VG Hannover: Landeskriminalamt muss DNA-Muster aus BKA-Datei, das freiwillig anlässlich eines bestimmten Tatvorwurfs abgegeben wurde, löschen / Kein allgemeines Aufbewahrungsrecht

veröffentlicht am 25. September 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammVG Hannover, Urteil vom 23.09.2013, Az. 10 A 2028/11
§ 81g StPO

Das VG Hannover hat entschieden, dass das Landeskriminalamt Niedersachen kein allgemeines Recht hat, die anlässlich eines bestimmten Tatvorwurfs (hier: häusliche Gewalt) abgegebene DNA-Probe auf Grund der langzeitlichen polizeilichen Auffälligkeit des Betroffenen auf unbestimmte Zeit aufzubewahren. Zur Pressemitteilung des Gerichts vom 23.09.2013:

„LKA muss DNA – Muster aus der beim BKA geführten Analysedatei löschen

10. Kammer bemängelt Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Datenerhebung

Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts hat heute der Klage eines Bürgers auf Löschung des über ihn in der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamtes (BKA) gespeicherten Datensatzes (DNa-Identifizierungsmuster) stattgegeben.

Bereits die im Jahr 2007 veranlasste Datenerhebung und nachfolgende -speicherung sei rechtswidrig gewesen. Zwar habe der Kläger seinerzeit bei der Polizei vor der Entnahme der Speichelprobe, aus der die Daten gewonnen wurden, eine schriftliche Einwilligungserklärung unterschrieben. Diese Einwilligung reiche aber für sich als Rechtfertigung für die anschließende Datenerhebung und -verarbeitung nicht aus. Vielmehr müsse die Polizei in einem solchen Fall vor der Entnahme der Speichelprobe deren materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gemäß § 81g der Strafprozessordnung (StPO) mit der erforderlichen Sorgfalt und Intensität anhand der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dafür aufgestellten Kriterien prüfen. Dabei komme es darauf an, ob auf der Basis der zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen eine hinreichend verlässliche Prognose erstellt werden könne, dass der Betroffene zukünftig voraussichtlich Straftaten von erheblichem Gewicht im Sinne des § 81g StPO begehen werde. Im vorliegenden Fall sei vor der Entnahme der Speichelprobe eine solche Prognose gar nicht erstellt worden. Aber auch die im Falle des Klägers nachträglich erstellte Prognose werde diesen Anforderungen nicht gerecht. Gerade weil konkreter Anlass für die Entnahme der Speichelprobe beim Kläger nicht eine einzige Tat von erheblichem Gewicht sondern die Summe der bis dahin bekannt gewordenen Vorfälle war, hätte die prognostische Bewertung, er werde zukünftig voraussichtlich derartige Taten begehen, einer intensiven Begründung bedurft und sich nicht in standardisierten Formulierungen erschöpfen dürfen. Die Polizei habe sich nicht mit einer bloßen Auflistung der bis dahin polizeilich bekannt gewordenen Tatvorwürfe gegen den Kläger begnügen dürfen, sondern sie hätte die dazu gehörenden Ermittlungsakten beiziehen, sichten und bewerten müssen. Es sei zudem insbesondere nicht erkennbar, dass die Polizei sich, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, mit dem Umstand auseinandergesetzt gehabt habe, dass der Kläger in der jüngeren Vergangenheit vor der Entnahme der Speichelprobe aus einer Strafhaft entlassen worden war und ob das auf Grund einer günstigen Sozialprognose geschehen sei.

Gegen das Urteil kann beim Nds. Oberverwaltungsgericht innerhalb eines Monats Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden.“

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