OVG Hamburg: Zum bestehenden Urheberrechtsschutz von anwaltlichen Schriftsätzen

veröffentlicht am 7. Januar 2022

OVG Hamburg, Urteil vom 20.09.2021, Az. 3 Bf 87/18
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, § 6 Abs. 1 UrhG, § 12 UrhG

Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass ein Anwaltsschriftsatz urheberrechtlich geschützt sein kann. Nach den vom BVerwG (Urteil vom 26.09.2019, Az. 7 C 1/18) aufgezeigten Maßstäben setze auch der Urheberrechtsschutz eines anwaltlichen Schriftsatzes nicht (mehr) voraus, dass er nach dem Gesamteindruck der konkreten Gestaltung bei einer Gegenüberstellung mit der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit das Alltägliche, Handwerksmäßige, bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überrage (a.A. noch BGH, Urteil vom 17.04.1986, Az. I ZR 213/83). Im vorliegenden Fall reichte es dem Senat für eine ausreichende Schöpfungshöhe aus, dass der Schriftsatz – ohne die Unterschrift – nach Darstellung der Beklagten in ihren Widerspruchsbescheiden immerhin acht Seiten umfasste. Auch sei der Text individuell und damit in origineller Weise gegliedert.

„1. Umfang und Grundlage der beabsichtigten Ordnungsverfügung
a. Gegenstand
b. Grundlage
2. Kein Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Nr. 2 VTabakG
a. Packung
b. Werbung/und weiter hilfsweise auch für die Packung
i) „Organic“
ii) „aus ökologischem Anbau“
3. Kein übergeordnetes qualitatives Interesse zur sofortigen Vollziehung.“

Hierin komme die freie kreative Entscheidung der Urheber zum Ausdruck. Der Einwand, der Aufbau des Textes orientiere sich an einem für rechtswissenschaftliche Stellungnahmen und Schriftsätze üblichen funktionalen Schema, lasse unberücksichtigt, dass der gewählte Aufbau keinesfalls einem aus Sachgründen zwingend gebotenen Schema folge, wie dies etwa bei gewöhnlichen Mahnschreiben oder presserechtlichen Warnschreiben der Fall sein möge, sondern trotz der bei juristischen Stellungnahmen durchweg bestehenden Gepflogenheiten im Aufbau allein schon im Hinblick auf die konkret in Rede stehende, komplexe Materie gleichwohl ein Spielraum für eine individuelle Gestaltung bleibe. Dieser sei genutzt worden. Zum Volltext der Entscheidung:


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

Urteil

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Herausgabe eines anwaltlichen Schriftsatzes durch die Beklagte an den Beigeladenen auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes.

Die Klägerin zu 1) ist ein Unternehmen der Tabakindustrie, das im Wege der Verschmelzung die ursprüngliche Klägerin zu 1) übernommen hat. Der Kläger zu 2) hat als Rechtsanwalt für die ursprüngliche Klägerin zu 1) im Zuge eines die Untersagung bestimmter werblicher Angaben auf Zigarettenpackungen betreffenden Verfahrens gegenüber der Beklagten einen neunseitigen vom 15. Oktober 2015 datierenden Schriftsatz eingereicht. Der Kläger zu 3) ist ebenfalls Rechtsanwalt in der Kanzlei, für die der Kläger zu 2) tätig ist.

Unter Berufung auf das Hamburgische Transparenzgesetz beantragte der Beigeladene mit E-Mails vom 16. und 17. Februar 2016 bei der Beklagten, ihm diesen Schriftsatz durch Überlassung einer Kopie zugänglich zu machen. Auf die ihnen von der Beklagten eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme hin widersprachen dem die Kläger, weil hierin eine Verletzung ihres Urheberrechts liege.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2016 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass sie seinem Antrag nach Bestandskraft des Bescheides entsprechen werde. Geschwärzt würden die Angaben zur Produktionsumstellung sowie Namen und Unterschrift des handelnden Rechtsanwalts. Hierüber wurden die Kläger in Kenntnis gesetzt.

Gegen den Bescheid vom 23. Mai 2016 legten die Kläger mit gemeinsamen Schreiben vom 23. Juni 2016 Widerspruch ein. Die Kläger zu 2) und 3) könnten eine Verletzung ihrer Urheberrechte geltend machen, insbesondere eine Verletzung ihres Erstveröffentlichungsrechts aus § 12 Urheberrechtsgesetz (im Folgenden: UrhG) sowie der Verwertungsrechte aus §§ 15 ff. UrhG. Die Klägerin zu 1) könne eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte geltend machen, die ihr von den Klägern zu 2) und 3) bzw. der Kanzlei J. D. im Rahmen des anwaltlichen Mandatsverhältnisses zur ausschließlichen Nutzung übertragen worden seien. Der betreffende Schriftsatz sei ein geschütztes Werk, das noch nicht veröffentlicht worden sei. Der Schriftsatz stelle eine persönliche geistige schöpferische Leistung dar. Für die Stellungnahme hätten die Verfasser den für den Rechtsstreit relevanten rechtlichen Hintergrund durchdrungen, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie deutsches und europäisches Tabakrecht umfasse. Dabei hätten sie eine rechtswissenschaftlich systematische Unterscheidung zwischen der Bewertung von Aussagen in der Werbung und auf der Packung vorgenommen. Insbesondere hätten sie den Vorrang des europäischen Tabakproduktrechts vor der deutschen tabakwerberechtlichen Regelung herausgearbeitet, was als solches bereits eine eigene und schöpferische Leistung darstelle, da dieses Verhältnis bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur erörtert worden sei. Des Weiteren hätten sie eine eigene, mehrere Gliederungsebenen umfassende Strukturierung des Stoffes vorgenommen. Auch innerhalb der einzelnen Gliederungsebenen folge der Schriftsatz einer individuell gewählten Anordnung der verschiedenen Argumente, Überlegungen und Einschätzungen. Das schöpferische Element finde also seinen Niederschlag auch in der Form und Art der Sammlung, der Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes.

Mit weitgehend inhaltsgleichen Bescheiden vom 26. Oktober 2016, der Klägerin zu 1) ausweislich des Eingangsstempels auf dem als Anlage eingereichten Bescheid zugegangen am 31. Oktober 2016 (Bl. 5 d.A.) und den Klägern zu 2) und 3) laut Mitteilung der Beklagten zugegangen am 29. Oktober 2016 (Schriftsatz vom 13. Juni 2017, Bl. 113 d.A.), wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

Der streitgegenständliche Schriftsatz stelle kein Werk im Sinne des § 2 UrhG dar. Ob ein anwaltlicher Schriftsatz als ein Schriftwerk im Sinne des Urheberrechts anzusehen sei, hänge davon ab, ob er als wissenschaftliches Werk qualifiziert werden könne. Nach der Rechtsprechung sei dies nur unter engen Voraussetzungen der Fall. Bei wissenschaftlichen Werken finde der für das Urheberrecht erforderliche geistig-schöpferische Gehalt seinen Niederschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes und nicht ohne weiteres auch in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Geschützt sei demnach nicht der Inhalt (also zum Beispiel die Neuheit oder Originalität der in dem Text geäußerten Gedanken), sondern nur die Darstellungsform. Es komme darauf an, ob die Auswahl, Zusammenstellung und Darstellung der inhaltlichen Elemente (Fakten und Erkenntnisse) sich von der üblicherweise oder gar notwendigen Gestaltung abhöben, sich also als besonders originelle Eigenleistung des Verfassers oder der Verfasserin darstelle und dadurch die Schöpfungshöhe eines urheberrechtlich schutzfähigen Werkes erlange. Gemessen an diesen Voraussetzungen könne der Schriftsatz nicht als Schriftwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG qualifiziert werden. Eine besondere Leistung könne dem Aufbau nicht entnommen werden. Es handele sich hier um einen üblichen und logischen Aufbau eines anwaltlichen Schriftsatzes bzw. Gutachtens. Im Grunde werde auf einen naheliegenden, für eine juristische Arbeit typischen Aufbau zurückgegriffen. Aus der Gliederung lasse sich keine originelle Eigenleistung des Verfassers herleiten. Wie in der juristischen Arbeit üblich würden innerhalb der Gliederungspunkte die jeweilige Rechtslage dargestellt, das Verhältnis von europäischem Recht zu nationalen Vorschriften herausgearbeitet, die entsprechenden Tatbestände ausgelegt, der vorliegende Sachverhalt in einzelne Handlungen und Gegenstände aufgeteilt, diese jeweils unter die dargestellte Rechtslage subsumiert und das Ergebnis zusammenfassend dargestellt. Die Art und Form der Vorgehensweise entspreche der üblichen juristisch-handwerklichen Handlungsweise. „Originell“ im Sinne des Urheberrechts sei diese Herangehensweise keineswegs. Vielmehr sei es die für eine Stellungnahme geradezu typische, funktionelle Vorgehensweise. In dem Widerspruchsbescheid gegenüber dem Kläger zu 3) heißt es zudem, dass es vor diesem Hintergrund keiner weiteren Auseinandersetzung damit bedürfe, in welcher Weise und in welcher Form hier eine Zuarbeit zum Schriftsatz erfolgt sei bzw. welche Teilleistungen ihm als „Nicht-Unterzeichner“ tatsächlich zuzurechnen seien.

Am 29. November 2016 haben die Kläger Klage erhoben.

Der angegriffene Verwaltungsakt werde bereits auf die falsche Rechtsgrundlage gestellt. Einschlägig seien die vorrangigen Spezialvorschriften der Strafprozessordnung, § 475 StPO. Die streitgegenständliche Stellungnahme sei in einem Verfahren erfolgt, in dem die Beklagte ihr, der Klägerin zu 1), einen Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Vorläufiges Tabakgesetz (im Folgenden: VTabakG) vorgeworfen habe. Dies stelle gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG einen Ordnungswidrigkeitentatbestand dar.

Der angegriffene Verwaltungsakt verletze sie, die Kläger, überdies in ihren Urheberrechten.

Die Beklagte verkenne den Schutzumfang des Urheberrechts im Fall von Anwaltsschriftsätzen. Die Annahme, entscheidend sei nicht die inhaltliche Ausgestaltung, sondern die Form und Art der Sammlung, die Einteilung und Anordnung des Stoffes, möge die inhaltliche Gestaltung auch noch so innovativ und einmalig sein, sei falsch. Der Bundesgerichtshof halte daran fest, dass ein schöpferischer Gehalt im wissenschaftlichen Werk (bereits) in der Darstellung liegen könne und ein schöpferischer Inhalt (darüber hinaus) nicht zwingend erforderlich sei. Es sei logisch unzutreffend, daraus den Gegenschluss zu ziehen, dass es auf den Inhalt nicht ankomme, mithin ein inhaltlich schöpferisches (wissenschaftliches) Werk keinen Urheberrechtsschutz genießen könne.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei daneben auch die Darstellung schöpferisch. Es handele sich hier weder um eine durchschnittliche Stoffsammlung, noch um eine bloß ungeordnet aneinandergereihte Materialwiedergabe, sondern um eine mit intellektueller Präzision angelegte Darstellung. Die Stellungnahme stelle konzise und verständlich ein Rechtsgebiet dar, das durch zwei nebeneinander existierende EU-Rechtsakte und entsprechend zwei nebeneinander existierende deutsche Regelungen geprägt sei. Auf netto fünf Seiten fünf verschiedene Rechtsquellen und zwei konkrete Aussagen zu thematisieren, jeweils unter Berücksichtigung der (dünn gesäten) Rechtsprechung und unter Verwendung illustrativer Beispiele sei geradezu ein Kunststück, jedenfalls eine schöpferische Leistung.

Die Kläger haben beantragt, den Bescheid vom 23. Mai 2016 und die Widerspruchsbescheide vom 26. Oktober 2016 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, der rechtliche Maßstab sei allein dem Transparenzrecht zu entnehmen. Der fragliche Schriftsatz sei eine Stellungnahme in einem ordnungsrechtlichen Verwaltungsverfahren, nicht aber in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren gewesen. Auf den Schutz des Urheberrechts könnten sich die Kläger nicht berufen. Der Schriftsatz stelle auch in inhaltlicher Hinsicht keine geistig-schöpferische Eigenleistung dar. Es könne sein, dass sich der Schriftsatzverfasser bei der Vorbereitung schöpferischer Eigenleistung bedient habe und sich in die Materie erst habe einarbeiten müssen. Zu konstatieren sei aber, dass die dann auf Papier erbrachte und hier maßgebliche Darstellung sich keineswegs weder formell noch inhaltlich von einem durchschnittlichen Schriftsatz abhebe. Es werde die Rechtslage beschrieben, indem kurz auf die EU-Tabakprodukt-Richtlinie, EU-Tabakwerbung-Richtlinie, Tabakproduktverordnung und das Vorläufige Tabakgesetz eingegangen werde. Dabei handele es sich um das im Verbraucherschutz geradezu typische Zusammenspiel von europarechtlichem und nationalem Recht und keineswegs um eine spezialgelagerte, exotische Materie. Es handele sich überwiegend um eine reine Darstellung der (damaligen) Rechtslage, die zudem auch offenkundig bzw. auf andere Weise nachvollziehbar sei. Die Darstellung sei kein Ausdruck schöpferischer Kunst, sondern schlichtes juristisches Handwerk. Die Fragestellung, ob hier ein Verstoß gegen § 22 VTabakG vorliege, sei auch keineswegs komplex. Sie sei auch nicht komplex behandelt worden. Sofern die Kläger anführten, dass die Eigenleistung des Verfassers hier auch darin bestehe, sich mit der Rechtsprechung auseinanderzusetzen, erschöpfe sich dieses in dem Hinweis auf das sog. Bio-Tabak-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2010, wobei hier keineswegs im Einzelnen auf die Urteilsgründe oder einzelne Passagen des Urteils eingegangen werde. Dem Begriffsverständnis von „organic“ widme der Verfasser lediglich eine halbe Seite. Die gerühmte semantische Bedeutung des Begriffs „organic“ sowie die Darstellung dessen Äquivalenz mit dem Begriff „ökologischem Anbau“ beschränke sich damit auf ganze 27 Zeilen. Der Frage, ob es sich bei dem Hinweis „aus ökologischem Anbau“ um eine produktbezogene Aussage handele, gehe der Verfasser immerhin auf einer Seite nach. Allerdings stelle er keineswegs argumentativ die Gründe dar, die für bzw. gegen eine solche Aussage sprächen, und treffe seine Entscheidung im Rahmen der Abwägung. Er beschränke sich vielmehr schlicht auf das Festhalten (s)eines Ergebnisses. Von einem Diskurs (rechtlicher oder schöpferischer Art) könne hier keine Rede sein.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. November 2017, der Beklagten zugestellt am 21. Februar 2018, der Klage stattgegeben.

Die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Grundsätzlich sei die Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 HmbTG verpflichtet und insofern gegenüber den Klägern berechtigt, dem Beigeladenen Zugang zu dem streitgegenständlichen Schriftsatz zu verschaffen. Die Beklagte sei unzweifelhaft gemäß § 2 Abs. 5 HmbTG auskunftspflichtig. Ebenso wenig unterliege es Zweifeln, dass der fragliche Schriftsatz als Information im Sinne des Hamburgischen Transparenzgesetzes anzusehen sei.

Jedoch stünden der Verpflichtung – und damit zugleich der Berechtigung der Beklagten –, dem Beigeladenen den begehrten Zugang zu verschaffen, sich aus § 9 Abs. 1 HmbTG ergebende Einschränkungen entgegen. Demgemäß sei es der Beklagten verboten, den streitgegenständlichen Schriftsatz dem Beigeladenen in der von ihm gemäß § 12 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 HmbTG beantragten Weise, nämlich durch Versendung einer Kopie, zugänglich zu machen.

Zu Unrecht beriefen sich die Kläger darauf, dass die Informationsweitergabe durch strafprozessuale Vorschriften ausgeschlossen sei. Zu Recht weise die Beklagte darauf hin, dass diese nicht einschlägig seien, weil die dem Rechtsstreit zugrundeliegende anwaltliche Stellungnahme nicht im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, sondern eines ordnungsbehördlichen Verfahrens abgegeben worden sei.

Jedoch stünden der Verpflichtung der Beklagten zur Weitergabe der Information als spezialgesetzliche Regelungen i. S. v. § 9 Abs. 1 HmbTG die urheberrechtlichen Veröffentlichungs- und Verwertungsrechte entgegen. Der streitgegenständliche Schriftsatz sei ein schutzwürdiges Werk im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG. Zwar seien die einem Verwaltungsverfahren zugrundeliegenden Schreiben und Unterlagen regelmäßig nicht urheberrechtlich geschützt. Hierzu seien typischerweise auch Anwaltsschriftsätze zu rechnen. Dies bedeute jedoch keineswegs, dass Anwaltsschriftsätze als solche generell nicht urheberrechtsfähig sein könnten. Wenn ihnen für den Regelfall der Urheberrechtsschutz abgesprochen werde, so deshalb, weil sie sich typischerweise auf die nach herkömmlichen methodischen Regeln erfolgende subsumtionsfähige Strukturierung von Tatsachenstoff und die methodisch-dogmatisch geordnete Subsumtion dieses Materials unter einschlägige Rechtsnormen beschränkten. Ob sie mehr oder weniger brilliant formuliert seien, ob sie methodische, dogmatische oder rechtspositive Kenntnisse mehr oder weniger deutlich erkennen ließen, sei dabei grundsätzlich unbeachtlich, weil und insofern es sich bei der methodischen juristischen Argumentation – der Zuordnung von Abstraktem und Konkretem – im Kern typischerweise um die (konkretisierende) Reproduktion von (abstrakt) Vorgegebenem handele. Dies werde die Zuerkennung einer hinlänglichen Individualisierung und Schöpfungshöhe für den Regelfall ausschließen. Anders verhalte es sich jedoch dann, wenn in einem solchen Schriftsatz gleichsam juristisches Neuland betreten und mit einer kreativen Gedankenführung, bislang unbekannten Argumenten oder Argumentationsmustern oder auf sonst wie originelle Weise rechtlich erschlossen, strukturiert und zur juristischen Begründung des gewünschten Ergebnisses fruchtbar gemacht werde. Das auch insoweit die Entfaltung rechtlicher Argumente einer spezifisch juristischen Methodik und Dogmatik verhaftet bleibe, stehe dem nicht entgegen. Dies liege in der Natur der Sache, nämlich in der Verpflichtung der Rechtswissenschaft auf ein solches wissenschaftliches Grundgerüst.

So sei der streitgegenständliche Schriftsatz zu bewerten. Die Kläger zu 2) und 3) machten geltend, damit juristisches Neuland insofern betreten zu haben, als sie in Bezug auf die Werbung für Tabakprodukte einen originellen Abgleich europäischen und nationalen Rechts vorgenommen, hieraus bestimmte Argumente hergeleitet und für die Interessen der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) nutzbar gemacht hätten. Die Beklagte sei diesem Vorbringen nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen habe sich die Kammer durch Einsichtnahme in den fraglichen Schriftsatz in der mündlichen Verhandlung hinlänglich davon Eindruck verschafft, dass er insoweit die Voraussetzungen für eine urheberrechtsfähige persönliche geistige Schöpfung erfülle.

Die Kläger zu 2) und 3), die gemäß § 7 UrhG als „Schöpfer“ des Werks Urheber seien, hätten hinsichtlich dieses Werkes das in § 12 Abs. 1 UrhG geregelte Recht zur (Erst)Veröffentlichung, das durch Herausgabe einer Kopie an den Beigeladenen verletzt würde. Auch eine Verletzung der Klägerin zu 1) in eigenen Rechten liege vor. Ihr sei – durch den dem Mandatsverhältnis zugrundeliegenden Vertrag oder stillschweigend – eine entsprechende Urheberrechtsposition von den Klägern zu 2) und 3) übertragen worden. Gemäß § 29 Abs. 2 UrhG könnten Nutzungsrechte und Verwertungsrechte rechtsgeschäftlich eingeräumt werden. Die Kläger hätten dadurch, dass sie die Klage gemeinsam erhoben hätten, konkludent geltend gemacht, dass der Klägerin zu 1) das Veröffentlichungsrecht an dem von ihr in Auftrag gegebenen Schriftsatz ebenfalls zustehe.

Mit Beschluss vom 17. Juni 2019 hat der Senat auf den am 19. März 2018 eingegangenen Antrag der Beklagten die Berufung zugelassen.

Mit ihrer am 12. August 2019 eingegangenen Berufungsbegründung nimmt die Beklagte auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug und führt ergänzend aus, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehe hier keine spezialgesetzliche Regelung im Sinne des § 9 Abs. 1 HmbTG der Weitergabe des anwaltlichen Schriftsatzes entgegen. Denn entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts lägen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 UrhG nicht vor. Bei dem Anwaltsschriftsatz handele es sich nicht um ein Werk im Sinne des § 2 UrhG.

Der Maßstab des Verwaltungsgerichts sei unzutreffend. Die Beklagte wiederholt insoweit ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid und führt zusammenfassend aus, dass sich der urheberrechtliche Schutz wissenschaftlicher Werke grundsätzlich auf die Formgestaltung beschränke, während die inhaltlichen Elemente ungeschützt blieben. Eine urheberrechtlich geschützte Leistung könne daher nur in der eigentümlichen Auswahl, Anordnung, Einteilung und / oder Darstellung des behandelten Stoffes liegen. Diesen Kriterien genüge der Anwaltsschriftsatz gerade nicht. Der streitgegenständliche Schriftsatz umfasse ohne die Unterschrift acht Seiten. Schon der Aufbau des Schriftsatzes orientiere sich dabei an einem für rechtswissenschaftliche Stellungnahmen und Schriftsätze üblichen funktionalen Schema. Auch der Sprachstil und Ausdruck seien hier in dem üblichen nüchternen, funktionalen, juristischen Duktus gehalten. Es werde im Urteilsstil ein klassischer Obersatz mit dem Ergebnis gebildet. Dann folge der Bezug auf Normen, Verordnungen, EU-Recht, die Heranziehung von BGH-Rechtsprechung, Auslegung, Subsumtion und letztendlich schließe das Ganze mit einem Ergebnis ab. Ohne dass ein Urteil über den fachlichen Inhalt des Schriftsatzes gesprochen werde, handele es sich bei dem streitgegenständlichen Schriftsatz um eine typische, durchschnittliche Stellungnahme, die keinerlei Eigentümlichkeiten oder Besonderheiten in der Auswahl, Anordnung, Einteilung und / oder Darstellung des behandelten Stoffes aufweise.

Auch die Subsumtion der Kammer unter die von ihr eigens aufgestellte Definition sei zweifelhaft. Es bestünden ernsthafte Bedenken daran, dass das Gericht durch die kurze Inaugenscheinnahme des streitgegenständlichen Schriftsatzes eine hinreichende Beurteilung des Inhalts habe vornehmen können, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass hier juristisches Neuland betreten werde. Die Inaugenscheinnahme habe 10 bis 15 Minuten gedauert. Diese kurze Begutachtung sei nicht ausreichend, um den Inhalt im Sinne der vom Verwaltungsgericht aufgestellten Definition beurteilen zu können.

Die Beklagte beantragt, das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg, Aktenzeichen 17 K 7287/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger tragen vor, dass sie, die Kläger zu 2) und 3), in dem streitgegenständlichen Schriftsatz die tabakerzeugnisrechtliche Rechtslage, die einem Nischenbereich des besonderen Verwaltungsrechts zuzuordnen sei, aufbereitet hätten. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Darlegungen in der Berufungserwiderung vom 2. Dezember 2019 (S. 2 – 4 des Schriftsatzes, Bl. 306 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die angegriffenen Bescheide verstießen gegen § 9 Abs. 1 HmbTG i. V. m. § 12 UrhG. Der streitgegenständliche Schriftsatz sei urheberrechtlich schutzfähig. Ein urheberrechtlich schutzfähiges Werk erfordere eine persönliche geistige Schöpfung. Dies sei dann zu bejahen, wenn es sich um vom jeweiligen Schöpfer geprägte Gedankenäußerungen handele, die durch die Formung der in ihnen enthaltenen Gedanken, durch ihre Führung oder aber durch die Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des Dargebotenen sowohl eine hinlängliche Individualisierung als auch eine hinlängliche Schöpfungshöhe aufwiesen. In Bezug auf anwaltliche Schriftsätze sei zwischen Produkten alltäglicher Routine und persönlichen geistigen Schöpfungen zu unterscheiden. Der Bundesgerichtshof habe verdeutlicht, dass häufig schon die Materialordnung und -gliederung eines konkreten wissenschaftlichen Werks diesem eigentümlich sei und den Urheberrechtsschutz begründe. Dabei dürften keineswegs überzogene Anforderungen daran gestellt werden, wann die Eigenheiten der Darstellung und Gestaltung einem wissenschaftlichen Werk Urheberrechtsschutz vermittelten. Zwar begründe die Gedankenformung und -führung nicht ohne weiteres, im Einzelfall aber durchaus den Urheberrechtsschutz. Entscheidend bleibe der „Gesamteindruck“ und die Frage, ob danach das Alltägliche, Handwerksmäßige bzw. die mechanisch-technische Materialaneinanderreihung deutlich überragt werde. Ein solches Hinausgehen werde sich gerade bei der Auseinandersetzung mit komplizierten Tat- oder Rechtsfragen zeigen. Urheberrechtsfähige eigenschöpferische Individualität äußere sich ferner dann, wenn Erkenntnisse in besonders verständlicher Form vorgetragen würden. Dass das einzige Betätigungsfeld schöpferischer Individualität bei Schriftsätzen in der Stoffauswahl, -anordnung, -einteilung und -darstellung liegen könne, lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass aus Gründen der Wissenschaftsfreiheit ein jeder frei bleiben müsse, dieselben rechtswissenschaftlichen Gedanken zu pflegen und Schlüsse zu ziehen.

Anhand dieser Maßstäbe genieße der streitgegenständliche Schriftsatz urheberrechtlichen Schutz. Denn der Schriftsatz lasse in verschiedener Hinsicht schöpferische Eigenheiten erkennen, die das Alltägliche, das Handwerksmäßige bzw. die mechanisch-technische Materialaneinanderreihung deutlich überragten. Urheberrechtsschutz genieße der Schriftsatz wegen der – nicht durch das Anhörungsschreiben oder Rechtsprechung bzw. Literatur vorgegebenen – Stoffauswahl, die in dem Eingehen auf jeweils eine Mehrzahl nationaler und unionsrechtlicher Rechtsakte, dem Vergleich der aktuellen mit der zukünftigen Rechtslage und der Unterscheidung zwischen rechtlichen Anforderungen an die Werbung und an die Packungsgestaltung liege. Darüber hinaus sei auch der konkrete Aufbau der Gestaltung originell. Denn für die rechtliche Analyse einer solcherart komplexen Gemengelage existiere gerade kein übliches funktionales Schema. Ein weiterer Grund für die Zuerkennung des urheberrechtlichen Schutzes liege darin, dass eine komprimierte Darstellung des komplexen Themas besonders verständlich gelungen sei. Hinzu trete schließlich die inhaltliche Originalität des Textes. Der Schriftsatz überrage daher das Alltägliche. Die Urheberrechtsfähigkeit lasse sich auch nicht mit Blick auf den Umfang in Abrede stellen. Der Schriftsatz genieße jedenfalls als „kleine Münze“ urheberrechtlichen Schutz. Die Richtigkeit des Schlusses, dass der Schriftsatz ein geschütztes Werk i. S. v. § 2 UrhG sei, werde durch einen Gegenschluss aus § 5 UrhG nochmals bestätigt. § 5 UrhG belege, dass funktionale juristische Texte urheberrechtlichen Schutz genießen könnten, soweit nicht § 5 UrhG als Ausnahmenorm greife. Zudem könnten danach Leitsätze von privater Seite Urheberrechtsschutz genießen.

Der Schriftsatz sei in seiner Schöpfung gemeinschaftlich zwischen den Klägern zu 2) und 3) entwickelt worden. Wegen der Einzelheiten der Darstellung wird insoweit auf den Schriftsatz der Kläger vom 10. Juni 2021 (Bl. 354 f. d.A.) verwiesen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie auf die Sachakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

A.

Die vom Senat zugelassene und – nach fristgemäß erfolgter Begründung und Stellung eines Berufungsantrags – auch sonst zulässige Berufung (§§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 3 VwGO) der Beklagten ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben.

Die Klage ist zulässig (hierzu unter I.) und begründet (hierzu unter II.).

I. Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist die Klägerin zu 1) auch prozessführungsbefugt. Die nach Klagerhebung wirksam gewordene Verschmelzung der früheren Klägerin zu 1) zur Klägerin zu 1) hat zur Folge, dass letztere als Gesamtrechtsnachfolgerin in die materiell-rechtlichen Rechte und Pflichten ihrer Rechtsvorgängerin (vgl. § 20 UmwG) und in den von ihr – anwaltlich – geführten Prozess entsprechend §§ 239, 246 ZPO ohne Unterbrechung eingetreten ist (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2003, II ZR 161/02, NJW 2004, 1528, juris Rn. 8).

Die Kläger sind auch klagebefugt. Alle drei Kläger können geltend machen, durch die angefochtenen Bescheide möglicherweise in einer – auch gegenüber Informationsansprüchen geschützten – urheberrechtlichen Rechtsposition (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2019, 7 C 1/18, GRUR 2020, 189, juris Rn. 15 f.; OVG Münster, Urt. v. 24.11.2017, 15 A 690/16, ZNER 2017, 517, juris Rn. 55) verletzt zu sein.

II. Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid vom 23. Mai 2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. Oktober 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der vom Beigeladenen geltend gemachte Informationsanspruch kann nicht auf § 1 Abs. 2 1. Alt. HmbTG gestützt werden, wonach jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf unverzüglichen Zugang zu allen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen hat. Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 1. Alt. HmbTG liegen zwar vor (hierzu unter 1.). Dem Anspruch des Beigeladenen steht jedoch ein Informationsverbot entgegen (hierzu unter 2.).

1. Die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 1. Alt. HmbTG liegen vor.

Die Beklagte ist eine auskunftspflichte Stelle im Sinne des § 2 Abs. 5 HmbTG. Der anwaltliche Schriftsatz ist zudem eine der Auskunftspflicht unterliegende Information i. S. v. § 2 Abs. 1 HmbTG. Den Begriff der Information hat der Gesetzgeber in dieser Vorschrift bewusst umfassend und offen formuliert. Es sollen alle amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnungen sowie Tonaufzeichnungen unabhängig von der Art des Speichermediums erfasst werden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, Bü-Drs. 20/4466, S. 13).

2. Dem Anspruch des Beigeladenen steht jedoch ein Informationsverbot entgegen.

Dieses folgt allerdings nicht bereits aus § 9 Abs. 1 HmbTG i. V. m. § 475 StPO. Denn § 475 StPO ist nicht einschlägig. Vorliegend wird nicht die Herausgabe eines Schriftsatzes im Zuge eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens verlangt, sondern der streitgegenständliche Schriftsatz wurde im Rahmen eines ordnungsbehördlichen Verfahrens eingereicht.

Hier wurde die Weitergabe der fraglichen Informationen durch die in Anspruch genommene auskunftspflichtige Stelle jedoch durch urheberechtliche Rechtspositionen ausgeschlossen.

Hierbei kann dahinstehen, ob das Informationsverbot aus § 9 Abs. 1 HmbTG i. V. m. dem Urheberrechtsgesetz oder aus der erst nach Erlass der Widerspruchsbescheide mit Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Transparenzgesetzes und des Hamburgischen Umweltinformationsgesetzes sowie zum Erlass des Ausführungsgesetzes zum Verbraucherinformationsgesetz vom 19. Dezember 2019 (HmbGVBl. 2000, 19) eingefügten spezialgesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 1 HmbTG folgt, wonach eine Informationsplicht nicht besteht, soweit und solange der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Grundsätzlich ist auch im Informationszugangsrecht anerkannt, dass für die Beurteilung des geltend gemachten Informationsanspruchs im Fall einer wie auch hier vorliegenden (Dritt-)Anfechtungsklage das zur Zeit der letzten Behördenentscheidung anwendbare Recht maßgeblich ist (VGH Mannheim, Urt. v. 21.3.2017, 10 S 413/15, DVBl. 2017, 786, juris Rn. 28; OVG Münster, Urt. v. 1.4.2014, 8 A 654/12, DVBl. 2014, 1331, juris Rn. 93 ff.; OVG Schleswig, Beschl. v. 4.4.2006, 4 LB 2/06, NVwZ 2006, 847, juris Rn. 9), so dass vorliegend § 9 Abs. 1 HmbTG einschlägig wäre. Ob der in der Rechtsprechung diskutierten Ausnahme von diesem Grundsatz zu folgen ist, wonach es der Prozessökonomie widerspräche, im Rahmen der Drittanfechtung einen Verwaltungsakt aufzuheben, wenn dieser nach der Aufhebung auf erneuten Antrag wegen der inzwischen geänderten Rechtslage wiedererteilt werden müsste (OVG Münster, Urt. v. 1.4.2014, a.a.O., juris Rn. 98 ff.), braucht vorliegend nicht entschieden werden, da sich die Rechtslage nicht zugunsten des Auskunftsbegehrenden geändert hat. Ob hier aus anderen Gründen von dem Grundsatz abzuweichen ist, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung, da sich durch die Einfügung der Spezialvorschrift jedenfalls mit Blick auf den Schutz urheberrechtlicher Rechtspositionen keine materiell-rechtlichen Änderungen ergeben haben.

Der streitgegenständliche Schriftsatz genießt Urheberrechtsschutz nach § 2 UrhG (hierzu unter a]). Das Erstveröffentlichungsrecht als einmaliges Recht ist in Bezug auf den streitgegenständlichen Schriftsatz noch nicht verbraucht (hierzu unter b]). Mit der Gewährung des Informationszugangs würde in das Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG eingegriffen (hierzu unter c]). Sowohl die Kläger zu 2) und 3) als auch die Klägerin zu 1) können sich auf die Verletzung urheberrechtlicher Rechtspositionen berufen (hierzu unter d]).

a) Der streitgegenständliche Schriftsatz genießt Urheberrechtsschutz nach § 2 UrhG.

aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gehören zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst insbesondere Sprachwerke, wie Schriften, Reden und Computerprogramme, nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. Voraussetzung ist nach § 2 Abs. 2 UrhG, dass es sich bei den Werken um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Soll ein Werk von den schöpferischen Beiträgen seines Urhebers geprägt sein und sich insoweit durch Individualität oder Originalität auszeichnen, muss ein Gestaltungsspielraum bestehen. Dieser findet sich bei Sprachwerken wissenschaftlichen und technischen Inhalts, zu denen auch Anwaltsschriftsätze gehören (BGH, Urt. v. 17.4.1986, I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, juris Rn. 12 m.w.N.), in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes, nicht hingegen ohne Weiteres auch in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Soweit die schöpferische Kraft eines Schriftwerks allein im innovativen Charakter seines Inhalts liegt, kommt ein Urheberrechtsschutz nämlich nicht in Betracht. Der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein. Die Schutzfähigkeit ist auch dann beschränkt, wenn die Darstellung aus der Natur der Sache oder nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit vorgegeben ist (BVerwG, Urt. v. 26.9.2019, 7 C 1/18, GRUR 2020, 189, juris Rn. 19 m.w.N.).

Soweit der Bundesgerichtshof bei Gebrauchszwecken dienenden Sprachwerken – anders als etwa bei literarischen Werken, bei denen ein sehr geringer Grad kreativer Leistung ausreicht und somit die „kleine Münze“ geschützt ist – davon ausgegangen ist, dass sie nur dann einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzen und folglich schutzfähig sind, wenn sie nach dem Gesamteindruck der konkreten Gestaltung bei der Gegenüberstellung mit der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit das Alltägliche, das Handwerksmäßige, das bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überragen (BGH, Urt. v. 17.4.1986, I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, juris Rn. 12 m.w.N. – zu Anwaltsschriftsätzen), hält das Bundesverwaltungsgericht an dem Erfordernis erhöhter Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines wissenschaftlichen Werkes aus unionsrechtlichen Gründen nicht fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26. September 2019 (7 C 1/18, GRUR 2020, 189, juris Rn. 22) diesbezüglich ausgeführt:

„Das Unionsrecht regelt ausdrücklich lediglich die Voraussetzungen der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Computerprogrammen (Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 91/250/EWG vom 14. Mai 1991, ABl. L 122 S. 42, in der kodifizierten Fassung der Richtlinie 2009/24/EG vom 23. April 2009, ABl. L 111 S. 16), Datenbanken (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/9/EG vom 11. März 1996, ABl. L 77 S. 20) und Fotografien (Art. 6 der Richtlinie 2006/116/EG vom 12. Dezember 2006, ABl. L 372 S. 12, in der kodifizierten Fassung der Richtlinie 2011/77/EU vom 27. September 2011, ABl. L 265 S. 1). Hiervon ausgehend hat der Gerichtshof der Europäischen Union den urheberrechtlichen Werkbegriff als „Eckpfeiler des Urheberrechtssystems“ (so Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge vom 2. Mai 2019 in der Rechtssache – C-683/17 [ECLI:EU:C:2019:363], Cofemel/G-Star – Rn. 43 f.) im Rahmen der Anwendung von Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vom 20. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – InfoSocRL – (ABl. L 167 S. 10) im Wege einer Gesamtanalogie werkartenübergreifend harmonisiert (siehe dazu etwa Metzger, ZEuP 2017, 836 <848 ff.>; Jotzo, ZGE 2017, 447 <456 f.>; Leistner, ZGE 2013, 4 <23 ff., 30 ff.>; ders., ZUM 2019, 720 <721 f.>; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 14; Grünberger, ZUM 2019, 281 <282 f.>; GRUR 2019, 73 <75>; Wiebe, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 2 UrhG Rn. 3; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 22 f.). Dieser unionsrechtliche Werkbegriff enthält zwei Tatbestandsmerkmale. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen (siehe EuGH, Urteile vom 16. Juli 2009 – C-5/08 [ECLI:EU:C:2009:465], Infopaq – Rn. 33 ff. und zuletzt vom 13. November 2018 – C-310/17 [ECLI:EU:C:2018:899], Levola Hengelo – Rn. 33 ff., vom 29. Juli 2019 – C-469/17 [ECLI:EU:C:2019:623], Funke Medien – Rn. 18 ff. und vom 12. September 2019 – C-683/17 [ECLI:EU:C:2019:721], Cofemel/G-Star – Rn. 29 ff.). Originalität ist dann gegeben, wenn der Gegenstand die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt. Daran fehlt es, wenn die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde; Arbeitsaufwand oder bedeutende Sachkenntnis, die in die Gestaltung eingeflossen sind, genügen demnach nicht. Weist ein Gegenstand die erforderlichen Merkmale auf, muss er als Werk urheberrechtlich geschützt werden. Dabei hängt der Umfang dieses Schutzes nicht vom Grad der schöpferischen Freiheit seines Urhebers ab und ist nicht geringer als derjenige, der allen unter die Richtlinie fallenden Werken zukommt. Hiernach decken sich die grundsätzlichen Anforderungen an die Originalität als Voraussetzung eines urheberrechtlich geschützten Werks mit den nach § 2 Abs. 2 UrhG entwickelten Maßstäben. Damit ist aber zugleich auch eine einheitliche Schutzuntergrenze bezeichnet (so ausdrücklich Stieper, jurisPR-WettbewerbsR 12/2018 Anm. 1 <zu EuGH, Urteil vom 13. November 2018 – C-310/17>, Erl. E; Ahlberg, in: BeckOK Urheberrecht, Stand 20. April 2018, § 2 Rn. 162; bereits im Anschluss an das Urteil des BGH vom 13. November 2013 – I ZR 143/12 – etwa Hoeren, Urteilsanmerkung MMR 2014, 333 <338>; Dreyer, in: Dreyer u.a., Urheberrecht, 4. Aufl. 2018, § 2 Rn. 66 f., sowie Leistner, EuZW 2016, 166 <167>; A. Nordemann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 12. Aufl. 2018, § 2 UrhG Rn. 38, 62a f.; Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 5. Aufl. 2017, § 2 UrhG Rn. 60; siehe auch J.B. Nordemann/Czychowski, NJW 2019, 725 <726>; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2019, 1 <2>; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 14 a.E.).“

bb) Diesen Ausführungen schließt sich das Berufungsgericht an. Auch der Urheberrechtsschutz eines anwaltlichen Schriftsatzes setzt daher entgegen der von der Beklagten noch unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. April 1986 (I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, juris Rn. 12) vertretenen Auffassung nicht (mehr) voraus, dass er nach dem Gesamteindruck der konkreten Gestaltung bei einer Gegenüberstellung mit der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit das Alltägliche, Handwerksmäßige, bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überragt.

Unter Berücksichtigung der nach dem Vorstehenden nur noch zu stellenden Anforderungen genießt der streitgegenständliche Schriftsatz Urheberrechtsschutz im Sinne des § 2 UrhG. Eine Originalität im oben genannten Sinne kann dem Schriftsatz nicht abgesprochen werden.

Für eine ausreichende Schöpfungshöhe spricht zunächst, dass der Schriftsatz – ohne die Unterschrift – nach Darstellung der Beklagten in ihren Widerspruchsbescheiden immerhin acht Seiten umfasst (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 8.12.2016, 310 O 124/16, ZUM-RD 2017, 496, juris Rn. 30 – Text mit einer Länge von 11 teilweise längeren Sätzen).

Auch ist der Text individuell und damit in origineller Weise gegliedert. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beklagten und der Kläger stellt sich die Gliederung wie folgt dar: „1. Umfang und Grundlage der beabsichtigten Ordnungsverfügung a. Gegenstand b. Grundlage 2. Kein Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Nr. 2 VTabakG a. Packung b. Werbung/und weiter hilfsweise auch für die Packung i) „Organic“ ii) „aus ökologischem Anbau“ 3. Kein übergeordnetes qualitatives Interesse zur sofortigen Vollziehung.“ Hierin kommt die freie kreative Entscheidung der Urheber zum Ausdruck.

Der Einwand der Beklagten, der Aufbau des Textes orientiere sich an einem für rechtswissenschaftliche Stellungnahmen und Schriftsätze üblichen funktionalen Schema, lässt unberücksichtigt, dass der gewählte Aufbau keinesfalls einem aus Sachgründen zwingend gebotenen Schema folgt, wie dies etwa bei gewöhnlichen Mahnschreiben oder presserechtlichen Warnschreiben der Fall sein mag, sondern trotz der bei juristischen Stellungnahmen durchweg bestehenden Gepflogenheiten im Aufbau allein schon im Hinblick auf die konkret in Rede stehende, komplexe Materie gleichwohl ein Spielraum für eine individuelle Gestaltung bleibt, den die Kläger genutzt haben (vgl. zu diesem Erfordernis zur Bejahung der Originalität: BGH, Urt. v. 17.4.1986, I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, juris Rn. 16). Diese Feststellung lässt sich auch ohne umfassende Kenntnis vom Inhalt des streitgegenständlichen Schriftsatzes treffen. Den Aufbau des Kernbereichs des Schriftsatzes – den Gliederungspunkt 2. – haben die Kläger – von der Beklagten unwidersprochen – in ihrer Berufungserwiderung vom 2. Dezember 2019 wie folgt näher spezifiziert: Mit Blick auf die normativen Vorgaben für die Packungsgestaltung von Tabakprodukten wurde zunächst die Richtlinie 2002/37/EG (EU-Tabakprodukt-RL) mit der deutschen Tabakproduktverordnung in Verbindung gesetzt. Hiervon wurde das Rechtsregime der Richtlinie 2003/33/EG (EU-Tabakwerbung-RL) abgegrenzt und der Schluss gezogen, dass für die Packungsgestaltung die Vorgaben der Tabakprodukt-VO abschließend seien. Sodann erfolgte eine Einzelbetrachtung von § 22 VTabakG und es wurde aufgezeigt, dass dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. November 2010 (Az. I ZR 139/09) – von den Klägern „Bio-Tabak-Urteil“ genannt – ein entsprechendes Verständnis zugrunde liegen müsse. Im Folgenden wurde die Rechtslage nach der Richtlinie 2014/40/EU (Zweite Tabakprodukt-RL) – auch im Verhältnis zu § 22 VTabakG – dargestellt und festgehalten, dass das deutsche Verbot von Naturbezeichnungen nur für die Werbung, nicht jedoch für Packungsangaben gelte. Sodann wurden die Anforderungen an die Werbung für Tabakprodukte dargelegt, dies zugleich als Hilfsargumentation hinsichtlich der Zulässigkeit der vorliegenden Packungsgestaltung. In einem weiteren Schritt wurde die Bezeichnung „organic“ unter linguistischen Gesichtspunkten und mit Blick auf die angesprochenen Verkehrskreise analysiert mit dem Ergebnis, dass die Aussage „organic“ synonym mit der Aussage „aus ökologischem Anbau“ zu behandeln sei. Dieser Aufbau folgt individuellen Ordnungs- und Gestaltungsprinzipien und lässt erkennen, dass die Verfasser das Material, dem seinerseits eine nicht zwangsläufig vorgegebene Stoffauswahl zugrunde liegt, individuell in das Einzel- und Gesamtgeschehen eingeordnet haben (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1986, a.a.O. Rn. 16). So hätte der Aufbau auch etwa in umgekehrter Reihenfolge erfolgen können. Die Verfasser hätten auch zunächst die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darstellen können, bevor sie sich den normativen Vorgaben widmeten. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass ggf. die einzelnen Passagen durch klassische Obersätze im Urteilsstil eingeleitet werden.

Soweit die Beklagte moniert, dass in dem Schriftsatz ein Bezug auf Normen, Verordnungen und EU-Recht erfolge, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs herangezogen werde, sich die Verfasser der Auslegung und Subsumtion bedienten und letztendlich das Ganze mit einem Ergebnis abschlössen, lässt sie unberücksichtigt, dass die Anwendung der Denkgesetze und Fachkenntnisse und die Berücksichtigung von Erfahrungen einen Urheberrechtsschutz nicht ohne weiteres ausschließen, sondern vielmehr zum Wesen rechtswissenschaftlicher Tätigkeit gehören (vgl. BGH, Urt. v. 17.4.1986, I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, juris Rn. 15). Dies gilt namentlich für die Heranziehung von Normen und Rechtsprechung sowie für die Schritte der Auslegung und Subsumtion.

Auch bei der Auswahl der einzelnen Wörter bestand ein Gestaltungsspielraum. Dass der Sprachstil und Ausdruck womöglich in dem Schriftsatz in dem üblichen nüchternen, funktionalen, juristischen Duktus gehalten ist, steht einer Schutzfähigkeit nicht entgegen. Dass die Wortwahl fest vorgegeben war, ist weder ersichtlich, noch wird dies von der Beklagten geltend gemacht.

b) Das Erstveröffentlichungsrecht als einmaliges Recht ist in Bezug auf den streitgegenständlichen Anwaltsschriftsatz noch nicht verbraucht. Mit der Einreichung bei der Behörde ist der Schriftsatz noch nicht im Rechtssinne veröffentlicht worden; damit ist auch keine (konkludente) Zustimmung zu einer späteren Veröffentlichung verbunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2019, 7 C 1/18, GRUR 2020, 189, juris Rn. 25).

§ 6 Abs. 1 UrhG legt fest, dass ein Werk veröffentlicht ist, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Erschienen ist ein Werk, wenn mit Zustimmung des Berechtigten Vervielfältigungsstücke des Werks nach ihrer Herstellung in genügender Anzahl der Öffentlichkeit angeboten oder in Verkehr gebracht worden sind (§ 6 Abs. 2 Satz 1 UrhG). Unter Öffentlichkeit im Sinne von § 6 Abs. 1 UrhG ist ein nicht von vornherein bestimmt abgegrenzter Personenkreis möglicher Rezipienten des Werks zu verstehen, mit dem keine persönliche Verbundenheit des Urhebers oder Nutzungsberechtigten besteht und dem das Werk sinnlich wahrnehmbar gemacht wird (OVG Münster, Urt. v. 24.11.2017, 15 A 690/16, juris Rn. 94 ff. m.w.N.). Die Zugänglichmachung eines Werks im Verständnis des § 6 Abs. 1 UrhG ist ein einmaliger, irreversibler Akt. Dieser ist dann vollzogen, wenn die Öffentlichkeit die tatsächliche Möglichkeit erhalten hat, den Inhalt des Werks gleich auf welche Weise durch die Sinne wahrzunehmen. Die Zugänglichmachung muss mit Zustimmung des Berechtigten erfolgen. Die Zustimmung kann auch formlos erteilt werden oder sich aus den Umständen ergeben (OVG Münster, Urt. v. 24.11.2017, 15 A 690/16, a.a.O. Rn. 97 ff. m.w.N.).

Dies zugrunde gelegt ist mit der Einreichung bei der Behörde der Schriftsatz noch nicht im Rechtssinne veröffentlicht worden. Eine anwaltliche Stellungnahme in einem ordnungsbehördlichen Verfahren richtet sich nicht an die Öffentlichkeit als unbestimmten, nicht von vornherein abgrenzbaren Personenkreis. Er ist nur an die Behörde und deren Bedienstete adressiert, die für das ordnungsbehördliche Verfahren zuständig sind. Mit der Einreichung wird nur darin eingewilligt, dass die zuständige Behörde und ihre Mitarbeiter von dem Schriftsatz Kenntnis erlangen. Die Zustimmung, dass hiermit zugleich der Öffentlichkeit – also potentiell jedermann – der Zugang zu dem Schriftsatz eröffnet werden soll, wird hiermit weder ausdrücklich noch konkludent erteilt.

c) Mit der Gewährung des Informationszugangs würde in das Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG eingegriffen. Eine Veröffentlichung kann nicht unter Hinweis darauf verneint werden, dass hier nur der Informationszugang des Beigeladenen und folglich eines Einzelnen, nicht aber der eines unbestimmten und unbegrenzten Personenkreises zur Entscheidung stehe. Denn damit würde zu Unrecht ausgeblendet, dass der voraussetzungslose Anspruch nach § 1 Abs. 2 1. Alt. HmbTG von jedermann geltend gemacht werden kann und das Werk vor diesem Hintergrund der Sache nach dem Zugriff der Öffentlichkeit ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil v. 25.6.2015, 7 C 1.14, BVerwGE 152, 241, juris Rn. 37); auch hier sind kumulative Wirkungen durch die sukzessive Kenntnisnahme über längere Zeiträume zu berücksichtigen (BVerwG, Urt. v. 26.9.2019, 7 C 1/18, GRUR 2020, 189, juris Rn. 41). Hinzu kommt, dass davon auszugehen ist, dass der Beigeladene den streitgegenständlichen Schriftsatz auf der vom Aktionszentrum Forum Rauchfrei betriebenen Internetseite veröffentlichen würde.

d) Sowohl die Kläger zu 2) und 3) als auch die Klägerin zu 1) können sich auf die Verletzung urheberrechtlicher Rechtspositionen berufen.

aa) Das Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG steht als Teil des Urheberpersönlichkeitsrechts dem Urheber des Werkes (§ 7 UrhG) zu. Urheber des Werkes sind die Kläger zu 2) und 3).

Wirken bei der Entstehung eines Werkes mehrere Personen mit, so beurteilt sich die Frage der Urheberschaft nach dem Urheberschaftsprinzip. Nur wer einen eigenschöpferischen Beitrag im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG leistet, ist Urheber. Andere Beteiligte können Anregungen gegeben haben oder als Gehilfen tätig gewesen sein, scheiden aber als Urheber aus. Beruht ein Werk auf schöpferischen Beiträgen mehrerer Personen, so sind diese unter den Voraussetzungen des § 8 UrhG Miturheber (Loewenheim/Peifer, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl. 2020, UrhG § 7 Rn. 6). Keine schöpferische Tätigkeit ist die Gehilfenschaft beim Werkschaffen anderer, die keine eigene Individualität entfaltet, sondern nur fremde Individualität unterstützt. So liegt es etwa beim Sammeln, Sichten und Ordnen von Material nach Anweisungen des Urhebers, bei der Anfertigung einfacher Register, Übersichten und Auszüge, unter Umständen auch noch bei der Ausarbeitung einzelner Stellen nach genauer Weisung des Urhebers, ferner bei redaktionellen Korrekturen und Textglättungen (Loewenheim/Peifer, a.a.O., UrhG § 7 Rn. 8). Haben mehrere ein Werk geschaffen, ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, so sind sie gemäß § 8 Abs. 1 UrhG Miturheber des Werkes.

Nach dieser Maßgabe sind die Kläger zu 2) und 3) Miturheber des streitgegenständlichen Schriftsatzes.

Nach ihren eigenen Angaben, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht, ist der Schriftsatz in fünf Iterationen gemeinschaftlich erstellt worden, wobei der Kläger zu 2) zunächst nach einer Besprechung mit dem Kläger zu 3) eine erste Gliederung erstellt hat, die die beiden Kläger sodann inhaltlich durchgesprochen haben. Vom Kläger zu 3) stammt vor allem die inhaltliche und strukturelle Gestaltung, insbesondere die Differenzierung zwischen Rechtsnormen zur Packungsgestaltung und Tabakwerbung auf europäischer Ebene und die Frage der abschließenden Regelung durch das Europarecht, sowie die sich daraus ergebende Darstellung im argumentativen Aufbau der Stellungnahme. Auf dieser Basis hat der Kläger zu 2) einen ersten Entwurf der Stellungnahme formuliert, der dann vom Kläger zu 3) durchgesehen und sowohl inhaltlich als auch sprachlich ergänzt und überarbeitet worden ist. So hat der Kläger zu 3) im Entwurf über die Entwicklung der Gesamtgliederung und Darstellungslogik hinaus zu dem Zeitpunkt die Zweite EU-TabakproduktRL zusätzlich eingefügt, um die Umstellungszeiträume zu erläutern, die die Richtlinie gewährt hat. Des Weiteren hat er die Begründung des Wortes „organic“ – in Fortentwicklung des Entwurfs des Klägers zu 2) – umgestellt und dargelegt, dass es sich um ein Synonym zu „aus ökologischem Anbau“ handele. Der Kläger zu 3) hat sodann den Entwurf mit der Klägerin zu 1) abgestimmt und ihn anschließend aktualisiert. Der Kläger zu 2) hat schließlich die Stellungnahme formal finalisiert, unterschrieben und abgeschickt.

Hiernach haben sowohl der Kläger zu 2) als auch der Kläger zu 3) einen eigenschöpferischen Beitrag im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG geleistet. Die jeweiligen Anteile erweisen sich nicht lediglich als Gehilfenschaft beim Werkschaffen anderer. Der jeweilige Eigenanteil beschränkt sich danach nicht nur auf das Sammeln, Sichten und Ordnen von Material nach Anweisungen des Urhebers, auf die Ausarbeitung einzelner Stellen nach genauer Weisung des Urhebers oder auf redaktionelle Korrekturen und Textglättungen. Sondern sowohl der Kläger zu 2) als auch der Kläger zu 3) haben einen eigenen schöpferischen Beitrag geleistet, der im Falle des Klägers zu 2) in dem Erstellen einer ersten Gliederung, der Formulierung des Entwurfs und endgültigen Finalisierung und im Falle des Klägers zu 3) in der inhaltlichen und strukturellen Gestaltung des Schriftsatzes, in der inhaltlichen und sprachlichen Überarbeitung und Erweiterung und abschließenden Aktualisierung liegt. Da sich ihre Anteile nicht gesondert verwerten lassen, sind die Kläger zu 2) und 3) als Miturheber anzusehen.

bb) Auch die Klägerin zu 1) kann sich auf die Verletzung urheberrechtlicher Rechtspositionen berufen. Das Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG ist zwar als solches nicht übertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG); seine Ausübung kann aber – insbesondere bei Einräumung eines Nutzungsrechts am Werk (§ 29 Abs. 2, § 31 UrhG) – einem Dritten übertragen werden (BVerwG, Urt. v. 25.6.2015, 7 C 1.14, BVerwGE 152, 241, juris Rn. 39). Haben die Parteien eines Vertrags nicht ausdrücklich geregelt, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, so bestimmt sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG nach dem von beiden Parteien zugrunde gelegten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt worden ist. Nach dem dieser Bestimmung zugrundeliegenden Übertragungszweckgedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungsrechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert (BVerwG, Urt. v. 25.6.2015, a.a.O., Rn. 39 f.). Bei gegen Entgelt erstellten Stellungnahmen ist dabei in der Regel davon auszugehen, dass die Nutzungsrechte an dieser Stellungnahme ganz oder teilweise an den Auftraggeber übertragen werden. Insoweit kann die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1) als Auftraggeberin des anwaltlichen Schriftsatzes eine Verletzung des Erstveröffentlichungsrechts geltend machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2019, 7 C 1/18, GRUR 2020, 189, juris Rn. 16). Mit der Verschmelzung zur Klägerin zu 1) sind diese Nutzungsrechte auf die Klägerin zu 1) übergegangen (vgl. Vossius, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: Juni 2014, § 20 UmwG Rn. 207 f.).

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da der – im Ergebnis ebenfalls unterlegene – (anwaltlich nicht vertretene) Beigeladene durch Verzicht auf eine eigene Einlegung eines Rechtsmittels und auf eine eigene Antragstellung kein Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) eingegangen ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

C.

Ein Grund, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, besteht nicht.

I