OLG Köln: Inhaber der Domain „wetter.de“ kann nicht Vertrieb der Smartphone-App unter der Bezeichnung „wetter DE“ untersagen lassen

veröffentlicht am 15. Oktober 2014

OLG Köln, Urteil vom 05.09.2014, Az. 6 U 205/13
§ 4 Nr. 10 UWG, § 5 Abs. 3 MarkenG, § 15 Abs. 2 – 4 MarkenG

Das OLG Köln hat entschieden, dass die Inhaber der Domain „wetter.de“ nicht den Vertrieb der Smartphone-App unter der Bezeichnung „wetter DE“ untersagen lassen können. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Köln

Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.12.2013 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 33 O 83/13 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin macht mit der Klage Unterlassungs- sowie Annexsprüche wegen des Betriebs einer App durch die Beklagte unter der Bezeichnungen „wetter DE“, „wetter-de“ und „wetter-DE“ geltend.

Die Klägerin gehört zur Mediengruppe S. Sie ist innerhalb der Gruppe für die Bereiche Online / Mobil /Teletext / IP TV, Media Services (Telefonmehrwertdienste) und Licensing zuständig und betreibt seit mindestens zehn Jahren eine werbefinanzierte Webseite unter der Domain „www.wetter.de“ sowie seit 2009 die dazugehörige App (Kurzform für „Application“) „wetter.de“. Die App wird über einen in das Betriebssystem des Mobilgerätes – zumeist ein Smartphone – integrierten Onlineshop (zB den App Store von Apple) bezogen und direkt auf dem Endgerät (zB Apple IPhone oder Android Smartphone) installiert. Über die Webseite und die App bietet die Klägerin ortsspezifisch aufbereitete Wetterdaten und weitere Informationen mit Bezug auf das Wetter an.

Die Beklagte ist ein Unternehmen aus Österreich und betreibt unter den Webseiten und gleich lautenden Apps „wetter.at“ und „wetter-deutschland.com“ einen Wetterinformationsdienst. Die Beklagte betreibt seit Ende 2011 eine weitere Wetter-App unter der Bezeichnungen „wetter DE“, „wetter-de“ und „wetter-DE“. Auf der Benutzeroberfläche des Smartphones erscheint die App nach dem Download unter gleichlautenden Icons.

Mit Schreiben vom 16.01.2013 hat die Klägerin die Beklagte wegen des Betriebs der App u.a. unter der Bezeichnung „wetter DE“ abgemahnt und für diese Abmahnung Kostenerstattungsansprüche in Höhe von 1.780,20 EUR geltend gemacht. Die Beklagte hat daraufhin eine negative Feststellungsklage vor dem Landgericht Hamburg unter dem Az. 327 O 104/13 erhoben, die beide Parteien aufgrund der hiesigen Klage inzwischen übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Mit Beschluss vom 08.10.2013 hat das Landgericht Hamburg die Kosten des Rechtsstreits der dortigen Beklagten und hiesigen Klägerin auferlegt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr gegen die Beklagte ein titelrechtlicher Anspruch auf Unterlassung aus §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2, 3, 4 MarkenG zustehe. Ihre App und Domain „wetter.de“ genieße jedenfalls als Werktitel Schutz vor Verwechslungen mit den streitgegenständlichen Apps der Beklagten. Für den Internetnutzer sei das Zeichen „wetter.de“ mit der Klägerin als Betreiberin der Webseite bzw. der App verknüpft. Die Apps der Beklagten seien – wenn nicht sogar identisch – jedenfalls hochgradig ähnlich und damit verwechslungsfähig zu der App der Klägerin. Der Verkehr sei daran gewöhnt, zur Unterscheidung der verschiedenen Online-Präsentationen einzelner Anbieter auf feine Unterschiede zu achten. Dieser sehe in der Bezeichnung „wetter.de“ daher nicht eine bloße Adressbezeichnung oder eine rein beschreibende Angabe. Zweitrangig bestünden Ansprüche aus der geschäftlichen Bezeichnung der Klägerin „wetter.de“. Das Zeichen genieße jedenfalls durch Verkehrsgeltung hinreichende Schutzfähigkeit. Nach einer FORSA-Umfrage (Anlage K 31 im Anlagenheft zur Klage) genieße die Webseite wetter.de eine ungestützte Bekanntheit von 33 % (alle Befragte) und 41 % (Internetnutzer) der befragten Verkehrskreise und eine gestützte Bekanntheit von 56 % (alle Befragte) und 67 % (Internetnutzer) der befragten Verkehrkreise. Die Klägerin investiere jährlich 6 bis 7stellige Summen in Bewerbung der Webseite und der App. Die Bezeichnung wetter.de genieße eine hohe Bekanntheit. Nachrangig hat die Klägerin auch Ansprüche aus einer Benutzungsmarke i.S.d § 4 Nr. 2 MarkenG sowie wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise und Behinderung der Klägerin geltend gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen,

a) es bei Androhung vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „wetter DE“ und/oder „wetter-de“ und/oder „wetter-DE“ zu Bezeichnung einer Anwendungssoftware (App) mit Wetterinformationen kennzeichenmäßig zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.

b) über Art und Umfang der unter Ziffer 1. aufgeführten Verletzungshandlungen Auskunft zu erteilen, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich ergibt:

(1) Dauer der Verletzungshandlungen;

(2) Art und Umfang der auf der mobilen Applikation „wetter DE“ und/oder „wetter-de“ und/oder „wetter-DE“ durchgeführten Werbemaßnahmen;

(3) der im Zusammenhang mit dem Be- u. Vertrieb der mobilen Applikation „wetter DE“ und/oder „wetter-de“ und/oder „wetter-DE“ erzielte Umsatz nebst den für die Berechnung des erzielten Gewinns relevanten Faktoren, insbesondere die Höhe der Werbeeinnahmen sowie die mit dem Be- und Vertrieb der mobilen Applikation „wetter DE“ und/oder „wetter-de“ und/oder wetter-DE“ zusammenhängenden Kosten;

2) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer 1. beschriebene Handlung entstanden ist und/oder entstehen wird;

3) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.780,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat sich das Landgericht der Auffassung des Landgerichts Hamburg im Beschluss vom 08.10.2013 angeschlossen und die auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadenersatzpflicht und Erstattung der Abmahnkosten gerichtete Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie erhält insbesondere ihre Ansicht aufrecht, dass die Bezeichnung „wetter.de“ ausreichend kennzeichnungskräftig und ein Titelschutz jedenfalls im Hinblick darauf zu bejahen sei, dass die für Zeitschriften geltenden erleichterten titelrechtlichen Maßstäbe – zumindest bei Wetterseiten – auch auf Apps anzuwenden seien. Wie bei Domains werde ein Großteil der angesprochenen Verkehrskreise auch bei Apps auf geringe Unterschiede achten und dementsprechend der individuellen Kombination Bedeutung zugemessen. Die Domain bzw. App sei das einzige Unterscheidungsmerkmal, das die vielen, inhaltlich und qualitativ zum Teil erheblich voneinander abweichenden Wetterseiten voneinander unterscheide. Auch habe das Landgericht im Hinblick auf die Bezeichnung „wetter.de“ zu Unrecht die Verkehrsdurchsetzung verneint, in dem es nicht hinreichend sämtliche zur Benutzung und Bekanntheit der App und Internetbezeichnungen angebotenen Beweise ausgewertet habe. Mit Schriftsatz vom 14.08.2014 macht die Klägerin – von der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht nach Maßgabe des Sitzungsprotokolls teilweise bestrittene – ergänzende Ausführungen u.a. zur behaupteten Unterscheidungskraft von „wetter.de“, zu einer Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen sowie zu einer durch die Beklagte beabsichtigten gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen insbesondere zu dem nach ihrer Auffassung mangelnden Werkcharakter einer App, der jedenfalls fehlenden Unterscheidungskraft der Bezeichnung „wetter.de“ und einer nicht hinreichend dargelegten Verkehrsdurchsetzung derselben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), auf die die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 22.08.2014 Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus den §§ 5 Abs. 2 und 3, 15 Abs. 2 und 3, 14 Abs. 2 i.V.m. § 4 Nr. 2 MarkenG, §§ 5 und 4 Nr. 10 UWG, die damit einhergehenden Annexansprüche und – mangels Berechtigung der Abmahnung – auch einen diesbezüglichen Kostenerstattungsanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG rechtsfehlerfrei verneint.

1.
Ansprüche aus §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 2 und 4 MarkenG:

Die geltend gemachten Ansprüche aus Werktitelschutz sind insoweit weder gestützt auf die domain „www.wetter.de“ noch auf die App „wetter.de“ begründet.

a.
Auch der Senat folgt der sorgfältig begründeten Auffassung des Landgerichts Hamburg in dem im Tatbestand bezeichneten Beschluss, nach der die Bezeichnung einer App zwar grundsätzlich dem Werktitelschutz im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG zugänglich, die konkret gewählte Bezeichnung aber nicht kennzeichnungskräftig ist.

Das Landgericht hat die grundsätzliche Schutzfähigkeit als Werktitel mit Parallelen zu einer Software und einer Homepage begründet, Werken also, denen in der Rechtsprechung bereits Titelschutz zuerkannt worden ist. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin sind Apps Anwendungsprogramme für das jeweilige smartphone, so dass die Parallele zu einer Software naheliegt und nach Auffassung des Senats überzeugt.

Ergänzend können die Grundsätze zur Schutzfähigkeit einer Domain herangezogen werden. Nach einer Entscheidung des Senats vom 20.12.2013 (WRP 2014, 194 ff, juris Tz. 34 – Tagesschau-App) ist die dort behandelte App lediglich eine mobile Übertragungsform des entsprechenden Online-Angebots, da über die App sämtliche unter dem Online-Portal präsentierten Beiträge wegen des Zugriffs auf dieselbe Ausspiel-Datenbank abrufbar sind und die App demnach denselben Inhalt wie das Online-Angebot aufweist Dem entspricht es, dass die Klägerin auch im Streitfall ausdrücklich und unwidersprochen vorgetragen hat, dass die Seite „www.wetter.de“ inhaltlich der App „wetter.de“ entspricht. Davon ausgehend erscheint es naheliegend, die grundsätzliche Titelschutzfähigkeit der Kennzeichnung einer App jedenfalls im Ansatz nach den Grundsätzen zur Begründung von Kennzeichenrechten durch Benutzung von Domain-Namen zu beurteilen (vgl. dazu Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Auflage, Nach § 15 Rn. 34 ff), so dass sich die Frage der Titelschutzfähigkeit der App nach folgenden Grundsätzen richtet:

Domain-Namen stellen als solche kein absolutes Recht dar, jedoch kann durch die Benutzung eines Domain-Namens auch ein Namens- oder Kennzeichenrecht entstehen. Grundsätzlich kann durch die Benutzung eines Domainnamens eine geschäftliche Bezeichnung erworben werden, wenn der Verkehr in der als Domainnamen gewählten Bezeichnung bei einem Unternehmenskennzeichen einen Herkunftshinweis und bei einem Werktitel ein Zeichen zur Unterscheidung eines Werks von einem anderen und nicht nur eine Adressbezeichnung sieht (vgl. BGH GRUR 2010, 156, zitiert nach juris Rn. 20 – Eifel-Zeitung). Wird Werktitelschutz geltend gemacht, muss der Domain-Name gerade als Titel verwendet werden, d.h. der Verkehr muss in der angegriffenen Domain gerade eine Bezeichnung der Website erblicken. Daran kann es bei rein beschreibenden Domains sowie bei solchen, die lediglich als Adressbezeichnung verstanden werden, fehlen (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O Nach § 15 Rn. 54).

Es erscheint hier zumindest zweifelhaft, ob die Bezeichnungen „www.wetter.de“ und dementsprechend auch der App „wetter.de“ im genannten Sinne als Werktitel verwendet werden. Denn wie bereits das Bundespatentgericht in der als Anlage B 4 zur Klageerwiderung zur Akte gereichten Entscheidung vom 19.10.2005 zutreffend ausgeführt hat, enthält zumindest die Internetadresse „wetter.de“ in Bezug auf die Zurverfügungstellung von Informationen über das Wetter eine rein beschreibende Sachangabe. Ob die Bezeichnung „wetter.de“ ohne kennzeichnungskräftigen Zusatz eine App bezeichnen kann, lässt der Senat aber offen:

b.
Denn jedenfalls fehlt der Bezeichnung „wetter.de“ sowohl als Domain als auch als auch als App – wie das LG Hamburg zu Recht und mit zutreffender Begründung ausgeführt hat – die erforderliche originäre Kennzeichnungskraft.

aa.
Unterscheidungskraft hat die Bezeichnung eines Werkes i.S.v. § 5 Abs. 3 MarkenG, wenn ihr die Eignung zur Werkindividualisierung, d.h. zur Unterscheidung eines Werkes von anderen Werken zukommt (BGH GRUR 2003, 440, Rn. 20 – Winnetou). Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestmaß an Individualität, das dem Verkehr eine Unterscheidung von anderen Werken ermöglicht (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O. Rn. 55).

Der BGH hat für die ähnlich gelagerte Firmenbezeichnung „WetterOnline“ (GRUR 2014, 393 ff, Rn 19 – wetteronline.de;) ein Namensrecht aus § 12 BGB verneint, weil diese Bezeichnung den Geschäftsgegenstand, „online“ Informationen und Dienstleistungen zum Thema „Wetter“ anzubieten, unmittelbar beschreibe und daher nicht originär unterscheidungskräftig sei. Diese Argumentation ist auf die Unterscheidungskraft eines Werktitels nach § 5 Abs. 3 MarkenG übertragbar. Auch der streitgegenständliche Begriff „Wetter“ ist rein beschreibend. Es handelt sich – anders als bei der Bezeichnung „Tagesschau“ – auch nicht um eine Neuschöpfung, die der Bundesgerichtshof als noch hinreichend unterscheidungskräftig angesehen hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1050, Rn. 23 – Tagesschau). Die fragliche Bezeichnung „wetter“ ist demgegenüber glatt beschreibend und allgemein freihaltebedürftig. Der Zusatz „de“ ist – wie vom LG Hamburg zutreffend ausgeführt – nicht einmal schwach individualisierend, da eine angehängte Top-Level-Domain vom Verkehr grundsätzlich als bloße Länderzuweisung, in diesem Fall bezogen auf Deutschland, verstanden wird (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., Nach § 15 Rn. 132). Es ist seitens der Klägerin nicht substantiiert dargetan, dass sich ein entsprechendes Verkehrsverständnis aufgrund technischen Fortschritts gewandelt und der Verkehr den Zusatz „de“ heute selbständig wahrnimmt und als selbständig kennzeichnend ansieht. Dies gilt nicht nur für die Domain, sondern auch für die App „wetter.de“, auch wenn der Senat nicht verkennt, dass eine App – anders als eine Domain – für sich genommen keine Länderzuweisung benötigt. Soweit die Klägerin daraus folgert, dem Zusatz „de“ komme jedenfalls bei einer App ein schöpferischer Gehalt und eine eigenständige kennzeichnende Funktion zu, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Eine App ist – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – ein vergleichsweise neues Phänomen, das sich dem Verkehr – wie bereits ausgeführt – häufig als mobile Übertragungsform des entsprechenden Online-Angebots präsentiert. Der Verkehr wird demnach die App in erster Linie auf die korrespondierende Homepage unter gleichlautender Domain beziehen und mit dieser in Verbindung bringen, so dass schon nicht davon ausgegangen werden kann, dass dem angesprochenen Verkehr überhaupt bewusst ist, dass eine App an sich keine Länderzuweisung benötigt. Wegen des auch aus Sicht des Verkehrs bestehenden Zusammenhangs mit einem entsprechenden Online-Angebot auf einer Homepage unter einer gleichlautenden Domain kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr dem Zusatz „de“ bei einer App – anders als bei einer Domain – prägende und damit eigens kennzeichnende Funktion beimisst. Er wird vielmehr – wie bei einer Domain – davon ausgehen, dass dieser Zusatz auch bei der App eine Zuweisung oder Abkürzung für „Deutschland“ im Sinne einer Länderzuweisung darstellt.

bb.
Es sind – wie das LG Hamburg ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – an die Titelschutzfähigkeit einer App auch keine geringeren Maßstäbe anzulegen. Insbesondere sind die gegenüber allgemeinen Grundsätzen deutlich herabgesetzten Anforderungen an die Unterscheidungskraft bei Zeitungs- oder Zeitschriftentitel nicht entsprechend heranzuziehen.

An die originäre Unterscheidungskraft von Zeitungstiteln sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur geringe Anforderungen zu stellen, weil auf dem Zeitungsmarkt seit jeher Zeitungen unter mehr oder weniger farblosen Gattungsbezeichnungen angeboten werden, so dass sich das Publikum an diesen Zustand gewöhnt hat und bei Zeitungen auch solchen Titeln Unterscheidungskraft beimisst, denen für andere Druckschriften keine Kennzeichnungskraft zukommt (vgl. BGH GRUR 2010, 156 ff, Rn. 14 – Eifel-Zeitung).

Gegen eine Übertragung dieser Grundsätze auf die Domain bzw. App „wetter.de“ spricht zunächst die allgemeinen Erwägung, nach der Werktitelschutz an einem Domainnamen nicht leichtfertig angenommen werden darf, da das Kennzeichenrecht anderenfalls ausgehöhlt würde und seine praktische Bedeutung verlöre (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Auflage, Einl G Rn 41 m.w.N.). Diese Überlegung gilt vorliegend auch für die App als neuere Erscheinungsform eines Anwendungsprogrammes für ein smartphone. Der Klägerin beruft sich ohne Erfolg auf die in der Kommentarliteratur vertretene Ansicht, dass die abgesenkten Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Zeitungen und Zeitschriften auch für online genutzte Titel – und damit wohl auch für Apps, wenn man diese aus den oben genannten Gründen wie Domains behandelt – gelten können. Ähnlich wie bei Zeitungen und Zeitschriften dürfte zwar auch bei Domain-Namen bereits eine gewisse Gewöhnung an in hohem Maße beschreibende Titel eingetreten sein, so dass auch hier ein großzügiger Maßstab anzulegen sein könnte (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rn. 55). Nach der Kommentarliteratur (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., Fezer, Markenrecht, 4. Auflage, Einl G Rn 40) gilt das jedenfalls für solche Websites, die ein Online-Korrelat zu solchen Offline-Werken bilden, für welche die großzügigen Maßstäbe gelten, wie z.B. für Internet-Zeitungen (z.B. die „Eifel-Zeitung“). Darunter fällt die Seite bzw. App „wetter.de“ mit den darunter abrufbaren Inhalte nicht, da es eine entsprechende Printausgabe nicht gibt. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Gewöhnung des Verkehrs an beschreibende Angaben oder Gattungsbezeichnungen auch bei Titeln anderer Werkarten zwar dazu führen kann, dass die ohnehin schon geringen Anforderungen an die Unterscheidungskraft weiter zu senken sind, dass es dazu aber konkreter Feststellungen bedarf, ob und inwieweit das Publikum tatsächlich an die Verwendung sich nur geringfügig unterscheidender Bezeichnungen als Werktitel gewöhnt ist (vgl. Fezer, a.a.O., § 15 Rn. 275). Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass Apps wie bereits ausgeführt neuere Erscheinungen sind, bei denen aus den vom Landgericht Hamburg aufgezeigten Gründen (noch) nicht festzustellen ist, dass der Verkehr an rein beschreibende Titel bereits gewöhnt ist. Der Senat stimmt der Annahme des Landgerichts Hamburg, dass reine Phantasiebezeichnungen neben „sprechenden Zeichen“ und beschreibenden Titeln stehen, ohne dass in der einen oder anderen Richtung ein Überwiegen festgestellt werden kann, ausdrücklich zu. Eine entsprechende Gewöhnung wird von der Klägerin im Übrigen auch nur behauptet und nicht substantiiert dargelegt. Schließlich hat das Landgericht Hamburg zutreffend auf die grundlegenden Unterschiede zwischen Zeitschriften als periodisch erscheinenden Druckschriften und Apps als internet- und plattformbasierte Softwareanwendungen für mobile Endgeräte hingewiesen; auch diesen Erwägungen schließt sich der Senat an.

c.
Werktitel, die von Haus aus mangels hinreichender Unterscheidungskraft oder wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nicht schutzfähig sind, können den Schutz der §§ 5, 15 MarkenG in Anspruch nehmen, wenn sie innerhalb der angesprochenen Kreise durchgesetzt sind (vgl. BGH GRUR 2001, 1050 ff, Rn. 23 m.w.N. – Tagesschau). Dabei erscheint es möglich, dass die Verkehrsgeltung bzw. Verkehrsdurchsetzung durch eine Benutzung nur im Internet erreicht werden kann (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., Nach § 15 Rn. 58). Entsprechendes hat die Klägerin jedoch nicht hinreichend dargetan.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass und warum die Klägerin einen Werktitelschutz kraft Verkehrsgeltung nicht hinreichend dargelegt hat. Die Rechtsprechung hat vor allem bei glatt beschreibenden Angaben wiederholt höhere Zuordnungsgrade als 50 % bis hin zu einer „nahezu einhelligen“ Verkehrsdurchsetzung angenommen (vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 8 Rn. 342 m.w.N.). Jedenfalls ist nach der auch von der Kammer zitierten Entscheidung „Kinder II“ (BGH GRUR 2007, 1071) ein „deutlich erhöhter Durchsetzungsgrad“ erforderlich. Soweit die Klägerin sich in erster Linie auf die als Anlage K 31 vorgelegte FORSA-Umfrage beruft, belegen die dort ermittelten Bekanntheitswerte den erforderlichen „deutlich erhöhten“ Durchsetzungsgrad unter keinen Umständen. Die offenen und geschlossenen Fragen nach Wetterseiten im Internet haben eine Bekanntheit der Seite „wetter.de“ bei nur 33 % aller Befragten und bei 41 % aller Internetnutzer – d.h. nicht einmal bei 50 % – ergeben. Auch „gestützt“ ergibt sich eine Bekanntheit bei allen Befragten von nur knapp über 50 %, nämlich 56 %. Selbst bei dem engsten Kreis der Internetnutzer ergibt sich eine „gestützte“ Bekanntheit von unter 70 %. Auch kann von einer durch die Umfrage ermittelten Bekanntheit der Bezeichnung „wetter.de“ für eine Wetterseite im Internet nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass auch ein entsprechender Werktitel für eine App durchgesetzt wäre.

Soweit die Klägerin mit der Berufung beanstandet, dass das Landgericht nicht hinreichend sämtliche zur Benutzung und Bekanntheit der Apps und Internetbezeichnungen angebotenen Beweise „ausgewertet“ habe, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die als Anlagen K 32 und K 33 vorgelegten Screenshots zu Trefferlisten über die Beliebtheit von Wetter-Apps rechtfertigen keine Erhöhung der Bekanntheit gegenüber den durch die FORSA-Umfrage ermittelten Werten. Gleiches gilt für die unter Beweis gestellten Werbeaufwendungen in „6- bis 7-stelliger“ Höhe sowie die Testberichte (vgl. Anlagen K 35-K 39). Der unter der Bezeichnung „wetter.de“ verfügbaren Domain bzw. App mag eine gewisse Bekanntheit und Beliebtheit nicht abgesprochen werden. Die einzig durch die Umfrage, nicht jedoch durch die anderen Beweismittel konkretisierten und danach „fassbaren“ Werte rechtfertigen die Feststellung von Verkehrsdurchsetzung aus den genannten Gründen jedoch nicht.

2.
Die sonstigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen der §§ 14 Abs. 2, 4 Nr. 2 MarkenG, 5 Abs. 2 und 4 Nr. 10 UWG hat das Landgericht mit knapper, aber zutreffender Begründung verneint; auch darauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Weder ist eine Benutzungsmarke hinreichend dargelegt noch sind die Voraussetzungen der nachrangig geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche gegeben. Insoweit stellt das Angebot der Beklagten aus den vom Landgericht genannten Gründen keine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG und auch keine unlautere Behinderung der Klägerin als Mitbewerberin im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG dar.

Eine unlautere Behinderung nach Maßgabe des § 4 Nr. 10 UWG setzt die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Dies lässt sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen des Wettbewerbs beurteilen (vgl. BGH GRUR 2014, 393 ff, Rn. 28 – wetteronline.de).

Allein die Registrierung und Benutzung eines Gattungsbegriffs als Internet-Domain stellt grundsätzlich noch keine unzulässige Behinderung der Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber dar (Senat GRUR-RR 2006, 91, Juris Tz 20 m.w.N. – schluesselbänder.de). Gleiches muss grundsätzlich für die Benutzung eines rein beschreibenden Begriffs als App gelten. Auch dann, wenn dem App-User, der den App-Store aufruft und über sein mobiles End-Gerät das Suchwort „Wetter.de“ eingibt, als Treffer auch die gleichlautende App der Beklagten „Wetter DE“ mit dem Icon „wetter-de“ vorgeschlagen wird, rechtfertigt dies allein die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes unter dem Gesichtspunkt einer unlauteren Behinderung nicht. Die Beklagte hat in der mündlichen Berufungsverhandlung – insoweit von der Klägerin unstreitig gestellt – dargetan, dass sie auf die Anzeige der entsprechenden Suchergebnisse keinen Einfluss hat, sondern diese technisch vorgegeben ist und – je nach Anzahl der Downloads und damit der Beliebtheit der App – wechseln kann. Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen in der Entscheidung „wetteronline.de“ ausgeführt, dass die Annahme einer unlauteren Behinderung insbesondere auf der Feststellung beruhe, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher unter der Internetadresse „wetteronline.de“ das Angebot von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Thema Wetter erwarten wird und daher belästigt werde, wenn er auf die Seite eines Anbieters von Versicherungsleistungen fehlgeleitet werde (BGH, a.a.O., juris Tz 48). In einer entsprechenden Erwartung wird der Verkehr im Streitfall nicht getäuscht. Jedenfalls hat die Klägerin aber insoweit nicht hinreichend dargelegt, dass das Verhalten der Beklagten geeignet ist, sie -die Klägerin – vom Markt zu verdrängen oder sie so zu beeinträchtigen, dass sie ihre Leistung durch eigene Anstrengungen nicht mehr angemessen zur Geltung bringen kann.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Titelschutzfähigkeit einer App und die ggf. an die Schutzfähigkeit zu stellenden Anforderungen bisher nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung waren (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

Streitwert für das Berufungsverfahren: 185.000.000,- € (gegenüber dem in dem angefochtenen Urteil festgesetzten Streitwert angemessen erhöht im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche zu Ziffer 2., über die der Senat zu entscheiden hatte (vgl. BGH, WRP 2014, 192))

I