erhebt er nur einzelne Beanstandungen bringt er damit zum Ausdruck, dass ihm die Verfolgung seiner Rechte wegen weiterer möglicher Rechtsverletzungen selbst nicht so eilig ist.

Letzteres ist vorliegend ersichtlich der Fall, denn die Antragstellerin ist nach ihrem Vortrag bereits im Januar 2011 auf die angegriffenen Werbemaßnahmen aufmerksam geworden und hat eine Fehlvorstellung des Verkehrs wegen einer auf die Zutatenkombination bezogenen Fehlvorstellung erstmals mit Schriftsatz vom 11.5.2011 in das Verfahren eingeführt.

3.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht aber aus einem anderen Grund. Die angegriffenen Werbeangaben verstoßen gegen Art. 10 Abs. 1 HCV verstoßen. Nach Art. 10 Abs. 1 HCV sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel II der HCV (Art. 3 bis 7) und den speziellen Anforderungen des Kapitels IV der HCV (Art. 10 bis 19) entsprechen, gemäß der HCV zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Artikeln 13 und 14 aufgenommen sind (BGH GRUR 2011, 246 Rn. 6 – Gurktaler Kräuterlikör; Meisternst/Haber, Praxiskomm. Health & Nutrition Claims Art. 10 Rn. 4 f.). Bei den Regelungen der HCV handelt es sich um das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer regelnde Vorschriften im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen von Mitbewerbern und Verbrauchern im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (BGH, Vorlagebeschluss vom 13.1.2011, I ZR 22/09, GRUR 2011,246, Tz. 13 – Gurktaler Kräuterlikör; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., §4Rz.11.137a).

Dabei ist der Senat von dem insoweit zutreffend unterstellten Verkehrsverständnis ausgegangen, dem angesprochenen Verkehr werde sowohl in der streitgegenständlichen TV­als auch in der Printwerbung suggeriert, dass aufgrund der vermeintlich einzigartigen Zutatenkombination aus Vitamin D, altersgerechtem Eiweiß und patentierten Prebiotics die Darmflora des Kindes verbessert („durch Vermehrung guter Darmbakterien“) und so das Kind „von innen heraus unterstützt“ werde. Das steht nicht im Widerspruch zu den obigen Ausführungen zu Ziff. 2., denn die Beanstandung der Antragstellerin betrifft bezogen auf den Verstoß gegen die HCV die vorstehend angeführten Werbeangaben zur Wirkung vermehrter guter Darmbakterien und gerade nicht die Werbeangabe „einzige Kindermilch“. Die vom Antrag erfassten werblichen Auslobungen (in Print und TV-Spot: Unterstützung des Kindes von innen heraus durch Vermehrung guter Darmbakterien) sind gesundheitsbezogene Angaben im Sinne der HCV. „Angabe“ im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCV ist jede Aussage oder Darstellung ­ausgenommen solche obligatorischen Charakters – einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt. Hieran knüpft die Definition in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Health-Claims-Verordnung an, wonach „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe ist, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Ob eine Aussage in diesem Sinne Gesundheitsbezug aufweist, ist – Erwägungsgrund 15 der HCV folgend – aus der Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Hinblick auf die in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der HCV genannten Funktionen – insbesondere Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen sowie psychische oder Verhaltensfunktionen – zu beantworten (BGH GRUR 2011,246 Rn. 9 ­Gurktaler Kräuterlikör). Abzugrenzen sind gesundheitsbezogene Angaben – abgesehen von den ebenfalls der HCV unterfallenden Nährwertangaben – von solchen Angaben, die sich lediglich auf die objektive Beschaffenheit des Produkts beziehen. Hierbei handelt es sich um solche Angaben, mit denen nicht besondere positive Eigenschaften des betreffenden Lebensmittels herausgestellt werden sollen, sondern nur objektive Informationen über die Produktbeschaffenheit oder -eigenschaften vermittelt werden (Meisterernst WRP 2010,481, 484).

Vorliegend wird in beiden angegriffenen Werbungen ein Zusammenhang zwischen der beworbenen Kindermilch und deren (positiver) Auswirkung auf die Gesundheit versprochen. Denn dem normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher wird der Eindruck vermittelt, dass die verwendeten Zutaten in ihrer Kombination dem Produkt die besondere Eigenschaft und Fähigkeit verliehen, die Vermehrung verdauungsfördernder (guter) Darmbakterien anzuregen und daher das Kind „von innen heraus … unterstützen“ zu können.

Verbotsvoraussetzung ist daneben die fehlende Zulassung gem. Art. 13 Abs. 3, Abs. 5 oder Art. 17 HCV sowie die fehlende Aufnahme in die Liste gem. Art. 13 Abs. 3 HCV (vgl. BGH, Vorlagebeschluss vom 13.1.2011, I ZR 22/09, GRUR 2011, 246 Tz. 6 – Gurktaler Kräuterlikör; MeisternstIHaber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims Art. 10 Rn. 4 f.). Die Zulassung und eine Aufnahme in die Liste zugelassener Angaben nach Art. 13 Abs. 3 HCV sind unstreitig bisher nicht erfolgt.

Zwar hat die Europäische Kommission am 16.05.2012 im Anhang der Verordnung EU Nr. 432/2012, die ab 14.12.2012 gilt, eine erste Teilliste mit bestätigten Claims veröffentlicht. Der hier streitgegenständliche Claim befindet sich indes nicht darunter.

Auch die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 6 lit. b HCV liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift dürfen gesundheitsbezogene Angaben, die keiner Bewertung in einem Mitgliedstaat unterzogen und nicht zugelassen wurden, bis zum Ablauf von sechs Monaten nach einer Entscheidung im Sinne des Artikels 17 Absatz 3 weiterhin verwendet werden, sofern vor dem 19. Januar 2008 ein Antrag nach der HCV gestellt wird.

Zwar hat die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, dass der Dachverband der Hersteller diätetischer Lebensmittel (IDACE) am 18.1.2008 den vorerwähnten Zulassungsantrag gestellt hat. Dieser an die Wettbewerbsbehörde Frankreichs (Direction generale de la concurrence) gerichtete Antrag ist zur Entfaltung der gemeinschaftsweiten Legalisierungswirkung des Art. 28 Abs. 6 lit b) HCV grundsätzlich geeignet, weil zur Vermeidung unnötiger Mehrfachprüfung die AntragsteIlung durch einen beliebigen Betroffenen in (auch nur) einem Mitgliedsstaat als ausreichend anzusehen ist (vgl. Senat Urteil vom 1.3.2012, 3 U 160/10; MeisternstIHaber, Praxiskomm. Health & Nutrition Claims Art. 28 Rn. 28h).

Der genannte Antrag vermag jedoch die Zulässigkeit der beanstandeten werblichen Auslobungen nicht zu rechtfertigen, weil deren Formulierung und Aussagegehalt sich außerhalb der vom Antrag erfassten Bandbreite befindet. Angesichts des generellen Verbots gesundheitsbezogener Angaben in der HCV und der Einführung eines auf wissenschaftlicher Nachprüfung aufbauenden Zulassungsregimes erachtet es der Senat zur Gewährleistung des mit der HCV verfolgten Zwecks – Erreichung eines hohen Schutzniveaus für Verbraucher – und zur Wahrung des erforderlichen Maßes an Rechtssicherheit für angezeigt, bei der Prüfung der Legalisierungswirkung eines Zulassungsantrags einen strengen Maßstab anzulegen (Senat aaO).

Vom Zulassungsantrag erfasst (die vorgeschlagene Formulierung („Proposed wording of health claim“) lautet: „Oligosaccharides are important for Prebiotic; Bifidogenic; Transit; Digestive health“) ist lediglich der Hinweis auf die Wichtigkeit der Oligosaccharide mit ihrer präbiotischen bzw. bifidogenen Wirkung auf die Verdauungsgesundheit.

Dies indes bringt die angegriffene Werbeaussage nicht zum Ausdruck. Denn sowohl die Formulierung im TV-Spot: „Ä. Kindermilch ist die einzige Kindermilch mit altersgerechtem Eiweißgehalt, Vitamin D und patentierten Prebiotics, um Ihr Kind weiterhin von innen heraus zu unterstützen* *Durch Vermehrung von guten Darmbakterien“ als auch die entsprechende Auslobung in der Zeitschrift „eltern“ weisen zwar auf die gute Wirkung für die Verdauungsgesundheit hin. Dies aber in Bezug auf das gesamte Produkt, nämlich A. Kindermilch mit allen aufgeführten Bestandteilen, ohne klarzustellen, dass allein die in den „patentierten Prebiotics“ enthaltenen Oligosaccharide für die Förderung der Verdauungsgesundheit verantwortlich sein sollen. Dem angesprochenen Verkehr wird also gerade nicht unmissverständlich mitgeteilt, dass die angepriesene Unterstützung des Kindes von innen heraus durch Vermehrung guter Darmbakterien – wenn überhaupt – allein auf die in der Präbiotik-Mischung enthaltenen Oligosaccharide zurückzuführen sind. Vielmehr wird bei dem angesprochenen Verkehrskreis die Vorstellung hervorgerufen, dass gerade die Zutatenmischung gesundheitsfördernd, weil die Darmflora unterstützend, sei. Aufgrund des gestellten Zulassungsantrages wäre aber allenfalls eine auf die „patentierten Prebiotics“ bezogene Aussage als gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 1 0, 2 Abs. 5, 13 HCV zulässig.

Die angegriffenen Werbeangaben der Antragsgegnerin verlassen also den Bereich der vom Zulassungsantrag umfassten Sachaussage. Deshalb vermag der vom IDACE gestellte Antrag die Angaben auch nicht zu legalisieren.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Der Senat hat das wirtschaftliche Gesamtinteresse der Antragstellerin an dem begehrten Verbot der konkreten Verletzungsform entsprechend der Angabe in der Antragsschrift, die die Antragsgegnerin nicht beanstandet hat, wie das Landgericht mit insgesamt 200.000 Euro bewertet (§ 3 ZPO).

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihren Ansprüchen nicht vollumfänglich durchdrungen ist. Sie hat deshalb die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie gemessen an der Gesamtheit des Streits unterlegen ist. Soweit die Rechtsverfolgung erfolgreich ist, fallen die Kosten der Antragsgegnerin zur Last.

Vorliegend hat der Senat der Antragstellerin das begehrte Verbot lediglich unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Art. 10 der HCV zuerkannt, nicht indes unter Irreführungsgesichtspunkten nach § 11 LFGB. Das Interesse der Antragstellerin daran, das über beide Ansprüche eine Entscheidung ergeht, hat der Senat jeweils als wirtschaftlich gleichwertig erachtet. Das rechtfertigt die aus dem Tenor ersichtliche Kostenentscheidung.

Vorinstanz:
LG Hamburg, Az. 327 O 87/11

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