OLG Schleswig: Streitwert von 1.000 EUR bei Wettbewerbsverstoß eines Kleingewerbetreibenden

veröffentlicht am 1. März 2024

OLG Schleswig, Beschluss vom 10.08.2023, Az. 6 W 12/23
§ 51 Abs. 2 GKG, § 51 Abs. 3 S 1 GKG, § 51 Abs. 3 S 3 GKG, § 66 Abs. 1 GKG, § 66 Abs. 2 GKG

Das OLG Schleswig hat entschieden, dass der Streitwert bei unzutreffender Bezeichnung eines Fruchtaufstrichs als Marmelade durch einen Kleingewerbetreibenden („Marmelade med Hyben“) mit 1.000 EUR ausreichend bemessen ist. Das LG Lübeck hatte entsprechend den Angaben des Klägers in der Klageschrift noch auf 25.000,00 EUR festgesetzt. Zwar verstoße die Bezeichnung „Marmelade“ für einen dänischen Fruchtaufstrich mit Hagebutte mit dem Originaletikett „Marmelade med Hyben“ gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungs- und Werbevorschriften. Es sei jedoch nicht davon auszugehen, dass dessen Vertrieb in kleinem Umfang im Nebengewerbe zu einem nennenswerten Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern führe. Dies gelte vor allem deswegen, weil potentielle Kunden der Unterscheidung von Marmelade, Konfitüre und Fruchtaufstrichen eine eher geringe Bedeutung beimessen würden. Zum eher Volltext der Entscheidung:

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Beschluss

Auf die Beschwerde der Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Lübeck im Urteil vom 12.04.2023 wird der Streitwert wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beklagte ist nach entsprechender Abmahnung durch den Kläger durch Versäumnisurteil verurteilt worden, Produkte unter der Bezeichnung „Marmelade“ zum Verkauf anzubieten, wenn diese nicht die nach der Konfitürenverordnung vorgeschriebenen Merkmale erfüllen. Konkret handelte es sich um einen Fruchtaufstrich mit Hagebutte eines dänischen Herstellers, den die Beklagte auf dem Portal X mit der Bezeichnung Marmelade zum Verkauf angeboten hatte. Das dänische Originaletikett weist die Aufschrift „Marmelade med Hyben“ auf.

Die Beklagte betreibt ihren Onlinehandel für skandinavische Produkte in kleinem Umfang im Nebengewerbe. Über das Portal X verkaufte sie im gesamten Jahr 2022 lediglich vier Artikel dieses Herstellers. Für das Jahr 2021 hatte sie derartige Produkte im Wert von insgesamt ca. 410 € eingekauft.

Das Landgericht hat im Versäumnisurteil den Streitwert entsprechend den Angaben des Klägers in der Klageschrift auf 25.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde, mit der sie die Herabsetzung des Streitwertes auf 1.000,00 € beantragt. Der Kläger ist dem entgegengetreten. Der Streitwert bemesse sich nach seinem wirtschaftlichen Interesse, bzw. dem eines namhaften Mitbewerbers. Seiner Wertangabe in der Klage komme hierbei besondere Bedeutung zu. Der bisherige Umsatz der Beklagten sei irrelevant, da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet sei. Sie erspare sich zudem die Kosten des Fachpersonals, das Mitbewerber für die Prüfung von Werbeangaben zu Lebensmitteln aufwendeten.

Da Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Streitwert bemesse sich nach § 51 Abs. 2 GKG, ein Fall des § 51 Abs. 3 GKG liege nicht vor.

II.
Die gem. § 66 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 GKG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat in der Nichtabhilfeentscheidung zutreffend ausgeführt, dass sich der Streitwert im vorliegenden Verfahren im Grundsatz gem. § 51 Abs. 2 GKG am Interesse des Klägers bemisst. Auch ist dem Landgericht insoweit zuzustimmen, als sich die Präsentation eines Produktes auf dem hier relevanten Internetportal an eine Vielzahl potentieller Kunden richtet.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass im vorliegenden Fall eine Herabsetzung des Streitwertes gem. § 51 Abs. 3 S. 1, S. 3 GKG angemessen ist.

§ 51 Abs. 3 GKG lässt in Abweichung vom Prinzip des § 51 Abs. 2 GKG, nach dem bei der Bemessung des Streitwertes grundsätzlich das Interesse des Klägers maßgeblich ist, die Berücksichtigung der Sichtweise des Beklagten zu. Wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist, als der nach Abs. 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern (vgl. OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 1535: Kleinunternehmer mit geringem Umsatz; BDZ/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 51 Rn. 4). Während nach dieser Vorschrift zunächst eine angemessene Herabsetzung des Streitwertes erfolgt, ist ein fester Streitwert von 1.000,00 € anzusetzen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern nur in unerheblichen Maße beeinträchtigt, § 51 Abs. 2 S. 3 GKG. Eine nur unerhebliche Beeinträchtigung liegt z. B. auch vor, wenn ein Abgemahnter nur im geringem Maße wirtschaftlich tätig ist und deshalb nicht in einem nennenswerten Wettbewerb zu Mitbewerbern steht (BDZ/Dörndorfer, § 51 Rn. 4 unter Bezug auf BT-Drs. 19/12084, 40).

Auch wenn die Bezeichnung der Tatbestandsvoraussetzungen in einem gewissen Konflikt mit den Begriffen des Lauterkeitsrechts stehen (vgl. hierzu KBF-Köhler/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 12 UWG Nr. 4.3e), ist die Intension des Gesetzgebers, Verstöße von geringem Umfang von Kleinstunternehmern zu erfassen, wie dies auch für die Anwendung des Auffangstreitwertes von 1.000,00 € gem. § 53 Abs. 3 S. 2 GKG in Fällen mit geringem Unrechtsgehalt wie geringfügigen Verletzungen von Informationspflichten der Fall ist (vgl. KBF-Köhler/Feddersen, a. a. O., Rn. 4.3d), hinreichend deutlich.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Trotz der im Grundsatz großen Reichweite des verwendeten Internetmarktplatzes hat die Beklagte unstreitig lediglich einen sehr geringen Umsatz mit den beanstandeten Waren erzielt. Der Verstoß ist zudem von geringem Gewicht, da die verwendete Bezeichnung mit dem dänischsprachigen Originaletikett übereinstimmt und der angesprochene Verkehrskreis der Unterscheidung von Marmelade, Konfitüre und Fruchtaufstrichen ohnehin eine eher geringe Bedeutung beimisst. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass sich größere Unternehmen zwangsläufig mit erheblichen Personaleinsatz bemühen müssen, die lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungs- und Werbevorschriften einzuhalten. Angesichts der hier vorliegenden Falschbezeichnung ist jedoch nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen, dass die Beklagte über den Verkauf der Waren unter der Bezeichnung Marmelade einen nennenswerten Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern erzielt hätte. Dies liegt auch wegen des bereits angeführten Umsatzes fern.

I