VG Berlin: Keine Tötung von Hundewelpen im Namen der Kunst

veröffentlicht am 7. Mai 2012

VG Berlin, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 24 L 113.12
§ 17 Nr. 1 TierSchG, § 16a Nr. 1 TierSchG, § 4 Abs. 1 TierSchG, § 3 Nr. 6 TierSchG, § 1 S. 2 TierSchG

Das VG Berlin hat entschieden, dass die Tötung von Hundewelpen unter Zuhilfenahme eines Kabelbinders im Rahmen einer Kunstperformance nicht von dem Grundrecht auf Kunstfreiheit gedeckt ist. Die geplante Tötung – als Protest gegen die Tötung von Hunden z.B. in Alaska oder China – sei nicht durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt. Hinzu komme, dass es nach dem Tierschutzgesetz verboten sei, Tiere zur Schaustellung und ähnlichen Veranstaltungen heranzuziehen, sofern damit Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden seien. Die schrankenlos gewährte Kunstfreiheit gehe dem Tierschutz nicht von vornherein vor. Zum Volltext der Entscheidung:


Verwaltungsgericht Berlin

Beschluss

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Berichterstatterin entscheidet in diesem Verfahren im Einverständnis der Parteien (§ 87 a VwGO).

Die Antragstellerin teilte dem Veterinäramt des Antragsgegners mit Schreiben vom 17. Februar 2012 mit, dass sie die Aufführung ihrer Performance „Der Tod als Metamorphose“ am 30. April 2012 im S… plane. Sie verwies auf ihre Internetseite und auf anliegende „screenshots“, aus denen hervorging, dass sie im Rahmen einer auch musikalisch an traditionelle thailändische Kunstformen orientierten Veranstaltung im Anschluss an eine 15-minütige Meditation zunächst einen und sodann einen zweiten Hundewelpen mittels eines Kabelbinders töten wolle. Nach 2 Minuten trete jeweils die Bewusstlosigkeit eines Tieres ein und nach 5 Minuten seien die Tiere tot. Mit einem Gong und Trauermusik schließe die Performance nach weiteren 10 Minuten. Das Kunstwerk solle provozieren und erregen. Denn in Alaska würden ausgediente Schlittenhunde und in Spanien leistungsschwache Jagdhunde auf gleiche Weise zu Tode stranguliert. Das gleiche Schicksal erlitten Millionen von Hunden in China vor ihrer Schlachtung. Sie wolle die Verlogenheit dekadenter westlicher Gesellschaften offen legen, die das öffentliche grausame Töten in Deutschland beklagten und die zeitgleiche grausame Tötung von Tieren weltweit durch ihr Schweigen mit ermöglichten. Eine besondere Rolle für die transzendentale Energie der Performance spiele noch der Zeitpunkt der Aufführung. Diese Energie sei nach ihrer Vorstellung nur jeweils am 10. Todestag ihrer Großmutter aktiviert. Diese habe sie als „Kalipriesterin“ nachhaltig geformt. Nur am 30. April 2012 könne sich folglich das Bild von Kali im Interesse der Komplettierung der Performance voll über ihr Bewusstsein materialisieren. Die Antragstellerin machte in dem Antragsschreiben geltend, die Kunstfreiheit sei ein vorbehaltloses Grundrecht. Demzufolge seien auch etwaige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz gerechtfertigt. Sie bitte rein vorsorglich um Bestätigung, dass keine Bedenken des Veterinäramtes bestehen.

Daraufhin untersagte der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. März 2012 unter Anordnung von dessen sofortiger Vollziehung die Performance „Der Tod als Metamorphose“ in der von der Antragstellerin angekündigten und definierten Form (Tötung zweier Welpen) auf der Grundlage von § 16 a Nr. 1 TierSchG. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Verfügung diene der Untersagung eines zukünftigen Verstoßes gegen § 17 Nr. 1 TierSchG. Die geplante Tötung sei nicht durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt. Hinzu komme, dass es nach § 3 Nr. 6 TierSchG verboten sei, Tiere zur Schaustellung und ähnlichen Veranstaltungen heranzuziehen, sofern damit Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden seien. Der Tod sei der größtmögliche Schaden, der einem Tier zugefügt werden könne. Die schrankenlos gewährte Kunstfreiheit gehe dem Tierschutz nicht von vornherein vor. Die Grundrechtsbeschränkung im Interesse des Tierschutzes sei insbesondere nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu beanstanden. Wegen der Aufnahme des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz gemäß Art. 20 a GG bedürfe es einer Abwägung mit den Interessen des Tierschutzes. Das mit dem Tierschutz vorgegebene Ziel, einen verantwortungsvollen Umgang mit Tieren zu erreichen, sei legitimer Zweck der Einschränkung der Kunstfreiheit. Durch eine Untersagung sinnloser Tötungen könne die gesamtgesellschaftliche Wirkung des Tierschutzanliegens verwirklicht werden. Die Antragstellerin könne ihr Anliegen auch auf andere Weise ausdrücken, ohne dass dabei Tieren Schäden zugefügt werden müssten. Besondere Bedeutung komme noch dem Umstand zu, dass die Tiere den Tötungsvorgang unbetäubt erleben würden. Motiv der Aufnahme des Tierschutzes in das Grundgesetz sei die Anerkennung der Mitgeschöpflichkeit von Tieren im Verhältnis zu Menschen gewesen. Die geplante Form der Performance sei besonders geeignet, diesem Ziel zuwiderzulaufen. Folglich sei die Tötung von Tieren im Rahmen künstlerischer Darbietungen nicht zu rechtfertigen. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides wurde damit begründet, dass die akute Gefahr bestehe, dass die Tiere zu einem recht bald bevorstehenden Termin getötet werden und diese Handlung sofort und sichert verhindert werden müsse.

Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 19. März 2012 Widerspruch ein, der noch unbeschieden ist.

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 19. März 2012 und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 6. März 2012 wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf Wiederherstellung der gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfallenen aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin ist unbegründet (§ 80 Abs. 5 VwGO). Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung überwiegt das Interesse der Antragstellerin an einem vorläufigen Aufschub seiner Vollziehbarkeit, weil sich der Verwaltungsakt bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweist.

Gemäß § 16 a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Mit ihrer angekündigten Performance würde die Antragstellerin gegen verschiedene Vorschriften verstoßen. Gemäß § 3 Nr. 6 TierSchG ist es verboten, ein Tier zu einer Filmaufnahme, Schaustellung, Werbung oder ähnlichen Veranstaltung heranzuziehen, sofern damit Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind. Gemäß § 4 Abs. 1TierSchG darf ein Wirbeltier nur unter Betäubung oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden. Ein Wirbeltier töten darf hiernach auch nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat. Von diesen Vorschriften sieht das Gesetz keine für den vorliegenden Fall einschlägigen Ausnahmen vor. Das von der Behörde ausgesprochene Verbot, Hundewelpen auf diese Weise zu töten, wäre mit Blick auf diese Vorschriften nur zu beanstanden, wenn es sich als verfassungswidriger Eingriff in grundrechtlich geschützte Freiheitsrechte darstellte. Da die Tötung eines Wirbeltieres ohne Betäubung den gravierendsten Eingriff in das Staatsschutzziel des Tierschutzes nach Art. 20 a GG darstellen dürfte, braucht dieses Grundrecht für die streitgegenständliche Performance weder der Freiheit der Kunst noch etwaigen religiös motivierten Vorstellungen der Antragstellerin zu weichen.

Die geplante Tötung als solche verstößt gegen die Regelung des § 1 Satz 2 TierSchG, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Der Verstoß ist gemäß § 17 Nr. 1 TierSchG strafbewehrt. Ein vernünftiger Grund für die geplante Tötung der Welpen ist auch unter Berücksichtigung der in Anspruch genommenen Kunst- und möglicherweise der Religionsfreiheit nicht anzuerkennen. Zur Begründung wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheides vom 6. März 2012 verwiesen, dem das Gericht ebenso folgt wie den Ausführungen des Kammergerichts Berlin in seinem Beschluss vom 24. Juli 2009 – (4) 1 Ss 235/09 (150/09) – juris.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die gesamte Veranstaltung verbietet. Nach der Beschreibung der Antragstellerin macht die Tötung der unbetäubten Welpen nach der geschilderten Planung den Kern der insgesamt nur etwa halbstündigen Performance aus. Dies wird auch im Bescheid zum Ausdruck gebracht, indem auf die von der Antragstellerin „angekündigte Form (Tötung zweier Welpen) verwiesen wird. Dies stellt klar, dass das Recht zur Abhaltung einer Veranstaltung in wesentlich anderer Form, in der keine Tötung von Welpen stattfindet, durch den Bescheid nicht berührt wird.

Das besondere öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist den Anforderungen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend ausreichend begründet worden und anzuerkennen. Ohne diese Anordnung können die Verstöße gegen die schon von Gesetzes wegen bestehenden Verbote nicht rechtzeitig verhindert werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 ff., 52 f. GKG.

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