OLG Köln, Urteil vom 14.10.2011, Az. 6 U 225/10
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, § 4 Nr. 11 UWG, § 5 UWG, § 5a UWG, § 43a Abs. 3 BRAO, § 263 StGB
Das OLG Köln hat in diesem Fall aus der Rubrik „Wenn Rechtsanwälte sich verklagen“ entschieden, dass der falsche anwaltliche Vortrag einer Rechtsanwaltskanzlei in einem Antwortschreiben auf eine Abmahnung jedenfalls keinen Wettbewerbsverstoß darstellt, da dieses Verhalten keine „geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG“ darstelle. Grund für die Abmahnung der einen Rechtsanwaltskanzlei war, dass die andere Kanzlei, ebenso wie die abmahnende Rechtsanwaltskanzlei mit Textbausteinen arbeitete und dabei den tatsächlichen Vortrag des Mandanten falsch wiedergab. Gegen die Entscheidung ist Revision eingelegt worden (Az. des laufenden Revisionsverfahrens: BGH, Az. I ZR 190/11). Zum Text der Entscheidung:
Oberlandesgericht Köln
Urteil
…
Gründe
I.
Die Parteien betreiben jeweils Rechtsanwaltskanzleien und bearbeiten in großem Umfang Mandate wegen Urheberrechtsverletzungen in sog. Internettauschbörsen, die Klägerin zumindest überwiegend auf Seiten der Rechteinhaber, die Beklagte auf Seiten der als Rechteverletzer in Anspruch genommenen Personen. Der übliche Ablauf einer Mandatsbearbeitung durch die Beklagte gestaltet sich wie folgt: Die Mandanten nehmen über eine Hotline Kontakt mit der Beklagten auf. Über den Inhalt des Gesprächs wird ein schriftlicher Vermerk mit Kontaktdaten und Details für die weitere Bearbeitung aufgenommen. Auf die Meldung als Mandanten erhalten diese von der Beklagten eine standardisierte E-Mail, wegen deren Einzelheiten beispielhaft auf Anlage Ux 4 Bezug genommen wird. Dieser beigefügt sind eine Vollmacht, ein Informationsdokument sowie ein Mandantenfragebogen. Der Mandantenfragebogen enthält Fragen, ob eine oder mehrere Personen abgemahnt worden seien, ob die Adresse auf der Abmahnung mit der des Anschlussinhabers übereinstimmt, wer noch im Haushalt wohnt, ggf. welches Alter Kinder haben, wer Zugang zum Computer hat, wie viele Computer im Haushalt sind, ob eine polizeiliche Vernehmung stattgefunden hat und ggf. ob in dieser ein Täter benannt worden ist, ob ein W-Lan-Anschluss mit Verschlüsselung vorhanden ist und ob der Fall Besonderheiten aufweist.
In insgesamt 300 Verfahren vertrat die Beklagte Mandanten, die von der Klägerin eine Abmahnung erhalten hatten. In allen diesen Fällen antwortete die Beklagte auf die Abmahnungen, die Abgemahnten hätten die Rechtsverletzung nicht begangen und zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich gemacht.
Die Klägerin beauftragte insgesamt sechs Personen, die im Zeitraum vom 15.01.2010 bis Mai 2010 gegenüber der Beklagten angaben, Abmahnungen von der Klägerin erhalten zu haben. Außerdem gaben sie entweder in dem Fragebogen unter der Rubrik „Besonderheiten“ oder in einer begleitenden E- Mail wahrheitswidrig – wie die Klägerin in zweiter Instanz klargestellt hat – an, die in der Abmahnung genannte Datei heruntergeladen zu haben. Ferner gaben alle Testmandanten an, dass sie über ein verschlüsseltes W-Lan verfügen. Die Beklagte versandte (auch in diesen Fällen) Antwortschreiben, in denen eine Rechteverletzung durch die Mandanten bestritten wurde.
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.05.2010 ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte wies die Abmahnung zurück.
Die Klägerin meint, die in allen 300 Verfahren mit ihrer anwaltlichen Beteiligung von der Beklagten erhobenen gleich lautenden Einwände würden gegen jede Lebenserfahrung sprechen und seien als bewusst unwahrer Vortrag zu werten. Dies werde durch die Bearbeitung der Testmandate belegt. Der Beklagten sei ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 43a Abs. 3 Satz 2 BRAO vorzuwerfen, der eine Marktverhaltensregel sei. Zudem liege eine Irreführung des Verbrauchers gemäß §§ 3, 5 Abs. 1, 5a Abs. 1 UWG vor. Es handele sich um eine systematische Schlechtleistung der Beklagten. Der Mandant rechne ohne entsprechende Aufklärung nicht mit einer wahrheitswidrigen Rechtsverteidigung.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im Rahmen der Vertretung eines Mandanten gegenüber einem Inhaber von ausschließlichen Rechten an einem Filmwerk oder an Laufbildern oder gegenüber dessen Vertretern selbst oder durch einen Dritten zu behaupten, der Mandant habe das Filmwerk oder die Laufbilder nicht öffentlich zugänglich gemacht oder der Mandant habe die Tat nicht begangen, insbesondere, wenn dies wie nachfolgend eingezogen geschieht:
„In obiger Sache forderten Sie unsere Mandantschaft zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Ihrer Meinung nach soll unsere Mandantschaft geschützte Werke Ihrer Mandantin öffentlich zugänglich gemacht haben. In diesem Zusammenhang teilen wir Ihnen mit, dass unsere Mandantschaft zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich zugänglich gemacht hat.
Allenfalls in Betracht kommt noch, dass ein Nachbar die gesicherte W-LAN Verbindung unserer Mandantschaft umgangen hat und so die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Unsere Mandantschaft hat jedenfalls alles Erforderliche getan, um ihren Anschluss entsprechend abzusichern. Insofern haftet sie hier auch nicht als (Mit-) Störer.
Zum Ersatz des entstandenen Schadens ist unsere Mandantschaft, die die Tat nicht begangen hat, ohnehin nicht verpflichtet…“
wenn ihr eine an den Mandanten adressierte Abmahnung des Inhabers oder seiner Vertreter vorliegt, in der dem Mandanten vorgeworfen wird, ein konkretes Filmwerk oder konkrete Laufbilder unerlaubt verwertet, insbesondere öffentlich zugänglich gemacht zu haben, und in der behauptet wird, dass im Netzwerk eDonkey2000 zu einem bestimmten Datum, zu einer bestimmten Uhrzeit, von einer bestimmten IP-Adresse das Filmwerk oder die Laufbilder in Form einer Datei zum Herunterladen zur Verfügung gestanden hätten, unter jeweiliger konkreten Angabe des Datums, der Uhrzeit, der IP-Adresse, des Titels des Filmwerks oder der Laufbilder sowie des Namens des Rechteinhabers, und in der weiter behauptet wird, dass die IP-Adresse nach einem zivilrechtlichen Auskunftsverfahren gemäß § 101 UrhG dem Anschluss des Mandanten hätte zugeordnet werden können, wenn der Mandant ihr gegenüber vor Abgabe der Behauptung erklärt hat, dass er das konkrete Filmwerk oder die konkreten Laufbilder heruntergeladen habe, oder ihr gegenüber dazu, wer die vorgeworfenen Rechtsverletzungen begangen hat, keine Angaben gemacht hat, und in dem einen, wie in dem anderen Fall ihr gegenüber weiter erklärt hat, dass er über einen verschlüsselten W-Lan-Anschluss verfüge und dass die Adresse, an welche die Abmahnung adressiert war, mit seiner Adresse übereinstimme und er der Anschlussinhaber sei.
Außerdem hat das Landgericht antragsgemäß die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz des Schadens, der der Klägerin aus Handlungen der Beklagten gemäß dem Unterlassungsausspruch entstanden ist, festgestellt und die Beklagte zur Auskunft über die Anzahl derjenigen Fälle, in denen sie eine derartige Handlung seit dem 18.01.2010 vorgenommen hat, und zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.598 EUR verurteilt.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie bearbeite massenhaft Mandate aus dem Bereich des sog. Filesharing. Dies könne nur durch einen standardisierten Arbeitsablauf mit einheitlichen Schreiben, die um fallspezifische Details ergänzt würden, bewältigt werden. Dabei könnten in einzelnen Fällen, wie bei den von der Klägerin veranlassten Testmandaten, Mandanteninformationen versehentlich unberücksichtigt bleiben. § 43a BRAO sei keine Marktverhaltensregel, sondern diene nur dem Schutz der Rechtspflege. Eine Irreführung der Verbraucher könne nicht angenommen werden, insbesondere liege keine systematische Schlechterfüllung vor.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und stützt den Hauptantrag nunmehr auch auf § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 263 StGB. Hilfsweise beantragt sie (unter leichter Modifikation des bereits erstinstanzlich gestellten Hilfsantrags),
1. der Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den Gesellschaftern der Beklagten zu vollziehen ist, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß § 890 ZPO, zu verbieten, die rechtliche Vertretung von Personen, die wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung in Internettauschbörsen abgemahnt wurden, anzubieten und/oder zu erbringen, ohne die jeweilige Person vor Abschluss des Mandatsvertrages darauf hinzuweisen, dass sie in Fällen, in denen die jeweilige Person von einem Inhaber von ausschließlichen Rechten an einem Filmwerk oder an Laufbildern oder von dessen Vertretern eine Abmahnung erhalten hat, in der dieser vorgeworfen wird, sie hätte ein konkretes Filmwerk oder konkrete Laufbilder unerlaubt verwertet, insbesondere öffentlich zugänglich gemacht, und in der behauptet wird, dass im Netzwerk eDonkey2000 zu einem bestimmten Datum, zu einer bestimmten Uhrzeit, von einer bestimmten IP-Adresse das Filmwerk oder die Laufbilder in Form einer Datei zum Herunterladen zur Verfügung gestanden hätten, unter jeweiliger konkreter Angabe des Datums, der Uhrzeit, der IP-Adresse, des Titels des Filmwerks oder der Laufbilder sowie des Namens des Rechteinhabers, und in der weiter behauptet wird, dass die IP-Adresse nach einem zivilrechtlichen Auskunftsverfahren gemäß § 101 UrhG dem Anschluss der Person hätte zugeordnet werden können, gegenüber dem Inhaber der ausschließlichen Rechte an diesem Filmwerk oder an diesen Laufbildern oder gegenüber dessen Vertreter selbst oder durch einen Dritten behaupten wird, die jeweilige Person habe das Filmwerk oder die Laufbilder nicht öffentlich zugänglich gemacht oder sie hätte die Tat nicht begangen, vor allem in der nachfolgenden Form
„In obiger Sache forderten Sie unsere Mandantschaft zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Ihrer Meinung nach soll unsere Mandantschaft geschützte Werke Ihrer Mandantin öffentlich zugänglich gemacht haben. In diesem Zusammenhang teilen wir Ihnen mit, dass unsere Mandantschaft zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich zugänglich gemacht hat.
Allenfalls in Betracht kommt noch, dass ein Nachbar die gesicherte W-LAN Verbindung unserer Mandantschaft umgangen hat und so die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Unsere Mandantschaft hat jedenfalls alles Erforderliche getan, um ihren Anschluss entsprechend abzusichern. Insofern haftet sie hier auch nicht als (Mit-) Störer.
Zum Ersatz des entstandenen Schadens ist unsere Mandantschaft, die die Tat nicht begangen hat, ohnehin nicht verpflichtet. Darüber hinaus können, selbst wenn …“
auch wenn die jeweilige Person ihr gegenüber vor Abgabe der Behauptung erklären wird, dass sie das konkrete Filmwerk oder die konkreten Laufbilder heruntergeladen habe, oder ihr gegenüber dazu, wer die vorgeworfenen Rechtsverletzungen begangen hat, keine Angaben machen wird, und in dem einen, wie in dem anderen Fall ihr gegenüber weiter erklären wird, dass sie über einen verschlüsselten W-Lan-Anschluss verfüge und dass die Adresse, an welche die Abmahnung adressiert war, mit seiner Adresse übereinstimme und sie der Anschlussinhaber sei, sofern sie diese Behauptungen in diesen Fällen nicht tatsächlich unterlässt.
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über die Anzahl derjenigen Fälle, in denen sie eine Handlung seit dem 18.01.2010 gemäß vorstehender Ziffer 1 vorgenommen hat,
3. festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin all die Schäden ersetzen zu müssen, die dieser aus Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 entstanden sind oder noch entstehen werden,
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.589,00 EUR an Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Auch insoweit begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
1. Zum Hauptantrag:
Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 43a Abs. 3 BRAO oder § 263 StGB zu.
a)
Das Landgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die Parteien Wettbewerber sind, § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, was von der Berufung auch nicht mehr angegriffen wird.
b)
Die Angaben in den Antwortschreiben sind keine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
aa)
Der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG in der ab dem 30.12.2008 geltenden Fassung hat die zuvor erforderliche „Wettbewerbshandlung“ ersetzt. Denn durch diesen Begriff, der eine final auf die Absatzförderung gerichtete Handlung erforderte, blieb der Anwendungsbereich des UWG hinter der Richtlinie 2005/29/EG zurück, die auch solche Handlungen erfasst, die (lediglich) objektiv in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes stehen, nicht aber von einer für die Wettbewerbshandlung erforderlichen sog. Wettbewerbsabsicht getragen sind. Außerdem regelt die Richtlinie auch solches Verhalten, das mit dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an einen Verbraucher unmittelbar zusammenhängt; auch insofern geht die Richtlinie über den Begriff der Wettbewerbshandlung hinaus, als aus dem Merkmal „Absatzförderung“ geschlossen worden war, ein Verhalten nach Vertragsabschluss falle grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes (vgl. BT-Drucks. 16/10415, S. 21, wonach der Fall, dass der Unternehmer es „von vornherein“ auf Kundentäuschung abgesehen hat, eine – und zwar die einzige – Ausnahme von diesem Grundsatz sein soll). Der Gesetzgeber, der die Richtlinie 2005/29/EG trotz ihrer primär verbraucherschützenden Zwecksetzung (vgl. Art. 1 der Richtlinie) durch Integration in das UWG umsetzen wollte, sah sich deshalb veranlasst, den Begriff „Wettbewerbshandlung“ insgesamt aufzugeben und einheitlich, d.h. auch außerhalb des unmittelbar nur das Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher regelnden Anwendungsbereichs der Richtlinie, durch den Begriff der „geschäftlichen Handlung“ zu ersetzen. Damit ist aber nicht das Erfordernis eines „Marktbezugs“ der in Rede stehenden Handlung entfallen, das sich aus dem Tatbestandsmerkmal „unmittelbarer Zusammenhang“ ergibt. Dieser Marktbezug liegt dann vor, wenn die fragliche Handlung das wirtschaftliche Verhalten anderer Marktteilnehmer, namentlich – soweit die Richtlinie einschlägig ist – von Verbrauchern, beeinflusst oder hierzu objektiv geeignet ist (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 Rdn. 2.5; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 2 Rdn. 48; ders. WRP 2009, 898, 899). Diese Auslegung wird zum einen durch die Gesetzesbegründung gestützt, nach der eine Image-Werbung (nur) dann eine geschäftliche Handlung sein kann, sofern sie objektiv geeignet ist, eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen (BT-Drucks. aaO.). Entsprechendes gilt im Verhältnis zwischen zwei Unternehmen (wie etwa in Fällen des § 4 Nr. 10 UWG): auch dort ist es für die Annahme des „objektiven Zusammenhangs“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erforderlich (und hinreichend), dass „der Absatz … oder der Bezug von Waren … durch derartige Verhaltensweisen – gegebenenfalls mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung – zugunsten des unlauter handelnden Unternehmens beeinflusst“ wird (BT-Drucks., ebd.). Zudem ist diese Auslegung den Vorgaben der Richtlinie geschuldet, denen die Auslegung des nationalen Rechts folgen muss (vgl. Köhler, WRP 2007, 1393, 1394 f.). Die Richtlinie bezieht sich aber (nur) auf solche Geschäftspraktiken, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beeinflussung geschäftlicher Entscheidungen des Verbrauchers in Bezug auf Produkte stehen (vgl. Erwägungsgrund 7 der Richtlinie). Das so verstandene Erfordernis eines „unmittelbaren Zusammenhangs“ besteht auch, wenn nachvertragliches Handeln zu beurteilen ist, namentlich Handlungen des Unternehmers zur Erfüllung seines mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags (Harte- Bavendamm/Henning-Bodewig/Keller, UWG, § 2 Rdn. 32; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 2 Rdn. 81; ders. WRP 2009, 898, 902; Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 Rdn. 2.7). Dabei geht es entgegen dem Verständnis der Klägerin Seite 11 des Schriftsatzes vom 30.9.2011, Bl. 437) nicht darum, dass stets auch ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Absatzförderung bestehen müsste oder gar eine auf die Absatzförderung gerichtete Handlung erforderlich wäre. Voraussetzung ist aber auch bei Handlungen nach Vertragsschluss, dass diese auf geschäftliche Entscheidungen eines anderen Marktteilnehmers einwirken oder einzuwirken geeignet sind. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Richtlinie insofern differenzieren würde. Vielmehr betrifft Erwägungsgrund 7 der Richtlinie den gesamten zeitlichen Rahmen des Bezugs von Produkten. Es ist daher für die Annahme einer geschäftlichen Handlung nicht hinreichend, dass der angegriffene Wettbewerber sich selbst die Arbeit (zu) einfach macht.
Die gegen diese Auffassung vorgebrachte und von der Klägerin geteilte Kritik (Sosnitza, WRP 2008, 1014, 1017; ders. in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 2 Rdn. 22) überzeugt nicht (so auch Köhler, WRP 2009, 898, 899 f.). Zwar ist dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie nach die Eignung zur Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens der Verbraucher erst Voraussetzung für die Unlauterkeit. Zu prüfen ist aber insoweit aufgrund der Definition der „wesentlichen Beeinflussung“ in Art. 2 lit. e der Richtlinie, ob die Geschäftspraxis zu einer spürbaren Beeinträchtigung führt bzw. führen kann. Die Prüfung nach der Richtlinie entspricht daher der Systematik der § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und § 3 Abs. 1 und 2 UWG: der Anwendungsbereich der Regelungen ist nur eröffnet, wenn ein Verhalten zur Beeinflussung der Verbraucherentscheidung geeignet ist – die Unlauterkeit setzt voraus, dass diese Beeinflussung den Verbraucher spürbar beeinträchtigt. Dem entspricht es, dass der deutsche Gesetzgeber Art. 5 einschließlich des Absatz 2 lit. b durch § 3 Abs. 1 und 2 UWG umgesetzt hat (vgl. BT-Drucks. 10/10145, S. 22), während er die objektive Eignung zur Beeinflussung von geschäftlichen Entscheidungen – wie dargelegt – als Voraussetzung einer geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgesehen hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie (nämlich gemäß Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie) nicht anders ausgelegt werden. Zwar wäre der deutsche Gesetzgeber insoweit befugt, eine abweichende Regelung zu treffen. Hiervon hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht; vielmehr soll die Definition der geschäftlichen Handlung einheitlich gelten. Dies ist für das Verhältnis von Unternehmen zu Unternehmen in der Gesetzesbegründung ausdrücklich ausgesprochen (BT-Drucks. 16/10145, S. 21). Für die Bereiche des Verhaltens von Unternehmen gegenüber Verbrauchern, die von der Richtlinie nicht erfasst sind, kann nichts anderes gelten. Zudem stünde eine solche uneinheitliche Auslegung mit den europarechtlichen Anforderungen an die Klarheit der Richtlinienumsetzung (vgl. EuGH, NJW 2001, 2244, 2245) in Konflikt.
bb)
Nach diesen Maßstäben kann das mit dem Hauptantrag beanstandete Verhalten nicht als geschäftliche Handlung der Beklagten gewertet werden.
(1)
Das Verhalten der Beklagten ist nicht geeignet, geschäftliche Entscheidungen der Mandanten, für die die Beklagte falsch vorgetragen hat, zu beeinflussen. Der antragsgegenständliche Falschvortrag ist vielmehr lediglich eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages, die als solche grundsätzlich geschäftliche Entscheidungen des Vertragspartners nicht beeinflusst (vgl. Köhler, WRP 2009, 898, 901 f.). Daran ändert sich – entgegen der Auffassung der Klägerin Seite 6 des Schriftsatzes vom 3.6.2011, Bl. 311) auch nichts dadurch, dass die Schlechterfüllung hier zugleich einen Normenverstoß darstellt. Denn das (unterstellte) Vorliegen eines Normenverstoßes entbindet nicht von der Prüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Dieser Grundsatz gilt auch hier. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte durch die angegriffenen Abmahnschreiben ihre eigenen Mandanten beeinflussen würde. Insbesondere ist nichts dafür vorgetragen, dass die Beklagte ihre Mandanten von der Geltendmachung von Ansprüchen wegen dieses Falschvortrags abhalten oder dabei anderweitig beeinflussen würde. Zudem hat die Klägerin ein derartiges Verhalten nicht zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht.
(2)
Die Antwortschreiben der Beklagten sind auch nicht geeignet, geschäftliche Entscheidungen möglicher zukünftiger (eigener) Mandanten zu beeinflussen.
Dies könnte etwa dann angenommen werden, wenn die Beklagte die ihr vorgeworfene Bereitschaft zur anwaltlichen Lüge dazu einsetzen würde, um neue Mandanten zu gewinnen. Das setzte allerdings voraus, dass diese Bereitschaft publik gemacht würde, woran der Beklagten nicht gelegen sein kann. Auch die Klägerin geht davon aus, dass dies nicht der Fall ist, macht sie doch mit dem Hilfsantrag geltend (ohne diesen auf einen anderen Sachverhalt zu stützen), die Beklagte spiegele dem angesprochenen Verkehr vor, ihre anwaltlichen Pflichten gesetzesgemäß und insbesondere unter Beachtung des Verbots des § 43a Abs. 3 BRAO zu erbringen.
(3)
Soweit die Erklärungen der Beklagten in den Antwortschreiben auf die Abmahnungen die Reaktion der Rechteinhaber beeinflussen, ist dies unerheblich. Selbst wenn ein Rechteinhaber hierdurch veranlasst werden sollte, die ihm zustehenden Ansprüche nicht oder nicht vollständig durchzusetzen, so liegt hierin doch keine geschäftliche Entscheidung im oben aufgezeigten Sinn. Denn eine solche muss sich auf ein Produkt, also eine Ware oder Dienstleistung, beziehen und die Rechtsinhaber werden durch die Antwortschreiben der Beklagten nicht in ihrer Entscheidung, anwaltliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, beeinflusst. Zudem dienen die Antwortschreiben der Beklagten vorrangig dem Ziel, die gegen die eigenen Mandanten gerichteten Ansprüche abzuwehren, so dass hierauf in Anbetracht von Erwägungsgrund 7 der Richtlinie nicht die Annahme des Vorliegens einer geschäftlichen Handlung gestützt werden kann.
c)
Darüber hinaus vermag der Senat entgegen der Auffassung der Klägerin weder in § 43a Abs. 3 BRAO noch in § 263 StGB, soweit danach das hier in Rede stehende Verhalten zu beurteilen ist, eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG zu erkennen.
aa)
Marktverhalten im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG ist jede Tätigkeit auf einem Markt, durch die ein Unternehmer auf die Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer einwirkt (OLG Hamburg, GRUR-RR 2010, 57; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, § 4 Rdn. 11.34). Die Norm, deren Verletzung in Rede steht, muss daher jedenfalls auch die Funktion haben, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen. Fällt der Gesetzesverstoß nicht mit dem Marktverhalten zusammen, ist eine zumindest sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion der verletzten Norm erforderlich. Die Vorschrift muss das Marktverhalten außerdem im Interesse der Marktteilnehmer regeln. Dem Interesse der Mitbewerber dient eine Norm dann, wenn sie die Freiheit ihrer wettbewerblichen Entfaltung schützt (BGH, GRUR 2010, 654 Tz. 18 – Zweckbetrieb). Ein Verstoß gegen außerwettbewerbsrechtliche Rechtsnormen ist nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 UWG als unlauter anzusehen. Denn es ist nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts, alle nur denkbaren Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen (auch) lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren, sofern sie zu einem Vorsprung im Wettbewerb führen (BGH, aaO., Tz. 25). Diese Erwägungen gelten – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch für das UWG in der seit dem 30.12.2008 geltenden Fassung (BGH, aaO., Tz. 14 f. und 25).
bb)
Nach diesen Maßstäben kann § 43a Abs. 3 BRAO nicht als Marktverhaltensregelung angesehen werden. Das Verbot unsachlichen Verhaltens gemäß § 43a Abs. 3 BRAO dient dem Schutz der Rechtspflege. Es dient dem Schutz des gegnerischen Mandanten nicht als Marktteilnehmer, sondern bezüglich seines Vertrauens in die Rechtspflege, als deren Organ der Rechtsanwalt tätig wird (§ 1 BRAO). Das Sachlichkeitsgebot soll insoweit auch nicht den gegnerischen Rechtsanwalt vor Erschwernissen bei der Bearbeitung eines Mandats schützen. Entgegen der Auffassung der Klägerin dient das Verbot auch nicht dem Schutz des eigenen Mandanten, sondern gilt unabhängig von dessen Interessen und kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die Interessen des Mandanten mit dem Sachlichkeitsgebot in Konflikt stehen. Einen anderen, weitergehenden Schutzzweck verfolgt auch nicht die Konkretisierung des Sachlichkeitsgebots durch das Verbot, bewusst Unwahrheiten zu verbreiten, § 43a Abs. 3 Satz 2 BRAO.
cc)
Auch § 263 StGB ist, soweit das hier in Rede stehende Verhalten betroffen ist, keine Marktverhaltensregelung. Ob § 263 StGB eine Marktverhaltensregelung darstellt, kann nach Auffassung des Senats nicht generell beantwortet werden. Denn § 263 StGB kann dem Schutz auch vor solchem Verhalten dienen, das keinerlei Bezug zum Marktgeschehen aufweist, etwa wenn ein Unternehmer einen Betrug zu Lasten eines Angestellten begeht. Es ist daher eine Prüfung erforderlich, ob das Verhalten, das nach § 263 StGB unter Strafe gestellt sein soll, einen Marktbezug aufweist. Daran fehlt es hier. Insoweit gelten die Erwägungen zum Vorliegen einer geschäftlichen Handlung (vgl. oben unter b) entsprechend
3.
Zum Hilfsantrag:
Der auf Irreführung, §§ 5, 5a UWG gestützte Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. In Betracht kommt insofern allein ein Irreführen durch Unterlassen. Dies setzt allerdings die Verletzung einer Informationspflicht voraus. Ein generelles Informationsgebot besteht nicht; der Unternehmer ist nicht verpflichtet, alle – auch weniger vorteilhaften oder negativen – Eigenschaften des eigenen Angebots offenzulegen (vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5a Rdn. 10 mit zahlr. Nachweisen). Eine relevante Irreführung kommt nur dann in Betracht, wenn der Unternehmer eine Schlechterfüllung des Vertrages und damit eine Übervorteilung des Kunden von vornherein beabsichtigt (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 Rdn. 2.7).
Danach kann hier eine Irreführung nicht angenommen werden, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte von vornherein nicht bereit wäre, den Anwaltsvertrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Zwar mag davon ausgegangen werden, dass die Beklagte sowohl in Fällen gegenteiliger Kenntnis als auch in solchen Fällen, in denen die Mandanten ihr gegenüber keine Angaben zu der ihnen vorgeworfenen Tat gemacht haben, eine Täterschaft der Mandanten bestreitet. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Beklagte generell zu einem wahrheitsgemäßen Vortrag nicht bereit wäre. Der Fall unterscheidet sich insofern grundlegend von den in der Rechtsprechung behandelten Fällen, in denen sich der Unternehmer – auch auf Reklamationen hin – geweigert hat, die von ihm angebotene Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (so etwa im Fall BGH, GRUR 1987, 180 – Ausschank unter Eichstrich II). Vielmehr spricht alles dafür, dass die Beklagte mit dem (jedenfalls anfänglichen) Bestreiten der Täterschaft in der fehlgeleiteten Erwartung gehandelt hat, den Interessen ihrer Mandanten zu dienen.
Dass die Beklagte ihre Mandate mittels eines weitgehend standardisierten Verfahrens bearbeitet und sich dadurch Arbeitserleichterungen verschafft, hat die Klägerin zu Recht nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Denn dies ist für die Mandanten, die den formularmäßigen Mandantenfragebogen der Beklagten ausgefüllt haben und die Vertretung der Beklagten als sog. „Paket“ bestellen, ohne weiteres erkennbar.
4.
Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz stehen der Klägerin nach alledem ebenfalls nicht zu.
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2.
Die Revision war hinsichtlich des Hauptantrages zuzulassen, weil der Begriff der geschäftlichen Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG bisher höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt ist.
3.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000 EUR (Haupt- und Hilfsantrag jeweils 50.000 EUR, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).