OLG Hamm: Weniger als 50% Naturprodukt ist nicht „Bio“ – Irreführende Werbung für Kosmetik

veröffentlicht am 19. September 2012

OLG Hamm, Urteil vom 27.03.2012, Az. I-4 U 193/11
§ 8 Abs. 1 UWG, § 3 Abs. 2 UWG, § 4 Nr. 11 UWG; § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3b LFGB

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Bezeichnung „Bio-Oil“ für ein Kosmetikprodukt irreführend und damit wettbewerbswidrig ist, wenn es nicht überwiegend, das heißt zu mehr als 50 %, aus natürlichen / pflanzlichen Inhaltsstoffen zusammengesetzt ist. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Die Vorinstanz habe dies nach Ansicht des Antragstellers verkannt, da die entscheidende Kammer ausschließlich aus Männern bestanden habe. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Hamm

Urteil

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 18. November 2011 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt,

im geschäftlichen Verkehr das Mittel „Bio-Oil“ mit der Bezeichnung „Bio-Oil“ zu bewerben und/oder zu vertreiben, sofern dies geschieht, wie in Anlage A1 zur Antragsschrift wiedergegeben.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Verbot gegen den Antragsgegner, im geschäftlichen Verkehr das Mittel „Bio-Oil“ mit der Bezeichnung „Bio-Oil“ zu bewerben und/oder zu vertreiben.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Dem Antragsteller stehe kein Unterlassungsanspruch aus § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG oder §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 27 Abs. 1 LFGB zu. Es sei nicht glaubhaft, dass ein nicht unerheblicher Teil der von dem Angebot des Antragsgegners angesprochenen angemessen informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher annehme, dass das Produkt „Bio-Oil“ überwiegend aus rein natürlichen und pflanzlichen Bestandteilen bestehe und dass Paraffin und andere chemische Stoffe nicht enthalten seien. Der Antragsgegner verwende die Bezeichnung „Bio-Oil“ für das Produkt, ohne eine auf die natürliche Herkunft oder Herstellungsweise abstellende Werbung hinzuzufügen; insbesondere benutze er auch weder den Begriff Naturkosmetik noch Biokosmetik. Es sei nicht glaubhaft, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher, wenn er im Zusammenhang mit einem Kosmetiköl die Bezeichnung „Bio“ als Namensbestandteil höre oder lese, diejenigen detaillierten Vorstellungen entwickele, die der Antragsteller ihm unterstelle. Insbesondere seien die Verbraucher nicht einerseits über die vom Antragsteller aufgeführten Zertifizierungen eingehend informiert, nähmen andererseits aber an, dass das Bio-Oil den Anforderungen solcher Zertifizierungen entspreche, obwohl in der Produktbeschreibung des Antragsgegners keinerlei Zertifizierung erwähnt sei und auch keine Naturbelassenheit der Inhaltsstoffe, keine besonderen Anbaumethoden und kein Verzicht auf Tierversuche oder ähnliche besondere Eigenschaften von Naturkosmetik angesprochen würden.

Bei einer eher neutralen Produktbeschreibung im Internetauftritt des Antragsgegners liege es vielmehr nahe, dass die angesprochenen Verbraucher realisierten, dass die Bezeichnung „Bio“ heute inflationär gebraucht werde und in vielen Fällen auf Produkte angewandt werde, die allenfalls zu einem geringen Anteil pflanzliche Bestandteile enthalten würden. Als Beispiel seien hier die Begriffe „Biodiesel“ und „Biosprit“ zu nennen.

Gegenteiliges werde auch nicht durch die vom Antragsteller überreichten Unterlagen nahegelegt. Der Beitrag in Wikipedia (Anlage 6) befasse sich ausdrücklich mit dem Begriff „Naturkosmetik“ sowie mit mehreren Zertifizierungssystemen zur Kennzeichnung von Naturkosmetikprodukten, nicht mit dem Begriff „Bio-„. Die vom Antragsteller ferner vorgelegte Internetseite „*Internetadresse*“, die sich mit Biokosmetik befasse, sei zur Glaubhaftmachung ungeeignet. Es sei nicht vorgetragen oder ersichtlich, wer Verfasser dieses Beitrages und Inhaber der Domain sei; anscheinend handele es sich um einen privatwirtschaftlichen Beitrag, dem weder wissenschaftliche noch sonstwie repräsentative Bedeutung zukomme.

In dem genannten Sinne des Begriffes „Bio“ sei die beanstandete Werbung nicht irreführend. Denn die für die Wirkung des Mittels Bio-Oil konstitutiven Bestandteile Ringelblumenextrakt, Lavendelöl, Rosmarinöl und Öl der römischen Kamille seien pflanzlichen Ursprungs. Es sei auch nicht glaubhaft, dass ein erheblicher Teil der informierten und aufmerksamen Verbraucher bei dem Produktnamen „Bio-Oil“ annehme, die pflanzlichen Bestandteile stammten aus kontrolliert biologischem Anbau.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsteller mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.

Das Gericht führe ohne Nachweis für Kosmetika aus, dass die Bezeichnung „Bio“ heute inflationär gebraucht werde. Dies möge in Bezug auf Diesel- oder Ottokraftstoffe so sein, betreffe aber nicht den hiesigen Streitgegenstand. Der Verbraucher reagiere bei Kosmetika sehr sensibel auf Beschaffenheitsangaben. Anders als bei einem Kraftstoff werde ein Kosmetikum direkt auf die Haut aufgetragen und nicht in einen Tank gefüllt.

Das angefochtene Urteil offenbare eine männliche Sicht auf die streitbefangene Angabe. Die Kammer sei ausschließlich mit männlichen Richtern besetzt gewesen. Bei Verbraucherinnen sei offensichtlich eine höhere Sensibilität hinsichtlich der Beschaffenheitsangaben von Kosmetika vorhanden. Dies werde auch an zwei Entscheidungen des Landgerichts Duisburg deutlich, bei denen jeweils eine Richterin zu entscheiden gehabt habe.

Durchaus habe der Antragsteller mit den beigebrachten Anlagen die von ihm vorgetragene Verbrauchererwartung glaubhaft gemacht. Die Anlage A 6 befasse sich mit dem Begriff „Naturkosmetik“, der mit dem Begriff „Bio-Kosmetik“ synonym sei. Inhaber der Domain *Internetadresse* sei die Fa. K GmbH aus G, bei der es sich um eine Informationsplattform zu unterschiedlichen Themen wie Gesundheit, Wellness und Schönheit etc. handele und nicht um eine Verkaufsplattform. Es spiegele sich in diesen Anlagen wider, dass Bio- und Naturkosmetik ausschließlich natürliche ätherische Öle und keine künstlichen Konservierungsstoffe enthalten dürfe. Der Verbraucher erwarte bei einem als „Bio“ bezeichneten Produkt nicht, dass es Paraffine und weitere Stoffe chemisch-industriellen Ursprungs zu einem weit überwiegenden Anteil enthalte.

Zudem verkenne das Landgericht, dass in der streitbefangenen Werbung die tatsächlichen Bestandteile des Mittels nicht angegeben würden. Die dortige Abbildung der Produktverpackung sei zu klein und daher für den Verbraucher nicht lesbar. In der Werbung werde der Verbraucher letztlich nicht über die tatsächliche Zusammensetzung des Produktes informiert. Auch werde der Verbraucher nicht darüber aufgeklärt, dass den größten Anteil des Produktes die chemisch-industriellen Bestandteile Paraffinum Liquidum, Triisononanoin,Cetearyl Ethylheanoate, Isopropyl Myristate, BHT und Bisabolol ausmachen.

Eine weitere Irreführung in der Werbung bestehe darin, dass die pflanzlichen Rohstoffe des beworbenen kosmetischen Mittels, nämlich Ringelblumenextrakt, Lavendelöl, Rosmarinöl und Öl der römischen Kamille, nicht aus kontrolliert-biologischem Anbau stammten.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des am 18. November 2011 verkündeten Urteils zu erkennen:

Dem Antragsgegner wird bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

im geschäftlichen Verkehr das Mittel „Bio-Oil“ mit der Bezeichnung „Bio-Oil“ zu bewerben und/oder zu vertreiben, sofern dies geschieht, wie in der Anlage A 1 der Antragsschrift wiedergegeben.

die Berufung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt das angefochtene Urteil.

Zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht habe, dass ein nicht unerheblicher Teil der von dem Angebot des Antragsgegners angesprochenen, angemessen informierten und aufmerksamen Verbraucher annehme, das streitbefangene Produkt „Bio-Oil“ bestehe überwiegend aus rein natürlichen und pflanzlichen Bestandteilen und Paraffin sowie andere chemische Bestandteile seien nicht enthalten. Der Antragsteller habe selbst eingeräumt, dass Begriffe wie „Naturkosmetik“ bzw. „Biokosmetik“ vom Antragsgegner nicht benutzt worden seien. Wenig überzeugend sei auch die Argumentation, die englischsprachige Bezeichnung „Bio-Oil“ könne mühelos ins Deutsche übersetzt werden und den Verbraucher dazu animieren, zu glauben, es handele sich um ein „Bio“-Produkt.

Zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass der Zusatz „Bio“ mittlerweile inflationär gebraucht werde. Der Ansatz des Antragstellers, nach dem mit dem Zusatz „Bio“ eine bestimmte Aussage getroffen werden solle, sei falsch. Selbst wenn man der reinen Verwendung des Produktnamens noch einen zusätzlichen Aussageinhalt beimessen wolle, habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass hierdurch die vom Antragsteller vorgetragenen Vorstellungen bei den angesprochenen Verbrauchern hervorgerufen werden würden.

Der Vortrag des Antragstellers zu der besonderen Sensibilität der Verbraucher bei Kosmetika gehe fehl. Eine Beschaffenheitsangabe sei in der Namensangabe des Produktes gerade nicht zu sehen. Das Produkt Bio-Oil sei mit den Worten „Bio-Oil, Beauty-Produkt, Schönheitspflege, Wellness“ angeboten worden. Durch diese Wortfolge werde deutlich, dass der erste Begriff der Produktname und lediglich die nachfolgenden Angaben beschreibender Art seien.

Die Etablierung der vom Antragsteller genannten Zertifikate belege, dass „Bio“ eben nicht gleich „Bio“ sei und dies der Verbraucher gerade auch im Kosmetikbereich wisse.

Der Hinweis des Antragstellers auf die männliche Sichtweise im Rahmen der angefochtenen Entscheidung führe nicht weiter. Denn gerade in letzter Zeit sei auch bei männlichen Verbrauchern ein zunehmendes Interesse und Bedürfnis an Körperpflege- und Beautyprodukten zu beobachten. Eine unterschiedliche Sichtweise erschließe sich dementsprechend nicht.

Zu Recht habe das Landgericht darauf verwiesen, dass der Antragsteller durch den vorgelegten Wikipedia-Beitrag sowie den Sreenshot der Internetseite *Internetadresse* seinen Sachvortrag nicht habe glaubhaft machen können.

Der Antrag erweise sich bereits im Hinblick auf die deutsche Wort-Bildmarke „Bio-Oil“ und die Gemeinschaftsmarke „Bio-Oil“ als unbegründet. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG bzw. Art. 3 Abs. 1 g) EG-MarkenRL seien Zeichen oder Marken von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie geeignet seien, das Publikum z.B. über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Ware oder Dienstleistung zu täuschen. Aus dem Umstand, dass die Markeneintragungen für die benannten Produkte der Klasse 3 des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nicht versagt worden seien, ergebe sich, dass diesbezüglich keine Irreführungsgefahr bestehe. Selbst wenn man die seinerzeitige Entscheidung der Markenämter für das vorliegende Verfahren als nicht bindend erachte, wäre zu berücksichtigen, dass bereits im Jahr 2001 unter Geltung eines anderen Verbraucherleitbildes eine Verwechselungsgefahr verneint worden sei. Das sich einer großen Beliebtheit erfreuende Produkt „Bio-Oil“ werde über seinen Namen identifiziert. Die Verbraucher assoziierten mit dem Wort „Bio-Oil“ in erster Linie das dahinter stehende Produkt und nicht die von dem Antragsteller behaupteten Gütevorstellungen.

Das Vorgehen des Antragstellers gegen den Antragsgegner stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar. Der Antragsteller müsse sich fragen lassen, warum er nicht den Hersteller bzw. Markeninhaber direkt angreife. Auch die Tatsache, dass das Produkt mit dem streitbefangenen Namen vom Antragsgegner nur in kleinen Mengen (24 Stück) vertrieben worden sei, spreche für einen Rechtsmissbrauch.

B.

Die Berufung ist begründet.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

I.

Der Antragsteller ist antragsbefugt.

1.
Er ist auch im vorliegenden Bereich der Kosmetik(- und Gesundheits-) Werbung als ein Wettbewerbsverband im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anzusehen. Dies ist ihm schon wiederholt sowohl höchstrichterlich als auch vom Senat bescheinigt worden (vgl. nur BGH GRUR 2010, 359 – Vorbeugen mit Coffein).

2.
Der Antragsbefugnis steht auch nicht ein rechtsmissbräuchliches Abmahnverhalten des Antragstellers entgegen. Allein der Hinweis des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, er habe nur kleine Mengen des angebotenen Mittels, nämlich 24 Stück, vertrieben, führt nicht zu der Annahme, dass hier ein Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG vorliegt. Die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung kann nicht davon abhängen, ob der Abgemahnte einen hohen oder geringen Absatz mit dem Produkt, für das er geworben hat, gemacht hat.

Im Übrigen kann der Antragsgegner auch nicht mit der Behauptung, der Antragsteller mahne nur kleine eBay-Händler ab, den Rechtsmissbrauch begründen. Diese bestrittene Behauptung hat der Antragsgegner in keiner Weise nachgewiesen. Im Übrigen zeigen die beigebrachten einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Duisburg, Az.: 26 O 58/11 (Anlage BK 1) und Az.: 21 O 114/11 (Anlage BK 2), dass der Antragsteller auch gegen andere Mitbewerber wegen des hier in Rede stehenden Wettbewerbsverstoßes vorgeht. Zudem kann jeder Händler, der ein Produkt verbreitet, welches eine wettbewerbswidrige Bezeichnung trägt, entsprechend abgemahnt werden. Soweit der Antragsgegner sich fragt, warum der Antragsteller nicht den Hersteller bzw. den Markeninhaber direkt angreife, hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im Senatstermin glaubhaft erklärt, dass ihm trotz aller bisheriger Recherchen weder die Identität des Herstellers noch die des Markeninhabers bekannt sei.

II.

Es liegt ein Verfügungsgrund vor. Dem Antragsteller kommt die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG zugute. Sie ist hier auch nicht widerlegt. Insbesondere hat der Antragsgegner, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, diesbezüglich nichts vorgetragen. Auch im Übrigen ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Überschreitung der sogenannten Monatsfrist.

III.

Der Antragsteller hat auch einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht.

Er hat gegen den Antragsgegner einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG, weil die beanstandete Werbung mit der Bezeichnung „Bio-Oil“ gegen §§ 3 Abs. 2, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3b LFGB verstößt.

§ 27 Abs. 1 S. 2, Nr. 3b LFGB verbietet bei kosmetischen Mitteln eine irreführende Werbung durch eine zur Täuschung geeignete Bezeichnung über Eigenschaften, insbesondere Beschaffenheit, Zusammensetzung oder Art der Herstellung.

1.
Diese Bestimmung ist wegen des von ihr beabsichtigten Schutzes der Gesundheit der Verbraucher als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG anzusehen.

2.
Eine Irreführung liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise sich aufgrund der Bezeichnung „Bio-Oil“ eine bestimmte Vorstellung machen, die nicht der Wirklichkeit entspricht und deshalb täuschen kann. Es ist also zu fragen, wer die angesprochenen Verkehrskreise sind, welche Vorstellung sie sich von der Aufmachung machen und ob diese Vorstellung der Wirklichkeit entspricht. Ist das nicht der Fall, muss die Fehlvorstellung geeignet sein, auf eine Entscheidung der Verkehrskreise Einfluss zu nehmen, die Waren des Antragsgegners zu kaufen.

a.
Angesprochene Verkehrskreise sind sämtliche Verbraucher, also der allgemeine Verkehrskreis. Rein zahlenmäßig dürfte in dem hier angesprochenen Verkehrskreis der Anteil der weiblichen Verbraucher den der männlichen Verbraucher durchaus übersteigen. Dennoch gehören letztlich sämtliche Mitglieder des Senats zum angesprochenen Verbraucherkreis.

b.
Die Bezeichnung „Bio-Oil“ vermittelt dem Verbraucher den Eindruck, dass das so bezeichnete Kosmetikum zumindest überwiegend, das heißt 50 % + X, aus natürlichen / pflanzlichen Inhaltsstoffen zusammengesetzt ist. Zu Recht macht der Antragsteller geltend, dass von der Silbe „Bio“ diese Botschaft ausgeht. Die Silbe „Bio“ spricht die Verbraucher genau auf den Gesichtspunkt der Herkunft der Inhaltsstoffe an, nämlich darauf, ob die Inhaltsstoffe natürlicher / pflanzlicher oder chemischer Herkunft sind. Idealerweise wünscht sich der Verbraucher Kosmetika mit ausschließlich natürlichen Inhaltsstoffen. Allerdings weiß der durchschnittliche Verbraucher auch, dass sich dies z.B. aus Haltbarkeitsgründen nicht immer durchhalten lässt. Dementsprechend rechnet der Verbraucher damit, dass zu einem gewissen Anteil auch chemische Substanzen in Kosmetika enthalten sein können, auch wenn sie die Silbe „Bio“ in ihrem Namen tragen. Soll aber die Silbe „Bio“ überhaupt noch einen Sinn haben, dann zumindest den, dass in dem Produkt jedenfalls überwiegend natürliche / pflanzliche Substanzen enthalten sind.

Soweit das Landgericht meint, die Silbe „Bio“ werde heutzutage schon inflationär gebraucht, kann dies vorliegend nicht dazu führen, dass sich die Bedeutung dieser Vorsilbe bei dem hier in Rede stehenden Produkt auf den Wohlklang der Bezeichnung zu Werbezwecken reduziert. Mit dieser Silbe verbindet der Verbraucher durchaus einen gewissen Naturbezug in Abgrenzung zur chemischen Herkunft der Inhaltsstoffe.

Hierzu passt auch die im Duden aufgeführte umgangssprachliche Bedeutung des Silbe „Bio“. Diese wird benutzt, um auszudrücken, dass etwas unbelastet oder naturrein ist.

Mit der Silbe „Bio“ verbindet der Verbraucher auch nicht lediglich die Vorstellung, dass in dem Produkt zumindest überhaupt natürliche / pflanzliche Stoffe enthalten sein müssen unabhängig davon, in welchem Umfang. Die Parallele zum Bio-Diesel und Bio-Sprit, die das Landgericht zieht, kann hier nicht bemüht werden. Bei den Kraftstoffen soll mit der Silbe „Bio“ zwar in der Tat zum Ausdruck gebracht werden, dass im Vergleich zum konventionellen Kraftstoff zumindest teilweise – wenn auch nur zu einem geringen Anteil – pflanzliche Stoffe beigemischt sind. Zu Recht weist der Antragsteller aber darauf hin, dass die Verbrauchervorstellungen in Bezug auf Kraftstoffe einerseits überhaupt nicht mit den Verbrauchervorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung von Kosmetika andererseits verglichen werden können. Kommt der Kraftstoff planmäßig nur mit dem Motor des Autos in Berührung, wird das „Bio-Oil“ auf die Haut aufgetragen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die menschliche Haut ein sensibles Organ ist und individuell verschieden anfällig für Krankheiten wie Neurodermitis, Allergien oder andere Unverträglichkeiten sein kann, legt der Verbraucher – anders als beim Kraftstoff – ganz besonderen Wert auf die Herkunft des Kosmetikums.

c.
Der dargestellte Eindruck wird nicht dadurch korrigiert, dass der Verbraucher über die Herkunft der Bestandteile, die chemischer oder synthetischer Natur sind, aufgeklärt würde. In der Bewerbung im Internet (Anlage A 1) werden nur die positiven Seiten und Vorteile aufgeführt (vgl. die wörtliche Wiedergabe im Tatbestand des angefochtenen Urteils oder S. 7 u. 8 der Anlage A 1). Zu den oben genannten chemischen Substanzen findet sich kein Wort.

Im Übrigen ist zwar die Liste der Bestandteile auf der Verpackung abgedruckt (vgl. Anlage A 2) und die Verpackung wiederum auf der Internetseite abgebildet. Zum einen ist aber nur die Vorderseite der Verpackung auf der Internetseite zu sehen und zum anderen wäre die Liste der Bestandteile auf der Internetseite möglicherweise gar nicht zu erkennen, weil sie viel zu klein erscheint. Hinzu kommt, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher mit den Namen der Substanzen selbst gar nichts anfangen kann, jedenfalls nicht sofort verifizieren kann, ob die Substanzen chemischer oder natürlicher Herkunft sind.

e.
Nach Würdigung aller Gesamtumstände erweckt die Bezeichnung „Bio-Oil“ bei dem Verbraucher den Eindruck, dass das so bezeichnete Kosmetikum zumindest überwiegend aus natürlichen / pflanzlichen Inhaltsstoffen zusammengesetzt ist.

f.
Diese Vorstellung der Verbraucher bzw. eines erheblichen Teils der Verbraucher stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein. Denn unstreitig enthält das Kosmetikum „Bio-Oil“ die Substanzen Paraffinum Liquidum (Paraffinöl), Triisononanoin, Cetearyl Ethylhexanoate und Isopropyl Myristate. Bei Paraffinöl handelt es sich – unstreitig – um ein Erdölprodukt chemisch-industriellen Ursprungs. Dies folgt aus der Darstellung in der Zeitschrift Ökotest – Inhaltsstoffe (Anlage 3). Aus dieser Anlage ergibt sich auch, dass es sich bei den drei anderen genannten Stoffen ebenfalls um solche chemisch-industriellen Ursprungs handelt. Nach unwidersprochener Darstellung des Antragstellers machen diese vier Substanzen den überwiegenden Anteil der Bestandteile des Produktes „Bio-Oil“ aus. Dies ergibt sich daraus, dass diese vier Substanzen als die ersten vier in der Liste der Ingredients (= „Zutatenliste“) aufgeführt werden. Denn in §§ 5 Abs. 1 Nr. 4, 5a Abs. 2 KosmetikV ist geregelt, dass in der Liste der Bestandteile diese in abnehmender Reihenfolge ihres Gewichtes zum Zeitpunkt der Herstellung des kosmetischen Mittels anzugeben sind. Hinzu kommt, dass noch die beiden weiteren chemischen Substanzen BHT und Bisatol, in der Liste aufgeführt an 15. und 16. Stelle, in dem Produkt enthalten sind.

3.
Eine solche Fehlvorstellung ist auch wettbewerbsrechtlich relevant. Dies ergibt sich daraus, dass Interessierte aus dem angesprochenen Verkehrskreis möglicherweise gerade deshalb zu dem hier streitgegenständlichen Produkt greifen, weil Ihnen durch die Silbe „Bio“ in der Bezeichnung ein eher natürlicher / pflanzlicher Charakter des Produktes, also ein mit überwiegend natürlichen / pflanzlichen Bestandteilen versehenes Kosmetikum, suggeriert wird.

4.
Der Annahme eines Wettbewerbsverstoßes steht es auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner das Produkt nicht anders als unter dem Namen „Bio-Oil“, der markenrechtlich geschützt ist, vertreiben kann. Denn ein Wettbewerbsverstoß kann nicht aufgrund eines mittlerweile eingeführten Namens, der auch markenrechtlich geschützt ist, geduldet werden. Soweit geht auch der markenrechtliche Schutz nicht. Die Verwendung einer eingetragenen Marke in einer Weise, die eine Irreführung des Verkehrs hervorrufen kann, ist nach den allgemeinen Regeln, insbesondere § 5 UWG, zu beurteilen. Dass die Marke eingetragen wurde, spielt bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung keine Rolle und ist insbesondere kein Indiz dafür, dass die Marke im konkreten Fall nicht täuschend benutzt wird (st. Rspr., z.B. BGH GRUR 1955, 251 – Silberaal; BGH GRUR 1984, 737, Ziegelfertigstütze).

5.
Die Wiederholungsgefahr ist durch den festgestellten Wettbewerbsverstoß indiziert.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.

Vorinstanz:
LG Bielefeld, Az. 17 O 157/11

I