OLG Köln: Zum Zustandekommen des Vertrages bei umfangreichem Angebot zur Erstellung einer Software

veröffentlicht am 25. März 2015

Rechtsanwalt Dr. Ole DammOLG Köln, Urteil vom 07.03.2003, Az. 19 U 200/02
§ 631 BGB

Das OLG Köln hat entschieden, dass ein Angebot zur Erstellung einer Software mit 7 verschiedenen Auktionsformen und 13 Optionen, die sich teilweise gegenseitig ausschließen, nicht als bindendes Vertragsangebot, sondern lediglich als sog. „invitatio ad offerendum“ zu verstehen ist. Es werde lediglich die Angebotspalette vorgestellt. Der Umfang des Vertrages sei erst später durch Zahlung der Vergütung für eine der häufigsten Auktionsformen konkretisiert worden. Weitere Optionen seien erst später abgefordert worden und nicht dem ursprünglichen Leistungsumfang zuzurechnen. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Köln

Urteil

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. August 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn – 10 O 3/02 – wird auf Kosten der Berufungsklägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstrecken-den Betrages leistet.

Gründe

I.
Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die vertragsgemäße Zahlung von insgesamt 263.088,–DM (= 134.514,76 EUR) für eine Softwareimplementation einer Internet-Auktionsplattform (sog. „e. a.“ – btb) sowie 24 monatliche Lizenzgebühren für den Zeitraum von Januar 2000 bis Dezember 2001. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung in voller Höhe stattgegeben und lediglich einen geringen Teil des Zinsanspruches abgewiesen. Auf das Urteil vom 23. August 2002 wird wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung der Klage, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung begehrt. Die Beklagte rügt im Wesentlichen, dass das Landgericht seine Überzeugung bezüglich des Leistungsinhaltes des Vertrages zu Unrecht auf die Angaben des Zeugen M. als „Universalzeugen“ der Klägerin gestützt habe. Zu Unrecht habe die Kammer gegenbeweislich nicht die Zeugen L. und R. gehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 631 BGB einen Anspruch auf Vergütung der installierten Software „e.-a.“ sowie der geltend gemachten monatlichen Raten für die Lizenzüberlassung bzw. Nutzung des Programms aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Werklieferungsvertrages vom 22. Juli/14. September 1999. Zurückbehaltungsrechte der Beklagten aufgrund unvollständiger Vertragserfüllung oder Gewährleistungsansprüche wegen mangelhafter Leistungen der Klägerin sind nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht auch keine vergleichsweise Beilegung der Streitpunkte aufgrund der vorprozessual geführten Korrespondenz gesehen.

Die Kammer hat ihre Überzeugung hinsichtlich des Zustandekommens des Vertrages und den von der Klägerin zu erbringenden Leistungen im Wesentlichen auf das Ergebnis der Besprechung des Zeugen M. mit dem Vorstand der Beklagten S. im Dezember 1999 gestützt. Der Senat folgt dieser Bewertung des Beweisergebnisses und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn die Angriffe der Beklagten gegen die Beweiswürdigung der Kammer gehen fehl. Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass aufgrund der schriftlichen Korrespondenz der Parteien der Leistungsumfang der Klägerin mit 7 verschiedenen Auktionsformen und 13 Optionen festgelegt gewesen sei. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass es sich bei dem e-mail der Klägerin vom 22. Juli 1999, 8.06h, lediglich um eine sog. „invitatio ad offerendum“ gehandelt hat. Das folgt bereits aus dem allgemein gehaltenen Inhalt dieses Schreibens, mit dem ersichtlich nur die Angebotspalette der Klägerin dargestellt werden sollte. Der Zeuge M. hat bezüglich der Vertragsentwicklung bekundet, dass der konkrete Leistungsumfang der Klägerin zunächst noch nicht festgelegt, die Vergütung aber für eine der im Juli 1999 angebotenen Auktionsformen vereinbart gewesen sei. Das sei im Dezember 1999 die „english-auction“ – eines der kommerziell erfolgreichen Auktionsmodelle – der Klägerin gewesen. Eine andere Version sei von dem Vorstand Siebert jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewünscht gewesen. Es hätten zwar Optionen bestanden, die aber erst später abgefordert worden seien. Die Schilderung des Zeugen fügt sich in den weiteren Geschehensablauf ein. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass mit Jahresbeginn 2000 das Programm „english-auction“ geliefert und in Betrieb genommen worden ist. Dementsprechend ist die Leistung von der Klägerin auch am 5. Januar 2000 in Rechnung (Anl. K 4) gestellt worden. Die Klägerin ging also zu diesem Zeitpunkt davon aus, die geschuldete Leistung erbracht zu haben. Das Programm „e.-a.“ ist in der Folgezeit von der Beklagten ohne Beanstandungen genutzt worden, denn bis zum 31. März 2000 hat es keinen (schriftlichen) Kontakt zwischen den Parteien gegeben. Erst zu diesem Zeitpunkt sind von der Beklagten weitere Leistungen (u.a. die sog. „reverse-auction“) gefordert worden, welche die Klägerin indes – da vertragsmäßig nicht geschuldet – nur gegen gesondertes Entgelt angeboten hat. Erst mit Schreiben vom 12. Juli 2000 (Anl. K 6) hat die Beklagte angebliche Mängel gerügt und das Scheitern der Implementation der Auktionsbasis erklärt. Es war daher nicht so, dass die Beklagte die nach ihrem Vortrag benötigten weiteren Auktionsvarianten zeitnah zu der Einigung vom Dezember 1999 abgefordert hat, was aber eigentlich nahe gelegen hätte.

Der Leistungsumfang der Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten in der Besprechung vom 16. Dezember 1999 daher nicht reduziert, sondern konkretisiert worden. Der Inhalt der e-mail-Nachricht des Vorstands S. vom 16. Dezember 1999 (Anl. B 6) an den Zeugen M., welche im unmittelbaren Anschluss an das Gespräch an die Klägerin versandt worden ist, steht dem nicht entgegen. Unabhängig von dessen rechtlicher Einordnung (evtl. kaufmännisches Bestätigungsschreiben) wird durch das Schreiben die Auffassung der Beklagten nicht bestätigt. Wenn es dort heißt „weitere Funktionalitäten aus ihrem Angebot folgen nach“ bedeutet dies nicht, dass diese zum vereinbarten Leistungsumfang gehörten. Der bereits erwähnte Umstand, dass das von der Klägerin gelieferte Programm „e.-a.“ in der Folgezeit mehrere Monate unbeanstandet benutzt worden ist, spricht vielmehr gegen diese Auslegung.

Eine Beweisaufnahme zur streitigen Frage des vereinbarten Leistungsumfangs durch den Senat kommt nicht in Betracht, da der Sachverhalt vom Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt worden ist und der Entscheidung im Berufungsrechtsszug daher gem. § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde gelegt werden muss. Die Kammer musste die Aufklärung weder auf die von der Beklagten benannten Zeugen L. und R. erstrecken, noch war sie verpflichtet, auf den zu Recht nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 13. August 2002 die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die Klägerin hatte bereits in der Klageschrift (Bl. 6 d.A.) vorgetragen, dass im Dezember 1999 eine Einigung über den Leistungsumfang erzielt worden sei und dazu nach dem ersten Verhandlungstermin vor dem Landgericht ergänzend (Bl. 55 d.A.) vorgetragen. Die Beklagte war dem in der Klageerwiderung zwar entgegengetreten. Sie hat innerhalb des ihr gewährten Schriftsatznachlasses in ihren Schriftsätzen vom 14. und 28. Juni 2002 aber bezüglich des Gesprächsinhaltes keinen Gegenbeweis angeboten. Auf der Grundlage dieses Sach- und Streitstandes ist sodann der klar formulierte Beweisbeschluss der Kammer ergangen, welcher den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 8. Juli 2002 zugestellt worden ist. Erst mit Schriftsatz vom 23. Juli 2002 (Eingang bei Gericht: 24. Juli 2002) hat die Beklagte – freilich ohne Benennung eines konkreten Beweisthemas – die Zeugen R. und L. „höchst vorsorglich“ benannt. Diese konnten nicht mehr rechtzeitig geladen werden, so dass sie zum Beweistermin vom 30. Juli 2002 nicht erschienen sind. Eine förmliche Erweiterung des Beweisbeschlusses im Sinne des § 360 ZPO ist in dieser nur vorbereitend (§ 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO) erfolgten Ladung der Zeugen nicht zu erblicken. Die Kammer war daher nicht verpflichtet, die Beweisaufnahme um die Vernehmung der Zeugen zu erweitern. Dies gilt zumal deswegen, weil diese zu dem Inhalt des Gespräches zwischen den Herren M. und S. vom 16.12.1999 aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen konnten.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO n.F.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 134.514,76 EUR

Vorinstanz:
LG Bonn, Az. 10 O 3/02

I