OLG Saarbrücken: Zur Entbehrlichkeit der Zustellung einer Urteilsverfügung im Parteibetrieb

veröffentlicht am 24. Oktober 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtOLG Saarbrücken, Urteil vom 25.09.2013, Az. 1 U 42/13
§ 3 UWG, § 4 Nr.11 UWG, § 8 Abs.1, 3 Nr. 1 UWG; § 936 ZPO, § 929 Abs. 2 ZPO

Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass die Zustellung einer Urteilsverfügung nach Widerspruch im Parteibetrieb entbehrlich ist, wenn sie gegenüber der ursprünglichen Beschlussverfügung keine wesentlichen Änderungen enthält. Dabei liege auch dann keine wesentliche Änderung vor, wenn in der Widerspruchsverhandlung Anträge aus der ursprünglichen Beschlussverfügung zurück genommen würden, denn im Umfang der Rücknahme sei die Beschlussverfügung bereits vor Erlass des Urteils wirkungslos geworden. Deshalb bewirke der Wegfall des Tenors, der auf der Rücknahme beruhe, keine Inhaltsänderung. Auch eine Modifikation des Wortlauts von „in Absprache mit“ zu „bei den Ärzten“ sei keine wesentliche Änderung. Zitat:


„I.
Dies vorausgeschickt unterliegt die in der Urteilsverfügung getroffene Anordnung nicht schon deshalb der Aufhebung, weil der Verfügungsbeklagte wegen Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs.2 ZPO nach § 927 ZPO die Aufhebung der Anordnung beantragen könnte.

Nach den §§ 936, 929 Abs.2 ZPO muss der Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren seinen Vollziehungswillen binnen eines Monats nach Zustellung einer auf seinen Antrag hin ergangenen Beschlussverfügung durch Zustellung einer Ausfertigung des entsprechenden Beschlusses im Parteibetrieb dokumentieren. Die Vollziehungsfrist ist wesentliches Merkmal des Eilcharakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.

Die Beschlussverfügung vom 21.3.2013 wurde dem Verfügungsbeklagten binnen Monatsfrist im Parteibetrieb zugestellt. Nach h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum, der sich der Senat anschließt, beginnt durch das auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten gegen die Beschlussverfügung ergangene diese bestätigende Urteil allerdings eine neue Frist zu laufen. Innerhalb der Frist von einem Monat ab der am 30.4.2012 (Bl. 491 d.A.) erfolgten Zustellung des Urteils wäre die Urteilsverfügung daher grundsätzlich im Parteibetrieb zuzustellen gewesen (BGH NJW 1993, 1077; Zöller-Vollkommer a.a.O. Rn. 12 zu § 929).

Das gilt jedoch nur dann, wenn die Widerspruchsentscheidung wesentliche Änderungen enthält (Zöller-Vollkommer, a.a.O. Rn. 7 zu § 929 mwN), was vorliegend nicht der Fall ist.

Die Verfügungsklägerin hatte die Anträge Ziff. 1 b. und d. bereits vor dem Erlass der Beschlussverfügung vom 23.1.2013 zurückgenommenen. Der Antrag Ziff.1 c. wurde wie ausgeführt in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, mit der Folge, dass die Beschlussverfügung im Umfang der Antragsrücknahme bereits vor Erlass des angefochtenen Urteils ipso iure wirkungslos geworden war. Durch das auf den Widerspruch ergangene Urteil wurde mithin wegen der infolge Rücknahme wirkungslos gewordenen Anordnung in Ziff.1 c. des Tenors der Beschlussverfügung keine Inhaltsänderung bewirkt. Soweit das Landgericht den Tenor der Beschlussverfügung in Ziff. 1 a. in dem angefochtenen Urteil dahin modifiziert hat, dass dieser nunmehr statt „in Absprache mit“ „bei den Ärzten“ lautet, handelt es sich nicht um eine wesentliche inhaltliche Änderung der Untersagungsanordnung gegenüber der Beschlussverfügung. Durch den neu gefassten Tenor wurde die Untersagungsanordnung entgegen der Rechtsauffassung des Verfügungsklägers auch nicht maßgeblich erweitert. Eine „bei Ärzten unterhaltene Rezeptsammelstelle“ setzt begriffsnotwendig ein nicht auf Einzelfälle medizinischer Notwendigkeit beschränktes organisiertes Zusammenwirken von Ärzten und Apothekern mit dem Ziel voraus, für den Apotheker Rezepte „einzusammeln“. Eine relevante Erweiterung des untersagten Verhaltens liegt nicht vor. Die Änderung ist allein dem Umstand geschuldet, dass das Landgericht zwar von einem organisierten Vorgehen zwischen den beteiligten Ärzten und dem Verfügungsbeklagten ausgeht, dem es das Verhalten der Ärzte rechtsfehlerfrei zurechnet, das Vorliegen einer förmlichen „Absprache“ dessen ungeachtet aber nicht feststellen zu können glaubte.

Die Versäumung der Monatsfrist zur Zustellung der beglaubigten Urteilsabschrift im Parteibetrieb kann vorliegend aber auch deshalb nicht zur Unzulässigkeit der Vollstreckung der gerichtlichen Anordnung führen, weil die Verfügungsklägerin durch Vorlage von Gerichtsschreiben belegen konnte, dass sie die ihr zugestellte Abschrift des Urteils auf gerichtliche Anforderung vom 14. 5. 2013 zwecks Anbringung des Zustellungsvermerks aus der Hand gegeben hat (GA 492, 610, 493) und dass ihre Prozessbevollmächtigten die Urteilsabschrift mit Schreiben des Gerichts vom 22. Mai 2013 erst am 31. Mai 2013 – und damit nach Ablauf der Monatsfrist des § 929 Abs.2 ZPO – (GA 613) zurückerhalten haben. War der Verfügungsklägerin die Bewirkung der Zustellung im Parteibetrieb aber wegen Umständen, die im gerichtlichen Verantwortungsbereich liegen, nicht möglich, kann ihr die Fristversäumung nicht zum Rechtsnachteil gereichen. Die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin hätten die Zustellung zwar ggfs. schon vor der gerichtlichen Anforderung bewirken können. Jedoch dürfen gesetzliche Fristen ausgeschöpft werden und konnten sie nicht vorhersehen, dass sich die Rücksendung so lange verzögern würde. Soweit die Verfügungsbeklagte in dem nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.9.2013 den Rechtsstandpunkt vertritt, für diesen Fall habe die Zustellung im Parteibetrieb umgehend nachgeholt werden müssen, nimmt sie nicht in den Blick, dass das Gesetz eine Nachholung der Zustellung im Parteibetrieb nach Fristablauf nicht vorsieht. Auch eine Wiedereinsetzung kommt nicht in Betracht.

Ob die Parteizustellung auch deshalb entbehrlich war, weil die Verfügungsklägerin ihren Vollziehungswillen vorliegend anderweitig unzweideutig betätigt hat, kann dahinstehen. Rechtsprechung und Schrifttum gehen davon aus, dass die Parteizustellung nicht der einzig mögliche Weg ist, auf dem der Gläubiger den Vollziehungswillen verbindlich gegenüber dem Schuldner betätigen kann (BGH NJW 1990, 124; Zöller a.a.O. Rn. 12 zu § 929). Die Amtszustellung kann ausreichen, wenn Umstände vorliegen, die aus Sicht des Schuldners keinen Zweifel an der Ernstlichkeit des Vollziehungswillens des Gläubigers zulassen, so dass die zusätzliche Parteizustellung bloße Förmelei wäre. Die Verfügungsklägerin hat bereits am 6.5.2013, also nur zwei Wochen nach Verkündung des angefochtenen Urteils, beim Landgericht Saarbrücken erneut den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Verfügungsbeklagten wegen eines von ihr behaupteten – allerdings etwas anders gelagerten – Verstoßes gegen § 24 Abs.1 ApBetrO beantragt und dem Verfügungsbeklagten dadurch verbindlich vor Augen geführt, dass sie den unerlaubten Betrieb von Rezeptsammelstellen durch ihn auch in Zukunft unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe verhindern will.“

I