BGH: Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung reicht nicht aus

veröffentlicht am 11. März 2021

BGH, Urteil vom 27.05.1987, Az. I ZR 153/85
§ 340 Abs. 2 BGB

Der BGH hat in dieser älteren Entscheidung (1987) entschieden, dass im Einzelfall zu entscheiden ist, ob die im Rahmen einer Unterlassungserklärung ein­gegangene Verpflichtung, eine Vertragsstrafe ggf. an einen Dritten zu zah­len, Ausdruck eines ernsthaften, die Wiederholungs­gefahr beseitigenden Unterlassungsversprechens dar­stellt und somit noch ausreichend ist. Im vorliegenden Fall wurde eine Vertragsstrafe, die an das Deutsche Rote Kreuz (DRK) gezahlt werden sollte, nicht für ausreichend erachtet. Zum Volltext der Entscheidung:


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Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27.05.1987 durch …  für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 29.04.1985 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Beklagte, ein Immobilienunternehmen, warb in der Tagespresse für den Verkauf von Eigentumswohnungen in folgender Weise:

Nur DM 1590/m2 für erstklassige Innenstadtlage-Uninähe. Sofortbezug, modernisiertes Wohnhaus 2 Zimmer, Küche, Diele, Bad, 62 m, vollständig renoviert. Teppichboden und Gasetagenheizung. Sanitär und Fliesen neu, Kaufpreis 98.50,-. Eigentümer: Köln … (ab Montag).

Der Kläger, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, hat beanstandet, daß aus der Anzeige der gewerbliche Charakter des Angebots nicht hervorgehe. Vielmehr habe der Leser den Eindruck, ein preisgünstigeres Privatangebot vor sich zu haben.

Der Kläger hat die Beklagte abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Dem ist die Beklagte nachgekommen, hat jedoch, abweichend von der Aufforderung des Klägers, dabei erklärt, daß sie eine im Wiederholungsfall verwirkte Vertragsstrafe nicht an den Kläger, sondern an das Deutsche Rote Kreuz (DRK) zahlen werde. Dies hat der Kläger zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht für ausreichend erachtet.

Mit der vorliegend erhobenen Unterlassungsklage hat er beantragt, die Beklagte zur Unterlassung der beanstandeten Werbung zu verurteilen. Dementsprechend hat das Landgericht erkannt. Dagegen richtet sich die (Sprung-)Revision der Beklagten, mit der diese ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Land­gericht die Beklagte zur Unterlassung verurteilt.

1.
Das Landgericht hat die Werbung der Beklagten für wettbewerbswidrig gehalten, weil das Publikum darüber getäuscht werde, daß es sich bei der angegriffenen Anzeige um eine gewerbliche Insertion handele (§ 3 UWG). Aus der geschäftlichen Ankündigung eines Gewerbetreibenden müsse deren gewerblicher Charakter ersichtlich sein, weil das Publikum anderenfalls von einem günstigeren Privatangebot ausgehe. Dem habe die Beklagte nicht hinreichend Rechnung getragen.

a)
Diese Beurteilung des Landgerichts hält der recht­lichen Nachprüfung stand. Aus dem Immobilienangebot eines Immobilienunternehmens wie hier muß dessen gewerblicher Charakter ersichtlich sein. Nichtssagende Namen, Chiffren oder Telefon-Nummern, die geeignet sind, beim Publikum den unzutreffenden Anschein eines Verkaufs aus Privathand zu erwecken, sind wettbewerbsrechtlich unzulässig(§ 3 UWG). Denn für gewöhnlich rechnet ein Kaufinteressent bei gewerblichen Angeboten wie hier mit anderen Bedingungen als bei einem Erwerb von Privat. Daraus folgt, daß ein Immobi­lienunternehmen wie die Beklagte den geschäftlichen Charak­ter einer Insertion deutlich machen muß, wenn die Werbung den Verkehr nicht irreführen soll. Zutreffend hat daher das Landgericht seiner rechtlichen Beurteilung die Annahme zu­grunde gelegt, daß das an einem Immobilienerwerb interes­sierte Publikum über die Bezugsquelle irregeführt wird, wenn der gewerbliche Charakter des Angebots nicht erkennbar ist.

b)
Diesen wettbewerbsrechtlichen Anforderungen genügt das angegriffene Inserat nicht. Die tatrichterliche Annahme des Landgerichts, daß der Verkehr über den gewerblichen Charakter des Angebots der Beklagten getäuscht werde, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es ist nicht erfahrungswidrig oder sonst rechtsfehlerhaft, wenn das Landgericht gemeint hat, daß weder aus der Angabe, der Verkauf erfolge vom Eigentümer, noch aus der Mitteilung der Telefon-Nummer, noch aus dem Klammerzusatz „ab Montag“ oder aus der Anzeige im Ganzen hergeleitet werden könne, der Verkehr nehme an, daß der Inserent ein Gewerbebetrieb sei.

Ohne Erfolg beruft sich die Revision demgegenüber darauf, daß das Inserat den Verkehr nicht irreführe, weil der vom Landgericht festgestellte Eindruck einer Privat­anzeige zutreffe. Die Revision meint, das angebotene Objekt sei Privateigentum der Beklagten gewesen, so daß sein Ver­kauf nicht zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gezählt werden könne. Das greift nicht durch. Die Revision berücksichtigt dabei nicht hinreichend, daß die Beklagte ein Immobilien­unternehmen ist, das den Sachhinweis „Immobilien“ auch in seiner Firma führt. Bei einem solchen Unternehmen zählt der Verkehr nicht nur Maklertätigkeiten, sondern auch die Wei­terveräußerung zuvor zu Eigentum erworbener Grundstücke ein­schließlich der Insertion von Verkaufsanzeigen zu dessen gewerblicher Betätigung.

Schließlich kommt es entgegen der Ansicht der Revision auch nicht darauf an, ob sich ein Angebot aus privater Hand sachlich tatsächlich von dem der Beklagten unterschieden hätte. Entscheidend ist allein, daß die beanstandete Anzeige den unzutreffenden Eindruck vermittelt, das angebotene Objekt könne aus Privathand und damit zu anderen Bedingungen als von Händlerseite erworben werden.

2.
Das Landgericht hat die Wiederholungsgefahr hinsichtlich des vorerörterten Wettbewerbsverstoßes nicht für ausgeräumt erachtet, weil die Ernsthaftigkeit der von der Beklagten abgegebenen Unterwerfungserklärung begründeten Zweifeln ausgesetzt sei. Entgegen der Aufforderung des Klägers habe die Beklagte erklärt, daß sie Zahlung der im Wiederholungsfall verwirkten Vertragsstrafe nicht an ihn, sondern an das DRK leisten wolle. Das lasse vermuten, daß sie hoffe, bei einem erneuten Verstoß mit dem zugunsten des DRK abgegebenen Zahlungsversprechen günstiger dazustehen

als mit einem solchen zugunsten des Klägers. Wäre sie aufrichtig gewillt, den gerügten Wettbewerbsverstoß künftig zu vermeiden, könnte ihr der Empfänger der Vertragsstrafe gleichgültig sein, weil sie sich in diesem Falle sicher sein müßte, daß eine Vertragsstrafe nicht zur Entstehung gelangen werde. Auch diese Erwägungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a)
An die Beseitigung der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen. Nach ständiger Recht­sprechung kann der Verletzer die durch einen Wettbewerbs­verstoß begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur dadurch ausräumen, daß er gegenüber dem Gläubiger des Unterlassungsanspruchs eine uneingeschränkte, bedingungslose und durch ein Vertragsstrafeversprechen angemessen zu sichernde Unterlassungsverpflichtung eingeht (BGH, Urt. v. 7.10.1982 – I ZR 120/80, GRUR 1983, 127, 128 = WRP 1983, 91, 93 – Vertragsstrafeversprechen, m.w.N.). Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann angenommen werden, daß der Verletzer die beanstandete Wettbewerbshandlung künftig auch ohne Unterlassungsurteil nicht mehr wiederholen wird.

Ob eine solche Annahme auch dann gerechtfertigt erscheint, wenn – wie hier – die Unterlassungserklärung in der Weise abgegeben wird, daß die im Wiederholungsfall verwirkte Vertragsstrafe nicht dem Unterlassungsgläubiger, sondern einem Dritten versprochen wird, ist eine Frage, die nicht generell und unterschiedslos für alle Fallgestaltungen entschieden werden kann. Die Rechtsprechung der Oberlandes­gerichte hat in Fällen der vorliegenden Art die Wieder­holungsgefahr überwiegend nicht als beseitigt angesehen, weil ein Vertragsstrafeversprechen zugunsten eines Dritten die Unterlassungsverpflichtung nicht in gleicher Weise sichere wie ein zugunsten des Gläubigers selbst wirkendes Versprechen und weil deshalb die Ernstlichkeit der Unter­lassungserklärung durchgreifenden Zweifeln ausgesetzt sei (OLG München WRP 1977, 510, 511; Kammergericht WRP 1977, 716; OLG Stuttgart GRUR 1978, 539, 540 = WRP 1978, 232, 233; OLG Hamburg WRP 1980, 274, 276; OLG Hamm WRP 1982, 105; OLG Oldenburg GRUR 1983, 195, 196; vgl. auch LG Berlin WRP 1977, 515).

Soweit diese Rechtsprechung in tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalls Zweifel an der Ernstlichkeit der Unterwerfungserklärung aus dem Mangel an Bereitschaft des Unterlassungsschuldners hergeleitet hat, eine etwaige Vertragsstrafe an den Gläubiger selbst zu zahlen, bestehen dagegen keine prinzipiellen rechtlichen Bedenken. Soweit sie jedoch darauf abgestellt hat, daß die Ernstlichkeit des Unterlassungsversprechens grundsätzlich und generell allein schon deshalb zu verneinen sei, weil die Vertragsstrafe nicht dem Gläubiger, sondern einem Dritten versprochen werde, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht beigetreten werden. Andererseits kann aber auch nicht der gegenteiligen Auffassung zugestimmt werden, daß die Wieder­holungsgefahr in aller Regel auch durch das einen Dritten begünstigende Vertragsstrafeversprechen beseitigt werde, weil die drohende Sanktion den Schuldner bei einer Zahlungspflicht gegenüber einem Dritten nicht anders belaste als bei einer solchen gegenüber dem Gläubiger selbst (vgl. OLG Frankfurt WRP 1976, 699; Pastor, Der Wettbewerbsprozeß, 3. Aufl., S. 141, 164, 165; Reimer/Pastor, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Bd., 4. Aufl., S. 157; Kohlhaas WRP 1977, 91 ff.; Borck WRP 1978, 7 ff.).

Ob sich eine Unterwerfungserklärung als Ausdruck eines ernsthaften, die Wiederholungsgefahr beseitigenden Unter­lassungswillens darstellt, ist eine Frage des Einzelfalls, die unter Heranziehung aller dafür in Betracht kommenden Umstände der Prüfung bedarf. Dabei kann zwar der Tatsache, daß der Schuldner eine Vertragsstrafe nur an einen Dritten zu zahlen verspricht, ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Jedoch läßt sie für sich allein noch keine zwingenden Rückschlüsse auf den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu. Ebenso wie in den Fällen, in denen sich der Unterlassungs­schuldner gegenüber einem Gläubiger darauf beruft, daß er bereits gegenüber einem anderen Gläubiger eine ausreichende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben habe (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.1982 – I ZR 121/80, GRUR 1983, 186, 187 = WRP 1983, 264, 265 – Wiederholte Unterwerfung), kommt es auch hier, bei der einen Dritten begünstigenden Straf­verpflichtung, auf das Gesamtbild des konkreten Falles an, vor allem auf Person und Eigenschaften des Dritten, die Art seiner Beziehungen zum Schuldner, die Höhe der Vertrags­strafe und die Durchsetzbarkeit der Sanktion sowie auf Glaubwürdigkeit und Ansehen des Schuldners. Entscheidend ist, ob die Strafverpflichtung geeignet erscheint, den Verletzer von Wiederholungen ernsthaft abzuhalten. Dies kann aber nur bei Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles entschieden werden und nicht schon allein im Hinblick darauf, daß die Vertragsstrafe nach dem Willen des Verletzers einem Dritten zufließen soll.

Auch aus dem Zweck der Vertragsstrafe, außer Druckmittel gegenüber dem Schuldner auch pauschalierter Schadensersatz zur Sicherung künftiger Ersatzansprüche des Gläubigers zu sein(§ 340 Abs. 2 BGB), folgt nicht, daß eine Strafverpflichtung die Wiederholungsgefahr nur dann beseitigte, wenn die Strafe dem Verletzten selbst zuflösse. Zwar kann die Vertragsstrafe, wenn Empfänger ein Dritter sein soll, ihre Schadensersatzfunktion nicht erfüllen. Indessen kann daraus nicht hergeleitet werden, daß die einen Dritten begünstigende Verpflichtungserklärung ungeeignet sei, die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen (vgl. Heinz/Stillner WRP 1976, 657 ff.; dies. WRP 1977, 248 ff.; vgl. auch Baumbach/Heferrnehl, Wettbewerbsrecht, 14. Aufl., Einl. UWG Rdn. 260 g). Entscheidend ist auch insoweit allein, ob die Strafverpflichtung zur Verhinderung künftiger Wettbewerbsverstöße geeignet erscheint. Auf die Schadens­ersatzfunktion der Vertragsstrafe kommt es dabei nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1970 – I ZR 14/69, GRUR 1970, 558, 560 = WRP 1970, 391, 393 – Sanatorium; Urt. v. 7.10.1982 – I ZR 120/80, GRUR 1983, 127, 128 = WRP 1983, 91, 93 – Vertragsstrafeversprechen) .

b)
Die Voraussetzungen, unter denen eine Unterwerfungs­erklärung danach den Anforderungen an eine Beseitigung der Wiederholungsgefahr genügt, hat das Landgericht im Streit­fall rechtsfehlerfrei nicht für gegeben erachtet. Es kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden, wenn es angenom­men hat, daß das Versprechen der Beklagten, im Falle eines zukünftigen Verstoßes eine Vertragsstrafe an das DRK zu zahlen, die Ernstlichkeit des Unterlassungswillens der Beklagten nicht zweifelsfrei erkennen läßt. Wie das Land­gericht zutreffend angenommen hat, kann es dem Unterlas­sungsschuldner grundsätzlich gleichgültig sein, wem er die Zahlung der Vertragsstrafe verspricht, da er – bei Ernst­lichkeit seiner Erklärung – ein Verhalten zusagt, das die Entstehung der Vertragsstrafe ausschließt.

Die Revision macht demgegenüber geltend, daß es der Beklagten mit dem Zahlungsversprechen an das DRK lediglich darum gehe, eine etwaige Vertragsstrafe einem karitativen Zweck zukommen zu lassen und nicht einem der üblichen Abmahnvereine, denen es weniger um die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zu tun sei als um die Erzielung von Einnahmen aus Abmahngebühren und Vertragsstrafepauschalen. Damit kann die Revision keinen Erfolg haben. Für die Annahme, beim Kläger handele es sich um einen solchen Abmahnverein, fehlt jeder tatsächliche Anhalt. Umstände dafür hat auch die Revision nicht aufgezeigt. Soweit sie im übrigen auf einen karitativen Zweck des Vertragsstrafeversprechens der Beklagten abstellt, berücksichtigt sie nicht hinreichend, daß, wie erörtert, in Fällen der vorliegenden Art bei Würdigung der Umstände des Einzelfalls u.a. auch auf die Person und die Eigenschaften des mit dem Unterlassungs­gläubiger nicht identischen Dritten abzustellen ist. Insoweit kann es aber nicht als erfahrungswidrig oder sonst als rechtsfehlerhaft angesehen werden, wenn das Landgericht angenommen hat, daß die Sanktionswirkung der Straf­verpflichtung und damit der Druck auf den Verletzer bei einem Strafversprechen zugunsten des DRK hier schwächer wäre als bei einem Zahlungsversprechen zugunsten des Klägers selbst.

3.
Die Revision der Beklagten war danach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus§ 97 Abs. 1 ZPO.

 

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