OLG Karlsruhe: Werbung für „Insolvenzverkauf mit anwaltlicher Begleitung“ ist irreführend, wenn der Anwalt über diese Werbung nicht informiert ist

veröffentlicht am 19. November 2012

OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.10.2012, Az. 4 U 83/12
§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, § 5 Abs. 1 UWG, § 3 UWG

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass die Bewerbung eines Insolvenzverkaufs von Orientteppichen mit der Fotografie eines Rechtsanwalts, der den „rechtlichen Ablauf des großen lnsolvenzverkaufs“ begleite, irreführend ist, wenn diese Werbung mit dem Anwalt nicht abgestimmt ist. Es werde der Eindruck erweckt, der Anwalt überwache den angekündigten Verkauf, so dass die angesprochenen Verkehrskreise von einem besonders seriösen Ablauf ausgingen. Tatsächlich habe der abgebildete Anwalt die Beklagte lediglich beim Abschluss des Verwertungsvertra­ges mit dem Insolvenzverwalter umfassend rechtlich beraten und stand zur Verfügung, um sie bei et­waigen Problemen in der Abwicklung von Kaufverträgen gegenüber den End­käufern zu vertreten. Die Werbeanzeige und deren Inhalt waren ihm nicht bekannt, so dass es sich um eine erhebliche, wettbewerbsrechtlich relevant Irreführung handele. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Karlsruhe

Urteil

Gründe

I.
Die Beklagte bewirbt den Insolvenzverkauf von Orientteppichen mit einer Fo­tografie des Streithelfers, eines Rechtsanwalts, der den „rechtlichen Ablauf des großen lnsolvenzverkaufs“ begleite. Dies hält die Klägerin für wettbewerbs­rechtlich unzulässig, soweit der übrige Inhalt der Werbeanzeige nicht mit dem Anwalt abgestimmt ist.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug ge­nommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage nach Vernehmung des Streithelfers als Zeugen stattgegeben. Die Anzeige sei irreführend. Sie erwecke den Ein­druck, der abgebildete Rechtsanwalt habe den in der Anzeige geschilderten Ab­lauf des Verkaufs überwacht. Die angesprochenen Kundenkreise gingen daher von einer besonders seriösen Anzeige aus und erwarteten, dass deren Werbe­aussagen zuträfen. Tatsächlich seien dem Streithelfer wesentliche Werbeaus­sagen nicht bekannt gewesen. So habe er die Angaben über Echtheitszertifikate sowie zum Verhältnis von Preis und Wert der Teppiche erstmals nach Übersen­dung der Anzeige durch die Klägervertreterin zur Kenntnis genommen. Diese Angaben hätten sich im tatsächlichen Verlauf des Verkaufs – unstreitig – auch nicht bestätigt. Somit habe die Beklagte die Seriosität eines Rechtsanwalts für die Richtigkeit ihrer Werbebehauptung unberechtigt für sich in Anspruch ge­nommen.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht geltend, die rechtliche Begründung des angefochtenen Urteils trage den unbestimmten und zu weiten Unterlassungstenor nicht. Verboten worden seien ihr Abbildung und Nennung des Streitverkündeten auch für den Fall, in dem die Werbebehaup­tungen der Anzeige im Übrigen inhaltlich zuträfen. In seiner Begründung stelle das Landgericht jedoch maßgeblich auf eine Täuschung der Kunden durch fal­sche Werbebehauptungen über Zertifizierung und Wert der Teppiche ab. Inso­weit sei sie bereits durch die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 18. Mai 2010 zur Unterlassung verpflichtet; eines „doppelten“ Verbotes bedürfe es nicht. Zudem messe das Landgericht der Abbildung des Rechtsanwalts eine Be­deutung bei, die ihr aus Sicht des Verbrauchers nicht zukomme. Unter dem Begriff „rechtlicher Ablauf des lnsolvenzverkaufs“ verstehe das Publikum ledig­lich, dass die insolvenzrechtliche oder allenfalls die Ankaufabwicklung des In­solvenzverkaufs, eventuell mit dem Insolvenzverwalter, vom Rechtsanwalt be­gleitet werde. Das Publikum werde damit zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich um einen rechtlich zulässigen Insolvenzverkauf handele. Dagegen könne kein vernünftiger Verbraucher annehmen, der abgebildete Anwalt garantiere für die Richtigkeit der Ankündigungen über den Warenverkauf selbst.

Die Beklagte und der Streithelfer beantragen,
das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 2.02.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils,
die Berufung zurückzuweisen.

Wie das Landgericht zutreffend erkannt habe, stelle bereits der Abdruck des Fotos als solcher eine Irreführung dar. Das Foto suggeriere eine inhaltliche Prü­fung der Anzeige durch den Rechtsanwalt und wecke auf diese Weise unge­rechtfertigtes Vertrauen. Der weite Begriff „Ablauf“ erzeuge den Eindruck, der Rechtsanwalt sei umfassend mit allen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Verkauf betraut. Hierzu gehöre als wesentlicher Bestandteil die den Verkauf ankündigende Werbung. Eine Garantie für den Inhalt der Werbung erwarte das Publikum nicht. Dies sei auch nicht nötig, um auf Basis eines Irrtums erhöhtes Vertrauen zu begründen.

Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der gewechsel­ten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

1.
Die Unterlassungsklage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die verallgemeinernde Umschreibung der Verletzungshand­lung (“ … beim Verkauf von Orientteppichen … „, ({ … Abbildung eines den Verkauf begleitenden Rechtsanwalts … {{) wird durch eindeutige und ausschließliche Be­zugnahme auf die streitgegenständliche Werbung („wenn dies geschieht wie“) ausreichend konkretisiert. Gegenstand des Unterlassungsantrags ist damit al­lein die konkrete Werbeanzeige (vgl. BGH GRUR 2011, 442 – Leistungspakete im Preisvergleich – Rn. 17; OLG München, WRP 2012, 1456: „Unsere Experten sind für Sie da“).

Lediglich zur Vermeidung von Missverständnissen hat der Senat die abstrakte Formulierung im Urteilstenor dahin ergänzt, dass die werbende Abbildung nebst Begleittext zu unterlassen ist, wenn der abgebildete Anwalt vom Inhalt der Werbeanzeige keine Kenntnis hat. Klargestellt ist damit, dass es der Kläge­rin nicht um das bloße Wissen des Anwalts von der Existenz einer Werbeanzei­ge geht (das hier vorlag), sondern um eine inhaltliche Abstimmung wesentli­cher Werbeaussagen mit dem Anwalt.

2.
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 1, 3 UWG. Als Mitbewerberin kann sie Unterlassung der Abbildung des Streithelfers nebst Begleittext von der Beklagten fordern. Die Abbildung er­weist sich im Kontext der beanstandeten Werbung als irreführende geschäftli­che Handlung i.S. der §§ 5 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

a)
Die Werbung der Beklagten enthält unwahre Angaben über den Ablauf der be­worbenen Verkaufsaktion, § 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 UWG.

Zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise, denen auch die Mitglieder des Senats angehören, versteht die deutlich hervor­gehobene Abbildung eines Rechtsanwalts im Kopf der Werbung und die eher vage Bildbeschreibung („begleitet den rechtlichen Ablauf des großen Insolvenz­verkaufs“) als Hinweis auf eine Art anwaltlicher „Schirmherrschaft“ über den gesamten Verlauf der schon in der Überschrift markant als Insolvenzverkauf“ beworbenen Verkaufsaktion. Für den durchschnittlichen und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher stehen dabei Anbahnung und Abwicklung des Ge­schäfts zwischen ihm selbst und der Verkäuferin im Vordergrund. In diesem Rahmen erwartet er von der anwaltlichen „Begleitung“ im eigenen Interesse eine erhöhte Gewähr für die Einhaltung von Gesetz und Recht. Er setzt nicht nur voraus, dass der Anwalt die für Wertermittlung und Preisbildung wesentli­chen Abläufe des Teppichverkaufs in den Grundzügen kennt, sondern rechnet auch mit einer mindestens summarischen Prüfung der begleitenden Werbe­publikation durch den Rechtsanwalt. Auf diese Weise vermittelt die – vermeintlich anwaltlich kontrollierte – Werbung den Eindruck erhöhter Seriosität und Glaubwürdigkeit.

Dieser Eindruck ist vorliegend falsch. Wie vom Landgericht bindend und unbe­anstandet festgestellt, hat der Streithelfer wesentliche Inhalte der Werbean­zeige vor der Publikation nicht zur Kenntnis genommen. Vielmehr hat sich seine Rolle darauf beschränkt, die Beklagte beim Abschluss des Verwertungsvertra­ges mit dem Insolvenzverwalter umfassend rechtlich zu beraten und sie bei et­waigen Problemen in der Abwicklung von Kaufverträgen gegenüber den End­käufern zu vertreten (vgl. SS des Streithelfers vom 27.07.2012, 11 63). Er ist da­mit ausschließlich im Interesse der Beklagten und nur in Phasen der Gesamt­abwicklung tätig geworden, die mit dem für den Verbraucher wesentlichen Teil des beworbenen Geschäfts nichts zu tun haben.

b)
Die Irreführung ist wettbewerbsrechtlich relevant. Denn sie ist geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er an­sonsten nicht getroffen hätte (vgl. Art. 6 Abs. 1 UGP-Richtlinie). Einer „anwalt­lich geprüften“ Teppichwerbung wird der potentielle Kunde größeres Vertrau­en schenken als einer Werbung ohne diesen Qualitätsausweis. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Werbeanzeige sonstige irreführende Elemente enthält. Allerdings erleidet der Verbraucher keinen Schaden, wenn die (vermeintlich geprüften) Angaben über Qualität und Wert der angepriesenen Teppiche tat­sächlich zutreffen. Die Werbung benachteiligt jedoch auch in diesem Fall den Mitbewerber, weil sie die Nachfrage durch Täuschung zu seinen Lasten um­lenkt. Das genügt für einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG. Das Irreführungs­verbot schützt nicht nur den Verbraucher, sondern auch den Mitbewerber (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. 2012, Rn. 2.190, 2.171 zu § 5 UWG).

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 74 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) besteht kein Anlass.

I