LG Hamburg: Handel mit gebrauchter Software ist zulässig

veröffentlicht am 22. Oktober 2008

LG Hamburg, Urteil vom 29.06.2006, Az. 315 O 343/06
§§ 69c Nr. 3 Satz 1, Satz 2, 17 Abs. 1 UrhG, §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 3, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG

Das LG Hamburg ist der Rechtsansicht, dass der Handel mit gebrauchter Software zulässig ist. Vorliegend entschied es, dass die Antragsgegnerin durch die Veräußerung einzelner Werkstücke („Lizenzen“) der von Microsoft-Kunden erworbenen Computerprogrammen an ihre Kunden nicht in das Microsoft zustehende Verbreitungsrecht eingegriffen habe. Das Verbreitungsrecht von Microsoft an den von der Antragsgegnerin gehandelten Vervielfältigungsstücken der hier in Rede stehenden Software habe sich vielmehr durch deren Inverkehrbringen mit Zustimmung von Microsoft analog § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG erschöpft. Das Urteil wurde später vom OLG Hamburg gestützt, wobei dieses aber eine Auseinandersetzung mit der Erschöpfungs-Frage vermied. Das OLG München (Klicken Sie bitte auf diesen Link, der JavaScript verwendet: OLG München) ist hingegen der Rechtsauffassung, dass der Handel mit gebrauchter Software verboten sei, wobei es sich auf die vertraglichen Besonderheiten, aber auch die Gesetzeslage berief.


In der Sache

gegen

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15 auf die mündliche Verhandlung vom 14.06.2005 durch
… für Recht:

I.
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 04.05.2006 wird unter Zurückweisung des auf ihren Erlass
gerichteten Antrages aufgehoben.

II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von dieser aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Antragsgegnerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Im Zentrum des vorliegenden Rechtsstreits steht die Frage, ob der Handel mit „gebrauchten“, ursprünglich von der Microsoft Ireland Operations Limited (im Folgenden „Microsoft“) im Rahmen von Volumenlizenzverträgen wie etwa sog. Microsoft Select- Verträgen vergebenen, Softwarenutzungsrechten wirksam möglich ist.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebes von Lizenzen für Microsoft-Software. Die Antragstellerin ist Microsoft-Fachhandelspartnerin und vertreibt in dieser Funktion bundesweit Microsoftprogramme mit Originalherstellerlizenz. Die Antragsgegnerin ist auf den Handel mit „gebrauchter“ – u. a. Microsoft- – Software spezialisiert und handelt zu diesem Zwecke mit Lizenzrechten.

Mit eMail vom 07.03.2006 bot die Antragsgegnerin der Antragstellerin Microsoft-Programme zu günstigen Preisen an (vgl. Anlage Ast 1). Die Günstigkeit dieser Preise beruht darauf, dass die Antragsgegnerin „gebrauchte“ Softwarelizenzen vertreibt. Microsoft pflegt in Erfüllung von Volumenlizenzverträgen – wie etwa Microsoft Select-Verträgen – mit Großkunden, die Lizenzen für mehrere Anwender benötigen, nicht, eine der Anzahl der Anwender entsprechende Menge von Datenträgern, auf welchen die jeweils lizenzierte Software jeweils gespeichert ist, an den Kunden zu übergeben, sondern diesem eine sog. Masterkopie zu überlassen, einen Datenträger, mithilfe dessen der Kunde die lizenzierte Software auf den Rechnern der prospektiven Anwender einrichten kann. Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin baut hierauf auf und gestaltet sich wie folgt: Die Antragsgegnerin erwirbt von einem Microsoft-Volumenlizenzvertragspartner eine Menge an Softwarelizenzen, für welche der Microsoft-Kunde keine Verwendung mehr hat. Letzterer versichert, die Microsoft-Software auf einer Anzahl von Rechnern, auf welchen er sie in Ausübung der veräußerten Lizenzrechte zunächst aufgespielt hatte, die der Anzahl der an die Antragsgegnerin veräußerten Lizenzen entspricht, gelöscht zu haben. Die Antragsgegnerin veräußert diese – „gebrauchten“ – Lizenzen an Dritte weiter. Sind diese selbst bereits Microsoft-Volumenlizenzvertragspartner, besteht also ein lizenzvertragliches Verhältnis zwischen diesen und Microsoft – etwa über einen Microsoft Select-Vertrag – , die nunmehr Lizenzen für weitere Anwender benötigen, nutzen sie ihre ihnen von Microsoft überlassene Masterkopie, um in Ausübung der von der Antragsgegnerin als Mittlerin erworbenen zusätzlichen Lizenzen die Microsoft-Software auf die Rechner, auf welchen diese genutzt werden soll, aufzuspielen. Eine Zustimmung von Microsoft zu den bezeichneten Erwerbsvorgängen wird zu keinem Zeitpunkt eingeholt.

Ein Blankoexemplar eines Microsoft Select-Vertrages liegt der Kammer als Anlage Ast 2 bzw. Anlage SCH 4, ein Blankoexemplar eines Microsoft Business-Vertrages liegt der Kammer als Anlage SCH 3 vor. Auf die benannten Anlagen wird wegen der Einzelheiten der Vertragsgestaltung verwiesen.

Mit Anwaltsschreiben der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 13. 04.2006 ließ diese die Antragsgegnerin wegen des An- und Weiterverkaufs „gebrauchter“ Softwarelizenzen abmahnen (vgl. Anlage Ast 5). Die Antragsgegnerin gab gegenüber der Antragstellerin keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab (vgl. Anlage Ast 3).

Mit Beschluss vom 04.05.2006 hat die Kammer der Antragsgegnerin auf Antrag der Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten, im geschäftlichen Verkehr den Verkauf von Microsoft-Softwarelizenzen zu bewerben, die zuvor im Rahmen von Volumenlizenzverträgen wie z. B. Select-Verträgen abgegeben wurden.

Hiergegen richtet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch.

Die Antragstellerin ist unter Berufung auf das – nicht rechtskräftige – Urteil des Landgerichts München I vom 19.01.2006 (Az.: 7 O 23237/06; vgl. Anlagen Ast 6 und SCH 5) der Auffassung, das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin sei urheberrechtlich unzulässig und die dessen Zulässigkeit suggerierende Bewerbung mithin als irreführend unlauter. Durch die Vergabe von Softwarenutzungsrechten durch Microsoft an deren Ersterwerber, sei es online, sei es via eine Masterkopie, auf der schuldrechtlichen Grundlage eines Volumenlizenzvertrages erschöpfe sich das Verbreitungsrecht von Microsoft in Bezug auf diese Softwarenutzungsrechte nicht. § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG finde weder direkt noch analog Anwendung. Im Übrigen verstoße das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin gegen Ziff. 9 des Microsoft Select-Vertrages.

Die Antragstellerin beantragt, die einstweilige Verfügung der Kammer vom 04.05.2006 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt:

I.
Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 4. Mai 2006, Az.: 315 O 343/06, wird aufgehoben.

II.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 2. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, ihr oben dargestelltes Geschäftsmodell begegne weder urheberrechtlichen noch lauterkeitsrechtlichen Bedenken, so dass auch die Werbung hierfür zulässig sei. Die Verbreitungsrechte an den von ihr, der Antragsgegnerin, gehandelten Lizenzen, die Microsoft dem jeweiligen Ersterwerber auf der Grundlage eines Volumenlizenzvertrages einräumt, seien durch deren erstmaliges Inverkehrbringen – sei es online, sei es via eine Masterkopie – analog § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG erschöpft. Soweit Microsoft durch Lizenzübertragungsbeschränkungen (vgl. etwa Ziff. 9 des Vertrages gemäß Anlage Ast 2) dem Ersterwerber von Softwarelizenzen deren Weiterveräußerung formularmäßig untersage, verstoße eine solche Regelung wegen der Unzulässigkeit einer vertraglichen Abbedingung des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Widerspruchsverhandlung) vom 14. 06.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 04.05.2006 ist unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens der Antragsgegnerin aufzuheben (§§ 925 Abs. 1 und 2, 936 ZPO). Sie hat sich als zu Unrecht ergangen erwiesen.

Der Antragstellerin steht der von ihr geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 3 UWG noch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I.
Die Antragsgegnerin wirbt nicht irreführend.

Der Verkauf bzw. die Veräußerung einzelner Microsoft-Softwarelizenzen, die zuvor im Rahmen von Volumenlizenzverträgen wie z. B. Select-Verträgen abgegeben worden waren, ist auch ohne Zustimmung von Microsoft wirksam möglich. Eine Werbung, die dies kommuniziert, ist mithin nicht irreführend.

1.
Unstreitig stehen Microsoft an den hier in Rede stehenden Computerprogrammen, welche gemäß den §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a Abs. 1 und 3 UrhG als individuelle geistige Werkschöpfungen der an ihrer Entwicklung und Erstellung beteiligten Personen Urheberrechtsschutz genießen, die ausschließlichen Nutzungsrechte zu.

2.
Durch die Veräußerung einzelner Werkstücke („Lizenzen“) von von ihr zuvor von Microsoft-Kunden erworbenen Computerprogrammen an ihre, der Antragsgegnerin, Kunden greift die Antragsgegnerin indes nicht in das Microsoft als der Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte zustehende Verbreitungsrecht (§§ 69c Nr. 3 Satz 1, 17 Abs. 1 UrhG) ein. Das Verbreitungsrecht von Microsoft an den von der Antragsgegnerin gehandelten Vervielfältigungsstücken der hier in Rede stehenden Software hat sich durch deren Inverkehrbringen mit Zustimmung von Microsoft analog § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG erschöpft.

a.
Die Kammer kann die Rechtsnatur der Verträge betreffend die Einräumung von Nutzungsrechten an Software, die zwischen Microsoft und seinen Kunden zustande kommen, nur anhand der ihr vorgelegten Microsoft-Verträge „Select“ und „Business“ beurteilen.

Hiernach handelt es sich bei der hier in Rede stehenden Vertragsgestaltung um Kaufverträge bzw. jedenfalls kaufvertragsähnliche Verträge (vgl. dazu BGHZ 102, S. 135 ff. (S. 141); Hoeren in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Auflage 2000, § 69c Rn. 14; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 69c Rn. 38), wobei Vertragsgegenstand jeweils eine Anzahl von Nutzungsrechten ist, die Microsoft seinen Vertragspartnern im Grundsatz als zeitlich unbeschränkte Lizenzen veräußert.

Microsoft vereinbart mit seinen Kunden zudem eine Art „Eigentumsvorbehalt“ hinsichtlich übertragener Nutzungsrechte dergestalt, dass jedes übertragene Nutzungsrecht bis zu seiner vollständigen Bezahlung zeitlich beschränkt ist. Ziff. 5 („Lizenzgewährung – was Ihre Beitrittsunternehmen nutzen dürfen“) des Microsoft Select-Vertrages lautet unter der Rubrik „Einfache Lizenz“ etwa wie folgt: „Das Recht eines Beitrittsunternehmens unter diesem Vertrag, Kopien eines Produkts zu nutzen, für das es nur eine Lizenz bestellt hat, ist zeitlich beschränkt, bis das Beitrittsunternehmen diese Lizenz vollständig bezahlt hat. Anschließend wird das Beitrittsunternehmen eine zeitlich unbeschränkte Lizenz zur Nutzung der Anzahl der bestellten Kopien in der bestellten Version haben.“

Für die rechtliche Einordnung der hier in Rede stehenden Vertragsgestaltung als jedenfalls kaufvertragsähnliche Verträge spricht des Weiteren die Formulierung in Ziff. 2 („Das Select-Lizenzprogramm“) des Microsoft Select-Vertrages, in welcher unter lit. c davon die Rede ist, „Select-Handelspartner [seien] bevollmächtigt, unsere Produktlizenzen zu verkaufen“ (Unterstreichung durch die Kammer). Anhaltspunkte für eine anderweitige rechtliche Einordnung der hier in Rede stehenden Verträge betreffend die Einräumung von Nutzungsrechten an Software hat auch die Antragstellerin nicht nachvollziehbar vorgetragen.

b.
Durch die in Erfüllung des jeweiligen Volumenlizenzvertrages – wie etwa eines Microsoft Select-Vertrages – erfolgte Einräumung von Nutzungsrechten an Software hat sich das Verbreitungsrecht von Microsoft in Bezug auf jedes einzelne eingeräumte Nutzungsrecht, welches jeweils als ein eigenständig zu beurteilendes Vervielfältigungsstück der Software zu behandeln ist, erschöpft.

Zum – auch in § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG normierten – urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 4. Mai 2000 (Az.: I ZR 256/97 – Parfumflakon; GRUR 2001, S. 51 ff.) u. a. das Folgende ausgeführt (a.a.O., S. 53):

„Die gesetzliche Regelung in § 17 II UrhG ist jedoch Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes, dass das Urheberrecht ebenso wie andere Schutzrechte gegenüber dem Interesse an der Verkehrsfähigkeit der mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gesetzten Waren zurücktreten muss (vgl. BGH, GRUR 1986, 736 [737f.] = NJW-RR 1986, 1183 = LM § 17 UrhG Nr. 8 – Schallplattenvermietung). Innerhalb eines einheitlichen Wirtschaftsraums soll das mit Zustimmung des Berechtigten in Verkehr gesetzte Werkstück ungeachtet des urheberrechtlichen Schutzes frei zirkulieren dürfen. Dem Berechtigten ist es unbenommen, die Erstverbreitung des Werkstücks zu untersagen oder von einer angemessenen, auch diese Nutzung seines Werks berücksichtigenden Vergütung abhängig zu machen. Hat er diese Zustimmung aber erst einmal erteilt, soll es ihm verwehrt sein, mit Hilfe des Urheberrechts die weiteren Absatzwege dieser Ware zu kontrollieren.“

aa.
In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms“ in § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG ist eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den hier zu beurteilenden Fall einer Übertragung mehrerer Nutzungsrechte vermittels Übergabe nur einer Masterkopie, mithilfe derer die fragliche Software mehreren Anwendern zur Verfügung gestellt werden kann, veranlasst (vgl. hierzu Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 69c Rn. 31; ders. in ZUM 2006, S. 302 ff.; Hoeren in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Auflage 2000, § 69c Rn. 16; Sosnitza in K&R 2006, S. 206 ff.).

Nach dem Wortlaut des § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG ist Voraussetzung einer Erschöpfung das Inverkehrbringen eines Vervielfältigungsstückes, was eine Verkörperung des jeweiligen Vervielfältigungsstückes der Software – etwa auf einer CD-ROM, einer Diskette oder einem anderen Datenträger – voraussetzt. Vervielfältigung ist grundsätzlich jede körperliche Festlegung, die geeignet ist, ein Werk auf irgendeine Weise den menschlichen Sinnen unmittelbar oder mittelbar zugänglich zu machen (vgl. Marquardt in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 6 Rn. 25 und Heerma inWandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 16 Rn. 2).

Das Verwertungsinteresse in Bezug auf Software unterscheidet sich indes nicht danach, ob die einzelnen Nutzungsrechte in Erfüllung des jeweiligen Volumenlizenzvertrages körperlich oder unkörperlich – wie hier im Wege der Überlassung einer Masterkopie – übertragen werden. Das Ergebnis ist das gleiche: Im einen wie im anderen Fall ist die Software letztlich auf einer Anzahl von Rechnern (zeitlich unbeschränkt) nutzbar, die der Anzahl der übertragenen Nutzungsrechte entspricht. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grunde das urheberrechtliche Verbreitungsrecht in Bezug auf Softwarenutzungsrechte in der Zwangsvollstreckung, dort im Rahmen einer Drittwiderspruchsklage im Sinne von § 771 Abs. 1 ZPO, danach unterschiedlich behandelt werden sollte, ob der Rechtsinhaber das jeweilige Nutzungsrecht durch die Überlassung einzelner – verkörperter – Vervielfältigungsstücke (etwa einzelner CD-ROMs), Online oder im Wege der Überlassung einer – mehrfach nutzbaren – Masterkopie eingeräumt hat. Es kann nicht in der Hand des Rechtsinhabers liegen, durch die Wahl einer bestimmten Art der Einräumung (zeitlich) unbeschränkter Nutzungsrechte in Erfüllung eines jedenfalls kaufvertragsähnlichen Vertrages zulasten der Gläubiger seines Kunden die Vollstreckung in von letzterem erworbene Software, die einen erheblichen Vermögenswert darstellen kann, zu verhindern.

Es besteht auch eine planwidrige Regelungslücke (vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 69c Rn. 31 und Heerma in Wandtke/ Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 17 Rn. 16). In Erwägungsgrund Nr. 29 der Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001, zu deren Umsetzung § 69c Nr. 3 UrhG zuletzt durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (BGBl. I 2003, S. 1774) geändert worden ist, heißt es zwar u. a. wie folgt: „Die Frage der Erschöpfung stellt sich weder bei Dienstleistungen allgemein noch bei Online-Diensten im Besonderen.“

Zum einen erfasst diese Formulierung indes nicht den Fall der einmaligen, in Erfüllung eines Volumenlizenzvertrages erfolgenden, Online-Übertragung von Software, die fortan ohne eine (Online-)Verbindung zum Rechtsinhaber von dem Ersterwerber auf seinem Rechner genutzt werden kann, und zum anderen ist hier die Rechteübertragung vermittels Übergabe einer Masterkopie überhaupt nicht angesprochen. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG ist hier nicht einschlägig. Wenn aber die unkörperliche Übertragung die Übergabe eines physischen Werkstücks ersetzt, dann muss auch hinsichtlich des so – unkörperlich – hergestellten Werkstücks Erschöpfung eintreten. Andernfalls wäre das unkörperlich hergestellteWerkstück nicht verkehrsfähig. Das Vergütungsinteresse von Microsoft – welches etwa wegen einer degressiven Gebührenstruktur durch die Möglichkeit der Weiterveräußerung einzelner Lizenzen gestört werden könnte – ist insoweit nicht zu berücksichtigen. Für die Frage des Eintrittes einer urheberrechtlichen Erschöpfung des Verbreitungsrechts in Bezug auf Vervielfältigungsstücke von Software ist es vielmehr gänzlich irrelevant (vgl. hierzu auch BGH CR 2000, S. 651 ff. (S. 653-654) und die Anmerkung von Witte in CR 2000, S. 654 f. (S. 655)).

bb.
Es liegt auch eine „Veräußerung“ im Sinne von § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG vor. Zum einen handelt es sich bei der Einräumung der einzelnen Softwarenutzungsrechte um ein Handeln in Erfüllung eines jedenfalls kaufvertragsähnlichen Vertrages, vgl. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zum anderen ist entscheidend, dass sich der Berechtigte der Verfügungsmöglichkeit über die Werkstücke endgültig begibt (vgl. Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, 2. Auflage 1999, § 69c Rn. 34). Wie bereits ausgeführt, werden die im Rahmen von Microsoft Select-Verträgen versprochenen Nutzungsrechte letztlich – abgesehen von dem bereits erörterten „Eigentumsvorbehalt“ – zeitlich unbeschränkt eingeräumt. Der Lizenznehmer hat die ihm überlassene Software nach Vertragsende weder an Microsoft zurückzugeben noch zu vernichten (vgl. hierzu Ziff. 10 lit. c des Microsoft Select-Vertrages und Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, 2. Auflage 1999, § 69c Rn. 34).

cc.
Dem Eintritt der Erschöpfungswirkung stehen Regelungen in dem Microsoft Select-Vertrag nicht entgegen.

Zwar regelt Ziff. 9 des Vertrages im Einzelnen, inwieweit eine Lizenzübertragung zulässig sei, wobei eine Übertragung von Lizenzen insbesondere von einer schriftlichen Zustimmung von Microsoft abhängig gemacht wird. Der letzte Satz von Ziff. 9 lit. a lautet sodann wie folgt: „Eine Übertragung, die die Anforderungen oder Einschränkungen dieses Absatzes verletzt, ist nichtig.“

Letzterer vertraglicher Regelung steht indes die Tatsache entgegen, dass es sich bei der Erschöpfung um zwingendes Recht handelt, das nicht vertraglich abbedungen werden kann (vgl. HansOLG Bremen WRP 1997, S. 573 ff. (S. 575); OLG Düsseldorf MMR 1998, S. 417; Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 69c Rn. 38; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht, 2. Auflage 1999, § 69c Rn. 32; Sosnitza in K&R 2006, S. 206 ff. (S. 210); Marly in Softwareüberlassungsverträge, 4. Auflage 2004, S. 461 (Rn. 1069); Schuppert/Greissinger in CR 2005, S. 81 ff. (S. 83 unter Ziff. IV 1)). Ziff. 9 des Microsoft Select-Vertrages kommt demnach keinesfalls eine dingliche Wirkung zu, die zur Folge hätte, dass der Ersterwerber nur ein in Bezug auf die Möglichkeit der Weiterveräußerung beschränktes Recht an der ihm überlassenen Software erlangen würde und nur in diesem Umfang eine Erschöpfung eintreten könnte (vgl. hierzu BGH CR 2000, S. 651 ff. (S. 652 und 653) und Schuppert/Greissinger in CR 2005, S. 81 ff. (S. 85-87)).

Aber auch eine schuldrechtliche Wirkung von Ziff. 9 des Microsoft Select-Vertrages ist fraglich, kann hier im Ergebnis jedoch unentschieden bleiben. Die Klauseln in Ziff. 9 des Microsoft Select-Vertrages sind allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, handelt es sich bei diesen doch um von Microsoft vorformulierte Vertragsbedingungen, die Microsoft seinem jeweiligen Vertragspartner bei Vertragsschluss stellt. Ziff. 9 des Microsoft Select-Vertrages dürfte sowohl als überraschende Klausel gemäß den §§ 305 Abs. 1, 306 Abs. 1 BGB als auch als Abweichung vom – u. a. durch § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG geprägten – urheberrechtlichen Leitbild und den wesentlichen Rechten und Pflichten eines kaufvertraglich ausgestalteten Softwareüberlassungsvertrages gemäß den §§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 306 Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden bzw. unwirksam sein (vgl. HansOLG BremenWRP 1997, S. 573 ff. (S. 576); Grützmacher in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 69c Rn. 38; Sosnitza in K&R 2006, S. 206 ff. (S. 210); Marly in Softwareüberlassungsverträge, 4. Auflage 2004, S. 461 (Rn. 1069)).

3.
Soweit zur bestimmungsgemäßen Benutzung der Software noch Handlungen im Sinne von § 69c Nr. 1 UrhG – sei es durch den Ersterwerber, soweit der Zweiterwerber keine eigene Masterkopie in Bezug auf die in Rede stehende Software hat, oder durch den Zweiterwerber – erforderlich sind, vermittelt § 69d Abs. 1 UrhG letzteren hierfür eine gesetzliche „implied licence“ (vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 69d Rn. 3 und 4). Eine Zustimmung des Rechtsinhabers ist insoweit demnach nicht erforderlich. Nach Eintritt der Erschöpfung analog § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG sind sowohl Erst- als auch Zweiterwerber zur Verwendung der Software Berechtigte im Sinne von § 69d Abs. 1 a. E. UrhG. Berechtigt ist auch ein Erwerber, dessen Erwerb gegen ein (lediglich) schuldrechtlich wirkendes Weitergabeverbot verstößt (vgl. Grützmacher in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Auflage 2006, § 69d Rn. 27). In Bezug auf den Ersterwerber stehen dem auch keine „besonderen vertraglichen Bestimmungen“ aus dem Microsoft Select-Vertrag entgegen. Hat der Zweiterwerber keine eigene Masterkopie in Bezug auf die in Rede stehende Software, können ihm – dinglich wirksam – von dem Ersterwerber zuvor gemäß Ziff. 8 lit. a des Microsoft Select-Vertrages hergestellte Datenträger überlassen werden.

II.
Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus § 3 UWG unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzens fremden Vertragsbruchs. Zum einen ist das Vorliegen eines Vertragsbruchs fraglich, da erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit von Ziff. 9 des Microsoft Select-Vertrages bestehen. Zum anderen wirken vertragliche Rechte und Pflichten nur relativ und nicht absolut.

Die bloße Verletzung vertraglicher Pflichten hat im Grundsatz keine wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen. Das Ausnutzen fremden Vertragsbruchs ist grundsätzlich zulässig, sofern es nicht auf der Initiative des Ausnutzenden beruht – sog. Verleiten zum Vertragsbruch, wofür hier nichts dargetan ist – oder, sofern nicht besondere Umstande bei der Missachtung der vertraglichen Regelung hinzukommen (vgl. HansOLG, Beschluss vom 31. März 2006 zum Az. 3 U 253/05, S. 4-5). Auch das Vorlie15 gen solcher besonderer Umstände ist hier nicht ersichtlich (vgl. hierzu auch BGH CR 2000, S. 651 ff. (S. 654)

Mit der Vergabe mehrerer Lizenzen vermittels Übergabe einer Masterkopie erschöpft sich das Verbreitungsrecht an diesen Lizenzen analog § 69c Nr. 3 Satz 2 UrhG. Erwerb und Weiterveräußerung solcher Lizenzen sind dinglich wirksam.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 6, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

I