OLG München: Im Ordnungsmittelverfahren (Ordnungsgeld) ist Vollbeweis erforderlich, keine Glaubhaftmachung

veröffentlicht am 11. September 2020

OLG München, Beschluss vom 11.03.2015, Az. 29 W 290/15
§ 286 ZPO, § 294 ZPO, § 890 ZPO

Das OLG München hat darauf hingewiesen, dass im Ordnungsmittelverfahren der Vollbeweis auch dann erforderlich ist, wenn der zu vollstreckende Titel im Verfügungsverfahren ergangen ist. Die Glaubhaftmachung reiche nicht aus, so der Senat.


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Oberlandesgericht München

Beschluss

I. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 16. Dezember 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht München I zurückverwiesen.

II. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Gläubigerin erwirkte im Beschlussweg eine einstweilige Verfügung, in welcher der Schuldnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bestimmte Behauptungen aufzustellen, wie auf der Website unter Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig. geschehen.

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2013 setzte das Landgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft von zehn Tagen, gegen die Schuldnerin fest, weil diese zumindest fahrlässig dadurch gegen das Verbot zuwider gehandelt habe, dass der streitgegenständliche Artikel fünf Tage lang auf ihrer Website abrufbar gewesen sei.

Mit Urteil vom 5. November 2013 bestätigte das Landgericht die einstweilige Verfügung. Die Schuldnerin erkannte die einstweilige Verfügung mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2013 (Anl. Gl 1 [nach Bl. 142 d. A.]) als endgültige Regelung an.

Am 10. Juni 2014 um 17:54 Uhr, am 20. Juni 2014 um 15:04 Uhr und am 7. Juli 2014 um 23:24 Uhr war der Text, der Anlass für die einstweilige Verfügung gewesen war, unter der URL … abrufbar (vgl. die Anlagen Gl 2 [nach Bl. 142 d. A.], Gl 3 [nach Bl. 144 d. A.] und Gl 4 [nach Bl. 146 d. A.]).

Die Gläubigerin hat darin bewusste und zielgerichtete Zuwiderhandlungen gegen das titulierte Verbot gesehen und mit Anträgen vom 10. Juni 2014 (Bl. 141 f. d. A.), vom 20. Juni 2014 (Bl. 143 f. d. A.) und vom 8. Juli 2014 (Bl. 145 f. d. A.) die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen die Schuldnerin beantragt.

Die Schuldnerin ist den Anträgen entgegengetreten und hat behauptet, sie habe ihren technischen Dienstleister im August 2013 beauftragt, die Seite mit dem angegriffenen Text von ihrer Website zu nehmen; dieser sei schriftlich darauf hingewiesen worden, dass der Text nicht mehr veröffentlicht werden dürfe. Sie habe sich selbst davon überzeugt, dass der Text nicht mehr online abrufbar gewesen sei. Bei einem Server-Umzug ihres technischen Dienstleisters am 28. März 2014 sei die deaktivierte Seite …, auf der sich der Text befunden habe, versehentlich hochgeladen und online gespeichert worden; nachdem sie am 7. Juli 2014 durch die Zustellung der Ordnungsmittelanträge vom 10. und vom 20. Juni 2014 davon Kenntnis erlangt habe, habe sie ihren technischen Dienstleister umgehend aufgefordert, die Seite zu löschen, was am 8. Juli 2014 geschehen sei. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie sich auf eidesstattliche Versicherungen ihrer Geschäftsführerin K. (Anl. Sch 4, nach Bl. 153 d. A.) sowie des Chief Technology Officers L. des technischen Dienstleisters (Anl. Sch 2 [nach Bl. 153 d. A.] und Anl. Sch 6 [Anlagenheft]) berufen.

Mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 (Bl. 165 ff. d. A.) hat das Landgericht die Anträge vom 10. Juni 2014 und vom 8. Juli 2014 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schuldnerin zwar verpflichtet gewesen sei, gegenüber ihren Mitarbeitern und Beauftragten tätig zu werden und darauf hinzuwirken, dass die streitgegenständliche Webseite gelöscht werde; aufgrund der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass sie das rechtzeitig getan habe. Sie habe nicht gewusst, dass der Text aufgrund eines Versehens erneut online gewesen sei.

Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer Beschwerde. Sie rügt zum einen, dass das Landgericht für seine Entscheidung Glaubhaftmachungen habe ausreichen lassen, obwohl im Bestrafungsverfahren das Strengbeweisverfahren gelte. Zum anderen ist sie der Auffassung, die Schuldnerin habe schon deshalb nicht alles ihr Zumutbare zur Verhinderung der Zuwiderhandlung getan, weil dazu auch die Mitteilung an Mitarbeiter und Beauftragte gehöre, dass ihr entsprechende Handlungen unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft verboten worden seien.

Die Schuldnerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie verweist darauf, dass auch die Gläubigerin für ihr Vorbringen zu den Zuwiderhandlungen nur Glaubhaftmachungsmittel angeboten habe; rein vorsorglich benenne sie die Verfasser der eidesstattlichen Versicherungen K. und L. als Zeugen. Sie habe auch den Dienstleister über die einstweilige Verfügung und die Wichtigkeit der Einhaltung des Verbots informiert.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2015 (Bl. 181 ff. d. A.) hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Es schließe sich der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen an, wonach in einem Bestrafungsverfahren, das sich an ein Verfügungsverfahren anschließe, die Glaubhaftmachung ausreiche (vgl. OLG Bremen, Beschluss v. 18. September 2002 – 2 W 64/02, juris).

II.
Das als sofortige Beschwerde gemäß § 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel führt zu einem zumindest vorläufigen Erfolg der Gläubigerin.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung zu Unrecht auf die von der Schuldnerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen gestützt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt im Ordnungsmittelverfahren eine Glaubhaftmachung auch nicht in Betracht, wenn der zu vollstreckende Titel im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ergangen ist.

Die das Verfahren der Zwangsvollstreckung von Unterlassungsgeboten regelnden Vorschriften § 890, § 891 ZPO unterscheiden nicht nach der Natur des zu vollstreckenden Titels. Vielmehr ist das Nachweismaß bei einstweiligen Verfügungen gemäß § 936, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO nur für die Entscheidung über den Verfügungsantrag, also im Erkenntnisverfahren, auf die Glaubhaftmachung herabgesetzt. Deshalb gilt für das Verfahren auf Festsetzung von Ordnungsmitteln auch dann, wenn der zu vollstreckende Titel im Verfügungsverfahren ergangen ist, das sich aus der allgemeinen Vorschrift des § 286 ZPO ergebende Gebot des Vollbeweises mit den dafür vorgesehenen Beweismitteln; die Glaubhaftmachung reicht nicht aus (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 5. August 2013 – Champagnerflaschen, juris, dort Tz. 2; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22. September 2012 – I-2 W 37/11, juris, dort Tz. 18; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 8. Juni 2011 – 6 WF 60/11, juris, dort Tz. 10; LG Landau NJW-RR 2002, 214; Stürner in: Beck’scher Onlinekommentar ZPO, Stand 01.01.2015, § 890 Rz. 47; Rensen in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 890 Rn. ; Haft in: Cepl/Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz, 2015, § 890 Rz. 48; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl. 2015, § 12 UWG Rz. 6.8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 890 Rn. 20; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl. 2014, § 890 Rz. 28; Stöber in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 890 Rz. 13; Lackmann in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 890 Rz. 10; Olzen in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl. 2014, § 890 Rz. 23; Spätgens in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl. 2013, Kap. 67 Rz. 41; Gruber in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2012, § 890 Rz. 33; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl. 2011, Kap. 57 Rz. 26; Sturhahn in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl. 2011, § 890 Rz. 39 und § 891 Rz. 3; a. A. soweit ersichtlich nur OLG Bremen, Beschl. v. 18. September 2002 – 2 W 64/02, juris; OLG Dresden, Beschl. v. 4. Juni 2002 – 11 W 680/02, juris, dort Tz. 10 und Dahm MDR 1996, 1100 f.). 2. Danach kann der angegriffene Beschluss keinen Bestand haben.

a) Die von der Gläubigerin bestrittenen Behauptungen der Schuldnerin dazu, wie es zu der Zuwiderhandlung gekommen sei, sind streiterheblich.

Da eine Zuwiderhandlung regelmäßig in einem Verhalten des Schuldners oder seiner Mitarbeiter liegt und damit seiner Sphäre zuzuordnen ist, hat er darzulegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um einen Verstoß gegen das titulierte Unterlassungsgebot zu unterbinden. Im Streitfall spricht bereits der Umstand, dass der verbotene Text erneut unter einer der Schuldnerin zustehenden Domain abgerufen werden konnte konnte, dafür, dass diese keine hinreichenden Vorsorgemaßnahmen getroffen hatte, um weitere Verstöße zuverlässig zu unterbinden. Es ist unter diesen Umständen ihre Sache darzulegen, weshalb gleichwohl kein Verschulden gegeben sein soll (vgl. BGH GRUR 2009, 427 – Mehrfachverstoß gegen Unterlassungstitel Tz. 16; Köhler, a. a. O., § 12 UWG Rz. 6.8).

Die Streiterheblichkeit wird entgegen der Auffassung der Gläubigerin nicht dadurch ausgeräumt, dass auf ein Verschulden der Schuldnerin bei der Instruierung ihres technischen Dienstleisters abgestellt wird. Zum einen wäre der – bei der Höhe des festzusetzenden Ordnungsgelds zu berücksichtigende – Verschuldensgrad geringer, wenn der Schuldnerin nicht die von der Gläubigerin behauptete bewusste und zielgerichtete Zuwiderhandlung vorzuwerfen wäre, sondern nur eine fahrlässig unzulängliche Unterrichtung des Dienstleisters. Zum anderen hat die Schuldnerin vorgetragen, dass sie den Dienstleister über die einstweilige Verfügung und die Bedeutung deren Einhaltung informiert habe; dieses Vorbringen findet ansatzweise auch einen Anhalt in der eidesstattlichen Versicherung gemäß Anlage Sch 6, in welcher der Chief Technical Officer L. angibt, sein Unternehmen sei von der Schuldnerin beauftragt worden, den Text aufgrund einer einstweiligen Verfügung zu löschen. Es kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Schuldnerin die ihr obliegenden Pflichten zur Einwirkung auf Dritte (vgl. Köhler, a. a. O., § 12 UWG Rz. 6.7 m. w. N.) verletzt habe.

Für die Entscheidung über die Ordnungsmittelanträge der Gläubigerin ist daher den Beweisangeboten der Schuldnerin nachzugehen, wobei die Vernehmung der Geschäftsführerin der Schuldnerin als Zeugin nicht in Betracht kommt.

b) Der angegriffene Beschluss erweist sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt als im Ergebnis richtig, dass auch die Antragstellerin nur die Glaubhaftmachung ihres Vorbringens zu den Zuwiderhandlungen angeboten hat, und deshalb ihrerseits beweisfällig geblieben sei. Denn dieses Vorbringen ist unstreitig und bedarf daher keines Beweises. Zwar ist die Schuldnerin dem anfänglichen Vorbringen der Gläubigerin entgegengetreten, der verbotene Text sei unter der … abrufbar; die Gläubigerin hat indes daraufhin klargestellt, dass der Abruf tatsächlich unter der URL … abrufbar gewesen sei (was im Übrigen bereits den von der Gläubigerin vorgelegten Anlagen Gl 2 bis Gl 4 entnommen werden kann). Das hat die Schuldnerin nicht mehr bestritten.

3. Da die gebotene Beweisaufnahme bislang nicht erfolgt ist, macht der Senat von der durch § 572 Abs. 3 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen. Dabei wird das Landgericht auch Gelegenheit haben, sich mit dem bislang nicht behandelten Antrag der Gläubigerin vom 20. Juni 2014 auseinanderzusetzen.

III.
Zu den Nebenentscheidungen:

Die Entscheidung über den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Maßgebend für die Bemessung des Streitwerts im Verfahren der Vollstreckung eines Unterlassungstitels ist das Interesse des Gläubigers an der Erzwingung, das regelmäßig als Bruchteil des Streitwerts des Erkenntnisverfahrens bemessen wird (vgl. Heinrich in: Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 3 Rz. 32a; Köhler, a. a. O., § 12 UWG Rz. 5.16; Hüßtege in: Thomas/Putzo, a. a. O., § 3 Rz. 115; Büttner in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl. 2013, Kap. 40 Rz. 70; jeweils m. w. N.).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht (vgl. § 574 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 ZPO). Insbesondere gebieten weder der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 18. September 2002 – 2 W 64/02, juris, noch derjenige des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Juni 2002 – 11 W 680/02, juris, eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil sich der vorliegende Sachverhalt von denen unterscheidet, die jenen Entscheidungen zugrunde lagen; denn im Streitfall hatte die Schuldnerin die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt und sie daher einem Hauptsacheurteil gleichgestellt, dessen Vollstreckung auch nach der Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen und des Oberlandesgerichts Dresden den Vollbeweis erfordert.

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