OLG München, Urteil vom 16.10.2014, Az. 29 U 1698/14
Art. 103 Abs. 2 a) ii) VO (EU) Nr. 1308/2013; § 127 Abs. 2 und 3 MarkenG, § 128 Abs. 1 MarkenG; § 3 UWG, § 4 Nr. 9 b) UWG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG
Das OLG München hat entschieden, dass die Bezeichnung eines Tiefkühlprodukts als „Champagner-Sorbet“ keine unlautere Rufausnutzung der geschützten Bezeichnung und Herkunftsangabe „Champagner“ darstellt, wenn Champagner als wesentliche Zutat verwendet wurde. Dann bestehe ein berechtigtes Interesse des Herstellers des Sorbets, die Bezeichnung zu verwenden, so dass eine Unlauterkeit nicht anzunehmen sei. Auch wenn der Champagnergehalt lediglich 12 % betrage, liege keine Irreführung vor, da die Bezeichnung keine Aussage über die enthaltene Menge treffe. Zum Volltext der Entscheidung:
Oberlandesgericht München
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
erlässt das Oberlandesgericht München – 29. Zivilsenat – durch … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2014 folgendes Urteil
I.
Auf die Berufung der Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18. März 2014, Az. 33 O 13181/13, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
III.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte ein champagnerhaltiges Tiefkühlprodukt als „Champagner Sorbet“ bezeichnen darf.
Die Klägerin ist die Organisation der Champagnerwirtschaft, der sämtliche mit dem Anbau und der Herstellung des Champagner befassten Winzer und Champagner-Firmen angeschlossen sind. Die Beklagte ist ein Lebensmittel-Discounter. Die Streithelferin stellt Tiefkühlprodukte her.
Ende 2012 wurde die Klägerin darauf aufmerksam, dass die Beklagte das streitgegenständliche – von der Streithelferin bezogene – Produkt „Champagner Sorbet“ wie nachfolgend wiedergegeben in Prospekten bewarb.
Ausweislich der Zutatenliste auf der Unterseite der Produktverpackung setzt sich das von der Beklagten vertriebene Sorbet aus folgenden Zutaten zusammen:
Wasser, Zucker, Champagner (12%), Maltodextrine, GIucosesirup, Birnenpüree (Birnen, Zucker, natürliches Aroma, Säuerungsmittel: Zitronensäure), natürliches Aroma, Karottenextrakt, Gelatine, Geliermittel: Johannisbrotkernmehl, Pektin, Säuerungsmittel: Zitronensäure.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit dem Vertrieb der beanstandeten Tiefkühlkost unter der Bezeichnung „Champagner Sorbet“ die Rechte an der geschützten Ursprungsbezeichnung und qualifizierten geographischen Herkunftsangabe „Champagne“. Die Verarbeitung von Champagner berechtige die Beklagte nicht, die Ursprungsbezeichnung selbst für ihre Produkte zu verwenden.
Die Klägerin hat daher in erster Instanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meldung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an einem der jeweiligen Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Tiefkühlkost die Bezeichnung „Champagner Sorbet“ zu benutzen, insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend eingelichtet:
Die Beklagte und die Streithelferin haben in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 18. März 2014 stattgegeben. Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Streithelferin.
Die Streithelferin hat in der Berufungsinstanz beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I vom 18. März 2014 – 33 O 13181/13 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2014 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht nicht.
1.
Der mit der Klage gegenüber der Beklagten geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus Art. 103 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1308/2013. Mit dem streitgegenständlichen Produkt wird das Ansehen der Bezeichnung „Champagner“ nicht in unlauterer Weise ausgenutzt.
Gemäß Art. 103 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1308/2013 wird eine geschützte Ursprungsbezeichnung gegen jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung geschützt, soweit dadurch das Ansehen der Ursprungsbezeichnung ausgenutzt wird.
a.
Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte die in der EU geschützte Ursprungsbezeichnung „Champagne“ für den Vertrieb ihres als „Champagner Sorbet“ bezeichneten Tiefkühlprodukts kommerziell verwendet hat. Richtig ist auch, dass mit der Bezeichnung „Champagner“ besondere Gütevorstellungen verbunden sind, so dass diese Bezeichnung hohes Ansehen genießt (so auch BGH GRUR 2005, 957 [BGH 19.05.2005 – I ZR 262/02] – Champagner Bratbirne). Insoweit ist der Tatbestand des Art. 103 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1308/2013 erfüllt; hiergegen wendet sich auch die Streithelferin mit ihrer Berufung nicht.
b.
Voraussetzung des Schutzes nach Art. 103 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1308/2013 ist entgegen der Ansicht des Landgerichts allerdings auch, dass die Verwendung der Ursprungsbezeichnung in unlauterer Weise erfolgt. Eben dies ist hier aber nicht der Fall.
Entgegen dem Begriffsverständnis des Landgerichts genügt zur Annahme einer Verletzung nach Art. 103 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1308/2013 nicht jedwede Verwendung der Bezeichnung „Champagner“. Nach Art. 103 Abs. 2 der VO (EU) Nr. 1308/2013 besteht kein absoluter, von jeglicher Unlauterkeit unabhängiger Schutz. Andernfalls wäre beispielsweise auch die kommerzielle Verwendung der Bezeichnungen „Champagnerzange“ oder „Champagnerglas“ ohne weiteres unzulässig (dagegen zu Recht OLG Düsseldorf GRUR Int. 1967, 109).
aa.
Zur Auslegung des Begriffs „ausnutzen“ hat das Landgericht zwar den Rahmen, innerhalb dessen die gesuchte Bedeutung liegen muss, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch zutreffend abgesteckt. Der Versuch einer vom konkreten Kontext losgelösten Bestimmung des Wortsinns nach dem allgemeinen Sprachgebrauch führt hier allerdings zu keinem eindeutigen Ergebnis: Für sich genommen lässt das Wort „ausnutzen“ sowohl ein Verständnis zu, nach dem dem Begriff ein Unwerturteil immanent ist (Nutzung in rücksichtsloser oder mißbräuchlicher Weise), als auch ein Verständnis, in dem das Wort wertneutral verwandt wird (ganz, vollständig oder optimal nutzen).
bb.
Fragt man nach dem Bedeutungszusammenhang, in dem das Wort in der Gesetzessprache gemeinhin verwandt wird, zeigt sich, dass sowohl in der europäischen Gesetzgebung (siehe beispielsweise Art. 9 Abs. 1 g) der RL 2010/13/EU „Ausnutzen der Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit“; Art. 9 c) der RL 2005/29/EG „Ausnutzen konkreter Unglückssituationen“) als auch in der deut-schen Gesetzgebung (siehe etwa § 20 Abs. 3 GWB „Ausnutzen überlegener Marktmacht“; § 26 Abs. 1 BörsenG „Ausnutzung der Unerfahrenheit“; § 239a StGB „Sorge des Opfers um sein Wohl ausnutzen“) die Verwendung des Wortes „ausnutzen“ immer dann mit einem Unwerturteil einhergeht und mit Verboten sanktioniert ist, wenn das Ausnutzen mit Blick auf das Bezugsobjekt (Zwangslage, Marktmacht, Sorge, Unerfahrenheit, Hilflosigkeit) zu Lasten eines Anderen geht. Dabei ergibt sich das Unwerturteil ohne weiteres mit Blick auf das Bezugsobjekt, ohne dass dies auch immer durch einen Zusatz wie „unbe-rechtigt“, „missbräuchlich“ oder „in unlauterer Weise“ zum Ausdruck gebracht werden müsste. Nicht anders verhält es sich beim Ausnutzen des Ansehens eines Anderen.
cc.
Nach dem Gesetzeszweck der VO (EU) Nr. 1308/2013 werden ausweislich des Erwägungsgrundes Nummer 97 zu dieser Verordnung Ursprungsbezeichnungen im Hinblick auf die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Verbraucherschutz geschützt („… Um einen fairen Wettbewerb zu fördern und die Verbrau-cher nicht irrezuführen …). Folgerichtig handelt es sich bei den Regelungen des Art. 103 Abs. 2 der VO EU) Nr. 1308/2013 um Unlauterkeitstatbestände. Für Abs. 2 c) und d) ist dies nach dem Wortlaut („irreführende Angaben“ bzw. „irre-zuführen“) evident. Abs. 2 b) regelt den Schutz gegen die anlehnende – nicht notwendig irreführende – Bezugnahme, wobei das Unlauterkeitsmerkmal insoweit zwanglos aus der Tatbestandsvoraussetzung „widerrechtlich“ entnommen werden kann. Für Abs. 2 a) i) liegt die den Schutz begründende Unlauterkeit ersichtlich darin, dass die betreffenden Erzeugnisse der erforderlichen Produktspezifikation nicht entsprechen. Auch der Regelungsgegenstand des Abs. 2 a) ii) (Rufausbeutung) ist typischerweise Gegenstand des Lauterkeitsrechts und findet sich hier auch eingebettet in den entsprechenden Kontext, so dass auch insoweit von einem Unlauterkeitsgehalt der Regelung auszugehen ist.
dd.
Keinen Zweifel daran, dass nach Art. 103 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1308/2013 eine Nutzung in unlauterer Weise Schutzvoraussetzung ist, besteht schließlich nach Art. 4 f) der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung. Dort heißt es ausdrücklich, dass vergleichende Werbung – was den Vergleich anbelangt – zulässig ist, wenn sie den Ruf einer Marke, eines Handelsnamens oder anderer Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers oder der Ursprungsbezeichnung von Konkurrenzerzeugnissen nicht in unlauterer Weise ausnutzt. Begründet wird dies unter Ziffer (12) der Erwägungsgründe dieser Richtlinie damit, dass zu den Bedingungen für vergleichende Werbung
„… insbesondere die Einhaltung der Vorschriften gehören [sollte], die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, insbesondere aus Artikel 13 dieser Verordnung [jetzt Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1151/2012], und den übrigen Gemeinschaftsvorschriften im Bereich der Landwirtschaft [wie etwa jetzt die VO (EU) Nr. 1308/2013] ergeben.“
Der europäische Gesetzgeber ging demnach bereits vor Erlaß der Verordnung Nr. 1308/2013 ganz selbstverständlich davon aus, dass Voraussetzung des Schutzes gegen Rufausnutzung die Verwendung der betreffenden Bezeichnung in unlauterer Weise ist. Dies gilt gleichermaßen für Marken (so ausdrücklich schon Art. 5 Abs. 2 der MarkenRL 2008/95/EG) wie für Ursprungsbezeichnungen von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln. Damit ist die Rechtsansicht der Klägerin widerlegt, wonach kennzeichenrechtlicher Schutz keine Irreführung oder sonst eine unlautere Handlung voraussetze. Unerheblich ist folglich, ob in den von der Richtlinie 2006/114/EG betroffenen Gemeinschaftsvorschriften die Unlauterkeit der Verwendung ausdrücklich angesprochen wird. Sie ist den jeweiligen Regelungen – wenn auch als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – immanent. Dementsprechend ist der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil zur parallelen und insoweit mit Art. 103 Abs. 2 a) ii) der VO (EU) Nr. 1308/2013 wortgleichen Regelung des Art. 16 der VO (EG) 110/2008 (Spirituosenbezeich-nungsVO; EuGH GRUR 2011, 926 [EuGH 14.07.2011 – C 4/10] Tz. 46 ff.) ohne weiteres davon ausgegangen, dass die Rufausbeutung „in unberechtigter Weise“ erfolgen muss.
ee.
Auch die Gesetzessystematik, mit der das Landgericht seine Auslegung begründet, steht einem solchen Verständnis nicht entgegen.
Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis der Vorschrift hat diese als Grundvorschrift zu Art. 103 Abs. 2 b) der VO (EU) Nr. 1308/2013 einen eigenständigen Regelungsgehalt. Art. 103 Abs. 2 b) der VO (EU) Nr. 1308/2013 erweitert einerseits den Schutz gegenüber Abs. 2 a) der Verordnung: Statt der Verwendung ist schon die bloße Anspielung ausreichend (so auch In-gerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, § 135 Rn. 6 ff.). Andererseits stellt Art. 103 Abs. 2 b) der VO (EU) Nr. 1308/2013 im Verhältnis zu Abs. 2 a) eine Spezialregelung dar, mit der konkrete Fallgestaltungen der Verwendung (etwa durch Übersetzung oder in Verbindung mit entlokalisierenden Zusätzen) eine ausdrückliche Regelung erfahren haben.
c.
Die umfassende Beurteilung aller Umstände ergibt hier, dass die Benutzung der Bezeichnung „Champagner“ in Wahrnehmung berechtigter Interessen der Beklagten – und damit nicht in unlauterer Weise – erfolgte.
Durch die Nutzung der Ursprungsbezeichnung profitiert die Beklagte zwar von der Werbewirkung der Bezeichnung Champagner. Unlauter wäre dies allerdings nur, wenn sich die Beklagte den Ruf dieser Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund – etwa ohne jede Eigenleistung (vgl. insoweit zum Markenrecht EuGH GRUR 2009, 756 [EuGH 18.06.2009 – Rs. C-487/07] Tz. 49 – L’Oréal/Bellure) – zunutze gemacht hätte.
Die Beklagte verwendet die Bezeichnung „Champagner“ als Bestandteil der Produktbezeichnung „Champagner-Sorbet“. Dabei ist der Begriff „Champagner-Sorbet“ keine Erfindung der Beklagten bzw. der Streitverkündeten, sondern ausweislich der von beiden Streitparteien vorgelegten Rezepte in der deutschen Sprache und in der deutschen Küchenliteratur eine feststehende Bezeichnung für eine halbgefrorene Süßspeise mit Champagnerzusatz. Das „Champagner-Sorbet“ steht damit in einer Reihe anderer bekannter Süßspeisen wie zum Beispiel „Mousse au chocolat“, „Crème brûlée“ oder „Panna cotta“. Die Beklagte verwendet mithin für ihr Tiefkühlprodukt eben diejenige Bezeichnung, unter der dem Verkehr eine solche Speise bekannt ist; insofern unterscheidet sich das hier zu beurteilende Produkt auch von Lebensmitteln, wie sie von der Klägerin angeführt werden, die möglicherweise unter Zugabe von Markenprodukten wie „Coca-Cola“ oder „Hohes C“ hergestellt werden könnten.
Die Klägerin ist zwar der Ansicht, dass der im Produkt der Beklagten enthaltene Champagneranteil (12%) für ein solches Sorbet überaus gering sei. Das Bestehen verbindlicher Rezepturen für „Champagner-Sorbets“, deren strikte Einhaltung Bedingung für die Verwendung dieser Bezeichnung sein könnten, behauptet sie aber selbst nicht. Die Klägerin behauptet auch nicht, bei dem Tiefkühlprodukt der Beklagten handele es sich nicht um „Champagner-Sorbet“. Soweit die Klägerin vorträgt, der im „Champagner-Sorbet“ der Beklagten enthaltene Champagneranteil sei nicht geschmacksbestimmend, ist festzuhalten, dass dies letztlich auch für jene „Champagner-Sorbet“-Rezepturen gilt, deren Champagneranteil die Klägerin mit 60% (unter Berücksichtigung des in den vorgelegten Rezepten bestimmten Wasseranteils richtigerweise nur knapp 40%) angibt; denn auch in diesen wird Champagner zu einem Tiefkühlerzeugnis verarbeitet, so dass es – um mit der Klägerin zu sprechen – allein dadurch „um die meisten besonderen Eigenschaften des „Champagne“ [Bouquet, Feinperligkeit, Bekömmlichkeit] geschehen ist“. Hinzu kommt – und auch das gilt für die von der Klägerin vorgelegten Rezepturen -, dass die besonderen Eigenschaften von Champagner nach dem Vortrag der Klägerin ohnehin „bei der Vermischung mit anderen Produkten regelmäßig untergehen“. Ungeachtet der Frage, ob die Zutat Champagner in einem Champagner-Sorbet überhaupt geschmacksbestimmend sein kann, bleibt es jedenfalls dabei, dass die Bezeichnung „Champagner-Sorbet“ in der deutschen Sprache und Küchenliteratur eine feststehende Bezeichnung für eine halbgefrorene Süßspeise mit Champagnerzusatz ist.
Entscheidend ist damit letztlich, dass Champagner mit 12% mengenmäßig eine wesentliche Zutat des streitgegenständlichen Produkts darstellt. Die in dem streitgegenständlichen Produkt verwandte Menge an Champagner lässt es jedenfalls nicht zu, der Beklagten bzw. der Streitverkündeten zu unterstellen, die Champagnerbeigabe sei nicht aus produktspezifischen Gründen, sondern allein zu Marketingzwecken erfolgt, um nämlich einen Vorwand zur Verwendung der Bezeichnung „Champagner“ zu schaffen.
Bei dem von der Beklagten vertriebenen Produkt handelt es sich nach allem um ein Champagner-Sorbet. Es ist das berechtigte Interesse der Beklagten, ihr Produkt entsprechend den Bezeichnungsgewohnheiten im Verkehr zu benennen. Angesichts dessen kommt es nicht entscheidend darauf an, dass die Beklagte zur Kennzeichnung ihres Produkts auch eine andere – weniger aussagekräftige – Bezeichnung hätte wählen können. Die Beklagte musste sich insbesondere nicht darauf beschränken, den verwendeten Champagner lediglich in der Zutatenliste zu nennen, da es hier nicht lediglich um eine Zutat geht, sondern diese Zutat als namensgebender Bestandteil des Produkts selbst Bedeutung erlangt hat.
2.
Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 103 Abs. 2 b) der VO (EU) Nr. 1308/2013.
Auch nach Art. 103 Abs. 2 b) der VO (EU) Nr. 1308/2013 ist die Widerrechtlichkeit der Nutzung Tatbestandsvoraussetzung. Die Verwendung der angegriffenen Zeichen war jedoch nach den insoweit entsprechend geltenden Erwägungen unter Ziffer II.1.c. gerechtfertigt und damit nicht widerrechtlich.
3.
Bei der Bezeichnung „Champagner-Sorbet“ handelt es sich auch nicht um eine falsche oder irreführende Angabe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 c) der VO 1308/2013.
Die streitgegenständliche Bezeichnung ist nicht geeignet, einen falschen oder irreführenden Eindruck hinsichtlich des Ursprungs zu erwecken. Die angesprochenen Verkehrskreise – zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen – entnehmen der Produktbezeichnung zwar, dass in dem Produkt, einem mit Champagner hergestellten Sorbet, Champagner verarbeitet wurde, nicht aber – im Unterschied etwa zu einem als „Champagner“ bezeichneten Schaumwein -, dass das Produkt auch in der Champagne hergestellt wurde.
4.
Auch aus dem deutsch-französischen Herkunftsabkommen ergibt sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht.
Zwar ist der Schutz der in der Anlage B zu Art. 3 des Abkommens aufgeführten Bezeichnung „Champagne“ nicht auf die in den Gruppenüberschriften dieser Anlage angeführten Warenarten beschränkt. Er richtet sich auch gegen die Verwendung der Bezeichnung für andere Waren, wenn diese Verwendung nach der Art der damit gekennzeichneten Waren geeignet ist, den geschäftlichen Werbewert der Bezeichnung zu beeinträchtigen (vgl. BGH GRUR 2005, 957 [BGH 19.05.2005 – I ZR 262/02] – Champagner Bratbirne). Der Schutz nach Art. 3, 4 des Abkommens erstreckt sich auch auf Wortkombinationen, die – wie im Falle von „Champagner Sorbet“ – mit dem Wort „Champagner“ gebildet worden sind (vgl. BGH a.a.O.).
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist hier aber ausnahmsweise nach dem Sinn und Zweck des Abkommens ausgeschlossen. Ein solcher Ausnahmefall kommt in Betracht, wenn die Verwendung der beanstandeten Bezeichnung in keiner wettbewerbsrechtlich relevanten Weise die geschützte Bezeichnung beeinträchtigen kann. Denn die Auslegung des Abkommens darf sich, auch wenn seine Anwendung im Einzelfall nicht die Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes erfordert, nicht völlig von seinem Zweck lösen, gegen unlauteren Wettbewerb zu schützen (vgl. BGH a.a.O.). Die Verwendung der Bezeichnung ist für den Beklagten durch ein überwiegendes Interesse gerechtfertigt und daher nicht unlauter; insoweit gelten die Erwägungen unter Ziffer II.1.c. entsprechend.
5.
Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 127 Abs. 2 und 3, 128 Abs. 1 MarkenG.
Voraussetzung einer Rufausbeutung nach §§ 127 Abs. 2 und 3, 128 Abs. 1 MarkenG ist, dass diese ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise erfolgt. Dies ist hier nicht der Fall; insoweit gelten die Erwägungen unter Ziffer II.1.c. entsprechend.
6.
Auch mit einer nach §§ 3, 4 Nr. 9 b) UWG wettbewerbswidrigen Rufausbeutung oder mit der von der Klägerin in diesem Zusammenhang herangezogenen Vorschrift des § 5 Abs. 2 UWG lässt sich der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht begründen.
Voraussetzung einer wettbewerbswidrigen Rufausbeutung ist, dass diese ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise erfolgt. Dies ist hier nicht der Fall; insoweit gelten die Erwägungen unter Ziffer II.1.c. entsprechend.
7.
Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer von der Klägerin behaupteten Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
Die streitgegenständliche Bezeichnung ist nicht geeignet, einen irreführenden Eindruck hinsichtlich der Höhe des Champagneranteils zu erwecken. Die angesprochenen Verkehrskreise – zu denen auch die Mitglieder des Senats zählen – gehen entsprechend der Produktbezeichnung zwar davon aus, dass in dem Produkt Champagner verarbeitet wurde. Einen Hinweis auf den Champagnergehalt oder – damit möglicherweise korrelierend – die Intensität des Champagnergeschmacks entnehmen die angesprochenen Verkehrskreise der Bezeichnung hingegen nicht.
III.
1.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3.
Die Revision war zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO). Die hier zur Entscheidung gestellte Rechtsfrage hat über den konkreten Fall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung und ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt.
Vorinstanz:
LG München I, Az. 33 O 13181/13