OLG Hamm: Zusätzliche relativierende Erklärungen zur Angabe der Lieferfrist mit dem Hinweis „ca.“ können zu einem Wettbewerbsverstoß führen

veröffentlicht am 20. Dezember 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Hamm, Urteil vom 18.09.2012, Az. I-4 U 105/12 – nicht rechtskräftig
§ 308 Nr. 1 BGB, § 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG

Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Angabe der Lieferfrist mit dem Hinweis „ca.“ zulässig ist, dieser Hinweis allerdings nicht mit weiteren relativierenden Zusätzen versehen werden darf, da dies unter Umständen zu einem Wettbewerbsverstoß führt. Gegen dieses Urteil ist Revision eingelegt worden (BGH, Az. I ZR 205/12). Vorliegend war folgende Klausel streitgegenständlich:

„(…) Lieferbedingungen (…)

Sollte ein bestellter Artikel nicht lieferbar sein, weil wir von unserem Lieferanten ohne unser Verschulden trotz dessen vertraglicher Verpflichtung nicht beliefert werden, sind wir zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt. In diesem Fall werden wir den Kunden unverzüglich darüber informieren, dass die bestellte Ware nicht mehr verfügbar ist und etwaige schon erbrachte Leistungen unverzüglich erstatten.

Angegebene Lieferfristen stellen nur einen Richtwert dar und gelten daher nur annähernd vereinbart (Zirka-Fristen).

Hierzu erklärte der Senat: „… aus der … Klausel ergibt sich nicht eindeutig, dass eine verbindliche Lieferzeit versprochen wird. Zwar wird in der Klausel das Wort „vereinbart” genannt. Jedoch wird diese Formulierung unmittelbar zuvor mit dem Wort „annähernd” eingeschränkt. Hinzu kommt, dass nach der Klausel die angegebenen Lieferfristen nur als annähernd vereinbart „gelten” sollen. Hier wird also lediglich mit einer Fiktion gearbeitet. Eine weitere Einschränkung erfährt die Regelung dadurch, dass die angegebenen Lieferfristen „nur einen Richtwert” darstellen sollen.

Für eine verbindliche Regelung könnte allenfalls der Klammerzusatz mit dem Wortlaut „(Zirka-Fristen)“ sprechen. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur hält die Angabe von Zirka-Lieferfristen noch für wirksam (Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 308 Rn 8; Beck-OK-Becker, 2012 § 308 Rn 28, Ulmer/ Brandner/Hensen-Fuchs § 208 Rn 24; MüKo-Wurmnest, BGB, 6. Aufl., 2012, § 308 Rn 23; OLG Bremen MMR 2010, 26 mit Verweis auf OLG Bremen 2 U 42/09; OLG Frankfurt, Beschl. vom 27.07.2011 – 6 W 55/11).

Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Angabe einer Zirka-Frist ausreichend im Sinne von § 308 Nr. 1 BGB ist, weil letztlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass hier Zirka-Fristen vereinbart worden sind. Allein der Klammerzusatz „Zirka-Fristen“ kann die vorangegangenen deutlichen Einschränkungen der Verbindlichkeit nicht dahingehend korrigieren, dass hier letztlich doch verbindliche Fristen vereinbart werden sollen. Der Klammerzusatz einerseits und der vorangegangene Text andererseits stehen letztlich in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander. Eine eindeutige Vereinbarung verbindlicher Lieferfristen ist nicht erkennbar.“

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