OLG Zweibrücken: Die Bewerbung eines Getränks mit der Aussage „ohne Zucker“ ist wettbewerbswidrig, wenn u.a. Glucose und Fructose enthalten sind

veröffentlicht am 17. Januar 2013

OLG, Zweibrücken, Hinweisbeschluss vom 06.06.2012, Az. 4 U 30/12
§ 3 UWG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, § 8 Abs. 1 UWG

Das OLG Zweibrücken hat entschieden, dass die Bewerbung eines „Vitaldrinks“ mit der Angabe „ohne Zucker“ oder „ohne Kristallzucker“ irreführend ist, wenn tatsächlich die Zuckerarten Glucose, Maltrodextrin und Fructose enthalten sind. Es werde mit der Werbung eine schlankheitsfördernde Wirkung suggeriert und damit fälschlich mit gesundheitsbezogenen Angaben geworben, was einen Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung darstelle. Zum Volltext der Entscheidung:


Oberlandesgericht Zweibrücken

Hinweisbeschluss

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung unlauteren Wettbewerbs

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 ZPO).

Die Berufung ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

I.

1.

Der Kläger ist klagebefugt. Der Senat hat das in der Vergangenheit im Einklang mit der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. BGH WRP 2008, 1513; 2044) mehrfach festgestellt (vgl. z. B. Hinweisbeschlüsse vom 16.12.2011 – 4 U 148/11 -; 20.12.2007 – 4 U 104/07 – jeweils m. w. N.).

Die Beklagte macht vergeblich geltend, dass im vorliegenden Fall etwas anderes gelte, weil dem Kläger zu wenig Gewerbetreibende ihrer Wettbewerbssparte angehören würden.

Zur Beurteilung der Frage, ob dem Kläger eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG angehört, sind diejenigen Mitglieder des Klägers zu berücksichtigen, die sich auf demselben räumlichen und sachlichen Markt mit der Beklagten als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können. Der maßgebliche Markt wird im Wesentlichen durch die Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens bestimmt. Die den sachlichen Markt betreffende Voraussetzung, dass Waren- oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art betrieben werden müssen, ist weit auszulegen (BGH, Urteil vom 1. März 2007 – I ZR 51/04 – Krankenhauswerbung; OLG Celle, Urteil vom 19.01.2006 – 13 U 191/05 – jeweils m. w. N.). Die Beklagte räumt ein, dass dem Kläger 21 Unternehmen angehören, die auf dem Markt der Ergänzungsmittel tätig sind. Das ist bereits eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern (vgl. BGH, a. a. O.). Hinzukommt, dass auch weitere 13 Mitglieder des Klägers zu berücksichtigen sind, die Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Mittel vertreiben, sowie (mindestens) 14 weitere Mitglieder, die im Versandhandel Nahrungsergänzungsmittel und Gesundheitsartikel verkaufen, weil auch diese Wettbewerber mit der Beklagten um dieselben Kunden konkurrieren können.

2.

Dass der Kläger sachlich und finanziell nicht ausreichend ausgestattet sei, ist durch die vorgenannte Rechtsprechung und die dem Senat bekannte Jahrzehnte lange Tätigkeit des Klägers widerlegt. Vergleichbares gilt für die Behauptung, dem Kläger fehlten ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts.

3.

Schließlich ergibt sich die Klagebefugnis des Klägers auch aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, weil der Kläger – wie sich aus dem für ihn vorgelegten Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 17.07.2003 (1 U 190/02) ergibt -, in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagegesetzes eingetragen ist.

II.

Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass es sich bei den vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten um irreführende Angaben handelt (§§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG), so dass dem Kläger nach § 8 Abs. 1 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht.

Die im Internetauftritt der Beklagten gemachten Aussagen, dass der „V…“ vor dem Hintergrund des Umstandes, dass viele Menschen „egal ob Jung oder Alt“ an einem „im Einzelnen näher bezeichneten“ Nährstoff- und Vitaminmangel leiden würden, was sich erst Jahre später zeige, den Körper mit „der ausreichenden Menge und Vielfalt an Vitaminen und Mineralstoffen…“ versorge, im Alter fit halte und vorzeitigem Altern vorbeuge, enthält irreführende, gesundheitsbezogene Angaben, die gegen Art. 3, 5 Abs. 1 a, 10 Abs. 1 HCV (Health-Claims-Verordnung) verstoßen. Danach ist eine Werbeaussage insbesondere irreführend, wenn einem Lebensmittel gesundheitsbezogene Wirkungen beigemessen werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Die Beklagte behauptet noch nicht einmal, dass die genannten – eindeutig gesundheitsbezogenen – Angaben in irgendeiner Weise wissenschaftlich gesichert seien.

Die weitere Werbeaussage, dass das Getränk „ohne Zucker“ (Internetauftritt) bzw. „ohne Kristallzucker“ (Getränkeverpackung) sei, ist ebenfalls irreführend. Sie verstößt gegen Art. 8 HCV und § 6 Abs. 1 NKV (Verordnung über nährwertbezogene Angaben bei Lebensmittel und die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln).

Die Werbung suggeriert, dass das Getränk keinen „Zucker“ bzw. „Kristallzucker“ enthalte. Das ist nach den Feststellungen des Sachverständigen W… in seinem schriftlichen Gutachten vom 7. November 2010 unrichtig, weil das Getränk Glucose, Maltrodextrin und Fructose, mithin Zuckerarten im Sinne der Richtlinie 2001/117/EG enthält. Diese Zutaten werden zwar auf der Verpackung erwähnt. Mangels weiterer Angaben lässt sich jedoch nicht erkennen, dass die Zuckerarten denselben Brennwert wie „normaler“ (Kristall-) Zucker aufweisen und deshalb zu keiner verminderten Brennwertzufuhr führen. Der sich hinter der Angabe „ohne Zucker“ bzw. „ohne Kristallzucker“ verbergende Hinweis auf eine angeblich schlankheitsfördernde Wirkung, ist deshalb irreführend.

III.

Mit ihren erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Angriffen gegen das Gutachten des Sachverständigen W… kann die Beklagte nicht mehr gehört werden (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Die Beklagte hat erstinstanzlich in der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2011 ausdrücklich erklärt, dass sie eine Erläuterung des Sachverständigengutachtens nicht wünsche. Ihre nunmehr erhobenen Einwände gegen das Sachverständigengutachten hätten in erster Instanz geltend gemacht werden müssen.

Im Übrigen weist die auf das Gutachten des Sachverständigen gestützte Beweiswürdigung des Einzelrichters keinen Fehler auf. Sie ist möglich und enthält keine Rechtsfehler.

IV.

Der Senat teilt auch die Auffassung des Erstrichters, dass die Drittunterwerfung der Beklagten gegenüber dem Verein „F… e. V.“ vom 22. Januar 2010 nicht ausreichend ist, um die vermutete Wiederholungsgefahr auszuräumen. Ob eine Drittunterwerfung hierfür genügt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung, der Person des Unterlassungsgläubigers und dessen Bereitschaft, dem Vertragsstrafenversprechen im Falle der Zuwiderhandlung Geltung zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.1989 – I ZR 120/87 -; Senat, Hinweisbeschluss vom 07.09.2010 – 4 U 64/10 -). Der Erstrichter hat die Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung mit Recht bezweifelt, weil die Beklagte und der Verein „F… e.V.“ personell miteinander verwoben sind. Der einzelvertretungsberechtigte 2. Vorsitzende des Vereins, der Zeuge Sch… war Gründer der Beklagten, deren Geschäftsführerin nunmehr seine Tochter ist. Seine (getrenntlebende) Ehefrau ist Gesellschafterin. In dem früheren Verfahren vor dem Landgericht Zweibrücken (Az.: HKO 3/09; 4 U 184/09 Senat) hat der Zeuge Sch… bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht am 21. August 2009 angegeben, bei der Beklagten beratend tätig zu sein und die Produktion zu überwachen. Unabhängig davon, ob der Zeuge diese Tätigkeit auch heute noch ausübt, bestehen vor diesem Hintergrund Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Drittunterwerfung, zumal der erste Vorsitzende der Vereins „F… e. V.“ in dem vorbezeichneten Verfahren in den mündlichen Verhandlungen als Beistand der Beklagten aufgetreten ist, was den Eindruck einer personellen Verflechtung zwischen der Beklagten und dem Verein vertieft.

Einer etwa beabsichtigten Stellungnahme wird bis

28. Juni 2012

entgegengesehen.

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