OLG Koblenz: Zur Frage der verbotenen Blickfangwerbung im Internet

veröffentlicht am 25. Juni 2009

OLG Koblenz, Urteil vom 18.03.2009, Az. 4 U 1173/08
§§ 3, 5, 8 Abs. 1, 12 Abs. 1 S. 2 UWG

Das OLG Koblenz hat entschieden, dass ein Provider von E-Mail-Diensten bei Kunden nicht mit verdeckt kostenpflichtigen Zusatzdiensten werben darf. Im vorliegenden Fall konnte der Werbeadressat nach Einloggen in seinen E-Mail-Account durch das Betätigen eines vom Provider vorgehaltenen Textfeldes mit der Bezeichnung „Dankeschön auspacken“ eine Club-Mitgliedschaft bei dem Provider bestätigen, wobei sich die dreimonatige kostenlose Mitgliedschaft automatisch um 12 Monate zum Preis von 5,00 Euro pro Monat verlängerte, wenn der Verbraucher nicht innerhalb der ersten drei Monate den Vertrag kündigte. Jeder Kunde des Providers wurde über diese Werbefläche zu seinem E-Mail-Account zwangsgeführt, wobei der Kunde hierzu eine eher kleine Taste unterhalb der großflächigen Werbeanzeigen („Weiter zu Freemail“) anklicken musste (s. Abb. unten). Der Bundesverband Verbraucherzentrale hatte die Beklagte erfolglos abgemahnt. Die gesamte Gestaltung der Werbung erwecke den Eindruck einer Geschenkaktion, obwohl letztlich eine kostenpflichtige Clubmitgliedschaft angeboten werde. Zudem verstoße die Nennung nur des Monatspreises für die Clubmitgliedschaft gegen die Preisangabenverordnung, da der Endpreis, der für die Leistung insgesamt zu zahlen sei, nicht genannt werde. Das Oberlandesgericht bestätigte die Verurteilung des Providers auf Unterlassung und Zahlung.

Die streitgegenständlichen Werbemitteilungen des Providers sahen wie folgt aus:

Anlage 1:

Web.de 1


Anlage 2:

Web.de 2

Zutreffend, so der Koblenzer Senat, habe das Landgericht die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Blickfangwerbung angewendet.  Von Blickfangwerbung werde gesprochen, wenn im Rahmen einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu sonstigen Angaben besonders herausgestellt seien, wodurch die Aufmerksamkeit des Publikums erweckt werden solle (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 5 Rn. 2.93).

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei somit nicht erforderlich, dass verschiedene Produkte beworben würden. Es genüge vielmehr, dass im Rahmen einer Werbeanzeige einzelne Aussagen besonders hervorgehoben würden. Dies ergebe sich bereits aus der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGHZ 139, 368 = WRP 1999, 90, in der die Werbung für ein einzelnes Handy unter dem Gesichtspunkt der Blickfangwerbung beurteilt worden war. Entscheidend sei, dass einzelne Angaben blickfangmäßig herausgestellt wurden. Dies sei hier der Fall.

Auch insoweit habe das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der angebliche Geschenkcharakter blickfangmäßig herausgehoben worden sei, indem im oberen Teil der Webseite übereinander gestapelte Geschenkpäckchen und ein festtagsmäßig mit einem Hut geschmückter Hund dargestellt wurden und in großen Buchstaben in Fettdruck die Absicht der Beklagten, den angesprochenen Verbrauchern „Dankeschön“ zu sagen, mehrfach hervorgehoben worden war.

Zu Recht habe das Landgericht die blickfangmäßig herausgestellte Darstellung des Geschenkcharakters als irreführend gewertet. Dem Kunden werde keine Vergünstigung gewährt, vielmehr werde ihm eine Art Probeabonnement angedient, an das sich, falls nicht rechtzeitig die Kündigung erfolge, nahtlos ein kostenpflichtiges Abonnement der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Leistungen anschließe.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfe eine blickfangmäßig herausgestellte Angabe für sich genommen nicht unrichtig oder auch nur für den Verkehr missverständlich sein. Eine irrtumsausschließende Aufklärung könne in solchen Fällen durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen, wenn dieser am Blickfang teilhabe und dadurch eine Zuordnung zu den herausgestellten Angaben gewahrt bleibe (vgl. BGHZ 139, 368, 376 – Handy für 0,00 DM; BGH, Urteil vom 17.02.2000 – I ZR 254/97, GRUR 2000, 911, 912 – Computerwerbung I; BGH, Urteil vom 24.10.2002 – I ZR 50/00 – Computerwerbung II, NJW 2003, 894). Das sei hier nicht der Fall.

Wie deutlich Stern und aufklärender Hinweis gestaltet sein müssten, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab (Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage 2008, § 5 Rn. 2.98). Im vorliegenden Fall sei der Sternchenhinweis nicht hinreichend deutlich gewesen. Dies resultiere bereits daraus, dass der Hinweis an einem Wort festgemacht sei, das selbst nicht hinreichend am Blickfang teilnehme. Blickfangmäßig herausgestellt sei die Überschrift „Dankeschön! Vielen Dank für Ihre Treue!“ Darauf folgten in um ein vielfaches kleinerer Schrift kurz die Angabe der Gründe, warum ein Dankeschön für die Treue gewährt werden solle, danach der Satz „Genießen Sie drei Monate lang alle Premium-Funktionen rund um W… Freemail kostenlos*!„. Darunter aufgeführt heiße es abermals in großen Buchstaben „Unser Dankeschön exklusiv für Sie!„, daneben fänden sich sowohl durch ein auffälliges Aufzählungszeichen als auch Fettdruck blickfangmäßig herausgestellt vier Vorteile, die dem Kunden gewährt werden sollten. Darunter befinde sich ein ebenfalls farblich und durch ein Logo deutlich betonter Button mit der in Fettdruck gehaltenen Aufschrift „Dankeschön auspacken„.

Diese Anordnung der Schriftzeichen berge auch für den situationsangemessen aufmerksamen Kunden, der auch nach der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung als Maßstab heranzuziehen sei, die Gefahr, lediglich die Titelleiste, die abgesetzte und hervorgehobene Aufzählung der Vorteile und den Dankeschön-Button zu registrieren, während die in kleiner Schrift gehaltene Aussage zu den Premium- Funktionen nebst dem in sie integrierten Sternchenhinweis leicht überlesen werden könne. Dass der Hinweis „kostenlos*“ in Fettdruck gehalten sei, reiche im Hinblick auf die geringe Größe der Schrift dieses Wortes und die allein aufgrund ihres Umfangs den Blick auf sich ziehende Aufzählung darunter nicht aus, ein Überlesen zu verhindern.

Darauf, ob die Einteilung des Bildschirms auch noch so gehalten gewesen sei, dass der Kunde scrollen müsse, um den Sternchenhinweis zu finden, d.h. dieser nur bei sorgfältigerer Untersuchung der Seite auffindbar gewesen sei, komme es daher nicht mehr an.

Anderes ist auch nicht der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 139, 368 = MMR 1999,156) zu entnehmen. Hier hat der Bundesgerichtshof vielmehr festgestellt, dass das in der Werbung herausgestellte Angebot für den Erwerb eines Mobiltelefons, das bei gleichzeitigem Abschluss eines Netzkartenvertrags nichts oder fast nichts kosten solle, irreführend sei und gegen die Preisangabenverordnung verstoße, wenn die für den Verbraucher mit Abschluss des Netzkartenvertrags verbundenen Kosten nicht deutlich kenntlich gemacht werden, d.h. nicht räumlich eindeutig dem blickfangmäßig herausgestellten Preis für das Mobiltelefon zugeordnet sowie gut lesbar und grundsätzlich vollständig sind. An einer solchen räumlich eindeutigen Zuordnung sowie der guten Lesbarkeit fehlt es im vorliegenden Fall.

Der Provider könne sich nicht darauf berufen, dass zu der beanstandeten Seite weitere Internetseiten gehörten. Der Dankeschön-Button habe betätigt und das Probeabonnement abgeschlossen werden können, ohne dass der Kunde über die Seite mit den Nutzungsbedingungen und dem Widerrufsrecht geleitet worden sei. Es reiche, die Kenntnisnahme durch Anhaken einer auf der beanstandeten Seite befindlichen Checkbox zu bestätigen. Dem Senat sei aus eigener Anschauung bekannt, dass Nutzungsbedingungen und das Widerrufsrecht häufig auch von aufmerksamen Internetnutzern nicht zu Kenntnis genommen würden. Diese Seiten seien bereits insoweit nicht geeignet gewesen, die Irreführung durch die beanstandete Webung zu beseitigen.

Recht wurde dem Provider jedoch insoweit gegeben, als er sich gegen die Verurteilung zur Unterlassung der Darstellung des Preises für eine Club-Mitgliedschaft in folgender Form wende: „Sofern Sie Ihre Club-Mitgliedschaft nicht innerhalb von drei Monaten beenden, verlängert sich Ihr Vertrag um weitere 12 Monate zum Preis von nur 5,- Euro/Monat„. Der Bundesverband Verbraucherzentrale habe insoweit beanstandet, dass die Beklagte nicht den Jahresbeitrag genannt habe.  Anders als das Landgericht sah der Senat in der Nennung eines monatlichen Preises jedoch keinen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung. Für den Bereich der Telekommunikationsdienste sei es auch bei so genannten Flatrates, bei denen anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall – BGH, Urteil vom 08.10.1998, Az. I ZR 7/97 – keine gesonderten Nutzungskosten angefallen seien, üblich, die Kosten pro Monat anzugeben. Die Angabe jährlicher Preise beziehungsweise der über die (Mindest-)Vertragslaufzeit hinweg anfallenden Preise würde die Vergleichbarkeit der Leistungen für den Kunden somit nicht erleichtern, sondern erschweren.

Der Streitwert wurde entsprechend den Angaben der Klägerin und der landgerichtlichen Festsetzung auf 15.200,00 EUR festgesetzt und zwar 15.000,00 EUR für den Unterlassungsantrag und 200,00 EUR für die Abmahnkosten.

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