OLG Oldenburg: Verfügungsantrag trotz Einstellung des Wettbewerbverstoßes ist rechtsmissbräuchlich / 2021

veröffentlicht am 8. August 2023

Rechtsmissbrauch
OLG Oldenburg, Beschluss vom 02.09.2021, Az. 6 U 248/21

§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 12 Abs. 1 UWG, § 8 Abs. 2 S. 2 UWG

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig ist, wenn innerhalb eines Monats 51 Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Öko-VO ausgesprochen werden. Im Übrigen sei es der Verfügungsklägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten darum gegangen sei, Gebühren zu generieren, da die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 10.12.2020 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt habe, obwohl die Verfügungsbeklagte nach ihrem unstreitigem Vortrag nach Erhalt des Abmahnschreibens sofort sämtliche Bioprodukte aus dem Sortiment genommen und dies der Verfügungsklägerin auch am 07.12.2020 angezeigt habe. Zum Volltext der Entscheidung:

Oberlandesgericht Oldenburg

Beschluss

In dem Rechtsstreit

gegen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch …. am 02.09.2021 einstimmig beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe
I.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht die einstweilige Verfügung vom 28.12.2020 aufgehoben und den Antrag der Verfügungsklägerin vom 10.12.2020 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Es fehlt an einem Verfügungsgrund. Zwar wird gemäß § 12 Abs. 1 UWG die Dringlichkeit vermutet. Allerdings liegt diese nicht vor, wenn für die Verfügungsklägerin im Falle einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren Nachteile nicht ersichtlich sind, was etwa der Fall ist, wenn eine Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes nicht zu erwarten ist (vgl. dazu OLG Dresden, Urteil vom 07.04.2005 – 9 U 263/05 -, Rn. 13, nach Juris). Hier verfügt die Verfügungsklägerin unstreitig seit dem 19.01.2021 über die erforderliche Zertifizierung (vgl. auch Anlage AG 8a) und ist daher nunmehr berechtigt, auch im Internet Artikel mit der Bezeichnung „Bio“ und „Öko“ anzubieten. Eine Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes ist daher nicht zu erwarten.

Es fehlt mittlerweile auch an einem Verfügungsanspruch, denn der Verfügungsbeklagten kann nach erfolgter Zertifizierung nicht mehr untersagt werden, auch im Internet Artikel mit der Bezeichnung „Bio“ und „Öko“ anzubieten.

Das Landgericht hat überzeugend begründet, dass das Verhalten der Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8c UWG ist. Eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 Variante 1 UWG im Zweifel bereits dann anzunehmen, wenn „ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht“. Hier sind insgesamt 51 Wettbewerber innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums abgemahnt worden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Verfügungsklägerin von vornherein beabsichtigt hatte, 51 Abmahnschreiben zu versenden; entscheidend ist, dass sie dies getan hat. Für die Argumentation des Landgerichts, dass es der Verfügungsklägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten darum gegangen sei, Gebühren zu generieren, spricht auch, dass die Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 10.12.2020 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hatte, obwohl die Verfügungsbeklagte nach ihrem unstreitigem Vortrag nach Erhalt des Abmahnschreibens sofort sämtliche Bioprodukte aus dem Sortiment genommen und dies der Verfügungsklägerin auch am 07.12.2020 angezeigt hat (Anlage AG 8).

Letztendlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob das Verhalten der Verfügungsklägerin rechtsmissbräuchlich war, da weder ein Verfügungsgrund noch ein Verfügungsanspruch vorliegen.

II.

Die Verfügungsklägerin erhält Gelegenheit, zu diesem Beschluss binnen zwei Wochen nach Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung im Kosteninteresse – die Gerichtsgebühren ermäßigen sich gemäß Nr. 1222 KV GKG von 4,0 auf 2,0 Gebühren – zurückzunehmen.

I