BPatG: „Mir reicht’s. Ich geh schaukeln“ – Lustiger Spruch, aber keine Marke

veröffentlicht am 12. November 2014

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBPatG, Beschluss vom 01.07.2014, Az. 27 W (pat) 521/14
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass die Wortfolge „MIR REICHT’S. ICH GEH SCHAUKELN“ nicht als Marke für Bekleidung eintragungsfähig ist. Solchen sog. Fun-Sprüchen mangele es an Unterscheidungskraft, so dass sie nicht als Herkunftshinweis auf einen bestimmten Markeninhaber dienen könnten. Auch wenn der Spruch nicht auf der Ware selbst (z.B. T-Shirt), sondern lediglich auf einem Etikett an der Ware aufgebracht werde, genüge dies nicht für eine herkunftshinweisende Funktion. Entsprechend hat das DPMA auch schon für andere Fun-Spruch-Marken entschieden (z.B. hier). Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 037 616.1

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 1. Juli 2014 unter Mitwirkung des … beschlossen:

1.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Markenstelle für Klasse 25 hat die am 19. Juni 2013 für die Waren

Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen

angemeldete Wortmarke

MIR REICHT’S. ICH GEH SCHAUKELN

nach unerwiderter Beanstandung durch Beschluss vom 11. Februar 2014 zurückgewiesen.

Nach dem Inhalt der Beanstandung, auf die in den Beschlussgründen Bezug genommen worden ist, fasse das angesprochene Publikum das Zeichen zwar weder als warenbeschreibende Angabe noch als Anpreisung auf, es werde jedoch als „Fun-Spruch“ mit lediglich dekorativer Funktion nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen wahrgenommen und entbehre daher jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Derartige Sprüche fänden insbesondere als Beschriftung der hier in Rede stehenden Waren Verwendung. Sie erschöpften sich darin, die Auffassungen oder Gefühle des Trägers des Bekleidungsstücks zum Ausdruck zu bringen. Der konkrete Inhalt eines Fun-Spruchs bilde ein wesentliches sachliches Auswahlkriterium beim Kauf eines Kleidungsstücks.

Die Anmelderin hat gegen den Zurückweisungsbeschluss Beschwerde eingelegt. Dem Zeichen sei unter gebotener Anwendung eines großzügigen Maßstabs das erforderliche Maß an Unterscheidungskraft nicht abzusprechen. Wortfolgen unterlägen dem Schutzhindernis nur, sofern sie als sachbeschreibende Angaben, Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art aufgenommen würden. Im Übrigen verfüge das Zeichen als im allgemeinen Sprachgebrauch nicht verwendete, humorvolle Formulierung, die der Lösung von Zwängen durch Rückzug in eine unbeschwerte Kinderwelt Ausdruck verleihe, über originellen und prägnanten Inhalt.

Selbst ein ansonsten gegebenenfalls nicht unterscheidungskräftiges Zeichen könne als Marke verstanden werden, wenn es räumlich an einer Stelle verwendet werde, an der üblicher Weise Marken angebracht würden. Die Anmelderin verwende das Zeichen nicht nur als Beschriftung von Bekleidung nach Art eines aufgedruckten „Fun-Spruchs“, sondern zudem als Marke auf einem Etikett.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den angegriffenen Beschluss der Markenstelle vom 11. Februar 2014 aufzuheben.

II.
Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen. Die Anmelderin hat davon abgesehen, eine mündliche Verhandlung zu beantragen, s. § 69 Nr. 1 MarkenG.

Die statthafte (§ 64 Abs. 6 MarkenG) und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen, da die angemeldete Wortmarke jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt, s. § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, von den angesprochenen Verkehrskreisen als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 – Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2014, 569 Rn. 10 – HOT). Jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (std. Rspr. vgl. BGH GRUR 2009, 778 Rn. 11 – Willkommen im Leben).

Wortmarken entbehren außer in hier nicht gegebenen Fallgestaltungen eines sachbeschreibenden Begriffsinhalts oder engen beschreibenden Bezugs zu den beanspruchten Waren (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Rn. 23 – TOOOR!) dann jeglicher Unterscheidungskraft, wenn sie im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – Aus Akten werden Fakten) aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2010, 1100 Rn. 20 – TOOOR!). Entgegen der Anmelderin umfasst dieser offene Tatbestand nicht ausschließlich Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art. Worte oder Wortfolgen werden auch dann nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel wahrgenommen, wenn sie – vergleichbar einer einfachen Musterung oder Farbgestaltung – unmittelbar erkennbar als bloßes Mittel der Warengestaltung dienen (wohl ähnlich BGH GRUR 2012, 1044 Rn. 15 – Neuschwanstein; GRUR 2010, 838 – DDR-Symbol; BPatG, Beschl. v. 6. Mai 2009, 29 W (pat) 55/07 – DON’T PANIC i’M ISLAMIC; GRUR 2014, 79, 80 – Mark Twain).

Die angemeldete Wortfolge MIR REICHT’S. ICH GEH SCHAUKELN wird durch das angesprochene allgemeine Publikum in Zusammenhang der beanspruchten Waren allein als typischer „Fun-Spruch“, der als charakteristisches Ausstattungselement integraler Bestandteil dieser Waren ist, aufgefasst. Herkunftshinweisende Funktion kommt ihm nicht zu.

Bekleidungsstücke, vorrangig T- oder Sweat-Shirts dienen herkömmlich neben anderen Zwecken auch als Kommunikationsmittel, vor allem als Werbefläche, als Erkennungszeichen (vgl. Vereins- oder Schulsymbole), als Medium politischer (vgl. etwa die Bsp. „No War“ oder „Atomkraft? nein danke“) oder sonstiger Äußerung (vgl. Reclams Mode- und Kostümlexikon, 5. Aufl., 2005, S. 487 „T-Shirt“). Insbesondere als Bekleidungsmotiv aufgetragene „Fun-Sprüche“ oder andere bekenntnishafte Aussagen, die von Dritten als persönliche Äußerung der in dieser Weise bekleideten Person aufgefasst werden sollen, waren dem Publikum bereits deutlich vor dem Anmeldetag der Marke vertraut (vgl. etwa „ich bin 30 – bitte helfen Sie mir über die Straße“, „ich bin blond – bitte langsam sprechen“, „Bier formte diesen wunderbaren Körper“, „Zicke“ oder „I ? Paris“). Hieraus weisen auch seit geraumer Zeit verfügbare Angebote, Bekleidungsstücke nach eigenen Gestaltungsvorstellungen mit Druckmotiven zu versehen, hin.

Die angemeldete Wortfolge erschöpft sich in einem derartigen, auf originelle Selbstdarstellung angelegten „Fun-Spruch“. Sie enthält eine griffige, in Ich-Form gehaltene Äußerung zu eigenen Befindlichkeit, die als Ausdruck von Selbstironie und groteskem Humor geeignet ist, Aufmerksamkeit zu wecken. Die ohnehin zweifelhafte Neuheit der Aussage (vgl. den identischen Spruch als Titel eines Beitrags vom 26.12.2011, jetzt.de) könnte diese funktionelle Einordnung des Ausspruchs schon deswegen nicht berühren, weil gerade noch unbekannte Sprüche geeignet sind, die erwünschte Außenwirkung hervorzurufen.

Das angemeldete Zeichen mag zwar bei unterstellter Verwendung auf einem an der Innenseite der Ware oder an der Verpackung angebrachten Etikett als Marke aufgefasst werden (vgl. BGH GRUR 2010, 825 Rn. 20 – Marlene Dietrich II), wenngleich tatsächliche Anwendungsfälle einer derartigen Benutzung von „Fun-Sprüchen“ nicht ermittelt werden konnten. Sofern bestimmte Verwendungen eines Zeichens – abgesehen von einer hierauf in Gestalt einer Positionsmarke gerichteten Anmeldung – überhaupt in die Prüfung des Schutzhindernisses einzubeziehen sind, wogegen einsichtige Gründe sprechen (vgl. BPatG GRUR 2011, 922 Rn. 51 – Neuschwanstein; Ekey/Klippel/Bender, Markenrecht Bd. 1, 2. Aufl., § 8 Rn. 15; Ströbele, GRUR 2001, 658, 664 u. MarkenR 2012, 455; Lerach, GRUR 2011, 872; Klein, GRUR 2013, 456; in anderem Zusammenhang auch EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 115 – Postkantoor), ist allerdings nicht auf jede praktisch bedeutsame und naheliegende, sondern ausschließlich auf die wahrscheinlichste Form der Benutzung abzustellen (vgl. EuGH GRUR 2013, 519 Rn. 45 ff. – mit gestrichelten Linien umsäumter roter Winkel). Nach dieser Rechtsprechung des EuGH lässt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b Gemeinschaftsmarkenverordnung und – wie gefolgert werden kann – entsprechend der die Auslegung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG maßgeblich bestimmende Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Markenrechtsrichtlinie nämlich keinen Raum, der Prüfung der konkreten Unterscheidungskraft eines Zeichens andere – gegebenenfalls naheliegende – potentielle Verwendungsformen eines Zeichens zugrunde zu legen (EuGH a. a. O. Rn. 48).

Die wahrscheinlichste Verwendung des angemeldeten Zeichens besteht in einer mehr oder minder exponierten Darstellung des Schriftzugs an der vorderen Außenseite eines Bekleidungsstücks bzw. von Mützen (vgl. etwa Baseballkappen) oder Schuhen (vgl. adelheidladen.de), gegebenenfalls sogar in großflächiger und zentraler Anordnung. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Natur des spezifischen Zeichens, das als Fun-Spruch wesensgemäß auf Kommunikation nach außen abzielt, wie auch aus der entsprechenden tatsächlichen Benutzung derartiger Fun-Sprüche. Überdies werden selbst Marken mit anderen Inhalten im Bekleidungs-, Kopfbedeckungs- und (freizeitorientierten) Schuhsektor vorrangig in zwar zurückgenommener, aber jedenfalls äußerlich am Produkt sichtbarer Applikation benutzt (z. B. bei Polo-Hemden regelmäßig seitlich auf Brusthöhe; bei Baseball-Kappen seitlich; bei Sportschuhen außen seitlich oder im Fersenbereich; vgl. auch BGH GRUR 2012, 1044 Rn. 21 – Neuschwanstein). Selbst bei einer derartigen dezenten Verwendung des Spruchs auf der Außenseite der beanspruchten Waren wird das angemeldete Zeichen als Mittel der Warengestaltung wahrgenommen.

Solange eine beschränkte Verwendung auf einem Etikett nicht verbindlich in der Anmeldung Ausdruck findet, wovon hier abgesehen wurde, kommt dem Umstand, dass die Anmelderin das Zeichen nach ihrem Vortrag auf einem Etikett anzubringen beabsichtigt oder bereits anbringt, – abgesehen von bereits umfangreich benutzten Zeichen (EuGH GRUR Int. 2005, 135 Tz. 49 – Mag Instrument [Maglite]) – im Zusammenhang der Prüfung der Schutzfähigkeit keine Bedeutung zu.

Waren der Klasse 21, auf die die Anmelderin in der Beschwerdebegründung Bezug nimmt, sind nicht von der Anmeldung umfasst.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da der Senat im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des EuGH von Aussagen des Bundesgerichtshofs, nach denen einem Zeichen Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zukomme, wenn das Publikum es in einer praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendungsmöglichkeiten als Marke aufnimmt (vgl. insbesondere BGH GRUR 2010, 825 – Marlene Dietrich II; GRUR 2010, 1100 – TOOOR!; GRUR 2012, 1044 – Neuschwanstein), abweicht, vgl. § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Der Rechtsfrage kommt auch grundsätzliche Bedeutung zu, § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.

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