OLG Köln, Beschluss vom 22.01.2010, Az. 6 W 149/09
§ 12 Abs. 2 UWG
Das OLG Köln hat entschieden, dass die Dringlichkeitsfrist für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht erst dann zu laufen beginnt, wenn das Antrag stellende Unternehmen einen Rechtsanwalt beauftragt. Vielmehr sei darauf abzustellen, wann der zuständige Sachbearbeiter den Wettbewerbsverstoß erkannt und diese Kenntnis an die Entscheidungsträger im Unternehmen weitergegeben habe. Werde ein Rechtsanwalt erst nach mehr als drei Wochen beauftragt und stelle dann den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst weitere fast 5 Wochen später, sei eine Dringlichkeit nicht mehr gegeben. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Köln
Beschluss
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 18.09.2009 – 81 O 23/08 – abgeändert:
Die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Diese hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Die zulässige (§§ 91a Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Billigem Ermessen entspricht es, der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, denn ohne die mit der Unterlassungserklärung des Antragsgegners vom 06.03.2009 eingetretene Erledigung wäre die einstweilige Verfügung vom 19.01.2009 – 33 O 9/09 LG Köln – auf seinen Widerspruch aufzuheben gewesen, weil die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG widerlegt ist.
Am Verfügungsgrund fehlt es, wenn ein Antragsteller mit der gerichtlichen Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes längere Zeit zuwartet, obwohl er die den Verstoß begründenden Tatsachen und die Person des Verantwortlichen kennt. Maßgeblich ist in arbeitsteiligen Unternehmen die Kenntnis der für die Ermittlung oder Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zuständigen Mitarbeiter (Senat WRP 1999, 222 = NJW-RR 1999, 694) und Wissensvertreter (§ 166 Abs. 1 BGB analog: OLG Hamburg, GRUR-RR 2006, 374 [376]; Köhler / Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 12 Rn. 3.15; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG, 2. Aufl. 2009, § 12 UWG, Rn. 94), wozu sogar Sachbearbeiter zu rechnen sein können, von denen nach ihrer Funktion erwartet werden darf, dass sie die Wettbewerbsrelevanz des Verhaltens erkennen und ihre Kenntnis an die weitergeben, die im Unternehmen zu Entscheidungen über das Einleiten entsprechender Maßnahmen befugt sind (vgl. OLG Frankfurt / Main, NJW 2000, 1961 f.).
Bei der Antragstellerin, die über keine eigene Rechtsabteilung verfügt, hatte der Mitarbeiter P. eine solche Stellung inne: Unstreitig forderte er den Antragsgegner am 21.11.2008 telefonisch zur Entfernung der streitbefangenen Werbung von seiner Internetseite auf und veranlasste die Sperrung der Seite im System der Antragstellerin; unter dem 02.01.2009 sprach er als deren Vertreter („i.V.“) wegen der in Rede stehenden die Werbung die Kündigung des „Hotelvertrags“ mit dem Antragsgegner aus (Anlage K 1). Auch wenn er bei der Antragstellerin nicht selbst zur Entscheidung über die Einleitung von Gerichtsverfahren befugt gewesen sein mag, sondern der Antrag von einem Rechtsanwalt vorbereitet und intern durch den Geschäftsführer freigegeben wurde, fiel die Verfolgung des in Rede stehenden wettbewerbswidrigen Verhaltens also in seinen Zuständigkeitsbereich. Liegt der Fall aber so, kann sich die Antragstellerin nicht auf Unkenntnis ihrer Entscheidungsträger bis zur Einschaltung von Rechtsanwalt Dr. E. am 15.12.2008 (mehr als drei Wochen nach dem 21.11.2009) berufen, denn sonst hätte sie es in der Hand, ihre „ausgelagerte Rechtsabteilung“ über die von ihrer „Qualitätsabteilung“ festgestellten Verstöße bewusst in Unkenntnis zu lassen und den Lauf der Dringlichkeitsfrist zu manipulieren.
Bei Antragstellung am 16.01.2009 (acht Wochen nach dem 21.11.2008) war die Dringlichkeit nicht mehr gewahrt. Auch wenn in diesem Bereich bestimmte Fristen nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur als Anhaltspunkt dienen können, ist die Dringlichkeitsvermutung – wie im angefochtenen Beschluss erwähnt – in der Regel widerlegt, wenn der Unterlassungsgläubiger ohne zwingende Gründe einen Zeitraum von mehr als einem Monat bis zur Antragstellung verstreichen lässt. Acht Wochen bis zur Anbringung des Eilantrags sind nach diesen Maßstäben selbst unter Berücksichtigung des Jahreswechsels keineswegs mehr als angemessener Zeitraum anzusehen, zumal die Kündigung des „Hotelvertrags“ bereits vom 02.01.2009 datiert und ein stichhaltiger Grund für die Überschreitung der mit der Abmahnung auf den 19.12.2008 gesetzten Frist (Anlage K 2) um volle vier Wochen nicht ersichtlich ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Beschwerdewert: bis 3.000,00 € (Verfahrenskosten erster Instanz)
Vorinstanz:
LG Köln, Az. 81 O 23/09