KG Berlin: Zu einer Vertragsstrafe, die 0,3% der Nettoabrechnungssumme überschreitet / 2017

veröffentlicht am 20. Januar 2023

KG Berlin, Beschluss vom 23.02.2017, Az. 21 U 126/16
§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB

Das KG Berlin hat entschieden, dass eine in einem Bauvertrag enthaltene Vertragsstrafenregelung mit der Formulierung „Überschreitet der AN die Vertragstermine (Zwischen- und Endtermine) schuldhaft, ist eine Vertragsstrafe von 0,3% der Nettoabrechnungssumme jedoch mindestens 520,00 EUR je Werktag und nicht fertig gestellter WE vereinbart, höchstens jedoch 5% der Nettoauftragssumme.“ eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB darstellt. Diese Regelung stellt, so der Senat, nicht sicher, dass der Tagessatz der Vertragsstrafe nicht die in der Rechtsprechung anerkannte Höchstgrenze von 0,3% der Nettoabrechnungssumme überschreitet. Das Kammergericht bestätigte damit die Entscheidung LG Berlin, 19.10.2016, Az. 35 O 173/15. Zum Volltext der Entscheidung:


Kammergericht

Beschluss

….

Der Senat sieht keine Erfolgsaussichten für die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Oktober 2016. Es ist daher beabsichtigt, das Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

I.
Die Beklagte ließ an einem Bauvorhaben in C…, das mehrere Gebäude und mehrere Wohneinheiten umfasste, Bauarbeiten durchführen.

Am 22. Juli 2013 beauftragte die Beklagte die Klägerin mit dem Gewerk Schlosserarbeiten zu einer Gesamtvergütung von netto 109.500,- € (Anlage K 1). Dabei nahm die die Beklagte Bezug auf ein Verhandlungsprotokoll vom 17. Juli 2013, das Vertreter beider Parteien an diesem Tag unterzeichnet hatten (Anlage K 2). Dieses Verhandlungsprotokoll weist auf den als Anlage K 2 übergebenen Seiten 1 bis 10 den Briefkopf der Beklagten auf. Auf S. 3 bis 10 enthält es vorgedruckte Vertragsbestimmungen. Unter Ziff. 2 “Ausführungsfristen” werden unter Ziff. 2.3. für die Fertigstellung von Haus 9, Haus 10 und die Briefkastenanlage diverse “Zwischentermine” als “Vertragstermine (§ 5(1) 2 VOB/B)” vereinbart. In Ziff. 2.4 heißt es:

“Als Termin der Fertigstellung der kompletten Vertragsleistungen wird der … vereinbart.”

In den vorgegebenen Leerraum ist handschriftlich das Datum 24.09.2013 eingetragen.

Unter Ziff. 3 “Vertragsstrafe” heißt es in Punkt 3.1, wobei die Klägerin als “AN” bezeichnet wird:

“Überschreitet der AN die Vertragstermine (Zwischen- und Endtermine) schuldhaft, ist eine Vertragsstrafe von 0,3 % der Nettoabrechnungssumme jedoch mindestens 520,- € je Werktag und nicht fertig gestellter WE vereinbart, höchstens jedoch 5 % der Nettoauftragssumme.”.

Die Beklagte erteilte der Klägerin Zusatzaufträge, sodass sich nach Abschluss der Arbeiten ein Werklohn von insgesamt 154.390,- € ergab. Diesen Betrag bezahlte die Beklagte vollständig bis auf einen Teilbetrag von 7.719,50 €, was 5 % der Nettoauftragssumme entspricht. Die Beklagte ist der Ansicht, in dieser Höhe sei der Werklohnanspruch erloschen. Die Klägerin habe aufgrund der verspäteten Fertigstellung der Werkleistung die vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe des Maximalbetrags verwirkt. Mit diesem Betrag rechne die Beklagte gegen die Vergütungsforderung auf.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin die Zahlung ihrer Restvergütung geltend. Sie hält den Abzug der Vertragsstrafe für unberechtigt. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

II.
Die Berufung ist zwar zulässig, der Senat sieht in der Sache aber keine Erfolgsaussichten für das Rechtsmittel. Der Werklohnanspruch der Klägerin ist nicht – auch nicht teilweise – durch Aufrechnung erloschen. Denn die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung einer Vertragsstrafe. Hierfür gibt es keine Rechtsgrundlage. Die Regelung in Ziff. 3.1 des Verhandlungsprotokolls dürfte gemäß § 306 Abs. 1 BGB unwirksam sein.

Es handelt sich bei ihr schon nach dem äußeren Erscheinungsbild um eine allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten. Als solche hält sie der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.

1.
Es kann dahinstehen, ob dies aus einer Intransparenz der Klausel folgt, die darin besteht, dass ihr Tagessatz an die Nettoabrechnungssumme, der Höchstbetrag jedoch an der Nettoauftragssumme anknüpft. Mit der Berufung erscheint dies auch dem Senat zweifelhaft (trotz BGH, Urteil vom 6.12.2007, VII ZR 28/07, Rz 12 ff). Es spricht Einiges dafür, dass etwaige Unklarheiten bei der maßgeblichen Bezugsgröße – wenn sie hier überhaupt bestehen – nach dem Gesetz dadurch zu lösen sind, dass im Zweifel der geringere Betrag herangezogen wird (§ 305 c Abs. 2 BGB).

2.
Die Klausel ist als Pönalisierung des Gesamtfertigstellungstermins auch nicht deshalb unwirksam, weil sie sich auf vereinbarte Zwischentermine bezieht, dies aber aufgrund der Rechtsprechung des BGH unwirksam sein dürfte (vgl. BGH, Urteil vom 6.12.2012, VII ZR 133/11). Die Nichtigkeitsfolge dieser Regelung tangiert die Vertragsstrafe für die Nichteinhaltung des Gesamtfertigstellungstermins nicht (BGH, Urteil vom 27.11.2013, VII ZR 371/12).

3.
Allerdings ist die Vertragsstrafe deshalb insgesamt unwirksam, weil sie zu hohe Tagessätze vorsieht. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe in allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren Höhe sich nach einem bestimmten Prozentsatz der Auftragssumme je Arbeitstag richtet, muss sowohl den Tagessatz als auch den Gesamtbetrag nach oben begrenzen (BGH, Urteil vom 20.1.2000, VII ZR 46/98, Rz 9 ff m.w.N.). Ein Tagessatz von 0,5 % der Auftragssumme ist auch bei einer Obergrenze von 5 % zu hoch. Er benachteiligt den Unternehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB (BGH a.a.O.), da dann schon nach einem Verzug von 10 Werktagen die volle Vertragsstrafe verwirkt ist (BGH a.a.O., Rz 18).

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Zwar sieht die Vertragsstrafenklausel zunächst einen Tagessatz von 0,3 % der Nettoabrechnungssumme vor, allerdings mit dem Zusatz “mindestens 520,- € je Werktag und nicht fertig gestellter WE”. Selbst wenn diese Vertragsstrafe nur hinsichtlich einer Wohneinheit verwirkt wäre, was vermutlich mit “WE” gemeint ist, entspricht der dann anfallende Tagessatz von 520,- € annähernd 0,5 % der Auftragssumme von 109.500,- € (= 547,50 €). Der Umstand, dass sich im vorliegenden Fall die Auftragssumme durch Nachträge noch erhöhte, hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Zu solchen Nachträgen muss es nicht zwangsläufig kommen, sodass sie bei der AGB-Kontrolle nicht zugunsten des Verwenders berücksichtigt werden dürfen (§ 305 c Abs. 2 BGB).

Noch problematischer wird die Tagessatzhöhe durch den Zusatz “… und nicht fertig gestellter WE”. Zwar ist von den Einzelheiten des Bauvorhabens nichts bekannt, aber es scheint nicht ausgeschlossen, dass der Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins Relevanz für mehrere Wohneinheiten des Vorhabens zugeschrieben kann – zumindest bei der auch hier gebotenen verwenderfeindlichen Auslegung. Dadurch könnte sich der Tagessatz auf deutlich mehr als 0,5 % der Auftragssumme erhöhen, womit die Klausel erst recht unwirksam wird.

Die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.1.2000, VII ZR 46/98) ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Eine Einschränkung auf Bauverträge mit “eher längeren Ausführungsfristen” (dahin der Klägervertreter im Schriftsatz vom 10. September 2015) kann ihr der Senat nicht entnehmen. Dies wäre auch nicht sinnvoll, weil es dem Gebot der typisierenden Betrachtung von allgemeinen Geschäftsbedingungen und dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach möglichst klaren Grenzziehungen nicht entspräche.

4.
Der somit nicht durch Aufrechnung erloschene Vergütungsanspruch der Klägerin ist auch nicht gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ausgeschlossen. Wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, nahm die Klägerin die Schlusszahlung nicht vorbehaltlos an, sondern widersprach mit Schreiben vom 11. Februar 2014 fristgemäß dem Abzug der Vertragsstrafe (Anlage K 10).

5.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 27.03.2017.

I