OLG Köln, Urteil vom 29.06.2012, Az. 6 U 19/12
§ 15 Abs. 2, 4 MarkenG; § 935 ZPO, § 940 ZPO
Das OLG Köln hat entschieden, dass für ein Unternehmen (hier: Werbeagentur) keine Pflicht besteht, den Markt nach kennzeichenverletzenden gleich-/ähnlichnamigen Konkurrenten abzusuchen. Wird ein Verstoß gegen ein Unternehmenskennzeichen festgestellt, komme es für die Dringlichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren darauf an, wann dieser Verstoß tatsächlich zur positiven Kenntnis gelangt ist. Dieser Zeitpunkt müsse glaubhaft gemacht werden. Wann dagegen eine Kenntnis hätte erlangt werden können, spiele keine Rolle. Eine Marktbeobachtungspflicht bestehe nicht und stichprobenartige Recherchen würden nicht zwangsläufig zur Entdeckung der Kennzeichenverletzung führen. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Köln
Urteil
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 22.12.2012 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O 118/11 – wird zurückgewiesen.
Die weiteren Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
Die 1982 gegründete und seitdem für Dienstleistungen einer Werbe-, Marketing- und Eventagentur das Unternehmenskennzeichen „pro concept (marketing)“ verwendende Antragstellerin nimmt die seit 2000 unter anderem als Werbeagentur tätige Antragsgegnerin wegen ihres Unternehmenskennzeichens „ProConcept“ auf Unterlassung in Anspruch. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die beantragte einstweilige Verfügung erlassen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1.
Den Verfügungsgrund der Dringlichkeit gemäß §§ 935, 940 ZPO hat die Antragstellerin – wie es mangels einer dem § 12 Abs. 2 UWG entsprechenden Vorschrift im Kennzeichenrecht erforderlich sein dürfte (vgl. Senat, GRUR 2005, 1070; WRP 2010, 1413; wie hier Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 54 Rn. 20c-e; anders Ströbele / Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 14 Rn. 426; Ingerl / Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., vor §§ 14-19d, Rn. 194 f., jeweils m.w.N.) – glaubhaft gemacht. Ihre in Bezug auf die Verfolgung von Kennzeichenverstößen entscheidungsbefugte, vom Senat persönlich angehörte Geschäftsführerin … hat anschaulich und ohne auf eine Falschaussage hindeutende Auffälligkeiten geschildert, dass ein Mitarbeiter sie auf die Firmierung der Antragsgegnerin aufmerksam gemacht habe, auf die er zufällig bei einer Internetrecherche gestoßen sei, worauf sie den Hinweis überprüft und telefonisch ihre Anwälte informiert habe. Weniger als einen Monat nach der Abmahnung hat die Antragstellerin den Verfügungsantrag angebracht. Dass ihre Entscheidungsträgerin vom Unternehmenskennzeichen der Antragsgegnerin schon früher – etwa im Zusammenhang mit dem Verfahren 84 O 159/10 LG Köln gegen ein anderes Unternehmen mit ähnlicher Firma – Kenntnis erlangt hatte, konnte sie plausibel ausschließen, wobei zu berücksichtigen ist, dass dazu positive Kenntnis erforderlich gewesen wäre, keine Marktbeobachtungspflicht besteht und stichprobenartige Recherchen nicht zwingend zur Entdeckung des seit 2008 unter „proconcept-werbung.de“ abrufbaren Internetauftritts der Antragsgegnerin in einer Suchmaschinen-Trefferliste führen mussten.
2.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, denen der Senat beitritt, hat das Landgericht den Verfügungsanspruch aus § 15 Abs. 2, 4 MarkenG bejaht. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung; insbesondere genügt das Firmenschlagwort „ProConcept“ der bundesweit tätigen Antragstellerin den Mindestanforderungen an die Unterscheidungskraft des Unternehmenskennzeichen einer Werbeagentur und berechtigt sie, die Benutzung eines (fast) identischen Zeichens durch ein innerhalb der gleichen Branche tätige jüngere Unternehmen zu unterbinden, ohne dass es auf weitere ähnlich bezeichnete Unternehmen von zweifelhafter Marktbedeutung oder die in der Abmahnung erwähnten Dienstleistungsmarken und deren Verwechslungsfähigkeit mit dem Unternehmenslogo der Antragsgegnerin ankäme.
3.
Die nach der Berufungsverhandlung abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung vom 18.06.2012, von der die Antragsgegnerin dem Senat mit ihrem am 25.06.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Mitteilung gemacht hat, bleibt für die Entscheidung gemäß §§ 525, 296a ZPO außer Betracht. Soweit damit der im Wege der einstweiligen Verfügung zuerkannte Unterlassungsanspruch wegen Wegfalls der Wiederholungsgefahr seine Erledigung gefunden hat, rechtfertigt dies keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO. Die Möglichkeit der Antragsgegnerin, die sich in der Berufungsverhandlung nach eingehender Erörterung nicht zur sofortigen Abgabe einer Unterwerfungserklärung entschließen konnte, die veränderte Sachlage gemäß § 927 ZPO geltend zu machen, bleibt unberührt, falls nicht die Antragstellerin angesichts der jetzt vorliegenden Erklärung von sich aus auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet.
4.
Die Kostenenscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Vorinstanz:
LG Köln, Az. 81 O 118/11