OLG Nürnberg: Abmahnung ohne Unterlassungserklärung und Vollmacht ist wirksam / Unzureichende Vertragsstrafe / 2023

veröffentlicht am 4. Juli 2023

Vertragsstrafe
OLG Nürnberg, Anerkenntnis- und Endurteil vom 09.05.2023, Az. 3 U 3524/22

 § 174 BGB, § 13 Abs. 3, Abs. 4 UWG

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine „isolierte“ Abmahnung, der keine vorbereitete Unterlassungserklärung beigefügt ist, nicht wegen fehlender Vollmacht zurückgewiesen werden kann. § 174 BGB sei insoweit nicht anwendbar. Voraussetzung für die Anwendung der für Willenserklärungen geltenden Bestimmungen auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sei, dass der Zweck der Norm auch im konkreten Fall bei der jeweiligen rechtsgeschäftsähnlichen Handlung die Anwendung verlange, was bei einer wettbewerbs- oder immaterialgüterrechtlichen Abmahnung nicht der Fall sei. Das OLG Nürnberg hat dies näher ausgeführt. Im Übrigen hielt der Senat eine Vertragsstrafe von 1.500 EUR im konkreten Fall für unzureichend. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Nürnberg

Urteil

I. Auf die Berufung der Klägerin und (soweit Ziffer. 1. des Versäumnisurteils betroffen ist) das Anerkenntnis der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 30. November 2022, Az. 13 O 373/21, abgeändert und das Versäumnisurteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 22. März 2022 aufrechterhalten.
 
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen, als darüber noch nicht im Versäumnisurteil des Landgerichts Weiden i.d.OPf. vom 22. März 2022 entschieden ist. Ausgenommen hiervon sind Kosten, die durch die Anrufung des Landgerichts Dresden entstanden sind; diese trägt die Klägerin.
 
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
 
Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.000,00 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten noch darum, ob der Klägerin wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche trotz einer von der Beklagten abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung zustanden und wer die Abmahn- und die Prozesskosten zu tragen hat.
2
Die klagende Gesellschaft mit beschränkter Haftung ließ die beklagte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die wie sie mit Elektrozubehör handelt, unter dem 17. November 2020 durch ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten abmahnen und zur Abgabe einer (nicht ausformulierten) strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern, weil am Vortag im Online-Shop „s.“ der Beklagten auf ebay in drei Fällen Elektrokabel für den Erwerb durch Endverbraucher angeboten wurden, ohne dass dabei der Meterpreis als Grundpreis angegeben war. Mit gesondertem Schreiben vom 24. November 2020 wies die Beklagte gegenüber dem nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Abmahnung mangels Vorlage einer Vollmacht gem. § 174 BGB zurück (Anlage K 4) und versprach der Klägerin, entsprechende Bewerbungen zu unterlassen und im Fall einer Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von bis zu 1.500,00 € je Fall an die Beklagte zu zahlen (Anlage K 5). Die Klägerin ließ diese Unterwerfung mit Schreiben ihres nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 7. Dezember 2020 zurückweisen, da der versprochene Betrag zu gering sei, und legte eine Vollmachtsurkunde vor. Im Laufe des nachfolgenden Rechtsstreits hat die Beklagte erneut eine Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafenversprechen von bis zu 1.500,00 € abgegeben, welche die Klägerin wiederum zurückwies.
3
Das Landgericht hat die Beklagte zunächst mit Versäumnisurteil vom 22. März 2022 zur Unterlassung und zur Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 480,20 € nebst Zinsen verurteilt. Im angegriffenen Endurteil vom 30. November 2022 hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, da die zugesagte Vertragsstrafe ausreichend sei.
4
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die die zugesagte Vertragsstrafe wegen der Obergrenze von 1.500,00 € für untauglich hält, und beantragt,

das Endurteil des Landgerichts Weiden vom 30.11.2022, Az. 13 O 373/21, abzuändern und das Versäumnisurteil des Landgerichts Weiden vom 22.03.2022 unter Verwerfung des Einspruchs der Beklagten aufrechtzuerhalten.
5
Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 24. März 2023 den Unterlassungsanspruch anerkannt und beantragt im Übrigen, die Berufung zurückzuweisen.
6
Die Beklagte vertritt weiter den Standpunkt, die zugesagte Vertragsstrafe von bis zu 1.500,00 € sei angesichts der Größe ihres Unternehmens und des Charakters des Verstoßes als „Ausrutscher“ ausreichend. Ihr Anerkenntnis sei ein sofortiges i.S.v. § 93 ZPO, da sie bis zum Bekanntwerden der BGH-Entscheidung „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“ davon ausgehen habe können, dass die von ihr abgegebene Unterwerfungserklärung die Wiederholungsgefahr entfallen habe lassen. Sie ruft ferner in Erinnerung, dass zum 2. Dezember 2020, also noch vor dem Schreiben der Klägerseite vom 7. Dezember 2020, die Neuregelung der § 13 und § 13 a UWG in Kraft getreten ist und danach bei Verstößen der hier vorliegenden Art ein Mitbewerber weder Ersatz von Abmahnkosten noch eine Vertragsstrafe verlangen kann; es hätte mithin sogar eine einfache Unterlassungserklärung genügt, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Die erste Abmahnung sei infolge der erklärten Zurückweisung wegen § 174 BGB unbeachtlich.
7
Der Senat hat über die Sache, soweit nicht ein Anerkenntnis erfolgt war, mündlich verhandelt. Die Beklagte hat anschließend unter dem 27. April 2023 in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, die Klägerin unter dem 4. Mai 2023 hierauf erwidert. Im Übrigen wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung und die ausgetauschten Schriftsätze Bezug genommen, auf Letztere auch wegen des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien.

II.
8
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, weshalb das den Klageanträgen vollumfänglich entsprechende Versäumnisurteil (unter Abänderung des Endurteils) aufrechtzuerhalten war.
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1. Die Berufung der Klägerin ist uneingeschränkt zulässig, insbesondere genügt sie dem Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 ZPO.
10
Die Klägerin musste in der Berufungsbegründung nicht näher begründen, weshalb die Abmahnkosten trotz der von der Beklagten erklärten Zurückweisung gem. § 174 BGB zu erstatten sein sollen. Zwar konnte dieser Umstand dem Erfolg des Zahlungsantrags entgegenstehen, ungeachtet der in der Berufungsbegründung thematisierten Frage, ob der versprochene Höchstbetrag zu niedrig bemessen war oder nicht. Die Berufungsbegründung muss aber aufgrund ihrer Funktion, mögliche tatsächliche und rechtliche Fehler des Ersturteils aufzuzeigen und so den Prozessstoff für die Entscheidung durch das Berufungsgericht aufzubereiten, lediglich auf die Erwägungen eingehen, die sich im angegriffenen Urteil tatsächlich finden und dort tragend für die Entscheidung waren. Vorliegend verhält sich die Entscheidung des Landgerichts nicht zu diesem Aspekt. Die Berufungsbegründung musste (was auch gar nicht möglich war) dann auch nicht ausführen, weshalb die Entscheidung insoweit fehlerhaft sein soll.
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2. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags hatte die Verurteilung ohne Sachprüfung aufgrund des mit Schriftsatz vom 24. März 2023 erklärten Anerkenntnisses zu erfolgen (§ 307 ZPO).
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3. Der als Nebenforderung geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F., § 13 Abs. 3 UWG n.F.) erweist sich als begründet.
13
a) Die Abmahnung vom 17. November 2020 genügte den Anforderungen an eine solche. Sie beschrieb insbesondere hinreichend deutlich, welches tatsächliche Verhalten als wettbewerbswidrig angesehen wurde, und unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten dies als unlauter zu bewerten sei.
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b) Die Beklagte hat zwar die Abmahnung vom 17. November 2020 zurückgewiesen, weil die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine schriftliche Vollmacht nicht beigefügt hatten. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Klägerin nicht Erstattung der Abmahnkosten – auf Grundlage der vor dem 2. Dezember 2020 geltenden Rechtslage im Wettbewerbsrecht – verlangen könnte.
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Die Bestimmung des § 174 BGB war nach (bereits in der mündlichen Verhandlung bekundeten) Auffassung des Senats jedenfalls unter der bis zum 2. Dezember 2020 geltenden Rechtslage auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht anwendbar (ebenso neben den im Folgenden Genannten auch Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 13 Rn. 32; Busch, GRUR 2006, 477 (479); Pfister, WRP 2002, 799 (800 f.); Buchmann WRP 2012, 1345 (1346 f.); a.A. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13 Rn. 32; MüKoUWG/Ottofülling, 3. Aufl. 2022, UWG § 13 Rn. 21).
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aa) Eine höchstrichterliche Entscheidung für die vorliegende Konstellation, dass der Abmahnung nicht zugleich ein (konkretes) Angebot auf Abschluss eines strafbewehrten Unterlassungsvertrags beigefügt ist, liegt nicht vor. Die Entscheidung des BGH vom 19. Mai 2010 (I ZR 140/08, GRUR 2010, 1120) lässt diese Frage offen; aus den Gründen ergibt sich auch, dass sich der von der Beklagten (und auch teilweise in der Literatur) unternommene Gegenschluss, bei „isolierten Abmahnungen“ finde § 174 BGB Anwendung, nicht ziehen lässt.
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bb) Die unmittelbar nur für Willenserklärungen geltende Regelung in § 174 BGB kann zwar auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen anwendbar sein, wozu die Abmahnung gezählt wird (für eine Einordnung als Realakt, der die Anwendung ausschließt, OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 8. Dezember 2009 – 11 U 72/07, GRUR-RR 2010, 221 (222)).
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Voraussetzung für die Anwendung der für Willenserklärungen geltenden Bestimmungen auf rechtsgeschäftsähnliche Handlungen ist jedoch, dass der Zweck der Norm auch im konkreten Fall bei der jeweiligen rechtsgeschäftsähnlichen Handlung die Anwendung verlangt (Ulrici, NJW 2003, 2053 (2054)). § 174 BGB steht in einem engen Regelungszusammenhang mit § 180 S. 1 BGB, der bei einseitigen Rechtsgeschäften eine Vertretung ohne Vertretungsmacht grundsätzlich ausschließt, was typischerweise zu einem erhöhten Erkenntnis- und Vergewisserungsbedarf für den Geschäfts-/Erklärungsgegner führt. Dieser kann nicht notwendig beurteilen, ob der Vertreter Vertretungsmacht besitzt, muss sich aber auf die Rechtsfolgen der Erklärung (sollte sie wirksam sein) einstellen können, zumal sich regelmäßig die Notwendigkeit von Dispositionen für ihn ergibt, sollte die Erklärung wirksam sein. Dies gilt insbesondere deshalb, weil einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärungen zumeist eine Gestaltungswirkung zukommt (Rücktritt, Kündigung). Der Erklärungsgegner kann daher durch die Zurückweisung erreichen, dass ihm wenigstens eine Urkunde vorgelegt wird, an die sich dann die Rechtsscheinswirkungen gem. §§ 170 ff. BGB anschließen (siehe zum Ganzen MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 174 Rn. 1; BeckOK BGB/Schäfer, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 174 Rn. 1; BAG, Urteil vom 14. August 2002 – 5 AZR 341/01, NJW 2003, 236 (236)).
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cc) Der Senat kann nicht erkennen, dass sich an eine wettbewerbs- oder immaterialgüterrechtliche Abmahnung ein gesteigerter Erkenntnis- und Vergewisserungsbedarf für den Erklärungsempfänger anschließt (einen solchen ohne nähere Begründung annehmend aber MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 174 Rn. 6). Die Abmahnung löst keine Gestaltungswirkungen aus. Sie besteht in erster Linie im Hinweis darauf, dass sich der Abgemahnte rechtswidrig verhält und deshalb dem Abmahnenden sowie (jedenfalls in Fällen des UWG) anderen Personen i.S.d. § 8 Abs. 3 UWG Unterlassungsansprüche zustehen, und er diesen nun nachzukommen hat.
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Der Umstand, dass eine Rechtsverletzung gegeben sein soll und von einem potentiellen Unterlassungsgläubiger entdeckt wurde, mag zwar einen gewissen Handlungszwang beim Abgemahnten auslösen, weil er zum einen prüfen muss, ob die tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen des Abmahnenden zutreffen, und (ggf.) zum anderen die notwendigen Schritte treffen muss, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen, sowie ggf. dem Abmahnenden gegenüber dies nachzuweisen. Diese Obliegenheiten sind aber nicht vergleichbar mit den Erfordernissen, die durch eine Gestaltungserklärung wie eine Kündigung oder einen Rücktritt begründet werden. Sie entsprechen vielmehr der Notwendigkeit, Dokumente und Beweismittel zu sichern, wie sie durch eine Anspruchsgeltendmachung zur Wahrung gesetzlicher Ausschlussfristen begründet wird; solche genügen aber nicht, um die Anwendung des § 174 BGB zu gebieten (MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 174 Rn. 1; BAG, Urteil vom 14. August 2002 – 5 AZR 341/01, NJW 2003, 236 (236)).
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Alleine der Hinweis des Gläubigers darauf, dass er einen Anspruch gegen den Schuldner habe und dieser erfüllen müsse, stellt den Schuldner nicht vor gesteigerte Unsicherheiten und damit einen erhöhten Erkenntnis- und Vergewisserungsbedarf, der sich gerade aus der Erklärung des Gläubigers ergibt. Der Anspruch besteht nämlich völlig unabhängig von der hinweisenden Erklärung des Gläubigers; der „Delinquent“ darf sich bereits durch die Abmahnung als solche – sei sie nun mit oder ohne Vollmacht ausgesprochen – „ertappt“ fühlen und kann sich entsprechend verhalten (Schwippert, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2019, § 84 Rn. 24). Von wem die objektiv berechtigte Warnung ausgeht, kann ihm gleichgültig sein (Teplitzky, WRP 2010, 1427 (1430)). Auch ein nicht autorisierter Hinweis auf das wettbewerbswidrige Verhalten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen entfaltet in vollem Umfang seine Wirkung und Funktion (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 8. Dezember 2009 – 11 U 72/07, GRUR-RR 2010, 221 (222); Busch, GRUR 2006, 477 (479)); hierin liegt ein zentraler Unterschied zu Erklärungen, die erst die Rechtslage verändern (Schwippert, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2019, § 84 Rn. 24; Pfister, WRP 2002, 799 (800)). Es hätte dem Schuldner ohnehin oblegen, den Anspruch festzustellen und zu erfüllen. Insoweit ist anerkannt, dass bei der bloßen Geltendmachung von Ansprüchen § 174 BGB regelmäßig nicht zur Anwendung kommt (BeckOK BGB/Schäfer, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 174 Rn. 2).
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dd) Der Abgemahnte bedarf ferner (was auch im Bereich des Wettbewerbsrechts bis zum 1. Dezember 2020 uneingeschränkt galt) des Schutzes des § 174 BGB auch deshalb nicht, weil es ihm unbenommen ist, das Angebot auf Abschluss einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unmittelbar dem Mitbewerber zu unterbreiten (wie es die Beklagte vorliegend auch umgehend unternommen hat). Sie muss sich mithin auch in Fällen der vorliegenden Art nicht auf Vertragsverhandlungen mit dem Vertreter, dessen Vertretungsmacht für ihn nicht zweifelsfrei erkennbar ist, einlassen, sondern kann unmittelbar mit dem Mitbewerber in Kontakt treten, um die Voraussetzungen für den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu schaffen. Zudem steht ihr offen, sich dem Vertreter gegenüber zu unterwerfen und dann nach § 177 BGB vorzugehen.
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ee) Soweit der BGH in seinem Urteil vom 17. Oktober 2000 (X ZR 97/99, NJW 2001, 289; zustimmend Ulrici, NJW 2003, 2053 (2054)) das Interesse des Reiseveranstalters an Klarheit, ob Reisemängel verfolgt werden, genügen hat lassen, unterscheidet sich der Fall ebenfalls von den Fällen der Abmahnung. Zum einen besteht im Wettbewerbs- oder Immaterialgüterrecht, anders als im Reiserecht, keine kurze Frist, die bewusst geschaffen wurde, um dem Veranstalter als Schuldner angesichts des Massencharakters die Möglichkeit offen zu halten, Nachforschungen anzustellen und die Ordnungsgemäßheit seiner Leistung, ggf. unter Einschaltung Dritter, zu überprüfen und belegen zu können. Die Abmahnung wirkt insoweit, anders als die Mängelanzeige nach § 651g BGB a.F. oder § 377 HGB, nicht anspruchserhaltend; sie hat vielmehr auf dessen Bestand und Fortbestand keinerlei Auswirkungen. Abgesehen davon hat der Gesetzgeber die Anwendung von § 174 BGB selbst auf derartige Erklärungen für unangemessen empfunden, da er im Nachgang zu der genannten BGH-Entscheidung § 651 a Abs. 1 BGB um einen S. 2 ergänzt hat, der die Anwendung der Norm ausdrücklich ausschließt. Zum anderen bestehen im Wettbewerbsrecht entsprechende Unterlassungsansprüche nicht nur des Abmahnenden, sondern zahlreicher weiterer Personen.
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ff) Soweit die Abmahnung das gesetzliche Schuldverhältnis konkretisiert, insbesondere, indem sie eine Antwortpflicht begründet (hierauf abstellend z.B. OLG Düsseldorf Urteil vom 21. November 2006 – I-20 U 22/06, BeckRS 2007, 14118 = ZUM-RD 2007, 579 (580); OLG Nürnberg, Beschluss vom 4. Januar 1991, WRP 1991, 522 (523) = GRUR 1991, 387), sind damit keine besonderen Bemühungen und Aufwendungen verbunden, die den Abgemahnten erheblich belasten würden. Es ist damit jedenfalls kein gesteigerter Bedarf nach Rechtssicherheit und damit Vergewisserung gegeben.
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gg) Gegen eine Anwendung von § 174 BGB bei „isolierten“ Abmahnungen spricht ferner, dass die Differenzierung gegenüber Abmahnungen mit ausformulierter Unterlassungserklärung kaum sachlich zu begründen wäre. Die Abmahnung hat immer zum Ziel (wenn auch nicht zum Inhalt), eine außergerichtliche Beilegung des Konflikts herbeizuführen, bildet somit die Grundlage für einen strafbewehrten Unterlassungsvertrag (vgl. Buchmann WRP 2012, 1345 (1346 f.)). Warum dann in den Fällen, in denen sich der Abmahnende auf die Abmahnung beschränkt, der Abgemahnte weitergehende Verteidigungsmöglichkeiten besitzen soll als in den Fällen, in denen der Abmahnende bereits einen zusätzlichen Schritt hin zum Abschluss eines solchen Vertrags unternimmt, indem er ein annahmefähiges Angebot formuliert, wäre nicht zu erklären (vgl. Schwippert, in: Gloy/Loschelder/Danckwerts, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage 2019, § 84 Rn. 24).
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hh) Berücksichtigung finden muss ferner, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle Abmahnungen (insbesondere, wenn sie durch Rechtsanwälte erfolgen) mit entsprechender Vollmacht ausgesprochen werden und daher auch insoweit „berechtigt“ sind. Ein uneingeschränktes (d.h. nicht konkrete Anhaltspunkte für das Fehlen einer Vollmacht voraussetzendes) Zurückweisungsrecht würde die Verfolgung und Bekämpfung unlauterer Verhaltensweisen, die im Interesse der Allgemeinheit liegt, jedenfalls verzögern und erschweren (vgl.Teplitzky, WRP 2010, 1427 (1430)).
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c) Durch die Abmahnung vom 17. November 2020 wurde daher ein Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F. begründet.
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d) Entgegen dem Standpunkt der Beklagten führte die Neuregelung zum 2. Dezember 2020 nicht dazu, dass dieser Anspruch wieder entfiel. § 13 Abs. 4 BGB begründet keine Einwendung gegenüber bereits entstandenen Ansprüchen.
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Zwar traten die Änderungen des UWG (von den Regelungen zur Eintragungspflicht von Verbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG abgesehen) sogleich am Tag nach Verkündung des Gesetzes im BGBl. und ohne Übergangsregelung in Kraft. Die neuen Bestimmungen sollten daher sofort Anwendung finden, und zwar auch auf bereits zuvor angelegte Sachverhalte. Dies zieht jedoch nicht das Erlöschen bereits entstandener schuldrechtlicher Ansprüche nach sich. Vielmehr gilt hier (anders als bei negatorischen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen, die laufend neu entstehen), dass einmal durch Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale begründete Ansprüche nicht dadurch erlöschen, dass sie aufgrund einer Veränderung der Rechtslage nunmehr und in Zukunft nicht mehr entstehen könnten. Alles andere wäre eine grundsätzlich verfassungsrechtlich bedenkliche „echte Rückwirkung“. Dafür, dass der Gesetzgeber eine solche gewollt haben könnte, ist nichts ersichtlich. Auch der Zweck der Novellierung des UWG, Abmahnungen durch Mitbewerber bei bestimmten, im Bagatellbereich anzusiedelnden Verstößen zurückzudrängen (insbesondere dann, wenn sie primär durch Abmahnkosten und Vertragsstrafen motiviert sind; vgl. Hoffmann, WRP 2021, 1 (2)) gebietet nicht, bereits entstandene Ansprüche auf Abmahnkosten zu Fall zu bringen. Der erstrebte Steuerungszweck, solche Abmahnungen zu vermeiden, könnte nämlich hierdurch nicht erzielt werden, da sie bereits ausgesprochen waren.
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e) Da der Sachverhalt insoweit nach dem früheren Recht zu beurteilen ist, kann sich das Verhalten der Klägerin auch nicht als rechtsmissbräuchlich aufgrund der ab 2. Dezember 2020 geltenden Bestimmungen darstellen. Umstände, die zur Bewertung als rechtsmissbräuchlich auf Grundlage der früheren Maßstäbe führen könnten, sind nicht erkennbar.
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4. Der Beklagten waren nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, und zwar auch insoweit, als sie den Unterlassungsanspruch anerkannt hat. Die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestands des § 93 ZPO liegen nicht vor.
32
a) Zwar bietet keinen Anlass zur Klageerhebung, wer auf eine Abmahnung hin zunächst einen Unterlassungsvertrag mit ausreichender Strafbewehrung anbietet und nach einer Zurückweisung dieses Angebots den gerichtlich geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt (BGH, Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 144/21, GRUR 2023, 255, Rn. 44 „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“). Das am 24. November 2020 abgegebene Angebot war jedoch unzureichend, weil die zugesagte Vertragsstrafe zu niedrig war, und konnte daher – selbst wenn man die damalige Rechtsprechung und Dogmatik zugrunde legt, dass bereits ein entsprechendes Angebot ausreicht, die Wiederholungsgefahr dauerhaft entfallen zu lassen – die Wiederholungsgefahr nicht ausräumen (dazu bb)). Den damit auch am 2. November 2020 weiter bestehenden Anspruch hat die Beklagte überdies auch nicht „sofort“ anerkannt (dazu c)).
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b) Die Erklärung der Beklagten vom 24. November 2020 war nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr (jedenfalls vorläufig bis zu einer Ablehnung durch die Klägerin) entfallen zu lassen. Auch die Stimmen und Entscheidungen, die § 174 BGB auf die „isolierte“ Abmahnung anwenden, gehen davon aus, dass der Abgemahnte nur dann in den Genuss der Privilegierung des § 93 ZPO kommen kann, wenn er die Zurückweisung mit der Erklärung verbindet, er werde sich bei Nachweis der Vollmacht in erforderlicher Weise strafbewehrt unterwerfen (siehe nur Teplitzky, WRP 2010, 1427 (1431)). An der ausreichenden Vertragsstrafe fehlt es.
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aa) Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bringt die Wiederholungsgefahr nur dann in Wegfall, wenn die Vertragsstrafe aufgrund ihrer Höhe dem Schuldner jeden Anreiz nimmt, den Wettbewerbsverstoß zu wiederholen und damit die Vertragsstrafe zu bezahlen. Die Druck- und Sicherungsfunktion der Vertragsstrafe ist nur dann gegeben, wenn sich ein neuerlicher Verstoß für den Schuldner voraussichtlich nicht mehr lohnt. Andernfalls fehlt der Erklärung die Ernsthaftigkeit (MüKoUWG/Ottofülling, 3. Aufl. 2022, UWG § 13a Rn. 8; BGH, Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 144/21, GRUR 2023, 255, Rn. 35; BGH, Urteil vom 12. Juli 1984, I ZR 123/82, GRUR 1985, 155 (156) – „Vertragsstrafe bis zu…“). Als maßgebliche (objektive) Kriterien für die Angemessenheit einer Vertragsstrafe sind insbesondere die Art und Größe des Unternehmens, die finanzielle Leistungsfähigkeit und die Wettbewerbsposition des Verletzers am Markt, der Umsatz sowie ein möglicher, auf Grund weiterer Wettbewerbsverstöße zu erwartender Gewinn, die Schwere und das Ausmaß der Zuwiderhandlung, die Gefährlichkeit für den Gläubiger, das Verschulden des Verletzers, dessen Interesse an weiteren gleich gelagerten Wettbewerbsverstößen und dessen nachträglich gezeigtes Verhalten zu berücksichtigen (vgl. nunmehr § 13a Abs. 1 UWG; MüKoUWG/Ottofülling, 3. Aufl. 2022, UWG § 13a Rn. 9). Der Schuldner kann, anstelle einen konkreten Betrag zu versprechen, die Bestimmung der Strafhöhe nach §§ 315, 317 BGB dem Gläubiger – vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung – übertragen (sog. Neuer Hamburger Brauch), der mit einem ziffernmäßig bestimmten Höchstbetrag kombiniert werden kann. Der Schuldner riskiert dann allerdings, dass seine Erklärung nicht zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignet ist, weil die Vertragsstrafe zu gering ist (MüKoUWG/Ottofülling, 3. Aufl. 2022, UWG § 13a Rn. 13 f.). Die Obergrenze des Vertragsstraferahmens muss so bemessen sein, dass der Gläubiger auch schwerwiegenden Verstößen des Schuldners in angemessener Weise mit einer entsprechend höheren – gegenüber einer fest bestimmten – Vertragsstrafe begegnen kann. Zudem steht der Gläubiger dann, wenn ihm die Bestimmung der Vertragsstrafe überlassen wird, schlechter als bei der Festlegung eines festen Betrags, weil er mit der zusätzlichen Gefahr belastet wird, dass seine Bestimmung einer gerichtlichen Nachprüfung nicht standhält; er wird deshalb zur Vermeidung von Prozessrisiken tendenziell einen niedrigeren Betrag bestimmen. Um diesen Umständen Rechnung zu tragen und die Nachteile für den Gläubiger auszugleichen, muss die Obergrenze grundsätzlich die im Regelfall angemessene (und alternativ fest zu bestimmende) Vertragsstrafe zumindest um das Doppelte übersteigen (Feddersen in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, § 13a Rn. 7; MüKoUWG/Ottofülling, 3. Aufl. 2022, UWG § 13a Rn. 14; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 6; BGH, Urteil vom 12. Juli 1984, I ZR 123/82, GRUR 1985, 155 (157) – „Vertragsstrafe bis zu…“; BGH, Urteil vom 14. Februar 1985 – I ZR 20/83, GRUR 1985, 937 (938) – „Vertragsstrafe bis zu… II“; Ahrens, GRUR 1985, 157 (158); GRUR 1985, 938 (939)).
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Nach diesen Grundsätzen war die von der Beklagten zugesagte Vertragsstrafe infolge der „Deckelung“ auf 1.500,00 € nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen.
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bb) Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand spricht zwar vieles dafür, dass für einen Verstoß, wie er am 16. November 2020 vorlag und sich möglicherweise erneut ereignen wird, eine Vertragsstrafe im Bereich von 1.000,00 € bis 1.500,00 € angemessen wäre (zumal die „Deckelung“ in § 13 a Abs. 3 UWG zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft war). Insbesondere liegen (mag die Klägerin damals auch nicht das komplette Angebot der Beklagten durchforstet haben, so dass weitere unzulängliche Angebote nicht ausgeschlossen werden können) keine positiven Anhaltspunkte dafür vor, dass der damalige Verstoß nicht lediglich ein einmaliges und fahrlässiges Versehen darstellte; es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte preisangaberechtliche Vorgaben notorisch missachtet. Die Beklagte ist jedenfalls kein großes, umsatzstarkes Unternehmen. Die von ihr vertriebenen Artikel aus dem Bereich Elektrozubehör, insbesondere Kabel, bringen regelmäßig nur geringe Gewinnmargen mit sich.
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Die Tätigkeit der Beklagten kann umgekehrt aber auch nicht als ganz geringfügig bewertet werden, da in den 2 Jahren zwischen November 2020 und November 2022 immerhin 40.000 Bewertungen von Kunden erfolgt sind.
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Ebenso muss der Senat zugrunde legen, dass die Beklagte nicht nur einen eigenen Online-Shop betreibt, sondern ihre Waren auch über Amazon vertreibt. Der entsprechende Vortrag der Klägerin ist zwar erstmals in der Berufungsinstanz erfolgt, wurde aber von der Beklagten nicht als sachlich unrichtig bestritten, sondern lediglich als verspätet gerügt; unstreitiges Vorbringen unterfällt jedoch nicht den Regeln für neu vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel in § 531 ZPO.
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Zu berücksichtigen war aber weiter, dass die Regelungen der PAngV für die Verbraucher und damit das Wettbewerbsgeschehen eine hohe Bedeutung besitzen, da der Verordnungsgeber die durch die Grundpreisangabe hergestellte Transparenz als essenzielle Voraussetzung für eine wohlinformierte Auswahlentscheidung angesehen hat. Gerade in einer Situation, wie sie die Beklagte schildert – geringe Gewinnmargen – kann ein Anbieter entscheidende Vorteile bei Umsatz und Gewinn erzielen, wenn seine Angebote aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit günstiger scheinen als die von Wettbewerbern.
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cc) Wie ausgeführt, muss die Vertragsstrafe geeignet sein, den Schuldner zur gewissenhaften Einhaltung seiner Verpflichtungen anzuhalten, und auch Verstöße angemessen zu ahnden, die über die bisherigen Zuwiderhandlungen hinausgehen. Der Gläubiger, der sich auf eine betragsmäßig festgelegte oder begrenzte Vertragsstrafe einlässt, könnte auch bei einer wesentlich umfangreicheren und (z.B. in subjektiver Hinsicht) gravierenderen Zuwiderhandlung aufgrund eines so gedeckelten Vertragsstrafenversprechens lediglich diesen Betrag fordern, sodass eine Abschreckungswirkung zunächst nicht besteht; er wäre weitgehend darauf verwiesen, wegen drohender weiterer Verstöße infolge Wiederauflebens der Wiederholungsgefahr Unterlassungsklage zu erheben oder eine höhere Vertragsstrafe zu verlangen. Da die Beklagte die Vertragsstrafe mit der beschriebenen Maximalhöhe für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung versprochen hat, ist nicht ausgeschlossen, dass die Vertragsstrafe nur einmal verwirkt ist, auch wenn sich die Verstöße bei einer Vielzahl von Angeboten finden, aber die Angebote in engem zeitlichen Zusammenhang eingestellt worden. Es wäre dann nämlich von einer „natürlichen Handlungseinheit“ auszugehen. Eine auf den Betrag begrenzte Vertragsstrafe, der für die zurückliegende Zuwiderhandlung angemessen wäre, trägt somit den Interessen des Gläubigers nicht Rechnung und ist auch nicht geeignet, die einmal begründete Gefahr einer erneuten Zuwiderhandlung in genügender Weise auszuräumen. Vielmehr tritt dieser Effekt erst ein, wenn der Schuldner eine Vertragsstrafe befürchten muss, die deutlich über den genannten Betrag hinausgeht.
41
dd) Dies war vorliegend nicht der Fall. Auch wenn für einen auf einzelne Angebote begrenzten, fahrlässigen Verstoß 1.500,00 € nach dem bis 2. Dezember 2020 geltenden Recht eine angemessene Vertragsstrafe darstellen würden, hätte die Beklagte eine Strafe von (jedenfalls) bis zu 2.500,00 € versprechen müssen. Nur dann wäre auch bei einem gewichtigeren Verstoß ein hinreichend spürbares Übel zu erwarten, das dazu führen würde, dass sich ein Verstoß nicht lohnt und die Beklagte daher aus eigenen wirtschaftlichen Interessen gehalten ist, sorgfältig auf eine vollständige Einhaltung der Vorgaben der PAngV in ihrem Online-Shop zu achten. Durch die Begrenzung der Vertragsstrafe auf das Maß, das (sowohl objektiv als auch aus Sicht der Beklagten) bei einer in jeder Hinsicht identischen oder gleichgewichtigen Zuwiderhandlung festzusetzen sein wird, fehlte der notwendige Anreiz, sich künftig wettbewerbskonform zu verhalten und insbesondere auch systematische oder aus sonstigen Gründen schwerwiegende Zuwiderhandlungen auszuschließen.
42
ee) Das Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags mit Vertragsstrafenversprechen war daher von vornherein nicht geeignet, die einmal begründete Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Die Wiederholungsgefahr lebte daher nicht – wie es bei Zugrundelegung des in der Entscheidung „Wegfall der Wiederholungsgefahr III“ (BGH, Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 144/21, GRUR 2023, 255, Rn. 39 ff.) vorliegenden Sachverhalts der Fall wäre – erst durch die Zurückweisung des Angebots der Beklagten durch die Klägerin im Schreiben vom 7. Dezember 2020 auf.
43
c) Legt man die „neue“ Dogmatik zugrunde, ergibt sich nichts anderes. Ein „sofortiges“ Anerkenntnis kann auch noch dann gegeben sein, wenn es erst im Laufe des Rechtsstreits, insbesondere nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist, erfolgt, sofern die Klage erst nachträglich zulässig oder begründet geworden ist. Vorliegend kann aber die von der Beklagten aufgeworfene Frage dahinstehen, ob die Entscheidung des BGH vom 1. Dezember 2022 gleichsam einer Gesetzesänderung dazu geführt hat, dass die Klage erst begründet wurde (weil bis zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen war, dass die Wiederholungsgefahr durch das Angebot einer ausreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt war), und nur die gewandelte Anschauung dazu, dass jede Zurückweisung eines entsprechenden Angebots die Wiederholungsgefahr aufleben lässt, zur Begründetheit des Anspruchs geführt hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die versprochene Vertragsstrafe von bis zu 1.500,00 € unter Berücksichtigung der in § 13 a Abs. 3 UWG n.F. vorgesehenen Deckelung noch nach dem 2. Dezember 2020 als ausreichend anzusehen war, um den bei Kombination des „Neuen Hamburg Gebrauchs“ mit einer „Obergrenze“ gebotenen Anforderungen zu genügen (dazu Feddersen in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, § 13a Rn. 7; MüKoUWG/Ottofülling, 3. Aufl. 2022, UWG § 13a Rn. 14; Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 6; BGH, Urteil vom 12. Juli 1984, I ZR 123/82, GRUR 1985, 155 (157) – „Vertragsstrafe bis zu…“; BGH, Urteil vom 14. Februar 1985 – I ZR 20/83, GRUR 1985, 937 (938) – „Vertragsstrafe bis zu… II“; Ahrens, GRUR 1985, 157 (158); GRUR 1985, 938 (939)) und dass § 13 a Abs. 4 UWG n.F. Vertragsstrafenvereinbarungen in Fällen der vorliegenden Art gegenüber einem Mitbewerber untersagt.
44
Die Änderungen im Bereich des UWG, namentlich § 13 a Abs. 4 UWG n.F., haben nämlich nach dem vom Senat für zutreffend gehaltenen Verständnis bewirkt, dass die Beklagte die Wiederholungsgefahr durch eine Unterwerfungserklärung gegenüber der Klägerin überhaupt nicht mehr ausräumen konnte (vgl. Hofmann, WRP 2021, 1 (3 f.)).
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aa) § 13 a Abs. 4 UWG verbietet den Abschluss von strafbewehrten Unterlassungsverträgen gegenüber Mitbewerbern in den dort geregelten Fällen (erstmaliger Verstoß gegen bestimmte Pflichten, Verstöße im Internet etc.). Der vorliegend von der Klägerin abgemahnte Sachverhalt stellt einen Fall des § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG dar, zumal die Bestimmungen der PAngV in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich als Beispiel angeführt sind (BT-Drucksache 19/12084, S. 32).
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bb) Hieraus folgt entgegen dem Standpunkt der Beklagten nicht, dass der Verletzer die Wiederholungsgefahr bereits durch eine „einfache“, d.h. nicht strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber dem Abmahnenden Mitbewerber ausräumen kann (so allerdings OLG Schleswig, Beschluss vom 3. Mai 2021, 6 W 5/21, WRP 2021, 950; Sosnitza GRUR 2021, 671 (675)), sondern, dass dieser Weg dem Verletzer vollständig versperrt ist (Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 19a; Feddersen, WRP 2021, 713 (715, Rz. 13); Mörger, WRP 2021, 885 (887); Möller, NJW 2021, 1 (7); Ulrici, WRP 2019, 1117 (1120, Rz. 22)). Der abgemahnte Unterlassungsschuldner muss vielmehr zur Ausnahme der Wiederholungsgefahr eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber einem Anspruchsberechtigten nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 oder 3 UWG abgeben (Hofmann, WRP 2021, 1 (3 f.); Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 19; Feddersen, WRP 2021, 713 (715, Rz. 13 f.)), oder kann alternativ bei Klageerhebung ohne vorangegangene Abmahnung sofort anerkennen.
47
cc) Die Neuregelungen zum 2. November 2020 haben insbesondere nicht bewirkt, dass dem Mitbewerber in den Fällen des § 13 Abs. 4 UWG kein Unterlassungsanspruch mehr zusteht (Hofmann, WRP 2021, 1 (2, Rz. 10)). Ebenso wenig wollte der Gesetzgeber die anerkannte Dogmatik im Hinblick auf die Ausräumung der Wiederholungsgefahr, insbesondere den Grundsatz, dass nur eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hinreichende Gewähr für die künftige Befolgung der maßgeblichen Vorgaben gibt, verändern (Hofmann, WRPP 2021, 1 (4, Rz. 18)). Hierfür ergeben sich weder aus den Gesetzesmaterialien noch der Fassung des Gesetzes Anhaltspunkte. Vielmehr nennt § 13 Abs. 1 S. 2 UWG unverändert die Unterlassungsverpflichtung, die mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrt ist, als Mittel, den Streit beizulegen und befasst sich § 13 a UWG umfassend mit der Höhe bzw. Angemessenheit. Hätte auf das Erfordernis einer ausreichenden Strafbewehrung punktuell verzichtet werden sollen, wäre eine entsprechende Regelung im Kontext des neu geschaffenen § 13 a Abs. 4 UWG zu erwarten gewesen (vgl. Bornkamm/ Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 13a Rn. 19a; die gegenteilige Argumentation bei OLG Schleswig, Beschluss vom 3. Mai 2021, 6 W 5/21, WRP 2021, 950, Rz. 17, überzeugt daher nicht). Umgekehrt hat der Gesetzgeber die Konsequenz realisiert, dass er mit der Regelung indirekt die Möglichkeit zur außergerichtlichen Streitschlichtung durch Unterwerfung gegenüber dem Mitbewerber abschafft, da in der Gesetzesbegründung ausgeführt wird, dass § 13 a Abs. 2 UWG die Vereinbarung einer Vertragsstrafe mit einem Mitbewerber ausschließen werde, wohingegen nach einer Abmahnung durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierte Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft auch nach der Neuregelung weiterhin die Möglichkeit bestehe, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen (BT-Drs. 19/12084, S. 34). Zudem war die Konsequenz bereits vor Verabschiedung des Gesetzes auf Grundlage des Regierungsentwurfs in der Literatur aufgezeigt worden (Ulrici, WRP 2019, 1117 (1120, Rz. 22)), ohne dass dies zu einer Änderung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Anlass gegeben hätte.
48
dd) Richtig mag zwar sein, dass der hier vertretene Standpunkt dazu führt, dass die vom Gesetzgeber verfolgte Intention, die Generierung von Vertragsstrafen und Abmahngebühren einzudämmen, nur unzureichend verwirklicht wird, weil dem Verletzer zwar keine Abmahnkosten und Vertragsstrafen mehr drohen, wohl aber eine Belastung mit Gerichtsgebühren und Anwaltsgebühren für die sich oftmals anschließende gerichtliche Verfolgung (so argumentierend OLG Schleswig, Beschluss vom 3. Mai 2021, 6 W 5/21, WRP 2021, 950, Rn. 19). Diese Unzulänglichkeit mag zwar gegeben sein (vgl. Hofmann, WRP 2021, 1 (3, Rz. 16)). Der Abgemahnte kann aber auch diese Nachteile vermeiden, indem er sich einem Dritten gegenüber strafbewehrt unterwirft. Zudem kann der Mitbewerber nur dann Erstattung der Verfahrenskosten beanspruchen, wenn die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vorliegen, was voraussetzt, dass er den Verletzer zumindest – und mangels Erstattungsanspruchs: auf eigene Kosten – auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht hat. Bereits dies (d.h. die Obliegenheit für den Abmahnenden, auf eigene Kosten die Abmahnung auszusprechen) ist geeignet, die vom Gesetzgeber missbilligten Praktiken einzudämmen.
49
ee) Der vermittelnde Lösungsvorschlag, den Unterlassungsanspruch nur im Verhältnis zum Abmahnenden entfallen zu lassen, würde mit dem hergebrachten Grundsatz der Unteilbarkeit der Wiederholungsgefahr, den der Gesetzgeber nicht infrage stellen wollte (vgl. Bei Hofmann, WRP 2021, 1 (4, Rz. 18)), nicht zu vereinbaren sein.
50
d) Der Unterlassungsanspruch bestand daher bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung, weil er nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber einer tauglichen Person zum Erlöschen gebracht worden war. Dies galt ungeachtet des Umstands, dass durch die Entscheidung des BGH vom 1. Dezember 2022 wesentliche Aspekte neu beurteilt wurden, weil unabhängig davon eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber der Klägerin gar nicht mehr möglich war und auch auf Basis der früheren Rechtsprechung und Dogmatik zum Wegfall der Wiederholungsgefahr hätten führen können. Das erst im Berufungsrechtszug erfolgte Anerkenntnis war daher nicht mehr „sofort“ i.S.v. § 93 ZPO.
51
5. Der Streitwert war entsprechend der Festsetzung durch das Landgericht, gegen die sich die Parteien nicht gewandt haben, festzusetzen.
52
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 1 ZPO, soweit die Verurteilung auf dem Anerkenntnis der Beklagten beruht, im Übrigen aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 ZPO.
53
Die Zulassung der Revision im Hinblick auf die Entscheidung über die Nebenforderung war nicht geboten. Inwieweit § 174 BGB auf „isolierte“ Abmahnungen Anwendung findet, wird zwar kontrovers beurteilt. Durch die zum 2. Dezember 2020 in Kraft getretenen Bestimmungen in §§ 13, 13 a UWG ist aber die Rechtsmaterie wesentlich detaillierter kodifiziert worden, als dies bislang der Fall war. Insbesondere kann die ausdrückliche Verpflichtung zu Angaben zu einem Vertreter in § 13 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 UWG die Wertung enthalten, dass den Gewissheitsinteressen des Abgemahnten höheres Gewicht beizumessen sein soll; auch vor dem Hintergrund, dass der Abmahnpraxis von Rechtsanwälten Einhalt geboten werden sollte, ist denkbar, dass das Interesse des Abgemahnten, aufgrund einer nicht durch Vollmachtvorlage autorisierten Abmahnung überhaupt nicht tätig werden zu müssen, nun höher zu bewerten ist als es nach Auffassung des Senats bislang gerechtfertigt war, sodass die Frage anders zu beantworten sein könnte. Umgekehrt wäre zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber trotz der detaillierten Regelungen in §§ 13, 13 a UWG (auch für Vertretungsfälle) und Kenntnis des Streits eine entsprechende Anordnung nicht getroffen hat, was gegen eine planwidrige Regelungslücke spricht; dies gilt umso mehr, als bereits im Zusammenhang mit § 97 a UrhG eine ursprünglich beabsichtigte Bestimmung, die § 174 BGB für anwendbar erklären sollte, nicht Gesetz wurde (vgl. zum Ganzen Achilles, in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 9. Auflage 2021, Kap 2 Rn. 20 f.). Diese zusätzlich für und gegen eine Heranziehung sprechenden Aspekte würden die Beantwortung der Rechtsfrage zum aktuellen Recht erheblich beeinflussen, nicht aber die für die bis 2. Dezember 2020 geltende Rechtslage. Eine Entscheidung zum damals geltenden Recht hätte daher nur begrenzte Aussagekraft für das aktuell geltende Recht. Rechtsfragen zu auslaufendem oder bereits außer Kraft getretenem Recht besitzen regelmäßig keine praktische Bedeutung mehr, die nach einer einheitlichen Rechtsprechung ruft (vgl. MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl. 2020, ZPO § 543 Rn. 8), so dass eine Revisionzulassung ausscheidet.
54
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Kostenentscheidung war nicht möglich. Zwar beantwortet der Senat in diesem Zusammenhang eine bislang in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutierte Frage abweichend von einem anderen Oberlandesgericht. Die Rechtsbeschwerde ist in dieser Konstellation aber generell nicht eröffnet: Erlässt das Oberlandesgericht als Berufungsgericht ein Anerkenntnisurteil, kann diese Kostenentscheidung nicht mit Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision isoliert angefochten werden, was auch einer Rechtsbeschwerde entgegensteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2008 – III ZB 33/07, NJW-RR 2008, 664, Rn. 4; MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 99 Rn. 25).

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