OLG Köln, Urteil vom 16.11.2012, Az. 19 U 93/12
§ 670 BGB, § 677 BGB, § 683, § 684 BGB
Das OLG Köln hat entschieden, dass die Optimierung der Software auch dann kostenpflichtig sein kann, wenn der Kunde lediglich von einer Fehlerbeseitigung ausgeht. Es läge dann eine Geschäftsführung ohne Auftrag im Sinne des Kunden vor, so der Senat. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht Köln
Urteil
…
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.05.2012 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 1 O 527/11 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.199,50 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2008 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 341,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt, nachdem sie dieses teilweise zurückgenommen hat.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die gegen ihn gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Berufung zugelassen.
Gründe
I.
Im Jahre 2004 erwarb die Beklagte von der Klägerin, die EDV-Dienstleistungen anbietet, ein ERP-System zur Steuerung der Warenwirtschaft sowie eine Produktsimulation zur Netto-Bedarfsberechnung, die Teil des Gesamtsystems ist. Die Parteien schlossen zudem einen Software-Wartungsvertrag, der jährliche Zahlungen vorsah (Anlage B1, Bl. 36 ff. GA). Gemäß § 2 der Allgemeinen Wartungsbedingungen war von dieser Wartungspauschale unter anderem die Beseitigung von Programmfehlern, die die Klägerin zu vertreten hat, abgedeckt. Nicht von der Klägerin zu vertretende Fehler waren nach Aufwand zu vergüten (Ziffer 2.2.8 der Wartungsbedingungen).
Nachdem sich im Laufe der Zeit die Geschwindigkeit der Programme verringert hatte, benannte die Klägerin nach Überprüfung des Systems Maßnahmen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Sie schlug deshalb im Juli 2007 eine „Optimierung“ des ERP-Systems zum Preis von 6.500,00 EUR netto sowie eine „Optimierung“ der Produktsimulation zum Preis von ebenfalls 6.500,00 EUR netto vor. Die Beklagte gab lediglich die „Optimierung“ des ERP-Systems in Auftrag. Auf eine „Optimierung“ der Produktsimulation verzichtete sie, unter anderem aus Kostengründen.
Im Laufe des Jahres 2008 wurde die Simulation zunächst langsamer, bis sie im Juli 2008 schließlich überhaupt nicht mehr funktionierte. Die Klägerin begann daraufhin mit der Suche nach der Ursache für diesen Stillstand. In der Folgezeit kam es zu einer umfangreichen Korrespondenz zwischen den Parteien. Die Klägerin führte verschiedene Arbeiten aus, die sie unter dem 04.04.2008 mit 10.605,14 EUR abrechnete (Anlage K1, Bl. 7 GA).
Die Klägerin hat behauptet, sie habe bereits im Jahre 2007 eine „Optimierung“ der Simulation empfohlen und darauf hingewiesen, dass ohne diese „Optimierung“ aufgrund der Einspeisung immer größerer Datenmengen künftig Performance-Probleme entstehen könnten.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.605,14 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2008 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 341,90 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, eine „Optimierung“ der Simulation sei für die Behebung der Probleme weder erforderlich gewesen noch habe die Klägerin diese als notwendig erachtet. Zu einem Vertragsschluss über die im Jahre 2008 erfolgten Maßnahmen sei es nicht gekommen.
Das Landgericht hat mit am 03.05.2012 verkündetem Urteil die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Parteien keinen Vertrag über die von der Klägerin erbrachten Leistungen im Jahre 2008 geschlossen hätten. Weitere Anspruchsgrundlagen kämen ebenfalls nicht in Betracht. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag würden ausscheiden, da die Klägerin lediglich ein Eigengeschäft geführt habe. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung würden ausscheiden, weil die Bereicherung der Beklagten aufgedrängt worden sei. Unter Wertungsaspekten sei ein Anspruch deshalb zu verneinen.
Dieses Urteil ist ausweislich des zur Gerichtsakte gereichten Empfangsbekenntnisses (Bl. 129 GA) der Klägerin am Freitag, dem 18.05.2012, zugestellt worden. Im Büro der Klägervertreter ist es bereits am Montag, dem 07.05.2012, eingegangen, wie sich aus dem Eingangsstempel diesen Datums ergibt. Der Klägervertreter, der mit zwei weiteren Rechtsanwälten in einer Sozietät zusammengeschlossen ist, hat dazu erklärt, er sei alleiniger Sachbearbeiter in der Angelegenheit. Aufgrund seines Urlaubs sei ihm das Urteil erst am 18.05.2012 vorgelegt worden. An diesem Tage habe er das Empfangsbekenntnis unterschrieben.
Die Berufung der Klägerin ist am Freitag, dem 15.06.2012, beim Oberlandesgericht eingegangen (Bl. 131 GA). Die Begründung der Berufung ist sodann am 01.08.2012 innerhalb der insoweit verlängerten Frist erfolgt.
Die Klägerin behauptet, die von ihr im Jahre 2008 durchgeführten Arbeiten seien sämtlich erforderlich gewesen, um die Simulation wieder in einen lauffähigen Zustand zu versetzen, was notwendig gewesen sei, damit die Beklagte überhaupt wieder mit dem Gesamtsystem arbeiten konnte.
Die Klägerin hat mit ihrer Berufung ursprünglich das Urteil in vollem Umfang angegriffen. Diese Berufung hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2012 in Höhe von 3.405,64 EUR nebst entsprechenden Zinsen teilweise zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt, das am 03.05.2012 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen – 1 O 527/11 – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.199,50 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2008 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 341,90 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe sie im Jahre 2007 nicht darüber aufgeklärt, dass es ohne die dort vorgeschlagene „Optimierung“ im Jahre 2008 zu weiteren Problemen mit der Software bis hin zum kompletten Systemausfall kommen könnte. Da sie in der Vergangenheit schon erhebliche Differenzen mit der Klägerin gehabt habe und bereits mit deutlich gestiegenen Kosten des Grundprogramms von rund 200 – 300.000,00 EUR auf 450.000,00 EUR konfrontiert worden sei, sei sie sehr vorsichtig gewesen, der Klägerin weitere Aufträge zu erteilen. Eine „Optimierung“ der Simulation hätte sie deshalb keinesfalls in Auftrag gegeben. Vielmehr hätte sie sich nach einem anderweitigen Programm umgesehen.
Sie ist der Ansicht, die Berufung sei unzulässig, weil für die Berufungsfrist der Eingang des Urteils in der Kanzlei des Klägervertreters maßgeblich sei. Der Klägervertreter sei nämlich gemäß § 53 BRAO verpflichtet gewesen, für den Fall seiner Abwesenheit von mehr als einer Woche einen Vertreter zu bestellen. Erfolge eine solche Vertretung nicht, gelte das Schriftstück mit Eingang in der Sozietät als zugestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.
II.
A. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist gemäß § 517 ZPO innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat einzulegen. Diese Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Ausweislich des vom Klägervertreter eingereichten Empfangsbekenntnisses ist das Urteil am 18.05.2012 zugestellt worden. Eingegangen ist die Berufung beim Oberlandesgericht am 15.06.2012, somit innerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für den Beginn der Berufungsfrist nicht bereits auf den Tag des Eingangs des Urteils in der Kanzlei des Klägervertreters, den 07.05.2012, abzustellen. Vielmehr ist auf das vom Klägervertreter auf dem zurückgereichten Empfangsbekenntnis vermerkte Datum, somit auf den 18.05.2012, abzustellen. Dies liegt in der Besonderheit der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis begründet. Die Zustellung gemäß § 174 ZPO setzt nämlich, anders als andere Zustellungsarten, eine persönliche Beteiligung des Rechtsanwalts (oder sonstigen Zustellungsempfängers) voraus. Dies bedeutet, dass der Rechtsanwalt zunächst von dem Zugang des zuzustellenden Schriftstücks Kenntnis erlangt haben muss, bevor er konkret entscheidet, ob er es als zugestellt ansieht. Die Entgegennahme des Schriftstücks und seine – allgemeinen Anweisungen entsprechende – Bearbeitung durch das Kanzleipersonal hat in diesem Zusammenhang nicht mehr als vorbereitenden Charakter. Damit wird nur der anwaltliche Gewahrsam begründet, aber nicht die weitergehende einzelfallabhängige Willensentscheidung des Rechtsanwalts vorweggenommen, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück auch tatsächlich als zugestellt zu behandeln (BGH, Beschluss vom 18.09.1990 – XI ZB 8/90, NJW 1991, 42; Heublein in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 3. Auflage 2008, § 174 Rn. 6). Danach kommt es aufgrund der Besonderheit der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nicht darauf an, wann das zuzustellende Urteil in die Kanzlei des Klägervertreters gelangt ist. Das bloße Gelangen in die Kanzlei und damit in die Sphäre des Prozessbevollmächtigten mag bei anderen Zustellungsarten, wie etwa bei der Ersatzzustellung nach § 178 ZPO oder nach § 180 ZPO ausreichen. Es genügt hingegen nicht bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO, da hier die Besonderheit besteht, dass es noch einer einzelfallabhängigen Willensentscheidung des Rechtsanwalts oder sonstigen Zustellungsempfängers bedarf, das in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück auch tatsächlich als zugestellt zu behandeln. Hieran ist aufgrund der Besonderheiten dieser Zustellungsart festzuhalten. Soweit das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Beschluss vom 27.09.2004 – 11 LA 107/04, NJW 2005, 312) für den Fall einer Abwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten von länger als einer Woche eine Zustellungsfiktion mit Eingang in der Sozietät angenommen hat, wenn der Zustellungsadressat entgegen § 53 BRAO keinen Vertreter bestellt hat, so kann dem jedenfalls für den Zivilprozess nicht gefolgt werden. Gleiches gilt, soweit der Bundesfinanzhof (BFH, Beschluss vom 23.08.2005 – VII B 153/05 (NV), BeckRS 2005, 25008918) eine Zustellungsfiktion annimmt, wenn trotz mehrmaliger Erinnerung das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt wird. Jedenfalls auf den Zivilprozess sind diese Entscheidungen nicht übertragbar (ebenso Heublein, a.a.O.; Grams in: BRAK-Mitt. 2/2005, S. 74, vgl. Bl. 146 GA). Zustellungsfiktionen, wie sie im öffentlichen Recht vielfach zu finden sind, etwa in § 4 Abs. 2 S. 2 VwVfG, in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO und nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, Urteil vom 06.03.1990 – II R 131/87, Beck RS 1990, 22009407) auch im Rahmen des § 5 Abs. 2 VwZG, sind als allgemeiner Rechtsgedanke nicht auf den Zivilprozess übertragbar. In den zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften finden sich lediglich in eng begrenztem Umfang Sonderregelungen, etwa bei der Auslandszustellung nach §§ 183, 184 ZPO oder gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 InsO im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung. Diese Sonderregelungen zeigen aber, dass Zustellungsfiktionen dem Zivilprozess grundsätzlich fremd sind. Es hat deshalb trotz der in der öffentlich-rechtlichen Rechtsprechung für die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis entwickelten Zustellungsfiktionen für den Zivilprozess dabei zu verbleiben, dass eine Zustellung nach § 174 ZPO erst dann bewirkt ist, wenn der Rechtsanwalt oder sonstige Zustellungsempfänger das Schriftstück mit dem Willen, es als zugestellt zu behandeln, entgegennimmt. Es besteht auch kein zwingendes Bedürfnis, Verstöße gegen § 53 BRAO zivilprozessual zu ahnden. Dies gilt namentlich auch mit Blick auf mögliche Missbrauchsfälle. Verstöße gegen berufsrechtliche Regelungen können berufsrechtlich geahndet werden, während einer Missbrauchsgefahr im Zivilprozess durch die Wahl einer anderen Zustellungsart begegnet werden kann, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch bestehen.
B.
Die Berufung hat, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, Erfolg.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 670, 677, 683, 684 BGB zu.
Die Klägerin hat ein Geschäft geführt, das im objektiven und subjektiven Willen der Beklagten lag, als sie die „Optimierung“ der Simulation vorgenommen hat. Die Simulation, deren Funktionstüchtigkeit für den Geschäftsbetrieb der Beklagten wichtig war, lief nicht mehr. Es war deshalb objektiv notwendig, insoweit Abhilfe zu schaffen, damit die Beklagte mit dem für ihren Geschäftsbetrieb erforderlichen System wieder arbeiten konnte. Die Wiederherstellung des Systems in einen lauffähigen Zustand lag auch im subjektiven Interesse der Beklagten. Diese hat insoweit ausdrücklich erklärt, die Klägerin sei gebeten worden, den Fehler zu beheben. Es sei nicht darum gegangen, die Simulation zu verbessern oder zu optimieren, sondern lediglich um eine reine Fehlerbehebung (Bl. 34, Bl. 74 GA). Dies steht in Übereinstimmung mit der von der Beklagten übersandten Email vom 29.07.2008, 10:38 Uhr (Anlage B 3, Bl. 42 GA), in der die Beklagte zum Ausdruck bringt, sie sei „froh, überhaupt wieder arbeiten zu können“. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 22.08.2012, S. 3 (Bl. 166 GA) erklärt hat, sie habe sich eine „kostenlose Nachbesserung im Rahmen der Gewährleistungsrechte oder des Wartungsvertrags“ gewünscht bzw. beauftragt, so belegt dies ebenfalls, dass Arbeiten mit dem mutmaßlichen und tatsächlichen Willen der Beklagten erfolgten, soweit es sich um Maßnahmen zur Wiederherstellung der Lauffähigkeit handelte.
Die Klägerin hat das Geschäft ohne rechtlichen Grund ausgeführt. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass die Parteien keinen Vertrag über die von der Klägerin klageweise geltend gemachten Leistungen geschlossen haben. Die Beklagte hat, vertreten durch Frau H (geb. O), ausdrücklich darauf hingewiesen, zunächst einen Kostenvoranschlag zu wünschen, „um das weitere Vorgehen abstimmen zu können“ (Email vom 14.07.2008, 22:08 Uhr, Bl. 67 f.GA). Zu solchen weiteren Abstimmungsmaßnahmen ist es in der Folgezeit aber nicht mehr gekommen. Vielmehr hat die Klägerin die Arbeiten ausgeführt, nachdem sie, vertreten durch Herrn Ludwig in seiner Email vom 15.07.2008, 08:26 Uhr (Bl. 67 GA) erklärt hat, er werde „jetzt neben der Optimierung der einzelnen Schritte sukzessive jedes Update in der Simulation entsprechend überarbeiten (…) um hier eine Stabilität reinzubringen…“ sofern er nichts Gegenteiliges höre. Das Schweigen der Beklagten auf diese Email begründet keinen Vertragsschluss. Denn es war für den objektiven Empfänger eindeutig erkennbar, dass die Beklagte sich zunächst eine Entscheidung über weitere Maßnahmen vorbehalten wollte. Insoweit kann die Klägerin sich auch nicht darauf berufen, dass wenige Tage zuvor, am 11.07.2008, die Klägerin ebenfalls Arbeitsschritte zur „Optimierung“ vorgenommen hatte, nachdem sie zuvor darauf hingewiesen hatte, sie werde die Arbeiten ausführen, wenn sie bis zum Beginn der Arbeiten in einer halben Stunde „nichts Gegenteiliges“ von der Beklagten höre (Anlage K7, Email vom 11.07.2008, 09:26:38, Bl. 65 GA). Auch wenn die Beklagte sich nicht ausdrücklich gegen das mit der Email vom 11.07.2008 vorgeschlagene Vorgehen ausgesprochen hat, konnte die Klägerin nicht von einer Zustimmung zu den „Optimierungsmaßnahmen“ ausgehen. Eine zwischen den Parteien entstandene Verkehrssitte, dass hier ein Schweigen ausnahmsweise einer Annahme gleichkommt, kann nämlich aus dieser Email nicht hergeleitet werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte im Jahre zuvor die von der Klägerin vorgeschlagenen Maßnahmen zur Optimierung der Simulation bewusst nicht beauftragt hatte. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz erklärt hat, sie habe den „Auftrag erteilt die Fehler zu beheben“ (Schriftsatz vom 22.08.2012, S. 3, Bl. 166 GA), so war unter ergänzender Würdigung des gesamten Vorbringens der Beklagten dieser Satz nicht dahingehend zu verstehen, dass sie nunmehr abweichend von ihrem bisherigen Vortrag die Auffassung vertritt, es sei doch ein Vertrag über die in Rechnung gestellten Arbeiten geschlossen worden.
Die Klägerin handelte auch mit Fremdgeschäftsführungswillen. Ihr Wille, gleichzeitig eine vertragliche Verpflichtung erfüllen zu wollen, steht dem nicht entgegen. Denn auch der Klägerin war bewusst, dass die Beklagte auf die Funktionsfähigkeit des Systems angewiesen war. Es war erkennbar gerade auch ein Anliegen der Klägerin, der Beklagten hier zu helfen und im Interesse der Beklagten das System schnellstmöglich wieder in einen funktionsfähigen Zustand zu versetzen. Die Klägerin hat hinsichtlich der insoweit erforderlichen Arbeiten gerade nicht ausschließlich aus eigenem Vergütungsinteresse gehandelt.
Die Klägerin kann die zur Führung des Geschäfts erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen. Der Wert dieser Aufwendungen entspricht der marktüblichen Taxe, die sich mangels anderweitiger Anhaltspunkte und mangels konkreten Bestreitens der Angemessenheit der klägerischen Rechnung, auf die in Rechnung gestellten 10.605,14 EUR belaufen. Andere Maßnahmen als zur Widerherstellung des Systems erforderliche, hat die Klägerin nicht abgerechnet. Dies hat auch weder die Klägerin behauptet, noch hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass die von der Klägerin abgerechneten Maßnahmen über die zur Fehlersuche und Fehlerbehebung notwendigen Maßnahmen hinausgegangen seien und etwa ein lediglich wünschenswerte oder sinnvolle „Optimierung“ der Simulation erfolgt wäre. Dies gilt, wenngleich die Klägerin undifferenziert und durchaus missverständlich sowohl notwendige als auch wünschenswerte Maßnahmen einheitlich als „Optimierung“ bezeichnet. Aus dem Emailverkehr vom 29.07.2008 (Anlage B 3, Bl. 42 GA) ergibt sich aber eindeutig, dass die Klägerin nur solche Maßnahmen durchgeführt hat, die erforderlich waren, um das System wieder in einen stabilen Zustand zu bringen. Die Klägerin bietet mit Email vom 29.07.2008, 08:41 Uhr, an, eine weitere „Optimierung“ zur Beschleunigung des Systems vornehmen zu können, nachdem die Simulation nunmehr „einen stabilen Zustand erreicht“ hatte. Da die Beklagte dies allerdings abgelehnt hatte (Email vom 29.07.2008, 10:38 Uhr), hat die Klägerin insoweit keine Maßnahmen mehr ergriffen. Auch die Höhe der geltend gemachten Vergütung hat die Beklagte nur pauschal angegriffen, ohne im Einzelnen und substantiiert die Angemessenheit der Vergütung bestritten zu haben.
Der der Klägern somit zustehende Betrag vom 10.605,14 EUR wäre hingegen im Wege des Schadensersatzes gemäß § 280 BGB zu kürzen gewesen, wenn und soweit die Klägerin eine Aufklärungspflichtverletzung begangen hätte. Eine solche Aufklärungspflichtverletzung hat die Beklagte substantiiert und unter Beweisantritt behauptet. Eine unterlassene Aufklärung darüber, dass ohne die von der Klägerin im Jahre 2007 vorgeschlagenen Optimierung der Simulation das System nur ein Jahr später nicht mehr lauffähig sein würde, würde eine solche Aufklärungspflichtverletzung begründen. Ein aufklärungsrichtiges Verhalten der Beklagten unterstellt, hätte diese dann, trotz ihres bekundeten entgegenstehenden Willens, die Optimierungsmaßnahme im Jahre 2007 beauftragt. Sie hätte dann lediglich 6.050,00 EUR netto (7.199,50 EUR brutto) aufwenden müssen, um die Simulation und damit das Gesamtsystem lauffähig zu erhalten. Der im Jahre 2008 entstandene höhere Aufwand zur Fehlerbeseitigung durch „Optimierung“ wäre ihr erspart geblieben, sodass der über 7.199,50 EUR brutto hinausgehende als Schaden der Beklagten vom Aufwendungsersatzanspruch in Abzug zu bringen wäre. Nachdem die Klägerin allerdings ihre Berufung in Höhe dieses denkbaren Schadensersatzanspruchs zurückgenommen hat, bedurfte es soweit keiner Beweiserhebung und Entscheidung mehr.
Die vorgerichtlichen Anwaltskosten kann die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß §§ 286, 288 BGB in geltend gemachter Höhe von 341,90 EUR ersetzt verlangen, da ausgehend von einem Streitwert von 7.199,50 EUR Anwaltsgebühren einschließlich Auslagen und Mehrwertsteuer in übersteigender Höhe hätten geltend gemacht werden.
Die geltend gemachten Zinsen kann die Klägerin ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugs nach §§ 286, 288 BGB ersetzt verlangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
C.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO mit der aus dem Tenor ersichtlichen Beschränkung zuzulassen. Das Rechtsmittel hat im Hinblick auf die Zulässigkeit der Berufung, insbesondere hinsichtlich der Frage der fristgerechten Einlegung des Rechtsmittels, grundsätzliche Bedeutung. Insoweit erfordern die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor. Der Senat weicht weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.
Streitwert für das Berufungsverfahren: zunächst: 10.605,14 EUR.
Seit dem 26.10.2012: 7.199,50 EUR.